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Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe "Hohlbein Classics" versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.
Die Story: "Willkommen, Damona King!" Die Stimme dröhnte mit solcher Wucht durch die weite, leere Halle, daß Mike sich zusammenkrümmte und die Hände auf die Ohren preßte. Neben ihm brach Damona in die Knie. Ihre Waffen polterten mit hellem Scheppern zu Boden und blieben irgendwo außerhalb ihrer Reichweite liegen. Mike schrie auf. Ein greller, sengender Blitz schien seine Netzhaut zu verbrennen und orangerotes Feuer in seinem Schädel zu entfachen. Ein pulsierender Schmerz zuckte durch seinen Körper. Für Sekunden war er blind, eingehüllt in einen Mantel aus Schmerzen. Nur langsam lichteten sich die Blutroten Schleier vor seinen Augen. Als er wieder sehen konnte, stand eine hochgewachsene, dunkelhäutige Frau vor ihnen: Es war die Königin der Katzen.
"Die Königin der Katzen" erschien erstmals am 03.05.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe "Damona King".
Der Autor: Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.
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Seitenzahl: 141
Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe »Hohlbein Classics« versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.
Die Königin der Katzen
Ein Damona King Roman
»Willkommen, Damona King!« Die Stimme dröhnte mit solcher Wucht durch die weite, leere Halle, daß Mike sich zusammenkrümmte und die Hände auf die Ohren preßte. Neben ihm brach Damona in die Knie. Ihre Waffen polterten mit hellem Scheppern zu Boden und blieben irgendwo außerhalb ihrer Reichweite liegen. Mike schrie auf. Ein greller, sengender Blitz schien seine Netzhaut zu verbrennen und orangerotes Feuer in seinem Schädel zu entfachen. Ein pulsierender Schmerz zuckte durch seinen Körper. Für Sekunden war er blind, eingehüllt in einen Mantel aus Schmerzen. Nur langsam lichteten sich die Blutroten Schleier vor seinen Augen. Als er wieder sehen konnte, stand eine hochgewachsene, dunkelhäutige Frau vor ihnen: Es war die Königin der Katzen.
»Die Königin der Katzen« erschien erstmals am 03.05.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe »Damona King«.
»Die Tochter der Katzengöttin« erschien erstmals am 19.04.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe »Damona King«.
Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.
WOLFGANG
HOHLBEIN
Die Königin der Katzen
Ein Damona King Roman
BASTEI ENTERTAINMENT
Aktualisierte Neuausgabe der im Bastei Lübbe Verlag erschienenen Romanhefte aus der Reihe Damona King
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat/Projektmanagement: Esther Madaler
Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von © shutterstock/Natykach Nataliia; shutterstock/Dmitry Natashin
E-Book-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde
ISBN 978-3-7325-1445-8
Gespensterkrimi von Henry Wolf
»Hier?«
Lao-Chen sah sein Gegenüber für die Dauer von drei, vier Herzschlägen stumm an, blickte dann auf die Uhr über dem Haupteingang des Londoner Tierparks und nickte knapp, nachdem er die Stellung der Zeiger mit denen seiner Armbanduhr verglichen hatte. Der Zweifel in der Stimme seines Begleiters war ihm nicht entgangen, aber er zog es vor, nichts darauf zu erwidern. Vermutlich wäre der andere auch verwundert gewesen, wenn er etwas gesagt hätte. Sie waren erst seit weniger als vierundzwanzig Stunden zusammen, und der kleinwüchsige, stämmige Chinese hatte in der ganzen Zeit vielleicht zehn zusammenhängende Sätze gesprochen. Dabei beherrschte er die englische Sprache nahezu perfekt. Aber er zog es vor, nur dann zu reden, wenn es wirklich unumgänglich war.
»Wir haben noch Zeit«, sagte der andere. Seine Stimme klang schrill und hoch; es war nicht zu bestimmen, ob sie einem Mann oder einer Frau gehörte, ebenso wie ein Blick in sein Gesicht keinen Aufschluss darüber gegeben hätte, ob man einem Mann oder einer Frau gegenüberstand. Seine Züge waren scharf geschnitten, die Haut faltig und großporig und von einer ungesunden, graustichigen Farbe. Dunkle Augen mit übergroßen, nachtschwarzen Pupillen standen über einer leicht hakenförmig gebogenen Nase und einem schmallippigen, blutleeren Mund, der die meiste Zeit zu einem dünnen Strich zusammengepresst war und dem Gesicht einen verbitterten Ausdruck gab.
