Hohlbein Classics - Der Puppenspieler - Wolfgang Hohlbein - E-Book

Hohlbein Classics - Der Puppenspieler E-Book

Wolfgang Hohlbein

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Beschreibung

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe "Hohlbein Classics" versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.


Die Story: Zwei "harmlose" Einbrecher wittern fette Beute, als sie in ein Lagerhaus in einem der alten Industrieviertel Londons einsteigen. Unvermittelt treffen sie auf eine menschliche Gestalt. Sie bereiten sich schon auf einen wilden Kampf vor, als sie im Licht iherer Taschenlampen erkennen, daß es sich lediglich um eine Plastikpuppe handelt. Mehr oder weniger beruhigt setzen sie ihre Suche noch lohnender Beute fort und ahnen nicht, was sich hinter ihnen tut. Die leblose Puppe verfolgt die Aktionen der Einbrecher und setzt sich langsam in Bewegung. Als einer der Ganoven endlich begreift, daß die Puppe lebt, ist es bereits zu spät.


"Der Puppenspieler" erschien erstmals am 04.10.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe "Damona King".


Der Autor: Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

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Seitenzahl: 144

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Inhalt

CoverHohlbein ClassicsÜber diese FolgeÜber den AutorTitelImpressumDer PuppenspielerVorschau

Hohlbein Classics

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe »Hohlbein Classics« versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Über diese Folge

Der Puppenspieler

Ein Damona King Roman

Zwei »harmlose« Einbrecher wittern fette Beute, als sie in ein Lagerhaus in einem der alten Industrieviertel Londons einsteigen. Unvermittelt treffen sie auf eine menschliche Gestalt. Sie bereiten sich schon auf einen wilden Kampf vor, als sie im Licht iherer Taschenlampen erkennen, daß es sich lediglich um eine Plastikpuppe handelt. Mehr oder weniger beruhigt setzen sie ihre Suche noch lohnender Beute fort und ahnen nicht, was sich hinter ihnen tut. Die leblose Puppe verfolgt die Aktionen der Einbrecher und setzt sich langsam in Bewegung. Als einer der Ganoven endlich begreift, daß die Puppe lebt, ist es bereits zu spät.

»Der Puppenspieler« erschien erstmals am 04.10.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe »Damona King«.

Über den Autor

Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

WOLFGANG

HOHLBEIN

Der Puppenspieler

Ein Damona King Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Aktualisierte Neuausgabe der im Bastei Lübbe Verlag erschienenen Romanhefte aus der Reihe Damona King

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Esther Madaler

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von © shutterstock/Natykach Nataliia; shutterstock/Dmitry Natashin

E-Book-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-7325-1448-9

Der Puppenspieler

Gespensterkrimi von Henry Wolf

Auf der Straße fuhr ein Wagen vorbei. Der helle Lichtfinger der Scheinwerfer riss flüchtige Reflexe aus der feuchten Backsteinmauer, huschte wie eine tastende, körperlose Hand über das schwarze Rechteck der Tür und verschwand dann wieder.

Sam Corweyn blieb reglos hinter seiner Deckung hocken, bis das Motorgeräusch in der Nacht verklungen war. Sein Herz klopfte etwas rascher als zuvor, als er sich hinter der Barriere aus Mülltonnen und aufeinandergestapelten Pappkartons erhob und geduckt zur Tür zurückhuschte. Er hatte keine Angst, sondern sein Verhalten entsprang einer gewissen angeborenen Vorsicht, die sich durch die Art, wie er seinen Lebensunterhalt verdiente, noch verstärkt hatte, bis er beinahe instinktiv auf jede noch so winzige Veränderung, jedes verdächtige Geräusch und jede Bewegung in seiner Nähe reagierte. Er presste sich gegen die Wand, lugte misstrauisch die Straße hinunter und tastete dann mit klammen Fingern nach dem Türknauf.

Er fror.

