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Hohlbein Classics - Zombie-Fieber E-Book

Wolfgang Hohlbein

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Beschreibung

Begriffe, die bei einem normalen Menschen Angst und Entsetzen auslösen. Wie aus dem Nichts tauchen sie plötzlich auf, angeführt von einem Mann, dessen Seele von einem gefählichen Dämon übernommen wurde. London zittert, denn die Zombies kommen!

"Zombie-Fieber" erschien erstmals am 05.01.1981 unter dem Pseudonym Robert Lamont in der Reihe "Professor Zamorra".

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe "Hohlbein Classics" versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit. "Zombie-Fieber" war sein erster veröffentlichter Roman überhaupt und der Beginn seiner Karriere als Schriftsteller

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Seitenzahl: 160

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Inhalt

CoverHohlbein ClassicsÜber diese FolgeÜber den AutorTitelImpressumZombie-FieberVorschau

Hohlbein Classics

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe »Hohlbein Classics« versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Über diese Folge

Zombie-Fieber

Ein Professor Zamorra Roman

Begriffe, die bei einem normalen Menschen Angst und Entsetzen auslösen. Wie aus dem Nichts tauchen sie plötzlich auf, angeführt von einem Mann, dessen Seele von einem gefählichen Dämon übernommen wurde. London zittert, denn die Zombies kommen!

»Zombie-Fieber« erschien erstmals am 05.01.1981 unter dem Pseudonym Robert Lamont in der Reihe »Professor Zamorra«.

Über den Autor

Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

WOLFGANG

HOHLBEIN

Zombie-Fieber

Ein Professor Zamorra Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Aktualisierte Neuausgabe der im Bastei Lübbe Verlag erschienenen Romanhefte aus der Reihe Professor Zamorra

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Esther Madaler

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von © shutterstock/Natykach Nataliia; shutterstock/Dmitry Natashin

E-Book-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-7325-1169-3

Zombie-Fieber

Ein Gespenster-Krimi von Robert Lamont

Norton hörte den Lärm der Motoren, noch bevor er die Maschinen sah. Es begann als ein feines, dünnes Summen, fast wie das Geräusch eines Bienenschwarmes, und steigerte sich innerhalb weniger Augenblicke in das infernalische Brüllen eines halben Dutzends schwerer Motorräder.

Er blieb stehen. Die Straße hinter ihm war noch leer, aber Norton wusste nur zu genau, was das näher kommende Geräusch bedeutete. Er las regelmäßig den Lokalteil der Zeitung, und seine Fantasie war lebhaft genug, um das, was ihm passieren konnte, in den düstersten Farben auszumalen. Er spürte, wie sein Herz schnell und schmerzhaft hart zu pochen begann. Die Dunkelheit um ihn herum schien mit einem Mal intensiver zu werden, auch drohender. Seine Handflächen wurden feucht.

Norton sah sich hastig nach einer Deckung oder einem Versteck um, aber da war nichts. Die Straße lag leer und verlassen vor ihm, ein matt schimmerndes Band Asphalt, nur hier und da unterbrochen vom trüben Lichtkreis einer Straßenlaterne. Bei den meisten Gebäuden in dieser Gegend handelte es sich um Fabrik- oder Lagerhallen, in denen zu dieser Zeit niemand mehr war. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, vielleicht hundert Schritt entfernt, entdeckte Norton ein Wohnhaus, ein altes, dreistöckiges Gebäude mit geschwärzten Mauern und buckeligen Fenstern. Hinter den Fenstern der Parterrewohnung schimmerte Licht, und für einen Sekundenbruchteil spielte Norton mit dem Gedanken, hinüberzulaufen und um Hilfe zu bitten. Aber er wusste, dass das sinnlos sein würde. Niemand würde ihm aufmachen. Nicht in dieser Gegend, nicht zu dieser Zeit und mit dem Gebrüll der Maschinen auf der Straße.