Die beiden waren sich der Tatsache bewusst, dass sie auffielen. Der Tierpark würde in weniger als einer halben Stunde schließen, und der Besucherstrom, der aus dem breiten Ausgangstor quoll und sich in Richtung der Parkplätze und Bus- und Untergrundbahnstation verteilte, war in den letzten Minuten beständig stärker geworden. Die meisten Menschen, die den Park verließen, warfen dem ungleichen Gespann erstaunte oder misstrauische Blicke zu, aber kaum einer nahm außer einem flüchtigen Blick wirklich Notiz von ihnen. Umgekehrt registrierte Lao-Chen jedes Gesicht in der Menge, ohne mehr als einen verschwindend geringen Bruchteil seiner Aufmerksamkeit auf diese Aufgabe konzentrieren zu müssen. Wäre ein bekanntes Gesicht in der Menge aufgetaucht, hätte er es gemerkt.
Er sah abermals auf seine Armbanduhr, nickte seinem Begleiter fast unmerklich zu und setzte sich dann mit kleinen, schnellen Schritten in Richtung auf das Kassenhäuschen neben dem Eingang in Bewegung.
Der grauhaarige Mann hinter dem Schalter sah mit einer Mischung aus Ungeduld und Verblüffung auf, als Lao-Chen vor dem Kassenhäuschen stehen blieb und wortlos eine Fünf-Pfund-Note aus der Brieftasche klaubte.
»Der Park schließt in einer halben Stunde«, sagte der Mann zögernd.
Lao-Chen starrte ihn einen Moment lang ungerührt an und zauberte dann einen Ausdruck auf sein Gesicht, der sowohl ein Lächeln als auch etwas ganz, ganz anderes sein konnte.
Der Kassierer hielt dem bohrenden Blick des Chinesen für wenige Sekunden stand, ehe er zögernd nach dem Geldschein griff und zwei Eintrittskarten von der Rolle abriss.
»Bitteschön«, sagte er, während er die Billets und das Wechselgeld über den Tresen schob. »Aber beschweren Sie sich nicht bei mir, wenn sie in einer halben Stunde hinausgeworfen werden. Ich habe Sie gewarnt.«
Lao-Chen ließ das Wechselgeld achtlos in seiner Jackentasche verschwinden, klemmte sich die Eintrittskarten zwischen Zeige- und Mittelfinger der linken Hand und ging mit schnellen Schritten durch den Eingang. Sein fast zwei Köpfe größerer Begleiter folgte ihm dichtauf. Bereits nach wenigen Augenblicken waren sie aus dem Sichtfeld des Kassierers verschwunden.
Lao-Chen ging zielsicher zu der übergroßen Informationstafel neben dem Hauptweg hinüber, starrte einen Moment lang mit konzentriertem Gesichtsausdruck auf das scheinbar unentwirrbare Durcheinander aus Strichen, Linien und hellen, unregelmäßigen Umrissen und tippte dann wortlos auf einen quadratischen Fleck am rechten Rand der Tafel.
Sein Begleiter nickte. »Fast am entgegengesetzten Ende der Anlage«, sagte er mürrisch. »Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch rechtzeitig hinkommen wollen.« Er rammte missmutig die Hände in die Taschen seines viel zu weiten Regenmantels, blickte sich dann nach rechts und links um und setzte sich widerwillig in Bewegung, als Lao-Chen ohne ein weiteres Wort den gewundenen Weg hinabzugehen begann.
Die Anzahl der Besucher, die ihnen entgegenkamen, nahm im gleichen Maße ab, in dem sie tiefer in den Tierpark eindrangen. Sie benötigten fast eine halbe Stunde, ehe sie das niedrige, kunststoffverkleidete Waschbetongebäude am südlichen Ende des Parks erreicht hatten. Die Wege ringsum hatten sich mittlerweile vollkommen geleert. Von irgendwoher drang das monotone, auf- und abschwellende Heulen eines Wolfes zu ihnen, und eine plötzliche Windböe trug scharfen Raubtiergestank mit sich, aber das waren auch die einzigen Anzeichen von Leben, die es in weitem Umkreis zu geben schien. Die meisten der großzügig angelegten Freigehwege waren leer; die Tage waren noch kalt, und es hatte in den letzten Wochen fast ununterbrochen geregnet, so dass die wärmeliebenden Exoten, die in diesem Teil der Anlage untergebracht waren, es vorzogen, in ihren geheizten Behausungen zu bleiben.