Die Nacht war kühl für diese Jahreszeit, und der plötzliche Regenguss vor einer halben Stunde, der ihn und Thornhill bis auf die Haut durchnässt hatte, hatte die Temperaturen noch weiter fallen lassen. Seine Hand zitterte leicht, als er den glatten runden Türknauf und den schmalen Schlitz des Sicherheitsschlosses betastete.

»Kommst du klar?«, fragte Thornhill hinter ihm. Seine Stimme zitterte hörbar, und sein Atem ging schnell und stoßweise. Corweyn unterdrückte ein Lächeln. Thornhill war ein guter Mann – zumindest konnte er es einmal werden, dessen war er sich sicher –, aber es war sein erster wirklich großer Bruch. Bisher hatte er sich mit Zigarettenautomaten und dem gelegentlichen Ausräumen eines Autos über Wasser gehalten. Kein Wunder, dass er nervös war.

Er nickte, sah noch einmal rasch nach rechts und links und nahm dann den Bund mit Dietrichen aus der Rocktasche. Sie waren allein und ungestört, und das würden sie auch bleiben. Die letzten drei Nächte hatte er damit zugebracht, die nähere Umgebung zu sondieren. Das Lagerhaus lag in einem der alten Industrieviertel Londons, einer trostlosen, beinahe menschenleeren Gegend, in die sich nach Dunkelwerden kaum noch jemand verirrte. Und die nächste Polizeistreife war erst in mehr als einer Stunde fällig. Bis dahin waren sie längst mit ihrer Beute in Sicherheit.

Thornhill bewegte sich unruhig. Die harten Absätze seiner Schuhe verursachten kleine, klickende Echos an den nackten Ziegelsteinmauern und vermischten sich mit dem leisen, winselnden Heulen des Windes. Zusammen mit der schummrigen Beleuchtung und all dem Verfall und Unrat ringsum ergab sich eine beinahe unheimliche Atmosphäre, fand Corweyn.

Er schob den Gedanken mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln von sich, ging in die Knie und schaltete für einen Augenblick seine Taschenlampe ein. Die Batterien waren schon schwach, aber der trübe gelbe Schein reichte, um den passenden Dietrich zu erkennen. Er schob ihn ins Schloss, drehte ihn ein paarmal nach rechts und links und grinste schließlich zufrieden, als ein leises metallisches Klicken ertönte. Er trat zurück, schob die Tür mit den Fingerspitzen auf und machte eine theatralische Geste.

»Bitte einzutreten, der Herr. Es ist geöffnet.«

Thornhill lächelte, aber es wirkte unecht und nervös. Geduckt huschte er an Corweyn vorbei und verschwand im Innern des Gebäudes.

Corweyn sah sich ein letztes Mal misstrauisch um, schlüpfte dann ebenfalls durch die Tür und schob sie hinter sich wieder ins Schloss.

Drinnen war es absolut finster. Der Einbrecher blieb einen Herzschlag lang mit geschlossenen Augen stehen und lauschte. Von irgendwoher ertönte ein leises, monotones Quietschen; ein Laden oder ein Stück loser Dachpappe, das sich im Wind bewegte. Corweyn kannte die Geräusche eines leer stehenden Hauses. Ein Haus, das leer stand, musste nicht schweigen, im Gegenteil. Jedes Haus hatte seine eigene Stimme, seine eigenen, ganz charakteristischen Lebensäußerungen.

»Okay«, sagte er, lauter, als eigentlich nötig gewesen wäre. »Du kannst Licht machen.«

Von rechts, von dort, wo Thornhill stand, ertönte ein leises Rascheln, dann fiel der helle, lang gestreckte Lichtfinger einer Taschenlampe auf den nackten Boden. Eine Pfütze schimmerte ölig. Kisten und Kartons – die meisten aufgerissen und leer – standen in wirrer Unordnung durcheinander, und auf dem Boden lag eine fast zentimeterhohe Staubschicht. Corweyn nickte zufrieden. Bis jetzt hatte sich das, was sein Informant gesagt hatte, bewahrheitet.