Es war Wahnsinn, allein und nach Dunkelwerden durch das Hafenviertel zu gehen. Der Portier hatte ihn gewarnt, aber er hatte ja nicht hören wollen, verdammter Narr, der er war! Der Abend im Klub war länger geworden, als es ursprünglich geplant gewesen war, und Norton hatte entschieden zu viel getrunken, um eine Begegnung mit der Polizei zu riskieren. In dieser Beziehung war er konsequent: Er fuhr nie, wenn er mehr als drei oder vier Drinks zu sich genommen hatte. Normalerweise wäre er mit dem Taxi nach Hause gefahren, aber bei dem seit Tagen anhaltenden schlechten Wetter und dem überraschenden Kälteeinbruch war es zu einem reinen Glücksspiel geworden, einen Wagen zu bekommen. Und Norton hatte angesichts der fortgeschrittenen Stunde keine Lust mehr gehabt, ewig auf ein Taxi zu warten. So war er zu Fuß gegangen, trotz der Warnungen und des unbehaglichen Gefühls, das der Anblick der düsteren Häuserreihen bei ihm ausgelöst hatte.

Norton verfluchte nachträglich seinen Leichtsinn. Der Weg durch das Hafenviertel war vielleicht eine halbe Stunde kürzer als der sichere Nachhauseweg über die belebten Hauptstraßen; aber dort wäre ihm eine Begegnung wie diese erspart geblieben.

Die Maschinen bogen um die Straßenecke; eine schnurgerade Reihe kleiner greller Lichtpunkte, die Fahrer dunkle Schatten gegen den nebelverhangenen Hintergrund der Stadt. Für einen Augenblick wurde Norton vom grellen Lichtbündel eines Scheinwerfers erfasst. Er blinzelte und hob die Hände schützend vors Gesicht. Dann wanderte der Scheinwerfer weiter. Aber Norton wusste, dass sie ihn gesehen hatten.

Er drehte sich um und ging mit steifen, mühsam beherrschten Schritten weiter. Vielleicht, versuchte er sich einzureden, beachteten sie ihn gar nicht. Vielleicht hatten sie keine Zeit, sich mit ihm zu befassen. Vielleicht waren sie auf dem Weg zu einem Treffen, einer Party oder sonst irgendetwas Wichtigem.

Zu viele Vielleichts.

Sie hatten ihn gesehen, und er konnte von Glück sagen, wenn er die nächsten Minuten lebend überstand. Allein seine Anwesenheit in dieser Gegend zu dieser Stunde war eine Provokation, die nicht ungesühnt bleiben würde. Er spürte den fast unbezwingbaren Wunsch, loszurennen, aber er wusste, dass er damit alles höchstens noch schlimmer machen würde. Es gab in erreichbarer Nähe nichts, wohin er hätte flüchten können.

Das Geräusch der Maschinen kam jetzt schnell näher, wurde dunkler, tiefer, als die Männer auskuppelten und die Räder auslaufen ließen.

Das erste Motorrad tauchte neben Norton auf. Es war eine schwere Harley-Davidson, über und über verchromt und mit einer Unzahl von Zusatzscheinwerfern und Spiegeln ausgerüstet. Als sie an ihm vorbeifuhr, sah Norton auf dem Rücken des Fahrers einen aufgemalten Totenkopf und darunter, in grellen Leuchtfarben, die Worte CRAZY HOMICIDES.

Der Mann riss die Maschine in einem waghalsigen Manöver herum, ließ das Vorderrad über die Bordsteinkante hüpfen und brachte die Harley dicht vor der Hauswand zum Stehen, eine unüberwindliche Barriere, die den Weg vor Norton blockierte.

Er blieb stehen. Hinter ihm hielt eine zweite Maschine, verwehrte ihm den Rückweg auf die gleiche Weise wie die Harley vor ihm. Die restlichen Motorräder bildeten einen weiten Halbkreis auf der Straße. Norton blinzelte, als sich die grellen Lichtbündel von sieben oder acht aufgeblendeten Halogenscheinwerfern auf ihn konzentrierten.

»Na, Mister«, fragte der Fahrer der Harley, »spazieren?«

Norton schluckte und versuchte zu antworten, aber er brachte keinen Ton heraus. In seiner Kehle saß ein bitterer, harter Kloß. Angst wallte in ihm auf, begleitet von zitternden Knien und einem würgenden Gefühl im Magen. Langsam wich er bis an die Hauswand zurück und presste sich gegen den kalten, glitschigen Stein.

