Hot Boss Secrets - oder: Burning Desire - Sophia Chase - E-Book + Hörbuch

Hot Boss Secrets - oder: Burning Desire Hörbuch

Sophia Chase

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  • Herausgeber: SAGA Egmont
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Ist es die Chance ihres Lebens – oder wird er ihr Untergang sein? Der prickelnde Liebesroman »Hot Boss Secrets« von Sophia Chase jetzt als eBook bei venusbooks. Warum auf Nummer sicher gehen, wenn es so viele Abenteuer zu entdecken gibt? Bisher hat Kate alles so gemacht, wie es von ihr erwartet wurde: eine Karriere als Rechtsanwältin im glanzvollen London – und ein scheinbar perfekter Freund, mit dem sie gerade zusammengezogen ist. Als beides zerplatzt wie eine Seifenblase, ist Kate am Boden zerstört – und wild entschlossen, sich nicht mehr an die Regeln zu halten, die andere aufgestellt haben. Darum kommt ihr ein ebenso absurdes wie verlockendes Angebot gerade recht: Für eine Million soll sie ein Jahr lang die Ehefrau des teuflisch attraktiven CEOs Josh Maine spielen. Im Vertrag ist klar geregelt, dass die Beziehung nur auf dem Papier existieren wird, also warum eigentlich nicht? Doch Kate ahnt nicht, welche Geheimnisse Joshs reiche Familie zu verbergen hat – und dass sie sich bald schon nach seinen dunklen Blicken und Berührungen sehnen wird … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Dirty-Office-Roman »Hot Boss Secrets« von Sophia Chase ist bereits bekannt unter dem Titel »Burning Desire« und wird Fans von Ana Huang und Lauren Asher begeistern. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Zeit:9 Std. 10 min

Sprecher:Larissa List
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Über dieses Buch:

Warum auf Nummer sicher gehen, wenn es so viele Abenteuer zu entdecken gibt? Bisher hat Kate alles so gemacht, wie es von ihr erwartet wurde: eine Karriere als Rechtsanwältin im glanzvollen London – und ein scheinbar perfekter Freund, mit dem sie gerade zusammengezogen ist. Als beides zerplatzt wie eine Seifenblase, ist Kate am Boden zerstört – und wild entschlossen, sich nicht mehr an die Regeln zu halten, die andere aufgestellt haben. Darum kommt ihr ein ebenso absurdes wie verlockendes Angebot gerade recht: Für eine Million soll sie ein Jahr lang die Ehefrau des teuflisch attraktiven CEOs Josh Maine spielen. Im Vertrag ist klar geregelt, dass die Beziehung nur auf dem Papier existieren wird, also warum eigentlich nicht? Doch Kate ahnt nicht, welche Geheimnisse Joshs reiche Familie zu verbergen hat – und dass sie sich bald schon nach seinen dunklen Blicken und Berührungen sehnen wird …

Über die Autorin:

Sophia Chase, Jahrgang 1991, arbeitete zuerst im pharmazeutischen Bereich, ehe sie durch ihre Leseleidenschaft zum Schreiben kam. 2011 veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman. Heute lebt sie mit ihrer Familie in der Nähe von Linz, Österreich, arbeitet als Autorin und studiert Rechtswissenschaften.

Die Autorin im Internet:

www.sophiachase.de/

www.facebook.com/sophia.chase.376

www.instagram.com/sophiachase.autorin/

Sophia Chase veröffentlichte bei venusbooks auch die folgenden eBooks:»Kissing the Boss«»True Colours – Daniel«»True Colours – Ben«»True Colours – Jason«

***

eBook-Neuausgabe Juni 2023

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 2019 unter dem Titel »Burning Desire« im Selfpublishing.

Copyright © der Originalausgabe 2019 Sophia Chase

Copyright © der Neuausgabe 2023 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Textbaby Medienagentur, www.textbaby.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Dr. Antonia Barboric

Korrektorat: SW Korrekturen – Sybille Weingrill

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96898-237-3

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieses eBook gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Hot Boss Secrets« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

Besuchen Sie uns im Internet:

www.venusbooks.de

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www.instagram.com/venusbooks

Sophia Chase

Hot Boss Secrets

Roman

venusbooks

Wenn die Liebe dir winkt, folge ihr, sind ihre Wege auch schwer und steil.

Khalil Gibran

Kapitel 1

Wenn dein Boss dich aufgrund der Tatsache, dass du eine Frau bist, schlechter behandelt als deine männlichen Kollegen und du im Grunde nur eingestellt wurdest, um die Firmenhomepage hübscher wirken zu lassen, dann solltest du zuerst kündigen und den Widerling im Anschluss mit allen rechtlichen Mitteln, die dir zur Verfügung stehen, vernichten.

Ich kündigte an dem Tag, als er mich mitten in einem Firmenmeeting und vor versammelter Mannschaft mit »Herzchen« ansprach. Das war aber lediglich der berühmte letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Ich wartete das Ende der Versammlung ab, marschierte dann schnurstracks in sein Büro und besiegelte mein Schicksal mit den Worten: »Mr Pruisan, ich löse meine Anstellung mit sofortiger Wirkung. Ich habe es satt, mich von Ihnen demütigen zu lassen. Glauben Sie wirklich, ich habe mir meinen Arsch die letzten Jahre dafür aufgerissen, um von Ihnen vor allen anderen als hübsches Dummchen dargestellt zu werden? Ihnen fehlt jeglicher Sinn für Respekt; vor allem gegenüber Frauen.«

Darauf war er wohl auch noch stolz – der alte Drecksack. Er gehörte zu Londons erfolgreichsten Scheidungsanwälten und betreute ausschließlich Männer, denen er half, ihre Exfrauen finanziell zu vernichten.

Doch er lachte nur kurz auf, lehnte sich in seinem Sessel zurück und musterte mich von oben bis unten. »Ich wollte Sie sowieso entlassen, Kate.«

Dass er mich als Einzige seiner Angestellten stets mit meinem Vornamen ansprach, war auch etwas, was mich längst in den Wahnsinn getrieben hatte.