»Leuchte mal nach rechts rüber«, murmelte er. »Irgendwo dort muss die Treppe sein.«

Thornhill gehorchte schweigend. Der Lichtfinger glitt über weitere Kisten, huschte über einen beinahe meterhohen Haufen mit Abfall und eine Reihe rostiger Ölfässer und blieb schließlich an dem dünnen Gespinst einer metallenen Wendeltreppe hängen. Im Staub vor ihr war eine breite, zertrampelte Spur; Beweis dafür, dass zumindest ein Teil der Halle bewohnt war.

»Gut. Gehen wir.«

Thornhill zögerte. Corweyn drehte sich ungeduldig um, aber er konnte von dem anderen nur eine verschwommene schwarze Silhouette erkennen, die sich undeutlich hinter der Taschenlampe abzeichnete.

»Was ist?«, fragte er. »Schiss?«

Thornhill gab ein seltsames, halb ersticktes Geräusch von sich. Angst, konstatierte Corweyn. Aber das war nur natürlich, beim ersten Mal.

»Schiss nicht«, sagte er schließlich kläglich, »aber ...«

Corweyn grinste im Dunkeln. »Ein bisschen unheimlich, wie?«, fragte er. »Mach dir nichts draus, das vergeht. Außerdem kriegst du das bisschen Angst verdammt gut bezahlt. Komm jetzt. Leuchte mir.« Er drehte sich um und ging zielsicher auf die Treppe zu, ohne auf Thornhill zu warten. Schließlich hatte auch er irgendwann einmal angefangen, und damals hatte er die Hosen mindestens ebenso vollgehabt wie Thornhill heute. Der Junge war noch ein halbes Kind. Er musste Geduld haben.

Er erreichte die Treppe, legte die Hand auf den feuchten Handlauf und spähte nach oben. Das bleiche Licht der Taschenlampe reichte kaum aus, um die gesamte Treppe zu beleuchten. Der Schein verlor sich irgendwo auf halber Höhe und ließ an ihrem oberen Ende nur vage Schatten und Dunkelheit erkennen. Er wartete, bis Thornhill neben ihm angelangt war, boxte ihm aufmunternd in die Rippen und begann dann mit raschen Schritten die Treppe hinaufzugehen. Die dünne Metallkonstruktion bebte unter ihrem Gewicht, und ihre Schritte erzeugten seltsam hallende Echos in der riesigen leeren Halle.

»Bist du sicher, dass hier wirklich was zu holen ist?«, fragte Thornhill nervös.

Corweyn schüttelte ungerührt den Kopf. »Keine Spur. Sicher bin ich erst, wenn ich die Moneten in den Händen habe. Aber bisher hat alles gestimmt. Und warum sollte uns Barkham anschmieren? Schließlich kriegt er seine zwanzig Prozent nur, wenn wir auch was finden. Und wenn nicht«, fügte er etwas drohender hinzu, »kriegt er eine Menge Ärger. Und das weiß er.«

Sie hatten das obere Ende der Treppe erreicht und standen vor einer glatten, frisch gestrichenen Feuerschutztür. Das Schloss sah neu und überaus stabil aus, aber für einen Profi-Einbrecher wie Corweyn stellte es kein ernst zu nehmendes Hindernis dar. Er hantierte eine Weile an der Tür herum, drehte dann den Knauf und schob die Tür behutsam auf.

Der Raum dahinter war ebenso dunkel wie die Halle. Corweyn spähte misstrauisch hinein, streckte dann auffordernd die Hand aus und machte ein unwilliges Geräusch, als Thornhill ihm nicht schnell genug die Taschenlampe gab.