»Spazieren?«, wiederholte der Mann.

Er war fast zwei Köpfe größer als Norton und schien über zwei Zentner zu wiegen. Seine Beine steckten in zerschlissenen Jeans und groben Motorradstiefeln, und unter der schwarzen Lederjacke konnte Norton eine nackte, haarige Brust erkennen. Er grinste, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht erinnerte Norton eher an den Blick einer Schlange, die ihr Opfer mustert, bevor sie zustößt.

Er nickte. »Ich ... ich habe keinen ... keinen Wagen bekommen«, würgte er mühsam hervor.

Der Dicke lachte, als habe Norton soeben einen guten Witz erzählt. »Du hast keinen Wagen bekommen!«, prustete er. »Hört ihr das, Jungs? Er hat keinen Wagen bekommen!«

Die anderen stimmten in das Gelächter ein und übertönten mit ihrem Johlen für einen Augenblick sogar das Geräusch der im Leerlauf grollenden Maschinen.

»Bist ein feiner Pinkel, was?«, fragte eine Stimme.

Norton wandte den Kopf und sah den Sprecher angstvoll an. Der Mann schien das genaue Gegenteil des Dicken zu sein. Er war groß, unglaublich dünn und hatte dunkles, kurz geschnittenes Haar. In seinen Ohrläppchen steckten goldene Ringe. Im Sattel der schweren Sechszylinder-Kawasaki, die Norton den Rückweg abschnitt, wirkte er unglaublich verloren und hilflos. Aber ein Blick in seine kalten, stechenden Augen sagte Norton, dass er mindestens genauso gefährlich war wie der Dicke.

»Ist einsam hier, um diese Zeit«, fuhr der Dicke fort. Er beugte sich im Sattel vor und befühlte prüfend den Stoff von Nortons Jacke. »Teures Zeug, he?«

Norton nickte. Er spürte, wie das Zittern seiner Hände allmählich seinen ganzen Körper ergriff, und er war plötzlich dankbar für die kalte Wand in seinem Rücken, an die er sich anlehnen konnte. Mit bebenden Händen griff er in die Innentasche seiner Jacke und zog seine Brieftasche heraus. »Wenn Sie ...«

Der Dicke grapschte nach der Brieftasche und steckte sie achtlos in den Gürtel.

»He«, sagte er, »wie find ich’n das? Mister Feiner Pinkel gibt einen aus. Is’ das nich’ nett?« Er musterte Norton mit einem langen, undeutbaren Blick und grinste breit. »Sie zittern ja, Mister. Angst? Doch nich’ etwa vor uns?« Er sah sich Beifall heischend um. »Habt ihr das gehört? Mister Feiner Pinkel hat Angst vor uns! Dabei tun wir keiner Fliege was zuleide.« Er lachte hart. »Sag Mister Feiner Pinkel, dass wir keiner Fliege was zuleide tun, Dick.«

Der Dürre nickte ernsthaft. »Ehrlich, Mister. Lefty würde keiner Fliege was tun. Er ist nämlich viel zu schwerfällig, um eine zu erwischen.«

Der Dicke lachte glucksend. »Wir woll’n uns bloß’n bisschen unterhalten, Mister. Vielleicht ’n bisschen Spaß haben.«

Norton schluckte trocken. Diese Männer waren nicht auf Geld oder Wertsachen aus. Er war in ihr Gebiet eingedrungen, und er war jemand aus einer anderen Gesellschaftsschicht, ein Bewohner einer anderen Welt, der hier nichts zu suchen hatte. Sie würden ihn quälen, mit ihm spielen, wie eine Katze mit einer Maus spielt, und vielleicht, mit viel Glück, würde er es überleben.

Vielleicht ...

Er musste weg, egal wie.

Norton sprang mit einem überraschenden Satz vor und trat dem Dicken in den Magen. Der Rocker stürzte mitsamt seiner Maschine zu Boden. Die anderen waren für einen Moment viel zu überrascht, um begreifen zu können, was Norton vorhatte. Er wirbelte auf der Stelle herum, wich einem halbherzig geführten Faustschlag des Dürren aus und flankte über das Hinterrad der Kawa in das Dunkel der Straße, nur fort, fort von hier.