Lao-Chen sah sich sichernd nach allen Seiten um, trat dann mit einer entschlossenen Bewegung an den Seiteneingang des Raubtierhauses und rüttelte prüfend an der Klinke. Die Tür war verschlossen, aber das hielt den Chinesen nicht lange auf. Er zog einen Ring mit einer Anzahl winziger gebogener Dietriche aus der Tasche, machte sich einen Moment lang am Schloss zu schaffen und drückte die Tür dann mit einem triumphierenden Grinsen auf.
Dahinter lag ein schmaler, kaum beleuchteter Gang mit nackten Betonwänden. Die beiden Einbrecher huschten hinein, schoben die Tür hinter sich behutsam wieder ins Schloss und blieben einen Moment lang lauschend stehen. Unter einer nur angelehnten Feuerschutztür drang ein schmaler, gelblicher Lichtstreifen hervor, und irgendwo aus dem rückwärtigen Teil des Gebäudes erklang das wütende Fauchen einer großen Raubkatze. Dieser Teil des Gebäudes war nicht für die Besucher des Tierparks gedacht, sondern für die Tierpfleger und das Personal des Tiergartens.
»Warten wir hier?«
Der Chinese nickte. Er zündete sich eine Zigarette an, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit halbgeschlossenen Augen an die nackte Betonwand. Es sah aus, als döse er vor sich hin. Nur wer Lao-Chen genau gekannt hätte, hätte gemerkt, unter welcher Anspannung er stand. Seiner Aufmerksamkeit entging nicht das kleinste Geräusch in ihrer Umgebung.
Die Zeit verstrich mit quälender Langsamkeit. Das graue Tageslicht, das durch die Drahtglasscheibe der Tür hereindrang, wurde allmählich schwächer, und auch die Geräusche des Tiergartens erstarben nach und nach. Es wurde dunkel. Aber selbst dann wartete Lao-Chen noch beinahe eine halbe Stunde, ehe er sich mit einem Ruck von seiner Position neben der Tür löste und wortlos den Gang hinunterschritt. Sein Begleiter folgte ihm. Lao-Chen gehörte zu den besten Leuten, die die arg angeschlagene Organisation Zarangars noch besaß – ein schweigsamer, fast unauffälliger Mann, der aber auf seinem Gebiet zu einem der größten Könner der westlichen Welt geworden war.
Lao-Chen war ein Killer, ein gnadenloser Mörder, der einen Menschen mit dem gleichen sanftmütigen Lächeln töten konnte, mit dem er sich um einen verletzten Vogel kümmerte. Und das Wort Angst gehörte nicht zu seinem Wortschatz. Er wusste nicht einmal, was es bedeutete – ein Mangel, den die meisten Menschen nicht lange überlebt hätten. Lao-Chen gehörte zu den wenigen, die sich diese Art zu leben wirklich erlauben konnten.
Sie folgten dem Gang bis zum Ende. Lao-Chen öffnete eine weitere verschlossene Metalltür, warf einen sichernden Blick durch den entstandenen Spalt und huschte dann lautlos in den dahinter liegenden Raum. Eine schmale Wendeltreppe aus Metallgittern führte sie in das obere Stockwerk des Gebäudes. Die Räume hier waren klein, dunkel und nur unzureichend belüftet und dienten ausschließlich als Lager für Gerätschaften und unverderbliche Tiernahrung. Ein muffiger, abgestandener Geruch hing in der Luft.
Lao-Chen blieb plötzlich stehen und hob warnend die Hand. Seine Gestalt straffte sich unmerklich, und auf seinem Gesicht erschien ein angespannter, misstrauischer Ausdruck.
»Still!«, zischte er. »Jemand ist hier.«
Der andere lauschte nun ebenfalls, aber er konnte trotz größter Anstrengung kein verdächtiges Geräusch wahrnehmen. Der Chinese musste über schärfere Sinne verfügen als er selbst.
Irgendwo in der Dunkelheit vor ihnen schien sich etwas zu bewegen. Ein leises Schaben drang an das Gehör des Chinesen, dann trat eine hoch gewachsene, schlanke Gestalt hervor.
Chen wich unwillkürlich einen halben Schritt zurück. Seine Muskeln spannten sich. Die Frau wirkte auf den ersten Blick harmlos – eine schlanke, fast zerbrechlich aussehende Gestalt, groß, mit schlanken, grazilen Gliedern, dunkler Haut und lang fallendem, rabenschwarzen Haar, das im schwachen Schein der Notbeleuchtung bläulich aufschimmerte. Ihr Gesicht war halb unter einem jener dünnen, schwarzen Schleier verborgen, die den Blick zwar scheinbar ungehindert hindurchlassen, aber trotzdem gründlich verhindern, dass man sich hinterher an irgendwelche Einzelheiten erinnert, und um die Schultern trug sie einen weit geschnittenen Wolfsfellmantel, der ihre katzenhafte Eleganz noch unterstrich.