»Still jetzt!«, zischte er, während er den Lichtstrahl über die Wände gleiten ließ. »Keinen Laut, und immer dicht hinter mir bleiben. Und rühr ja nichts an. Hier irgendwo muss die Alarmanlage sein.«

Er machte einen vorsichtigen Schritt in den Raum hinein, drehte sich einmal um seine Achse und ließ den Strahl der Taschenlampe über die Wände gleiten. Der Raum war fensterlos und kaum größer als eine Besenkammer. Zwei schmale, stabil aussehende Eisentüren führten tiefer in das Gebäude hinein. Corweyn sah sich eine Weile schweigend um und deutete dann auf ein dünnes, aus kaum sichtbaren Linien gebildetes Rechteck neben einer der Türen. »Dort!«

Er gab Thornhill die Taschenlampe zurück, knöpfte seine Jacke auf und nahm ein ganzes Bündel feiner Werkzeuge hervor – Zangen, Skalpelle, Rollen mit dünnem silbernem Draht und ein Messgerät in einer schwarzen Ledertasche. Er tastete mit spitzen Fingern über das Rechteck, fand den Verschluss und klappte es auf. Dahinter kam ein grauer, offenbar ziemlich neuer Metallkasten zum Vorschein.

»Da ist sie ja«, sagte er zufrieden.

Thornhill schüttelte den Kopf. »Dilettantisch«, murmelte er. »Die Alarmanlage so anzubringen, dass man von draußen rankommt.«

Corweyn schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Normalerweise wäre die Tür, durch die wir gekommen sind, schon mit angeschlossen gewesen. Aber die Handwerker sind nicht fertig geworden. Nächste Woche ist das hier eine Festung. Leider zu spät«, kicherte er.

Seine Finger glitten mit dem Feingefühl eines Chirurgen über die Alarmzentrale, fanden den Verschluss und öffneten sie. Dahinter kam ein scheinbar sinnloses Durcheinander aus Kabeln, Transistoren und kleinen, schimmernden Platinen zum Vorschein.

»Wirst du damit fertig?«

Corweyn grinste. »Kinderspiel. Das ist keine Alarmanlage, das ist ein Witz. Genauso gut könnte er ein Schild auf hängen: ZUTRITT VERBOTEN.«

Thornhill lachte leise, wurde aber auf einen warnenden Blick Corweyns hin sofort wieder ruhig. Reglos und ohne den geringsten Laut von sich zu geben, wartete er, bis Corweyn nach einer Ewigkeit von dem Kasten zurücktrat und hörbar aufatmete.

»Erledigt?«

Corweyn nickte. »Erledigt. Wir brauchen nur noch abzukassieren.« Er nahm seinen Dietrich zur Hand, öffnete eine der beiden Feuertüren und tastete an der Wand entlang, bis er einen Lichtschalter gefunden hatte. Unter der Decke glühte eine nackte Birne auf und verbreitete schummrige Helligkeit.

Thornhill sog hörbar die Luft ein, als sein Blick in den angrenzenden Raum fiel.

Der Raum war zum Bersten vollgestopft mit Schaufensterfiguren. Es mussten Hunderte sein, wenn nicht Tausende – Männer, Frauen, Kinder, die in langen Reihen nebeneinander- oder auch einfach übereinandergestapelt waren. In einer Ecke stand ein Regal mit Ersatzteilen; abgeschraubte Arme und Beine, rumpflose Köpfe, Hände, die in einer zeitlos erstarrten Bewegung in die leere Luft zu greifen schienen ... Thornhill schüttelte sich. Er sah das schadenfrohe Grinsen auf Corweyns Zügen, aber das störte ihn nicht. Der Anblick war unheimlich, ganz egal, wie man es betrachtete.

Corweyn machte eine auffordernde Kopfbewegung und zog die Tür zu. Es gab nur einen einzigen, schmalen Weg, der durch das Labyrinth aus Schaufensterfiguren zu einem kleinen gläsernen Büroraum führte, der etwas erhöht an der Südwand des Raumes aufgebaut war.