Aber er kam nur wenige Meter weit.

Eine der Maschinen brüllte auf, ein kurzes, zorniges Dröhnen, dann erschien irgendetwas Schweres, Massiges neben Norton, ein furchtbarer Schlag traf seine Seite und schleuderte ihn zu Boden. Er schlug schwer auf das Kopfsteinpflaster auf und blieb benommen liegen. Er wusste, dass er verloren hatte. Wenn er jemals eine Chance gehabt hatte, lebend hier herauszukommen, dann hatte er sie soeben verspielt.

Jemand riss ihn vom Boden hoch und schlug ihm ins Gesicht. Norton schrie auf und hob in einer schwachen Abwehr die Arme, aber die Schläge trafen weiter. Er fühlte sich gepackt und gegen die Wand geschleudert. Sein Kopf schlug gegen den Stein, und für einen Sekundenbruchteil verschwamm die Welt vor seinen Augen.

Als er wieder klar sehen konnte, stand Lefty vor ihm. Sein Gesicht war verzerrt.

»Du Schwein«, zischte er. »Du verdammtes Schwein! Ich bring dich um!« Er sprang vor und packte Norton an den Rockaufschlägen.

»Ich bring dich um! Ich – bring dich – um!« Bei jedem Wort traf Norton ein Schlag, schickte Wellen von Schmerz durch seinen Körper. Er wollte schreien, aber alles, was er hervorbrachte, war ein ersticktes Gurgeln.

Der Dicke ließ von ihm ab, schleuderte ihn gegen die Wand und trat ihn in die Seite, als er zu Boden sank.

»Macht ihn fertig«, kreischte er. »Macht ihn fertig! Gebt’s ihm!«

Norton wand sich verzweifelt unter den Schlägen und Tritten. Schmerzen hüllten ihn ein wie ein feuriger Mantel, durchdrangen sein Bewusstsein.

Und er wusste, dass er sterben würde, jetzt und hier.

Norton war nie ein Feigling gewesen, aber er wollte nicht sterben, nicht auf diese Weise.

Nach einiger Zeit spürte er die Schmerzen kaum noch. Sein Bewusstsein umwölkte sich, und er hatte das Gefühl, langsam auf eine große, dunkle Klippe zuzugleiten.

Ist das der Tod?, dachte er.

In Nortons Gehirn baute sich ein letzter, verzweifelter Schrei auf, der gedankliche Hilferuf eines gequälten Menschen, der sich hilflos seinem Schicksal ausgeliefert sieht. Seine Gedanken schrien all seine Pein hinaus in die Welt, die Qual, den Schmerz, der viel tiefer ging als die bloße körperliche Folter.

Und er bekam Antwort ...

»Norton!«

Die Stimme schien von überallher zu kommen, war um ihn, in ihm, überall zugleich und nirgends.

»Norton! Ich kann dir helfen!«

»Dann tu es!«, wimmerten seine Gedanken. »Tu es!«

»Ich kann dir helfen. Aber ich verlange etwas dafür!«

»Egal! Ich gebe dir alles. Alles! Hilf mir ...«

»Nein, Norton. So nicht. Ich kann dir helfen, aber danach musst du mir dienen. Vollkommen und uneingeschränkt.«

»Ja! Ich ... bitte ... bitte hilf mir ...«

»Wenn ich dir helfe, Norton, dann gehörst du mir! Du wirst mein Diener sein. Du wirst alles tun, was ich von dir verlange. Du wirst dich nicht weigern, nicht fragen. Du wirst mein Sklave sein, Norton. Und du wirst mich nie wieder fortschicken können, Norton. Nie!«

»Ich ... bitte ... bitte hilf mir ...«, flüsterten seine Gedanken. »Bitte!«

»Aber du musst es freiwillig tun, Norton«, fuhr die Stimme ungerührt fort. »Es muss ganz und gar dein freier Wille sein, dass ich zu dir komme. Nur so kann ich die Herrschaft über deinen Körper erlangen. Bedenke das.«