Einen Moment lang starrte sie die beiden Eindringlinge mit einem undeutbaren Blick an. Dann lächelte sie. Aber es war ein Lächeln, das irgendetwas in Lao-Chen zum Gefrieren zu bringen schien.
»Ihr seid pünktlich«, sagte sie schließlich.
Chen nickte wortlos, warf einen misstrauischen Blick in die Runde und zog sich rückwärts gehend zur Tür zurück. Erst als er die Wand in seinem Rücken fühlte, wich der gespannte Ausdruck von seinem Gesicht.
Die Frau lächelte. »Ist dein Freund immer so ängstlich?«, fragte sie spöttisch.
Der Graugesichtige schüttelte nervös den Kopf und bewegte unruhig die Hände. Sein Mantel raschelte leise. Die Ausbuchtung über den Schultern gab ihm das Aussehen eines Buckligen.
»Chen ist nicht ängstlich«, sagte er. Seine Stimme zitterte, obwohl er sich alle Mühe gab, sie unter Kontrolle zu behalten. Aber diese harmlos aussehende Frau verwirrte ihn mit jeder Sekunde, die er sie ansah, mehr. Plötzlich konnte er Chens übergroße Vorsicht verstehen. Die Fremde war nicht so harmlos, wie sie aussah. Irgendetwas Fremdes, Bedrohliches umgab sie.
»Er ist nur vorsichtig«, fügte er hinzu.
Die Frau lachte. »Vorsichtig?«, wiederholte sie. »Ihr erwartet eine Falle?« Ihre Augen blitzten spöttisch auf. »Immerhin wart ihr es, die um diese Unterredung gebeten habt, nicht ich. Aber macht euch keine falschen Hoffnungen – ich bin zwar gekommen, aber nur, um euch ein letztes Mal zu sagen, wie zwecklos euer Ansinnen ist.«
»Du.... weißt, weshalb …«
»Ich weiß, wer euch geschickt hat, ich weiß, weshalb er euch geschickt hat, und ich weiß, was ihr tun sollt, wenn ich ablehne«, sagte die Fremde kühl. »Ich weiß eine Menge. Sogar eure Namen. Deinen, Lao-Chen, und deinen, Varana-Kohr.« Sie brach ab, starrte einen Moment lang blicklos zu Boden und schüttelte dann energisch den Kopf. »Es ist zwecklos. Ihr werdet mich nicht überreden, euch zu helfen.«
»Aber du... du weißt doch gar nicht, was wir dir bieten wollen«, sagte Varana-Kohr hastig. »Unser Auftraggeber – Zarangar – bittet dich nicht nur um Unterstützung. Er bietet dir Zusammenarbeit an. Auch für später. Bedenke, wie mächtig ihr beide zusammen werden könnt. Zarangar genießt das Vertrauen von Asmodis, und du...«
»Ich weiß sehr wohl, welchen Preis ihr mir bietet. Aber ich bin nicht zu kaufen. Schon gar nicht in einem Kampf gegen Damona King.«
»Und warum nicht?«, fragte Varana-Kohr hastig. Er spürte, dass er mehr und mehr an Boden verlor. Aber er wusste auch, dass er nicht mit leeren Händen zurückkehren konnte. Kirgaal-Chan duldete kein Versagen. Auch nicht bei seinen Vertrauten. »Immerhin«, fuhr er hastig fort, »hast du ihr eine vernichtende Niederlage zu verdanken.«
»So vernichtend war sie nicht, wie meine Anwesenheit beweist«, antwortete die Frau. »Und selbst wenn – ich trage meine Kämpfe allein aus. Und ich suche mir auch meine Verbündeten selbst. Männer wie Zarangar genießen höchstens meine Verachtung. Sagt ihm, dass ich keinen Wert auf seine Hilfe lege. Und sagt ihm noch etwas. Ich habe diesem Treffen nur aus dem einen Grund zugestimmt, ihm eine Botschaft zu übermitteln. Ich möchte nicht, dass Damona King oder Mike Hunter etwas geschieht. Weder jetzt noch zu einem späteren Zeitpunkt. Es wäre besser für ihn, wenn er meinen Wunsch berücksichtigen würde.«
Varana-Kohr sog scharf die Luft ein. Er hatte schon Menschen für weniger hochmütige Worte als diese sterben sehen. Er hörte, wie Lao-Chen sich von seinem Platz an der Tür löste und langsam neben ihn trat, aber er widerstand der Versuchung, den Kopf zu drehen. Zarangar musste geahnt haben, dass die Unterredung so oder ähnlich ausgehen würde. Schließlich hatte er seinen Superkiller bestimmt nicht als Fremdenführer mitgeschickt.