»Dort drin sind unsere Mäuse«, sagte Corweyn aufgeräumt. »Wir brauchen sie nur noch zu nehmen.«

Thornhill antwortete nicht. Er folgte dem anderen durch den Raum, aber das ungute Gefühl verschwand nicht, im Gegenteil. Es schien mit jedem Moment stärker zu werden. Mit einem Mal fiel es ihm schwer zu glauben, dass all diese bleichen menschengroßen Gestalten wirklich nur leblose Kunststoffpuppen sein sollten. Die Glühbirne unter der Decke verbreitete kaum Licht, und alles, was hinter der ersten Reihe der starr dastehenden Puppen war, lag scheinbar hinter einem Vorhang aus wabernden Schatten und ungewisser, vielleicht nur eingebildeter Bewegung. Die Glühbirne schaukelte leicht an ihrem Draht, als sie von einem Windzug gestreift wurde. Die Schatten begannen zu tanzen, sich vor- und zurückzubewegen. Es sah aus, als griffen die bleichen Totenhände der Puppen nach ihnen.

Corweyn drückte die Klinke der gläsernen Bürotür herunter. Sie war nicht verschlossen. Offensichtlich verließ sich der Besitzer dieses Lagerraumes ganz auf seine nicht funktionierende Alarmanlage.

Corweyn deutete wortlos auf einen niedrigen Geldschrank in der Ecke. »Siehst du«, sagte er triumphierend. »Genau, wie Barkham gesagt hat. Hoffen wir, dass er bis obenhin voll ist.«

»Voll?«, fragte Thornhill zweifelnd. Er schob die Tür hinter sich zu und lehnte sich gegen das kalte, glatte Glas. Plötzlich hatte er das verrückte Gefühl, dass ihn die Schaufensterpuppen durch die Scheibe hindurch beobachteten. Er konnte die Blicke ihrer starren, aufgemalten Augen beinahe spüren. Aber er widerstand der Versuchung, sich herumzudrehen.

»Wozu, glaubst du, braucht man in diesem Saftladen Geld?«, fragte er, weniger aus wirklicher Neugierde als vielmehr aus dem plötzlichen Bedürfnis heraus, irgendetwas zu sagen, ganz egal was und ganz egal, ob es Sinn machte oder nicht, nur um nicht zu schweigen.

Corweyn kniete vor dem Geldschrank nieder, betrachtete eine Weile das altertümliche Schloss und griff dann wieder in seine Jacke, um eine neue Sammlung blitzender Instrumente hervorzuholen.

»Wozu?«, wiederholte er, ohne Thornhill anzusehen. »Wozu, glaubst du, hat sich der Bursche eine so aufwendige Alarmanlage installieren lassen? Diese Figuren da draußen kosten ein Vermögen.«

»Diese Gummidinger?«

Corweyn lachte hämisch. »Drei- bis vierhundert Pfund Sterling pro Stück«, sagte er. »Reicht das?«

Thornhill drehte sich erstaunt um. Die Ansammlung reglos dastehender Puppen wirkte immer noch so unheimlich wie zuvor, aber er betrachtete sie plötzlich mit anderen Augen. Da draußen war ein Vermögen abgestellt!

»Gib acht, dass uns keiner stört«, sagte Corweyn überflüssigerweise. »Das Ding hier hält mich keine zehn Minuten auf.«

Thornhill nickte gehorsam, sah Corweyn eine Weile zu und verließ dann trotz des unguten Gefühls, das noch immer wie ein übler Geschmack in ihm war, das Büro. Er versuchte, sich selbst zur Ordnung zu rufen. Diese Puppen hier waren Puppen, leblose Dinger, mehr nicht. Aber es schien Situationen zu geben, in denen normale Logik nicht mehr weiterhalf.