Norton krümmte sich wimmernd zusammen. »Bitte ...«

»Es ist dein freier Wille?«

»Ja! Ja! Komm! Bitte ... bitte ... hilf mir ...«

Für einen Sekundenbruchteil geschah nichts. Und dann spürte Norton eine Berührung, das Gefühl, mit etwas unsagbar Fremdem, Unmenschlichem in Kontakt zu stehen. Neue Kraft durchfloss ihn, ein Gefühl übermenschlicher Stärke, wie er es nie zuvor gekannt hatte. Die Nebel um sein Bewusstsein lichteten sich, die Schleier vor seinen Augen vergingen.

Die Rocker waren immer noch da; schlugen immer noch auf ihn ein. Aber er spürte die Schläge nicht mehr. Jetzt nicht mehr.

Langsam stand er auf.

***

»Irgendwie hatte ich mir unser gemeinsames Wochenende anders vorgestellt«, sagte Nicole Duval mürrisch. Sie stand am Fenster ihrer Suite des Londoner Palace-Hotels und blickte auf die regenverschleierte Straße hinunter. Winzige Tröpfchen benetzten die Scheibe und zeichneten ein kompliziertes Muster auf das beschlagene Glas. Die ganze Stadt schien unter einem rauen, treibenden Schleier zu liegen, Und die Bewegungen der wenigen Passanten unten auf der Straße wirkten irgendwie abgehackt, gehetzt, wie in einem alten Stummfilm.

Nicole runzelte die Stirn. Sie mochte den Regen nicht, und sie mochte London nicht. »Seit zwei Tagen sitze ich in diesem Hotelzimmer herum und langweile mich«, fuhr sie leise fort. »Dabei hatte ich mich so auf dieses Wochenende gefreut.«

Professor Zamorra lachte leise. Er saß in einem der gemütlichen Louis-Seize-Sessel, blätterte in einer zwei Wochen alten Illustrierten und vertrieb sich die Zeit damit, Nicoles Körper zu bewundern, dessen Konturen sich unter dem hauchdünnen Morgenmantel deutlich abzeichneten.

Sie drehte sich um und sah ihn vorwurfsvoll an. »Musst du heute Abend schon wieder auf diesen schrecklichen Kongress?«

»Leider.« Zamorra legte die Illustrierte zur Seite und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Ich finde es genauso langweilig wie du. Aber ich habe es Tom versprochen. Und ich halte immer, was ich versprochen habe.«

Nicole zog eine Grimasse. »Ich verstehe nicht, dass sich dein Freund mit diesem Haufen Irrer abgibt.«

Zamorra grinste. »Wie sprichst du von der Altehrwürdigen Loge?«, fragte er in tadelndem Tonfall.

»Pah!«, machte Nicole. »Alt bestimmt. Aber ganz bestimmt nicht ehrwürdig ...« Sie spielte auf die Tagung an, die Zamorra an den letzten beiden Abenden besucht hatte. Zamorra, Bill Fleming und sie waren auf die Einladung Tom Haskells, eines Studienfreundes von Zamorra, nach London gekommen, um als Ehrengäste an der Jahrestagung der Altehrwürdigen Loge teilzunehmen, einer Vereinigung von Okkultisten, die sich regelmäßig zu spiritistischen Sitzungen und Geisterbeschwörungen zusammenfanden. Unter normalen Umständen hatte Zamorra mit dieser Art von Leuten nichts im Sinn. Bei Okkultisten dieser Art handelte es sich fast immer um an sich harmlose Spinner, die sich mit vordergründigem Hokuspokus zufriedengaben und kaum in die Geheimnisse der wirklichen Magie eindrangen. Aber Tom Haskell hatte darauf gedrängt, Zamorra dabeizuhaben, und Zamorra hatte die Gelegenheit mit dem Hintergedanken erfasst, vielleicht das eine oder andere Mitglied der Loge von etwas abhalten zu können, was wirklich gefährlich war. Es war mehr als nur einmal vorgekommen, dass bei solchen an sich harmlosen Sitzungen wirkliche Dämonen erschienen waren, Wesen, die viel gefährlicher sein könnten, als sich ihre Beschwörer träumen ließen.