Er machte eine hastige Handbewegung, um Lao-Chen zurückzuhalten, und setzte zu einem letzten verzweifelten Versuch an.
»Du solltest dir deine Entscheidung noch einmal überlegen«, sagte er drohend. »Man lehnt das Angebot eines Zarangar nicht so ohne weiteres ab.«
»Ach? Tut man das nicht?« Die Fremde lachte leise, ein perlender, glockenheller Ton, der sich in VaranaKohrs Ohren wie Hohngelächter anhörte.
»Nun«, fuhr sie nach einer Weile fort, »ist es nicht vielmehr so, dass du Angst davor hast, deinem Herrn meine Antwort zu überbringen?«
Varana-Kohr ächzte. Die Fremde schien ihn zu durchschauen, als wäre er aus Glas. Einen Moment lang musterte sie ihn spöttisch, dann wandte sie mit einem überraschenden Ruck den Kopf. Ihr Blick fixierte Lao-Chen.
»Ich weiß, was du vorhast, Lao-Chen«, sagte sie leise. »Versuche es nicht.«
Lao-Chen sprang mit einem wütenden Knurren vor, als hätte er nur auf diese Worte gewartet. Aber so schnell seine Bewegung auch war, die Fremde war schneller. Sie wich mit einem eleganten Schritt zur Seite, ließ den Chinesen an sich vorbeistürmen und versetzte ihm einen wuchtigen Handkantenschlag. Lao-Chen brüllte ärgerlich auf, verlor für einen Moment das Gleichgewicht und kämpfte mit wild rudernden Armen um seine Balance. Sein Gesicht flammte vor Zorn, als er herumfuhr. Der Hieb konnte einem durchtrainierten Mann wie ihm nicht einmal richtig wehgetan haben, aber dafür hatte er ihn umso zorniger gemacht.
»Lao-Chen!«, stieß Varana-Kohr hervor. »Nicht!«
Aber der Killer schien seine Warnung überhaupt nicht wahrzunehmen. Seine Hände öffneten und schlossen sich in einer unbewussten, kraftvollen Bewegung, während er mit wiegenden Schritten auf sein vermeintlich wehrloses Opfer zuging.
Was dann geschah, ging viel zu schnell, als dass Varana-Kohr noch etwas Anderes tun konnte als dazustehen und hilflos die Hände vor den Mund zu schlagen.
Hinter der Frau erschien ein nachtschwarzer Schatten. Türkisfarbene Augen flammten auf und musterten den Chinesen mit unverhohlener Mordgier.
Der Killer registrierte die Gefahr im letzten Augenblick, aber seine Reaktion kam um einen Sekundenbruchteil zu spät. Er schrie auf, warf sich zur Seite und riss abwehrend die Unterarme vors Gesicht, als der Panther mit einem wütenden Fauchen auf ihn zusprang. Sein Körper schien sich für Sekunden in einen langgestreckten, schwarzen Blitz zu verwandeln. Die tödlichen Fänge blitzten wie kleine, messerscharf geschliffene Dolche auf, fetzten mit hässlichem Geräusch durch die Smokingjacke des Killers und hinterließen eine vielfache Reihe gerader, parallel laufender Schnitte auf seiner Brust.
Lao-Chen schrie auf, fiel hintenüber und kam mit einer blitzschnellen Drehung wieder auf die Füße. Seine Kleider waren zerfetzt, und auf seinem ehemals blütenweißen Smokinghemd begann sich langsam ein hässlicher, roter Fleck auszubreiten.
Varana-Kohr verfolgte den Kampf mit wachsendem Entsetzen. Er wusste, wie gefährlich der Chinese war. Aber der Panther war nicht irgendeine Raubkatze, sondern ein wahres Prachtexemplar seiner Gattung: schlank, mit seidigem, schwarzen Fell und fast so groß wie ein ausgewachsener Schäferhund stand er abwartend wenige Meter vor dem Chinesen und folgte jeder seiner Bewegungen aus großen, tückisch funkelnden Augen. Der Schwanz peitschte nervös über den Boden, und das kräftige Gebiss in der stumpfen, halb geöffneten Schnauze schien so stabil wie eine Bärenfalle zu sein. Ein dumpfes, drohendes Knurren drang aus seiner Brust.