Er kramte eine Zigarette aus der Jackentasche, suchte nach Feuer und riss schließlich mit zitternden Fingern ein Streichholz an. Die Flamme schien in der trüben Helligkeit sonderbar grell zu leuchten. Er entzündete seine Zigarette, hob das Streichholz vor den Mund, um die Flamme auszublasen, und zögerte. Irgendetwas an dem starren Puppengesicht vor ihm erregte seine Aufmerksamkeit. Aber er konnte nicht sagen, was.

Er hielt das Streichholz näher und trat neugierig heran. Die kleine gelbe Flamme warf zuckende Lichtreflexe auf das ebenmäßig geformte Frauengesicht und erfüllte die dunklen Augen mit gespenstischem Leben. Thornhill schauderte. Das Streichholz brannte herunter und verbrannte ihm die Finger, aber das merkte er kaum. Er warf es fort, griff in die Jackentasche und holte die Taschenlampe hervor.

Die Puppe war wirklich äußerst kunstvoll geformt, stellte er fest. Wer immer dieses Frauengesicht modelliert und bemalt hatte, hatte sich außerordentliche Mühe gegeben. Thornhill verstand kaum etwas von Schaufensterfiguren, aber er war sicher, selten eine derart präzise ausgeführte Arbeit zu Gesicht bekommen zu haben. Vorsichtig streckte er die Hand aus und berührte den Puppenkopf. Das Material fühlte sich auf bizarre Weise zugleich kühl und hart, aber auch irgendwie lebendig und weich an. Vielleicht ein neuartiger Kunststoff, der der Konsistenz der menschlichen Haut näher kam. Er befühlte das Haar – es war nicht das übliche, an Stroh erinnernde Kunststoffgeflecht, sondern eine Echthaarperücke –, ließ seine Finger über den Nacken und die ebenmäßig geformten Schultern gleiten und betastete flüchtig den Brustansatz. Es gehörte tatsächlich nicht viel dazu, sich einzubilden, einer wirklichen, lebenden Frau gegenüberzustehen. Er brauchte nur die Augen zu schließen und ...

Thornhill schrak hoch, zog die Hand so hastig zurück, als hätte er sie sich verbrannt, und grinste verlegen. Wenn Corweyn ihn so sah, würde er sich blamieren bis auf die Knochen. Hastig drehte er sich um, ging ein paar Schritte den Gang zurück und spähte zu seinem Kumpan hinüber. Corweyn kniete noch immer vor dem Safe und machte sich konzentriert am Schloss zu schaffen. Aber die zehn Minuten waren ja noch lange nicht um.

Thornhill sog an seiner Zigarette, blies eine Rauchwolke von sich und betrachtete gelangweilt seine Schuhspitzen. Die Glühbirne über ihm schaukelte immer noch leicht, und die Schulter an Schulter aufgestellten Puppen warfen grotesk verzerrte Schatten auf den staubigen Boden. Da war der Schatten eines Kopfes, dort der breiter, massiger Schultern, hier der Schatten einer Hand, ausgestreckt und mit einwärts gekrümmten, an Klauen erinnernden Fingern, die sich seinem eigenen Schatten zu nähern schienen, nach seinem Hals tasteten ...

Thornhill fuhr mit einem halb erstickten Aufschrei herum. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er eine blitzschnelle, huschende Bewegung zu erkennen. Er sprang zurück, prallte gegen eine andere Puppe und fuhr mit einem würgenden Keuchen herum.

Aus dem Büro erklang ein schepperndes Geräusch, dann erschien Corweyn unter der Tür. »Was ist los?«, schnappte er.

»Ich ... das ...« Thornhill rang mühsam nach Worten und wich Schritt für Schritt zum Ausgang zurück. »Eins ... eins von den Dingern hat sich bewegt!«, keuchte er.

Corweyn erstarrte für einen Augenblick. Auf seinem Gesicht spiegelte sich erst Verblüffung, dann Wut und schließlich unverhohlener Spott. »Aha«, machte er.

»Halt mich ruhig für bekloppt oder so was!«, keuchte Thornhill. »Aber ich weiß, was ich gesehen habe!«