»Heute Abend haben wir es überstanden«, sagte er beschwichtigend.

»Und?«

»Wir reisen morgen ab.«

Nicole schürzte die Lippen. »Na, das war ja ein erfreuliches Wochenende.«

Zamorra betrachtete seine Privatsekretärin amüsiert. Es war ein offenes Geheimnis, dass Nicole Duval mehr war als eine Angestellte, und meistens, wenn Zamorras überfüllter Terminkalender es zuließ, nutzten sie Gelegenheiten wie diese, um ein paar Stunden allein zu sein oder die Stadt zu erforschen. Er konnte Nicoles Missmut verstehen. Seit der Stunde ihrer Ankunft regnete es fast ununterbrochen, es war für die Jahreszeit viel zu kalt, und die Tagungen dauerten fast immer bis spät in die Nacht, sodass sie erschöpft und müde in ihre Zimmer wankten und bis zum nächsten Mittag durchschliefen.

Es klopfte.

»Herein«, rief Nicole.

Die Tür wurde geöffnet, und Bill Fleming betrat die Suite. Er grinste übers ganze Gesicht, als er den missmutigen Ausdruck auf Nicoles Zügen entdeckte, schob die Tür hinter sich zu und ließ sich in einen Sessel fallen.

»Na«, fragte er aufgeräumt, »wie geht’s?«

Nicole zog die Brauen zusammen. »Ich hoffe, diese Frage ist nur rhetorisch gemeint«, sagte sie leise.

Bill Fleming hob in gespielter Angst die Arme. »Aber ... aber sicher«, stotterte er.

Nicole schenkte ihm einen Blick, der mehr ausdrückte als tausend Worte, drehte sich um und verschwand im Nebenzimmer.

Bill grinste Zamorra an. »Was hast du ihr getan?«, fragte er.

Zamorra zuckte mit den Achseln. »Nichts«, sagte er.

»Ihr geht der ganze Zirkus auf die Nerven, nicht?«

»Wahrscheinlich.«

»Ginge er mir auch«, versetzte Bill. Er hatte Zamorra und Nicole am ersten Abend begleitet, war aber nach einer knappen halben Stunde wieder gegangen, um die Stadt auf eigene Faust zu erforschen.

»Hast du dich wenigstens amüsiert?«, fragte Zamorra und griff wieder nach seiner Illustrierten.

Fleming nickte, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und legte die Füße auf den niedrigen Couchtisch. »Sicher. London ist eine faszinierende Stadt. Jede Stadt ist faszinierend, wenn man sie von der richtigen Seite kennenlernt.«

»Was du natürlich tust ...«

»Natürlich.«

Zamorra nickte. Es kam selten vor, dass er und Nicole nicht einer Meinung waren, aber letztendlich war sie mehr als eine Angestellte, die er nach Belieben herumkommandieren konnte. Und die Altehrwürdige Loge konnte einem wirklich den letzten Rest von Geduld abverlangen.

»Vielleicht würde es Nicole freuen, wenn sie heute Abend mit dir ausgehen könnte, statt mich zu begleiten«, sagte er.

Fleming nickte. »Klar doch. Ich verstehe sowieso nicht, wie du den Zirkus zwei Abende ausgehalten hast.« Er schwang die Beine vom Tisch, griff in die Innentasche seiner Smokingjacke und zog eine zusammengefaltete Zeitung hervor.

»Hier«, sagte er. »Deshalb bin ich überhaupt gekommen. Ich dachte mir, dass dich das interessieren könnte.«

Er schlug die Zeitung auf, blätterte darin und legte sie auseinandergefaltet auf den Tisch.

Zamorra sah sofort, was der Freund meinte. Die Überschrift war in auffallenden, roten Lettern gehalten, das Bild darunter mindestens zwanzig mal zwanzig Zentimeter groß. Für die sonst so dezenten Londoner Tageszeitungen eine erstaunlich reißerische Aufmachung.

DRAMA IN DER CARRINGTON LANE, las Zamorra. Er warf einen flüchtigen Blick auf das Bild, runzelte die Stirn und begann zu lesen: