Hope - Für immer und ewig - Carola Wimmer - E-Book

Hope - Für immer und ewig E-Book

Carola Wimmer

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Beschreibung

Hope ist zurück!

Auf Mooraue gibt es viele neue Reitschüler, darunter auch Lara. Sie ist ein Jahr älter als Leo – und eine sehr gute Reiterin. Sogar Hope nähert sich ihr mit großem Interesse. Und auch Richard scheint fasziniert von dem dunkelhaarigen Mädchen. In Leo erwacht die Eifersucht. Da taucht überraschend ihr Vater auf, der die Familie früh verlassen hat. Er bietet ihr an, Hope zu kaufen. Leos sehnlichster Wunsch scheint in Erfüllung zu gehen, doch kurz darauf verschwindet Hope spurlos …

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Seitenzahl: 164

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CAROLA WIMMER

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Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage 2017

© 2017 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Almut Schmidt

Umschlagabbildung: Gettyimages/Sasha Bell

Umschlaggestaltung: bürosüd, München

SaS · Herstellung: AJ

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-20972-8V002

www.cbj-verlag.de

Prolog

Leo konnte nicht mehr warten. Ohne sich Zeit für eine Verabschiedung zu nehmen, sprang sie aus dem Auto. Bis eben hatte sie im Krankenhaus gelegen, nun, direkt nach der Entlassung, hatte ihre Mutter sie nach Mooraue fahren müssen. Denn Leo kannte nur einen Gedanken: Hope!

Die Woche, in der sie ihre Lungenentzündung auskuriert hatte, war ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen. Zwar hatten sie alle, die ihr wichtig waren – ihre Mutter, Angelika, Bea und Richard – oft besucht, aber in Gedanken war sie ständig bei Hope gewesen.

Als sie nun endlich durch den Torbogen auf den Hof und Richtung Koppel lief, atmete sie genussvoll ein. Da war er wieder: dieser erdige Geruch der Pferde. Was für ein Unterschied zu ihrem sterilen Krankenzimmer! Sofort fühlte sie sich zu Hause.

Vor dem Gutshaus bemerkte Leo eine aufgeregt schnatternde Mädchengruppe, wahrscheinlich neue Reitschülerinnen. Von Bea und Angelika wusste sie, dass es zahlreiche Neuanmeldungen gab. Auch bei den Pensionspferden waren einige hinzugekommen. Die Zukunft von Mooraue schien gerettet. Leo war darüber sehr glücklich. Alles würde gut werden.

Da vernahm Leo ein scharfes Wiehern. Sie drehte sich zum Reitplatz um und entdeckte ein unbekanntes Mädchen auf einem schwarzen Pferd. Der lange kastanienbraune Zopf, der ihr bis zu den Hüften reichte, wippte im Galopp auf und ab.

Leo verlangsamte ihren Schritt, um einen Blick auf den Rappen zu werfen. Sein Fell schimmerte lackschwarz, die lange Mähne floss in Wellen an ihm herab. Er wurde offensichtlich mit großer Hingabe gepflegt.

Gerne hätte sie das schöne Pferd noch etwas länger betrachtet, doch es zog sie weiter zur Koppel, zu Hope. Schon von Weitem sah sie ihre Stute inmitten der Herde. Hope hatte Leo ebenfalls bemerkt und blickte ihr mit hoch erhobenem Kopf und aufgestellten Ohren entgegen. Dann sprengte sie los. Auch Leo begann zu rennen. Am Gatter trafen sie aufeinander. Leo blieb nicht einmal Zeit, es zu öffnen, denn Hope streckte ihr den Kopf ungestüm über die Holzstangen hinweg entgegen. Selig lächelnd versenkte Leo ihr Gesicht in Hopes weicher Mähne. Für den Augenblick schien die ganze Welt um sie herum stillzustehen, eine fast schon übernatürliche Ruhe überkam Leo. Zärtlich schmiegte sie ihre Stirn gegen Hopes. Genau so soll es bleiben, dachte sie. Nichts sollte sich ändern. Sie gehörten zusammen, für immer und ewig.

1. Kapitel

Wie gerne wäre Leo länger bei Hope geblieben! Doch sie hatte versprochen, sich noch zu schonen. Als sie nach ihrem viel zu kurzen Ausflug nach Hause zurückkehrte, war ihre Mutter in der Küche gerade dabei, ein leckeres Essen zu zaubern. Aus dem Backofen duftete es bereits nach Pizza, Leos Lieblingsgericht. »Zur Feier des Tages«, sagte Eva Pollinger zärtlich. »Weil du endlich wieder zu Hause bist.«

»Ein perfektes Essen für einen perfekten Tag!« Leo umarmte ihre Mutter.

»Es braucht nur noch ein bisschen«, entschuldigte sich Eva Pollinger. »Ich musste vorhin noch kurz in der Firma vorbeifahren.«

Leos Mutter arbeitete nun seit fast einer Woche für Herrn Blankewitz. Nachdem ihr Richards Vater das Angebot gemacht hatte, die Konfitüreproduktion mit neuen Geschmacksrichtungen aufzupeppen, hatte sie sofort ihren ungeliebten Bürojob gekündigt.

»Du gehst samstags arbeiten?«, wunderte sich Leo.

»Im Moment geht es nicht anders«, erwiderte ihre Mutter.

»Na, Hauptsache du hast Spaß«, lachte Leo.

»Den hab ich.« Eva Pollinger lächelte selig. »Es ist wie im Himmel: Ich darf herumexperimentieren, wie ich möchte. Für nächste Woche hat Herr Blankewitz einige Testesser eingeladen. Die werden entscheiden, in welche Richtung es weitergehen soll.« Mit einem Zwinkern fügte sie hinzu: »Aber ich glaube schon jetzt, dass die Quitte-Vanille-Kombination das Rennen machen wird!«

Leo hob zustimmend den Daumen. »Vanille ist lecker. Vielleicht neutralisiert sie die Quitte«, sagte sie und grinste. Jeder wusste, dass sie Herrn Blankewitz' Marmelade nicht mochte.

Leos Mutter schüttelte in gespielter Empörung den Kopf. Dann wurde sie ernst. »Ich hoffe nur, dass meine Neuschöpfungen Erfolg haben … Schließlich soll ich damit ja quasi das Unternehmen retten!«

Tatsächlich war die Firma »Blankewitz’ feine Quittenkonfitüre« schon lange in den roten Zahlen. Herr Blankewitz brauchte dringend einen neuen Verkaufsschlager, um den drohenden Konkurs abzuwenden.

»Auf Mooraue scheint es jedenfalls besser zu gehen«, sagte Leo. »Es gibt einige neue Reitschüler und Pensionspferde.«

»Das ist schon mal gut.« Ihre Mutter nickte. »Dann brennt es nur an einer Front.«

»Ich bin sicher, du wirst den Laden rocken.« Leo kicherte. »Auch wenn du einen Quitte-Knoblauch-Mix kreierst – immer noch besser als das Original.«

»Leo, jetzt hör aber auf«, lachte Eva Pollinger. »So schlimm ist sie nun wirklich nicht!«

»Ja, ja.« Leo winkte ab und öffnete die Küchenschublade, um das Besteck herauszunehmen.

»Wir sind nur zu zweit«, sagte Eva Pollinger schnell, als sie sah, dass Leo für drei decken wollte.

»Was ist denn mit Harald?«, fragte Leo. Vor ihrem Krankenhausaufenthalt hatte es kaum einen Tag gegeben, an dem der neue Freund ihrer Mutter nicht mit ihnen gegessen hatte.

»Wir sehen uns im Moment leider nicht so oft«, sagte Eva Pollinger. »Er arbeitet fast rund um die Uhr.«

Das wunderte Leo nicht. Harald hatte bei RT-MEGA, dem Sender, der damals Leos Pferdedoku produziert hatte, eine eigene Kochshow bekommen. Sie hatte sich gleich gedacht, dass er sich mit Besessenheit auf diesen prestigeträchtigen Job werfen würde.

»Verstehe«, sagte sie deshalb.

Aber für Eva Pollinger war das Thema noch nicht beendet.

»Harald ist der totale Workaholic«, fügte sie augenrollend hinzu. »Aber jetzt unterstellt er MIR, ich wäre die Arbeitssüchtige! Was für ein Blödsinn!«

Leo sah sie nachdenklich an. Hatte Harald nicht vielleicht recht? Ihre Mutter war in der letzten Woche von früh bis spät in der Firma gewesen. Andererseits wusste Leo sehr gut, wie es sich anfühlte, wenn etwas tiefe Erfüllung brachte: So wie bei ihr das Zusammensein mit Hope! Ihre Mutter tat nun das, was sie liebte – neue Rezepte kreieren.

2. Kapitel

Als Leo am nächsten Morgen aufstand, fand sie auf dem Küchentisch nur einen Zettel vor: »Bin schon in die Firma gefahren, muss noch Dinge erledigen! Hab einen schönen Tag!« Leo schüttelte den Kopf. Wie sich die Zeiten änderten! Seit sie nicht mehr auf dem Internat war, hatten sie und ihre Mutter immer gemeinsam gefrühstückt. Eva Pollinger war nämlich der Ansicht, dass das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages sei. Und jetzt hatte sich ihre Mutter verdünnisiert! Aber Leo war das nur recht. Hastig löffelte sie eine Schale Cornflakes leer und stürzte einen Orangensaft hinterher. Sie wollte so schnell wie möglich zu Hope. Das Wiedersehen am Vortag war viel zu kurz gewesen!

Vorher wollte Leo noch schnell bei Bea vorbeischauen. Gestern hatte sie ihre beste Freundin nämlich nicht auf dem Pferdehof getroffen. Das war seltsam, schließlich war Bea fast noch pferdeverrückter als Leo. Ein Tag ohne ihr Lieblingspferd Rosinante war für Bea wie ein keksfreier Tag für das Krümelmonster.

Hoffentlich ist nichts passiert, dachte Leo auf dem Weg zu ihrer Freundin. Beas Stiefmutter hasste Pferde und hatte immer mal wieder gedroht, ihr den Umgang mit ihnen zu verbieten.

Als Leo jetzt an Beas Tür klingelte, fühlte sie sich etwas beklommen. Wie befürchtet, öffnete auch noch Beas Stiefmutter – allerdings war sie bester Stimmung.

»Ja, Bea ist da«, sagte sie. »Aber sie lernt!«, fügte sie nicht ohne Stolz hinzu. »Sie bereitet sich auf das neue Schuljahr vor.«

»Wirklich?«, fragte Leo ungläubig und betrat die Wohnung. Zu ihrer Überraschung saß Bea tatsächlich in ihrem Zimmer am Schreibtisch. Sie tippte eifrig auf der Computertastatur herum. Als Leo eintrat, sprang sie auf und umarmte sie. Doch gleich danach hockte sie sich wieder an den Computer.

»Bea, was ist los? Warum sitzt du hier drinnen?«, rief Leo. »Ich dachte, wir verbringen das letzte Ferienwochenende auf Mooraue!«

Bea wedelte mit den Händen. »Ja, unbedingt, aber später! Ich muss noch was Wichtiges erledigen.«

Leo sah ihre Freundin zweifelnd an. »Arbeitest du wirklich für die Schule?«

Bea kicherte. »Quatsch! Das habe ich nur gesagt, damit ich den Computer kriege! Komm mal her, ich zeig dir was.«

Bea rief eine Webseite auf. »Willkommen auf Mooraue«, stand dort. Leo glaubte, sich verlesen zu haben, erkannte dann aber, dass es sich tatsächlich um »ihr« Mooraue handelte. »Wow, sieht gut aus!«, sagte sie.

»Frau Blankewitz hat die Seite bei einem Webdesigner in Auftrag gegeben«, erklärte Bea. »Damit die Leute sich über den Hof informieren können.«

»Oh, da hätten wir auch drauf kommen können!«, sagte Leo und klickte im Menü auf »Bilder«. Es erschien eine Fotostrecke mit wunderschönen Bildern des Hofs, vom Offenstall über die chipgesteuerte Fütterungsanlage bis zu den weitläufigen Koppeln. Auch die Pferde wurden vorgestellt. Von jedem Pferd gab es eine stimmungsvolle Porträtaufnahme, die die Einzigartigkeit eines jeden Pferdes überraschend genau wiedergab. Da war der wilde dunkelbraune Joe, die zwei freundlichen Friesen Fredo und Angel, der hellbraune Einzelgänger Georgio, die fröhliche Holsteinerstute Luna, die gemütlichen Jütländer Darius und Calypso, der freche Knabstrupper Fabulus und natürlich Rosi. Für Leo war jedoch das Foto von Hope am schönsten. Das lag nicht nur an ihrer offensichtlichen Schönheit, ihrem glänzenden Fell und ihrem kraftvollen, aber graziösen Körperbau. Es waren vor allem ihre sanften Augen. Sie verrieten ihre Sensibilität und Klugheit.

»Und weißt du, was das Tollste ist?«, fragte Bea. Ohne auf Leos Antwort zu warten, deutete sie auf einen der Menüpunkte.

»Das ist mein Blog!«, sagte sie stolz.

»Rosis Welt«, las Leo vor. Sie klickte auf den Link und eine neue Seite öffnete sich. Schon auf den ersten Blick erkannte Leo, dass Bea sich sehr viel Arbeit gemacht hatte. Es gab bereits zahlreiche Blogartikel, etwa zu »Reiten gewaltfrei – sei dabei« oder »Rauf aufs Pferd – aber bitte mit Hilfe«. Außerdem entdeckte Leo jede Menge Fotos und Zeichnungen, die Bea von Rosi gemacht hatte.

»Wahnsinn«, sagte Leo. »Du bist jetzt eine richtige Bloggerin!«

»Ich möchte, dass möglichst viele Menschen erfahren, wie sich ihr Pferd wohlfühlt! Was es braucht und wie es mit Respekt geritten wird!«, erklärte Bea.

»Verstehe. Aber wollen wir jetzt nicht doch lieber zu Rosi und Hope?«, fragte Leo.

Bea sah verlegen zu Boden. »Wie gesagt, ich muss noch den Artikel zu Ende schreiben. Das ist mir gerade sehr wichtig. Ich komme später nach.«

»Okay«, sagte Leo und versuchte, neutral zu klingen. Ihr war klar, wie gut und wichtig Beas Anliegen war. Die Menschen mussten erfahren, was ein wirklich pferdefreundlicher Umgang bedeutete! Aber ein bisschen enttäuscht war sie trotzdem.

3. Kapitel

Nachdenklich lief Leo durch das kleine Wäldchen nach Mooraue. Nie hätte sie gedacht, dass Bea etwas wichtiger sein könnte, als einen freien Tag mit Rosinante zu verbringen. Eher hätte ihre Stiefmutter ein Pferd geheiratet!

Als der Wald sich lichtete und die üppigen Weiden und Felder rund um Mooraue sichtbar wurden, dachte sie unwillkürlich daran, wie sie damals mit Bea hier entlanggekommen war. Sie hatten sich gerade kennengelernt und Leo trug nach einer Verletzung auf dem Sportinternat noch einen Gips. Bea hatte ihren Rollstuhl tapfer über den holprigen Feldweg geschoben, vorbei an Frühlingswiesen und knospenden Sträuchern.

Bei dieser Erinnerung huschte Leo ein Lächeln über das Gesicht. Sie dachte daran, wie sie Hope das erste Mal gesehen hatte und an den Sommer, den sie alle miteinander verbracht hatten. Nun waren die langen Tage des Jahres vorbei. Die Sonne stand schon deutlich tiefer und wärmte nur noch mit halber Kraft. Eine Brise fegte über die weite Fläche. Leo spürte einen Hauch von Herbst.

Dass Bea nicht mitgekommen war, schmerzte Leo plötzlich stärker als zuvor. Sie wusste selbst nicht, warum. Bea war eine treue und verlässliche Freundin. Sie hatte Leo jeden Tag im Krankenhaus besucht und ihr sogar kleine Briefchen zugesteckt, die Leo an den öden Krankenhausabenden lesen konnte, wenn sie sich allein fühlte. Trotzdem überkam Leo tief im Inneren plötzlich die Furcht, für Bea vielleicht nicht mehr so wichtig zu sein.

Eigentlich wusste Leo genau, dass ihre Sorgen unberechtigt waren, aber der Gedanke ließ sich einfach nicht abschütteln. Erst als sie das Gut fast erreicht hatte, wurde sie wieder etwas fröhlicher. Da bemerkte sie plötzlich am Weidezaun eine Gestalt in Jeans und Turnschuhen. Der Mann blickte in Richtung Mooraue. Leo schätzte ihn ungefähr so alt wie Herrn Blankewitz oder ihre Mutter, er war groß und schlank. Als er Leo bemerkte, wendete er hastig seinen Blick ab, als fühlte er sich bei etwas ertappt. Auch Leo sah in eine andere Richtung und wollte einfach an ihm vorbeigehen. Doch da sprach er sie an.

»Ist das dort drüben Mooraue?«, fragte er mit einem Lächeln, das durch die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen noch sympathischer wurde.

Leo musste gegen ihren Willen ebenfalls lächeln. »Der Haupteingang ist aber auf der anderen Seite«, sagte sie. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

»Nein, nein, ich wollte nur mal gucken«, versicherte der Mann schnell. »Man kennt den Reiterhof aus dem Fernsehen.«

»Ja, stimmt«, bestätigte Leo und ging rasch weiter. Denn mit einem Mal wurde ihr klar, dass der Mann auch sie aus der Pferdedoku kennen musste. Irgendwie war ihr das unangenehm.

Sie verließ den Feldweg und bog auf die Kieseinfahrt ab, die von hier aus direkt zum Gutshaus führte. Leo lief um das Gebäude zum Platz und hatte gerade den alten Brunnen erreicht, der inzwischen als Blumenbeet diente, da erklang von oben eine vertraute Stimme.

»Du bist also wieder unter den Lebenden!«, freute sich Herr Blankewitz. Er stand zusammen mit Angelika auf der großen Freitreppe und winkte ihr zu.

»Willkommen zurück auf Mooraue!«, begrüßte auch Angelika sie.

»Einen Tag länger, und ich wäre gestorben«, rief Leo lachend nach oben.

»So ist das, wenn man ohne Pferde nicht mehr leben kann«, scherzte die Pferdetrainerin.

»Du ja offenbar auch nicht«, sagte Leo und grinste. »Oder hast du nicht mitbekommen, dass schon Wochenende ist?«

Tatsächlich war die Pferdetrainerin normalerweise nur unter der Woche auf dem Hof.

»Ich habe etwas mit Herrn Blankewitz zu besprechen«, sagte Angelika. Verlegen sah sie zu Boden.

Herr Blankewitz lachte. »Nicht so bescheiden, Angelika!« Und zu Leo gewandt, erklärte er: »Ich habe Angelika befördert. Sie ist jetzt Cheftrainerin und Head-of-Operation-Managerin auf Mooraue.«

»Herzlichen Glückwunsch!«, rief Leo, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was das englische Wort bedeutete. Sie stürzte die Treppen hoch, um Angelika zu umarmen.

»Und was heißt das genau?«, wollte sie wissen.

»Gute Frage.« Angelika lachte unsicher und sah zu Herrn Blankewitz.

»Das heißt auf gut Deutsch, dass Angelika den Laden jetzt schmeißt. Sie wird Mooraue in die Zukunft führen«, erklärte er.

»Oh, toll!« Leo strahlte Angelika an.

Aber Angelika sah wieder nur zu Boden. »Ja, das ist eine ganz tolle Sache – Chance, meine ich.«

»Angelika ist viel zu bescheiden, man muss ihr manchmal etwas auf die Sprünge helfen«, erklärte Herr Blankewitz. »Stell dir vor: Sie wollte die Beförderung erst gar nicht annehmen!«

»Es kam halt so unerwartet«, versuchte Angelika zu erklären.

»Na ja, aber jetzt gehen wir gemeinsam ins Büro, damit ich Angelika einen Überblick über unseren Aktenbestand geben kann.«

»Papierkram?«, fragte Leo verwundert.

»Natürlich gehören zu ihrem Job auch die Abrechnungen, Futterbestellungen, Versicherungen und Verträge!«, erklärte Herr Blankewitz.

Angelika warf Leo einen Blick zu, der Bände sprach. Spätestens jetzt wurde auch Leo klar: Für Angelika war die Beförderung wahrscheinlich so, als würde man einen Kaktus in die Arktis pflanzen.

4. Kapitel

Leo fand es trotzdem wunderbar, dass nun Angelika den Hof leiten würde. So würde auch in Zukunft alles im Sinne der Pferde entschieden werden.

Während Leo weiter zur Koppel lief, erinnerte sie sich mit Schaudern an die letzten Wochen. Als die Pferdedoku gedreht wurde, hatte Frau Blankewitz Angelika in den Zwangsurlaub geschickt und selbst das Ruder auf dem Hof übernommen. Und das, obwohl sie überhaupt nichts von Pferden verstand! Entsprechend katastrophal war dann auch das Ergebnis gewesen.

Als Leo die Koppel erreicht hatte, sah sie, dass diese geteilt worden war. Ein Teil der Fläche war für das neue Pferd mit einem Elektrozaun abgetrennt worden. Zum pferdefreundlichen Konzept von Mooraue gehörte, dass jeder Neuankömmling ganz allmählich an die Herde gewöhnt wurde, damit es keine Kämpfe gab.

Der schwarze Wallach hatte Leo längst bemerkt und taxierte sie mit seitlich geneigtem Kopf. Leo blieb automatisch stehen. Sie überlegte, zu was für einer Rasse er gehörte. Sein Kopf war etwas kleiner als bei den anderen Pferden auf dem Hof. Er wirkte edel, ja majestätisch, strotzend vor Selbstbewusstsein. Leo fand das Tier faszinierend, gleichzeitig irritierte es sie auch. Es war der Blick. Etwas Hochmütiges lag darin. Konnte ein Tier arrogant sein?, überlegte Leo. Nein, sicher nicht, das bildete sie sich nur ein.

Vorsichtig streckte sie eine Hand aus und rief: »Hallo, du! Komm mal her!« Nichts geschah. Der Rappe sah sie nur weiter aufmerksam an. Leo trat einen Schritt näher an den Zaun. Im selben Moment riss das Pferd schnaubend den Kopf herum und stob davon.

Überrascht verharrte Leo einen Augenblick in ihrer Bewegung. Dann nahm sie den Arm herunter und sah sich um. Sie fürchtete, bei ihrer missglückten Annäherung beobachtet worden zu sein. Aber niemand war zu sehen. Erleichtert ging sie weiter und war froh, als sie auf der größeren Koppel den vertrauten Schulpferdeclan entdeckte. Die meisten hatten unter den Bäumen Schatten gesucht und verscheuchten mit trägen Schweifschlägen die Fliegen. Hope stand etwas abseits, wie immer mit aufgestellten Ohren, jederzeit bereit, bei Gefahr die Herde zu warnen. Als sie Leo sah, kam sie schnaubend näher und galoppierte übermütig am Koppelzaun entlang.

Sofort strahlte Leo über das ganze Gesicht. Hopes Zuneigung und Lebensfreude lösten in ihr jedes Mal ein tiefes Gefühl der Verbundenheit aus.

»Da braucht heute wohl jemand etwas Extrabewegung«, lachte sie. Wie zur Bestätigung legte Hope noch eine weitere Runde am Zaun entlang ein.

»Na, dann komm! Wir reiten aus!«, rief Leo und ging weiter zum Tor, um es zu öffnen. Sofort kam Hope schnaubend angetrabt und folgte ihr ohne Seil und Halfter zum Stall. Leo holte Sattel und Putzzeug aus der Sattelkammer und begann, Hopes Fell sorgfältig zu bürsten, damit nicht das kleinste Schmutzkörnchen unter dem Sattel scheuern konnte.

Dann legte sie Satteldecke und Sattel auf und befestigte locker den Gurt. Erst nachdem sie sich versichert hatte, dass der Sattel gut auflag, zog sie etwas fester an. Dann streifte Leo Chaps und Reithelm über und stieg, den Zaun als Aufstiegshilfe nutzend, in den Sattel. Im Schritt ritten sie vom Hof, den Seitenstreifen an der Straße entlang. Neben ihnen erstreckte sich eine weite Wiese. Leo spürte Hopes Ungeduld: die Stute wollte sich bewegen, ihrer Kraft freien Lauf lassen! »Na, dann los!«, ermunterte Leo sie. Im nächsten Moment sprengte Hope auch schon mit fliegender Mähne los, quer über das Grün. Es gab nur noch eine Richtung: den Horizont! Das Gras flog unter ihnen vorbei, über Leo strahlte die flammende Sonne. Sie fühlte sich federleicht und gleichzeitig mit Hope, der Erde und den Wolken verbunden. Wie sehr hatte sie das vermisst! Der Wind sauste in ihren Ohren, als sie im Galopp das Ende der Wiese erreichten, den Anfang kilometerweiter Felder. Das Getreide war längst abgeerntet. Als riesiges Muster lagen goldene Strohballen in der Landschaft. Ohne Halt stob Hope über die Stoppelfelder, ihre Hufe warfen lehmige Erde auf.

Es war offensichtlich, dass Hope ihre gemeinsamen Ausritte ebenso gefehlt hatten wie Leo: Sie gehörten zusammen, und nichts und niemand würde sich je zwischen sie stellen können!