»Als ich Sie einstellte, dachte ich, in Ihnen viel Potenzial erkennen zu können. Aber offensichtlich können Sie einzig und allein mit Ihrem Äußeren punkten. Leider ist dieser Vorzug vergänglich. So habe ich irgendwann eine alte, hässliche Möchtegernanwältin am Hals. Mit Ihrer Entscheidung haben Sie uns beide einiges Ungemach erspart.«

Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich in den vergangenen Monaten immens hart gearbeitet habe, um Mr Pruisans hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Das hatte ich aber nicht ohne Hintergedanken getan. Schließlich würde er alles, was ich jetzt sagte, gegen mich verwenden. Ich durfte ihn also weder anbrüllen noch eine seiner heiß geliebten Bronzeskulpturen nach ihm schmeißen. Alles, was ich machen konnte, war, Haltung zu bewahren.

Ich schluckte und drückte meine Schultern durch. »Ich werde meine Sachen packen und mein Büro noch heute räumen.«

Er zog seine rechte Augenbraue hoch, wie er es immer tat, wenn er kurz davorstand, eine verbale Atombombe zu zünden. »Das ist doch wohl hoffentlich selbstverständlich. Hätten Sie geglaubt, dass ich Sie auch nur noch einen Tag länger hier geduldet hätte?«

Natürlich hatte ich das nicht geglaubt.

»Gut, dann gehe ich jetzt.«

»Ja, tun Sie das. Aber vielleicht sehen wir uns ja eines Tages doch noch einmal – wenn ich Ihrem Zukünftigen rechtlichen Beistand bei der Scheidung anbieten werde.«

Mit dieser Aussage brachte Pruisan mich aus der Contenance. »Fahren Sie zur Hölle, Sie frauenverachtender Arsch!«

Dass ich dies nun laut von mir gegeben hatte, war in vielerlei Hinsicht äußerst dumm von mir gewesen. Ich hatte Pruisan damit nicht nur Anlass geboten, mich beruflich zu ruinieren. Ich hatte damit eine persönliche Angelegenheit angesprochen, die nur zwei Wochen später damit enden sollte, meinen Freund mit einer anderen Frau zu erwischen. Die Frau, die er am helllichten Tag in seinem Büro vögelte, war keine Unbekannte für mich. Es handelte sich um seine Assistentin, zu deren Hochzeit wir im vergangenen Jahr eingeladen gewesen waren. Doch offensichtlich nahm auch sie es mit der Treue nicht so genau.

Die tragische Wahrheit hinter meinem vermeintlich gigantischen, vor allem jedoch nicht durchdachten Befreiungsschlag lautete, dass ich fast pleite, arbeitslos und – da ich es keine Sekunde länger mit meinem betrügerischen Freund unter einer Decke aushielt – auch noch obdachlos war. Irgendwie wirkten solch spektakuläre Szenen in Filmen immer besser. Nie kam darin eine verzweifelte Frau vor, die ein Zimmer in einem fragwürdigen Hotel bezog und den Anschein erweckte, das sprichwörtliche Wasser würde ihr bis zum Hals stehen.

Ich war auf dem absolut tiefsten Tiefpunkt meines Lebens angekommen und aus vollem Herzen verzweifelt. Ben, mein Exfreund, und ich hatten uns gerade erst eine Wohnung gemietet und sie gemeinsam eingerichtet. Dafür hatte ich mein gesamtes Erspartes verpulvert.

Alles, was ich nun besaß, waren ein paar Möbel und unzählige Kartons mit meinen Habseligkeiten, die sich momentan im Flur meiner alten Wohnung stapelten. Ich hatte immer gedacht, eine wirklich starke Frau zu sein, aber mittlerweile zweifelte ich an mir. Während ich auf eine Antwort auf meine Bewerbungen, die ich abgeschickt hatte, wartete, lag ich derzeit nachts oft wach und bekämpfte mit aller Kraft den Drang, Pruisan um Vergebung zu bitten und in meinen alten Job zurückzukehren.

So tief würde ich nicht sinken.

No way!

Während der öden Wartezeit erledigte ich einige Aufgaben für meine beste Freundin Olivia. Sie hatte sich als Psychotherapeutin mit einer eigenen Praxis selbstständig gemacht. Im Gegensatz zu mir stand sie mit beiden Beinen im Leben.

An diesem Nachmittag hatte ich ein Bewerbungsgespräch mit der Personalchefin einer großen Investmentfirma geführt, die ganz oben auf der Wunschliste meiner künftigen Arbeitgeber stand. Unsere Unterhaltung war für mich durchaus vielsprechend verlaufen, bis ich dieser wildfremden Frau aus heiterem Himmel mein Herz ausgeschüttet hatte. Und das nur, weil sie gemeint hatte, P&M wäre wie eine Familie für sie.

Mir schien es unangebracht, dass sie das gesagt hatte. Doch sie hatte ja nicht wissen können, wie verkorkst mein Leben gerade war. Offensichtlich aber hatte ich das Bedürfnis verspürt, ihr genau das unter die Nase zu reiben.

Nach dem Gespräch fuhr ich geradewegs zu Olivia, die mich bereits im kleinen Eingangsbereich ihrer Praxis erwartete. Wir betraten ihren Therapieraum, und zunehmend kam auch ich mir vor wie eine ihrer Patientinnen.

»Wie lief das Gespräch?«, fragte Olivia und setzte sich neben mich auf die hellbraune Couch.

Ich stieß ein Kichern aus – purer Galgenhumor und nur ein Zeichen dafür, wie schlecht es gelaufen war. »Eigentlich ganz gut – bis ich beschloss, dieser Lady, die eher einer Seelenfischerin als einer Personalchefin glich, all meine Sorgen aufzutischen. Wie verdammt belämmert kann man eigentlich sein?!«

Olivia runzelte die Stirn. Nicht ganz zu Unrecht fragte sie sich wohl gerade, ob ich also vielleicht meinen letzten Funken Verstand verloren hatte. »Oje. Aber wer weiß … vielleicht rechnet sie dir deine Ehrlichkeit an.«

»Du bist wirklich zu gut für diese Welt, Liv«, meinte ich schmunzelnd und strich mir über die Stirn. »Aber ich muss zugeben, dass es wahrscheinlich sogar besser für mich ist, den Job dort nicht zu bekommen. Denn ist Pruisans Kanzlei das Zentrum der Hölle, dann ist P&M Gerüchten zufolge der Vorsaal davon.«

Doch in Wahrheit hätte ich alles getan, um in Satans Vorzimmer arbeiten zu dürfen, weil ich dort zumindest eine echte Aufstiegschance für mich sah. P&M war ein megaerfolgreiches Unternehmen, und genauso mächtig waren die Siege, die man für sich reklamieren konnte. Intern wurde wohl auch genauso viel gekämpft, doch dies war eher eine Grundbedingung als eine Ausnahme. Ich hatte früh gelernt, skrupellos sein zu müssen, um das zu erreichen, was ich wollte, und dies kam mir jetzt, in der brutalen juristischen Welt, zugute.

Vom Tag meiner Geburt an war ich eine Kämpferin gewesen, und es tat gut, mir dies vor Augen zu führen, um neue Kraft zu schöpfen.

»Jeder Rückschlag ist hart, aber irgendwie wird es weitergehen. Was soll schon noch Schlimmeres passieren? Ich meine, ich habe meinen Job, meinen Freund, mein Zuhause und zu guter Letzt wohl auch noch meinen Verstand verloren … also?!«

Olivia blickte betrübt zu mir. »Ich garantiere dir, dass auch wieder andere Zeiten auf dich zukommen werden, Kate.« Sie tätschelte meine Hand, stand auf und schenkte mir ihr aufmunterndes Lächeln. »Ich habe gleich den letzten Patienten für heute. Danach gehen wir etwas essen, okay?«

»Mir wäre eine Bloody Mary anstelle von Essen lieber. Und zwar so viele davon, dass ich vergesse, gerade über dem Abgrund zu schweben.«

Olivia hob tadelnd ihren Zeigefinger, ehe sie verschwand. Ich atmete tief durch. Ihre Worte klangen deutlich in mir nach. Ich wünschte, sie hätte recht. Doch ich befand mich an einem Punkt, an dem ich das Gefühl hatte, ständig die falschen Türen zu öffnen. Ich fühlte mich verloren und orientierungslos. Und ich war einsam. Ich hatte noch überhaupt keine Zeit gehabt, den Schmerz, den Bens Betrug ausgelöst hatte, bewusst wahrzunehmen. Völlig abgestumpft quälte ich mich von einem Tag zum nächsten, darauf hoffend, dass es irgendwann wieder bergauf gehen würde.

Doch ich konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, welche wohl bahnbrechendste Veränderung meines Lebens mir kurz bevorstand. Und sie kündigte sich nicht einmal durch ein leises Geräusch an.

Kapitel 2

Ich ertränkte meine Sorgen in Alkohol – und zwar in Unmengen.

Olivia und ich hatten, nachdem sie ihren letzten Klienten verabschiedet hatte, eine dunkle Bar, die ungesundes, fettiges Essen anbot, in der Nähe meines Hotels angesteuert. Eigentlich wollten wir bloß eine Kleinigkeit essen, doch beim dritten Bloody Mary verlor ich den Überblick.

»Ich muss meine Kartons demnächst aus Bens Wohnung holen«, begann ich mit einem schmerzhaft-dringlichen Thema.

Olivia band sich ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz – ihre Geste, zu zeigen, dass sie offiziell Feierabend hatte. »Du kannst sie bei mir unterstellen. Ich nutze das zweite Büro nicht, und dort ist bestimmt genügend Platz.«

»Ich bin so dankbar, dich zu haben.« Gut, jetzt wurde ich sentimental. Es war nun nur noch eine Frage von einem oder maximal zwei Getränken, bis ich heulen würde. »Nie hätte ich gedacht, dass es sich so mies anfühlen würde, betrogen zu werden. Da ist nicht nur dieser Schmerz aufgrund des Verrats, sondern auch das Empfinden, alles, was man mit dem Partner durchlebt hat, sei nur ein Witz für ihn gewesen. Echt scheiße.«

Sie nippte an ihrem Glas und blickte mitfühlend zu mir. »Ich verstehe das, Kate. Aber besser, der Verrat wird aufgedeckt, anstatt für alle Ewigkeit in Ungewissheit zu leben.«

Ich lachte bitter. »Es wäre doch großartig, wenn alle Typen ein Schild auf der Stirn tragen würden, an dem abzulesen wäre, ob ein potenzieller Fremdgänger in ihm steckt.«

Olivia fand meinen Vorschlag ebenso erheiternd wie ich. »Oder jemand testet ihn gründlich, bevor es ernster wird.«

»Ich würde das für dich machen«, versprach ich ihr und streckte feierlich Zeige- und Mittelfinger in die Luft. »Für jede Frau dieser Welt würde ich diesen Test machen, um sie vor dem zu bewahren, was ich erleben musste.«

In meinem Zustand hielt ich mich offensichtlich für die reinkarnierte Jeanne d’Arc, bereit, gegen jegliche Ungerechtigkeit, die Frauen drohen könnte, in den Kampf zu ziehen.

Aber während ich mein Glas mit beiden Händen festhielt und die blutrote Flüssigkeit darin betrachtete, begann sich etwas in mir zu manifestieren. Eine Idee, die zwar noch grob und unausgereift war, aber immerhin verspürte ich plötzlich wieder einen enormen Tatendrang.

»Stell dir mal vor, es gäbe ein Unternehmen, das genau diesen Service zur Verfügung stellt«, sinnierte ich laut und fixierte Olivia mit festem Blick.

»Wäre bestimmt witzig«, antwortete diese schmunzelnd.

»Liv«, sagte ich aufgeregt und beugte mich über den dunklen Holztisch zu ihr. »Das wäre nicht nur witzig, sondern schier grandios. Menschen trachten nach Aufklärung. Und um diese zu bekommen, sind sie gerne bereit, Geld zu investieren.«

Olivia sah mich skeptisch an, doch ich erkannte in ihrem Ausdruck, dass ich sie geködert hatte. Es war kein Geheimnis, dass ich spontaner und intuitiver war als sie. Doch Olivia hatte einen scharfen Verstand. Sie begriff sofort, wenn sich eine Sache lohnte.

»Aber wie soll so ein Test ablaufen?«, fragte sie und faltete ihre Hände vor sich auf dem Tisch.

Ich überlegte kurz und antwortete aus dem Bauch heraus. »Ich würde sagen, dass es unterschiedliche Arten von Treuebruch gibt. Für manche Frauen reicht es schon, wenn ihr Mann privaten Nachrichtenverkehr mit fremden Frauen pflegt. Andere steigen erst auf die Barrikaden, wenn er seine Zunge in den Hals einer anderen steckt. Doch all dies müsste im Vorhinein genau mit dem Auftraggeber abgeklärt werden, damit wir zuschlagen könnten.«

»Ich würde niemals für Geld mit einem Typen rumknutschen«, unterbrach mich Olivia aufgeregt.

Ich grinste. »Das musst du auch nicht. Die Bereitschaft, die die Testperson dem Mann signalisieren würde, würde ja schon ausreichen, um den Mann einer möglichen Tat zu überführen.«

Aus mir sprach einerseits die Anwältin, zu einem großen Teil aber auch die Betrogene. Wahrscheinlich war ich im Augenblick zu betrunken, um vernünftig zu denken. Aber meine Idee hatte einfach dennoch etwas. Die Umsetzung erforderte bestimmt sehr viel Fingerspitzengefühl und einen fixen Plan, an den wir uns halten müssten. Aber bereits in dem Moment, als ich mich in der kleinen Bar umblickte und mich fragte, wer von den anderen Gästen potenzieller Ehebrecher sein könnte, wusste ich, dass ich an dieser Idee festhalten würde.

»Würde ich als Testerin mit dem Mann eindeutige Nachrichten austauschen, gäbe es ja schließlich schriftliche Beweisstücke«, präzisierte Olivia.

Ich nickte. »Exakt. Oder Fotos. Weißt du, ich frage mich die ganze Zeit, wie das bei Ben gelaufen ist. War das eine spontane Aktion der beiden oder hatten sie bereits die Wochen davor miteinander geflirtet? Hatte es irgendwelche Anzeichen gegeben, die ich hätte bemerken sollen? Vielleicht hätte mich so ein Treuetest vor diesem ganzen Scheiß bewahrt.«

Während im hinteren Bereich der Bar einer der Dartspieler laut jubelte, fühlte ich mich gerade ganz und gar nicht beschwingt, wie mir bewusst wurde. Ich war völlig leer. Und trotzdem war ich keinesfalls bereit, mich gleich von zwei Männern – Pruisan und Ben – unterkriegen zu lassen.

»Wir ziehen diese Idee groß auf, Liv. Eine eigene App, eine Homepage mit unseren beiden gottgleichen Gesichtern darauf und dazu ein Slogan wie: ›Wir flirten zu Ihrem Vorteil.‹ Das wird grandios, glaub mir!«

»Du bist verrückt, aber du hast die Kraft, immer wieder aufzustehen. Das finde ich bewundernswert an dir.«

»Wenn du nicht aufstehst, wirst du überfahren«, ließ ich einen Spruch, der mir im betrunkenen Zustand – so wie vermutlich alles, was ich in den letzten zehn Minuten gesagt hatte – total weise vorkam, vom Stapel und hob dabei mein Glas. »Und kannst du dir dieses«, ich deutete mit Unschuldsmiene auf mich, »Gesicht mit Reifenabdrücken darauf vorstellen?«

Olivia tat, als würde sie überlegen, während sie mein Gesicht mit gerunzelter Stirn betrachtete. Sie war mindestens genauso verrückt wie ich. »Wäre total schade drum.«

»Wie du möglicherweise bereits gemerkt hast, bin ich echt betrunken, aber lass uns bitte, bitte, bitte morgen noch einmal über diese Treuetest-Sache sprechen. Okay?«

»Soll das jetzt ein Hinweis sein, dich morgen an dieses Gespräch zu erinnern?«

Ich nickte heftig und trank mein Getränk aus. »Mal sehen. Im Augenblick fühle ich mich dank diesem Wundergetränk wie eine gottverdammte Superheldin, und das kann ruhig noch ein Weilchen so bleiben.«

Kapitel 3

Ich mochte mich ja gestern wie eine Superheldin gefühlt haben. Heute kam ich mir eher wie jemand vor, deren letztes Stündchen soeben geschlagen hatte. Ich war ganz sicher noch nicht nüchtern genug, um mich mit dem Klingeln meines Telefons auseinanderzusetzen.

Aber was blieb mir angesichts des penetranten Tons schon übrig, als mich um das lästige Ding, das neben mir auf dem schmuddeligen Hotelzimmerboden lag, zu kümmern?

Ich kniff die Augen zusammen, um irgendetwas auf dem Handydisplay zu erkennen. Diese Nummer hatte ich nicht eingespeichert. Daher zögerte ich, bis ich am Ende doch abhob.

»Hallo?«, murmelte ich und verzog bei dem kratzigen Klang meiner Stimme das Gesicht.

»Miss Giffard?«

Hieß ich so? Vermutlich. Meinen Verstand konnte ich nicht fragen, da der noch benebelt von seinem One-Night-Stand mit dem Bloody Mary war.

Jetzt wurde mir echt übel.

Ich atmete durch und überwand mich, den Mund für eine Antwort zu öffnen. »Ja.«

»Hier ist Sally Donovan, die Personalchefin von P&M. Nach unserem Gespräch gestern habe ich mich mit meinem Vorgesetzten unterhalten. Wir haben beschlossen, die freie Stelle in unserer Rechtsabteilung mit Ihnen zu besetzen.«

Ich hatte einen verdammten Job.

Yeah.

Ich zündete die imaginäre Konfettikanone, setzte mich auf und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. »Das ist … toll … wow.«

Dabei lag ich beduselt im Bett. Was für ein Loser war ich, bitte?!

»Gratuliere«, erwiderte die Eislady, wie ich sie spontan nannte, steif wie bislang. »Ihre Offenheit hat uns schließlich überzeugt. Sie sagten, dass Sie zeitlich flexibel wären und jederzeit anfangen könnten.«

»Jederzeit«, beeilte ich mich zu sagen, als liefe irgendwo ein Countdown.

»Wäre Montag für Sie okay?«

Was hatte ich auch sonst zu tun? Ich war arbeitslos und brauchte endlich wieder Geld, um raus aus diesem Hotel zu kommen. Wahrscheinlich würde ich sogar heute Nacht anfangen, wenn es sein musste.

»Montag ist mehr als okay. Ich kann es kaum erwarten.«

»Dann schicke ich Ihnen den Arbeitsvertrag per Mail, und Sie sehen ihn sich in Ruhe an. Bringen Sie diesen dann bitte unterschrieben am Montag mit.«

»Mach ich«, erwiderte ich und fühlte mich regelrecht ergriffen. Ich hatte das Gefühl, als wolle ich die Sachlichkeit der Eislady wettmachen. Ich war völlig aus dem Häuschen, aber überglücklich.

Nachdem ich mich noch einmal bedankt hatte, beendete ich das Telefonat und nahm die positive Veränderung tief in mich auf.

Nun konnte ich mich endgültig von meinem alten Leben lösen. Doch um vor Freude springen zu können, war ich noch zu verkatert. Deshalb schrieb ich eine SMS an Olivia, um ihr die erfreuliche Neuigkeit mitzuteilen.

Wie es aussah, gab es zur Abwechslung mal einen guten Grund, um abends miteinander anzustoßen.

Sie rief mich sofort zurück und klang sehr viel munterer als ich. »Du hast die Stelle echt bekommen?«, brüllte sie ins Telefon.

Ich sah sie praktisch vor Freude in ihrem Büro hüpfen. »Kaum zu glauben – nach meinem Auftritt bei der Eislady. Aber sieht so aus, als hätten sie kapiert, dass ich gut bin.«

»Ich freue mich wirklich für dich, Kate. Siehst du: Es geht bergauf«, meinte Olivia. »Und wie geht es dir? Dröhnt dir der Kopf?«

»Und wie«, antwortete ich und rieb mir über die Schläfe. »Aber die Freude darüber, dass ich einen Job habe und endlich aus dem Hotel rauskommen werde, überwiegt die Kopfschmerzen.«

Olivia lachte am anderen Ende der Leitung. »Ich habe mir heute ein deftiges Frühstück gegönnt, und dazu gab es zwei Stück Aspirin. Diese Grundsanierung hat bei mir geholfen, gut in den Tag zu starten. Aber wir können uns gern am Abend treffen, wenn du möchtest.«

»Klar, sehr gerne.« Ich brauchte Ziele, um diese letzten langweiligen Tage zu überstehen.

Es war so gar nicht meine Art, dauernd nur herumzusitzen und Däumchen zu drehen. Ich arbeitete verdammt gerne, und daher waren die vergangenen Wochen, in denen ich rein gar nichts zu tun gehabt hatte, eine Zerreißprobe für mich gewesen.

»Dann können wir auch noch einmal ausgiebig über deine Geschäftsidee sprechen«, fuhr Olivia fort, als ich aufstand und ins Bad ging. »Ich habe die Zeit heute nämlich genutzt, um nach Firmen zu suchen, die dieses Servicemodell bereits anbieten.«

»Und? Bist du fündig geworden?«, nuschelte ich mit der Zahnbürste im Mund. Ich musste diesen ekelhaften, abgestandenen Geschmack loswerden, da war mir die Etikette Olivia gegenüber egal.

»Ich habe keinen Dienstleister gefunden, der unsere Idee auch nur in ähnlicher Form anbietet. Als wir gestern darüber sprachen, war ich noch etwas skeptisch, doch heute muss ich zugeben: Ich glaube, dass wir uns erfolgreich ein zweites Standbein aufbauen könnten.«

»Im Ernst? Ich dachte, du würdest dich heute in aller Nüchternheit nur über unser Gespräch von gestern lustig machen«, erwiderte ich und fing an, mein Gesicht mit einem Abschminktuch zu säubern.

»Nein, ganz und gar nicht. Ich bin total angefixt.«

Ich war es auch.

Ich verspürte richtig viel Energie für mein neues Leben, in dem kein Platz mehr für Männer war, die mich unterdrückten, betrogen oder ausnutzten. Vielleicht war es daher ganz gut, in einer Firma anzufangen, in der ich beide Ellenbogen brauchen würde.

Olivia und ich beschlossen, am Abend genauer über unsere Idee zu sprechen. Ich würde die restliche Zeit nutzen, mir ein paar Stichpunkte aufzuschreiben und mich mit dem rechtlichen Kram, der mit solchen Treuetests einherging, zu befassen.

Während ich den Wasserhahn in der Dusche aufdrehte, fragte ich mich, ob meine missliche Lage vielleicht doch meiner Abneigung herrschsüchtiger Männer gegenüber geschuldet war. Jene hatte wohl bereits in der Nacht, in der ich gezeugt wurde, begonnen. Denn kurz darauf war mein leiblicher Vater spurlos verschwunden – und bis heute nicht mehr aufgetaucht. Meine Mum hatte auf ganzer Linie versagt, sodass ich im Alter von zwölf Monaten zu Pflegeeltern kam. An die konnte ich mich jedoch kaum erinnern, da mich meine Adoptiveltern sehr bald schon zu sich geholt hatten.

Mein Adoptivvater hatte mich zwar immer gut behandelt, doch mir war recht früh klar geworden, dass er meine Adoptivmum betrog. Und sie hatte das in ihrer Naivität einfach zugelassen. Je ausgeprägter mein eigenständiges Denken wurde, desto schwerer war es mir gefallen, meine Meinung vor ihnen zu verbergen. Ich hatte mir den Arsch aufgerissen, um ein Stipendium zu ergattern. Als ich dieses sicher in der Tasche gehabt hatte, hatte ich beschlossen, mich von meinen Adoptiveltern zu lösen. Ich hatte das Gefühl gehabt, als wären sie erleichtert gewesen, mich los zu sein. Immerhin hatten sie ständig erwähnt, wie anstrengend es für sie doch gewesen war, mich zu erziehen. Der Ungehorsam, den mir meine leibliche Mutter vererbt hatte, war wohl tief in mir verankert gewesen.

Lange hatte ich ihnen das geglaubt und deshalb alles getan, um ihnen immer wieder zu beweisen, wie klug, fleißig und erfolgreich ich sein konnte. Doch irgendwann war ich leer gewesen. Völlig kraftlos und nicht mehr gewillt, um die Gunst von Menschen zu kämpfen, denen ich rein gar nichts zu bedeuten schien.

Seit Jahren hielten wir lediglich sporadischen Kontakt. Sie riefen mich zu meinem Geburtstag immer an und schickten mir ein kleines Geschenk. Aber seit ich mich von ihnen gelöst hatte, hatte ich mich nicht nur freier, sondern auch stärker gefühlt.

Meinen Platz in der Welt hatte ich noch nicht gefunden, da ich ständig Angst empfunden hatte, von den Menschen, denen ich vertraute, verstoßen zu werden. Doch ich hatte gelernt, mich auf mein Bauchgefühl zu verlassen. Schritt für Schritt war ich meinen eigenen Weg gegangen.

Und das würde ich auch weiterhin tun.

Kapitel 4

Am Montagmorgen trat ich meinen ersten Arbeitstag bei P&M gut gelaunt an. Ich kannte den Weg zu dem Gebäude, in dem ich von nun an arbeiten würde, sehr gut, da Pruisans Büro nur wenige Straßen entfernt lag. Mitten im Bankenviertel, wo ein Glasgebäude dem anderen glich, waren Hunderte Firmen angesiedelt. P&M saß im neuesten und größten Glasbunker – weshalb sie als deutlicher Gewinner des Firmen-Schwanzvergleichs hervorgingen.

Ein warmer Wind begrüßte mich, als ich von der Tube-Station die Stufen ins Freie stieg. Mein rotes Kleid flatterte mir um die Beine, während ich es mit einer Hand daran hinderte, meinen nackten Hintern dem Asiaten hinter mir zu präsentieren. Ich schenkte diesem ein knappes Lächeln über die Schulter, ehe jeder seiner Wege ging. Ich steuerte eine kleine Seitenstraße an, wo sich der Mitarbeiteraufgang befand. Dabei passierte ich einen teuren Spirituosenladen, in dem ich für Pruisan oftmals kubanischen Rum hatte kaufen müssen.

Tatsächlich hatte mein Job bis vor Kurzem noch daraus bestanden, Rum aus Kuba für meinen Chef zu besorgen. Und das, obwohl ich einen erstklassigen Jura-Abschluss vorzuweisen hatte.

In dem Moment, als ich dem Laden, der bei Gott nichts für meinen Hass auf Pruisan konnte, einen teuflischen Blick zuwarf, kam direkt neben mir quietschend ein Wagen zum Stehen.

So abrupt aus meinen Gedanken gerissen, blickte ich erschrocken hoch. Ich stand … mitten auf der gottverdammten Straße.

Gut, es war zwar keine Hauptstraße – dann wäre ich nämlich längst mausetot –, doch die Tatsache, beinahe überrollt worden zu sein, reichte aus, um nachträglich größte Todesangst zu empfinden.

Während ich tief durchatmete und meine Schultern straffte, öffnete sich die Fahrertür, und ein äußerst besorgt dreinblickender Mann kam auf mich zugelaufen. Er begutachtete mich kurz von oben bis unten, ehe er sich mit der Hand durch sein ergrautes Haar fuhr und tief seufzte.

»Sind Sie verletzt?«, fragte er.

»Ich denke nicht. Es geht mir gut.« Ich hoffte, dass ich nicht bloß unter Schock stand und deshalb nichts spürte.

»Ich habe nicht damit gerechnet, dass Sie einfach so über die Straße spazieren würden«, machte er seinem Schrecken Luft und gestikulierte dabei aufgeregt mit seinen Händen.

Es würde diesen Mann vielleicht wundern, aber ich selbst hatte auch nicht vorgehabt, die Straße blind zu überqueren. Doch anstatt mich zu entschuldigen, starrte ich ihn bloß stumm an.

Da der Mann wirklich nicht an meiner Blödheit schuld war, rang ich mir ein winziges Lächeln ab. »Schon okay. Mir geht es gut.« Wenn man vergaß, dass ich – zusätzlich zu den Strapazen der vergangenen Wochen – nun auch noch als Stoßstangentesterin fungierte, lag darin sicherlich etwas Wahres.

Läuft bei mir – nicht.

»Oh, bitte warten Sie einen Augenblick«, bat mich der Typ, der fast zu meinem Henker geworden wäre, noch an Ort und Stelle zu verharren. »Mein Chef telefoniert gerade, aber er wollte sich noch nach Ihrem Zustand erkundigen.«

Ich seufzte frustriert, weil ich nicht bereits am ersten Arbeitstag zu spät kommen wollte. Doch da öffnete sich die hintere Wagentür des Bentleys und brachte einen großen, schlanken Anzugträger mit Handy am Ohr zum Vorschein. Er kam auf mich zu und unterbrach das Gespräch kurz, um zuerst der Stoßstange und dann mir einen prüfenden Blick zuzuwerfen.

Schon klar, das Wohl deines Autos ist dir wichtiger als das einer Fremden.

Das Einzige, was mir dazu einfiel, war: Arschloch.

»Warum passen Sie denn nicht besser auf?«, fragte er an mich gewandt und runzelte die Stirn.

Gut, ja. Er war durchaus attraktiv und hatte eindeutig etwas. Er strahlte die Art von Verschlossenheit aus, die wir Frauen knacken wollen. Doch selbst sein gutes Aussehen konnte die Absurdität seiner Frage nicht wettmachen.

Okay, mit dieser Frage hatte dieser Typ gerade ein Streichholz in einer Dynamitfabrik gezündet. »Ich soll besser aufpassen?«, wiederholte ich seine Worte schnippisch. »Meinen Sie, ich habe mich absichtlich vor Ihren Scheißwagen geschmissen? Klar, ich stand heute Morgen auf und dachte, ich beende endlich mein armseliges Dasein. Nur wie? Da kam mir Ihr Wagen, der mit der tödlichen Geschwindigkeit von zwanzig Meilen pro Stunde hier entlangfuhr, gerade recht.«

Sein Grinsen war fies, aber meine Aussage schien ihn tatsächlich zu erheitern. »Ich rufe dich zurück, sobald ich dieses Problem hier gelöst habe«, vertröstete er seinen Gesprächspartner am Telefon, legte auf und verstaute das Handy in der Hosentasche seines dunkelblauen Anzugs.

Ich musste wohl nicht erwähnen, dass dieses Ding wie für ihn gemacht aussah, was es vermutlich auch war. Dieser Typ passte so perfekt in das Muster des überheblichen Karrieremenschen, dass ich am liebsten davonlaufen wollte, anstatt noch eine Sekunde länger bei ihm stehen zu müssen. Doch irgendetwas passierte gerade. Er schien hart und unnachgiebig. Vermutlich bekam er immer das, was er wollte.

Ich hasste ihn augenblicklich, aber wusste nicht einmal, wieso.

Immerhin war er zumindest ausgestiegen, um sich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen. Hassgefühle hätte er verdient, wäre das Auto reifenquietschend davongebraust.

Ich atmete aus und umklammerte meine Handtasche. »Ich bin sicher nicht Ihr Problem, also steigen Sie wieder ein.«

Er stemmte sich mit seinem rechten Arm gegen das Dach des Autos und ließ seinen Blick über mich wandern. Das machte mich – gelinde gesagt – wahnsinnig. »Sie haben sich doch nicht wirklich absichtlich vor mein Auto geschmissen?«

Ich wusste nicht, ob er mich gerade auf den Arm nahm oder diese Frage ernst meinte. Vehement schüttelte ich den Kopf und gab mich ganz locker. »Warum sollte ich das tun? Das ist doch lächerlich.«

»Aus Verzweiflung? Irrsinn?«, gab er mir ein paar Ansätze. »Mir ist schon so einiges untergekommen.«

»Mir geht es gut«, wiederholte ich. »Heute ist mein erster Arbeitstag, daher möchte ich unter keinen Umständen zu spät kommen. Also … alles gut.«

Doch er ließ nicht locker, sondern stellte mir einfach die nächste Frage. Als hätte er meine Zeit gepachtet. »Was machen Sie beruflich?«

»Ich bin Anwältin für Vertrags- und Firmenrechte. Ich wollte diesen Job hier unbedingt haben, und auch wenn ich weiß, dass dieses Unternehmen praktisch das Fegefeuer ist, werde ich mein Bestes geben.«

Eine meiner nervigsten Eigenschaften war, dass ich, sobald ich nervös oder unsicher war, ununterbrochen laberte und alles von mir preisgab. An einer Verbesserung dieser Situation hatte ich mich bereits mein ganzes Leben lang versucht, doch die Gewohnheit schien zu mächtig, als sie einfach zu bezwingen zu können.

»Das Fegefeuer«, wiederholte er und schmunzelte. »Inwiefern können Sie das noch vor Ihrem ersten Arbeitstag beurteilen?«

»Ich kenne ein paar Leute, die bei P&M gearbeitet und gemeint haben, die Führungsebene wolle auf Biegen und Brechen und ohne Rücksicht auf Verluste ihre Vorhaben durchsetzen. Das erscheint mir fragwürdig. Doch diese Anstellung wird ein fettes Plus in meinem Lebenslauf bedeuten.«

»Sind Sie dann auch skrupellos genug für diesen Job?«

»Ich denke schon. Es wird meine Aufgabe sein, den Vorgaben meiner Vorgesetzten nachzukommen. Wenn ich etwas erreichen will, muss ich mich an diese Regeln halten; ob sie mir gefallen oder nicht.«

Er nickte, und als er sich mit Zeige- und Mittelfinger über die Lippen fuhr, zog sich in meinem Inneren etwas zusammen.

Hatte mir vorhin bei Starbucks jemand eine Extraportion Östrogen in den Kaffee gemischt?!

»Aber Sie sind doch nicht Anwältin geworden, um sich moralischen Grundsätzen zu stellen, oder?«, fragte er mich direkt und unverfroren. Damit riss er mich brutal aus meinen Überlegungen, die seinem wirklich hübschen Mund gegolten hatten.

Ich räusperte mich und straffte die Schultern. »Ich habe diesen Weg eingeschlagen, weil ich es immer schon wichtig fand, etwas zur Gerechtigkeit beitragen zu können. Mittlerweile habe ich begriffen, dass meine Einstellung naiv war. Heute weiß ich natürlich, dass ein Streit um Vermögen, Häuser, Firmenanteile, Yachten und Kinder – wohlgemerkt auch in umgekehrter Reihenfolge – das Schlimmste in den Menschen nach außen kehren kann. Am Ende gewinnt letztlich oft nicht derjenige, der im Recht ist, sondern diejenige, die Brüste hat, oder jemand mit viel Geld.«

Ein Lächeln huschte über seine Lippen, und irgendwie schaffte er es, mich damit anzustecken.

Ich verlor zunehmend die Kontrolle. Verdammt.

»Das sollte Sie ja freuen, immerhin sind Sie Mitglied der Brüstefraktion«, erwiderte er.

»Es gefällt mir aber nicht«, hielt ich dagegen. »Ich bin zwiegespalten, weil ich meinen Job zugleich liebe und oft auch hasse.« Zum Abschluss zuckte ich die Achseln. Ich wusste, dass ich längst gehen musste. Doch ich konnte nicht. Fortwährend musste ich in diese fast schwarzen Augen vor mir blicken; ich war wie gefesselt von ihnen.

»Ich fürchte, dass P&M dann tatsächlich der falsche Platz für Sie ist, um Gerechtigkeit zu finden.«

»Sie kennen mich überhaupt nicht«, erwiderte ich nun schroff. »Deshalb steht es Ihnen auch unter keinen Umständen zu, sich ein Urteil über mich zu bilden.«

Er überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. »Sie scheinen zumindest ein harter Brocken zu sein.«

»Ich würde diese Eigenschaft zu meinen positiven zählen.«

»Unter anderem, ja«, meinte er in einem warmen Tonfall, der mich überraschte. »Ich bin mir sicher, dass Sie noch sehr viel mehr positive Eigenschaften aufweisen. Die werde ich aber wohl nicht kennenlernen. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihrer neuen Arbeit.«

Er nickte noch einmal, bevor er sich umdrehte und in den Wagen stieg. Sein Fahrer tat es ihm gleich. Als der Motor des Autos aufheulte, trat ich einen Schritt zur Seite. Obwohl ich den Mann durch die verspiegelten Scheiben hindurch nicht sehen konnte, war ich mir absolut sicher, dass er gerade ebenso zu mir sah.

Mein Herz raste, meine Handflächen waren feucht, und noch immer hallten seine letzten, fast schon begehrlich erscheinenden Worte in mir nach. Doch ich wusste, dass ich ihn nie wiedersehen würde. Ich kannte weder seinen Namen noch spielte ich in der Liga dieses Mannes. Er hatte einen Fahrer, einen Bentley und trug einen teuren Maßanzug. Ich hatte augenblicklich nicht einmal eine eigene Wohnung oder ein Auto vorzuweisen.

Lautstark stieß ich einen Schwall Luft aus und zwang mich, mich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren – meinen neuen Job zum Beispiel. Ich betrat nun endlich das Gebäude durch den Seiteneingang und fuhr in den 35. Stock. Als ich den ersten Fuß auf den hellen Marmorboden der opulenten Eingangshalle setzte, wurde mir deutlich, wohin ich es geschafft hatte.

Ich selbst. Ganz allein.

Bei meinem letzten Besuch war mir der Job bei P&M in solch weiter Ferne erschienen. Praktisch unerreichbar. Doch jetzt stand ich hier. Etwas desorientiert richtete ich mich auf, um kompetent genug zu wirken, überhaupt hier sein zu dürfen.

Meine Knie schlotterten, als ich mich der Frau, die hinter einem langen Tisch aus Vavona-Maser saß, näherte. Das war wirklich ungewöhnlich für mich.

Spätestens jetzt wünschte ich mir, ich hätte damals von meinem Ex-Boss zum Einstand zumindest einen Flachmann bekommen. Dies war aber stets lediglich den männlichen Kollegen vorbehalten gewesen. So hatte ich eine beknackte Orchidee, die ich bald ertränkt hatte (unabsichtlich – ich schwöre!), und einen Gutschein für eine Kosmetikbehandlung bekommen.

Schmor in der Hölle, Pruisan!

Ein Schluck Whiskey würde meine Nerven bestimmt beruhigen. Doch ich verstand keineswegs, was gerade mit mir los war. Ich meine, ich habe Leute rechtlichen Beistand geleistet, von denen ich wusste, dass sie absolute Schweine waren und wir haushoch verlieren würden. Aber nie war ich so nervös gewesen wie jetzt. Vielleicht gehörte das ja zur Masche von P&M – Einschüchterung und Machtdemonstration.

Schließlich schaffte ich es, mich bei der Frau mit den blondesten Haaren, die ich je zu Gesicht bekommen hatte, vorzustellen, und nur wenige Augenblicke später tauchte die Eislady, bekleidet mit einem hübschen hellblauen Kostüm, in Begleitung eines blonden Mannes, den ich auf Mitte vierzig schätzte, auf.

»Guten Morgen, Miss Giffard«, begrüßte mich die Eislady kühl, aber auffallend freundlich.

Ich schüttelte zuerst ihre Hand, dann die des Mannes. »Guten Morgen«, murmelte ich unsicher.

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Giffard. Ich bin Mark Dors, Leiter der Rechtsabteilung. Ich werde Sie in Ihre neuen Aufgaben einweisen.«

Wir verließen den Eingangsbereich, durchquerten einen geschäftigen offenen Büroraum, in dem viele Mitarbeiter saßen und noch sehr viel mehr Telefone klingelten, um schließlich einen mit gedimmtem blauem Licht beleuchteten Flur entlangzugehen. Dors zog eine Milchglastür auf, hinter der sich ein weiterer Flur verbarg, der jedoch zu Einzelbüros führte. Eines davon, das dritte rechts, schien meines zu sein.

»Ihr Reich«, verkündete Dors gleich darauf und streckte demonstrativ einen Arm zur Seite.

Mein Reich. Ich konnte es einfach nicht fassen.

Im Vergleich zu meinem alten Büro war dieses hier der Inbegriff von Luxus und Größe. Der Raum wurde durch ein riesiges Fenster erhellt. Das dunkle Holz der Möbel vermittelte mir ein Gefühl von Macht.

»Ich hoffe, es entspricht Ihren Vorstellungen?«, hörte ich Dors eher aus Höflichkeit denn aus ehrlichem Interesse fragen.

Ich sah lächelnd zu ihm und nickte knapp. »Das tut es. Danke.«

Nachdem ich Miss Donovan den unterschriebenen Dienstvertrag überreicht hatte und diese verschwunden war, startete Mister Dors meinen PC, auf dem bereits alles für mich installiert war. Ich würde nicht gleich ins kalte Wasser geschmissen werden, sondern sollte in der ersten Zeit einer Kollegin über die Schultern schauen, erklärte er mir. Diese Gewissheit verlangsamte meinen Puls wieder.

Allerdings änderte sich das schlagartig, als Mister Dors mir mitteilte, mich nun gleich meinen neuen Kollegen vorzustellen.

Das konnte unmöglich sein Ernst sein! Jetzt schon?!

Ich war schlagfertig, ja, durchaus. Ich besaß eine große Klappe. Gott, ich war manchmal vielleicht sogar witzig. Doch ich war niemand, die gerne im Rampenlicht stand, und wollte daher unter keinen Umständen auf einem Präsentierteller vorgeführt werden.

Doch Mister Dors zog mich bereits eine Sekunde später aus meinem neuen Büro, um im Flur lautstark in die Hände zu klatschen. Nach und nach gingen die weißen Türen auf, und zwei Frauen und drei Männer mit teils gelangweilten, gestressten oder neugierigen Blicken traten heraus. Ich winkte kurz, ließ dann meine Hand sinken und hoffte, dass dieser Moment gleich vorbeiginge.

Mister Dors sagte ein paar Worte über mich, und dann schüttelte ich allen höflich die Hand. Kurz darauf waren alle wieder verschwunden. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, weder gefressen noch in der Luft zerfetzt worden zu sein. Warm war der Empfang hingegen auch nicht gewesen. Die Begrüßung war mir eher wie das Demonstrieren einer einstweiligen Duldung erschienen.

Die Frage war wohl: Wie lange würde die Neue bleiben?

Einzig Mister Dors und eine kleine blonde Frau standen nun noch neben mir. »Ich bekam die glorreiche Aufgabe zugewiesen, Sie in unsere täglichen Aufgaben einzuführen«, verkündete sie mit einem leichten Grinsen und verschränkte die Arme vor ihrer weißen Bluse. »Sie sind sehr jung. Bringen Sie wenigstens ein bisschen Erfahrung mit?«

»Das tue ich.«

»Mal sehen. Wir starten gleich, Sie kommen mit in mein Büro. Es wartet eine Menge Arbeit auf Sie.«

Ich freute mich. Ich liebte es, Arbeit zu haben. Und ich liebte es, Aufgaben zu bekommen.

Kapitel 5

In meiner ersten Woche bei P&M hatte ich mich mithilfe von Carry gut eingearbeitet.

Carry war manchmal schroff, schien eine Schwäche für Kaffee zu haben – in der Hinsicht waren wir uns ähnlich – und riss immer dann, wenn man es am wenigsten erwartete, einen guten Witz.

Mein Aufgabenfeld war riesig, und mein Vorgänger, der Hals über Kopf gekündigt hatte – wohl ähnlich wie ich –, hatte mir ein regelrechtes Trümmerfeld hinterlassen. Ich wälzte mich also stundenlang durch firmeninterne Richtlinien, Verträge und Kundenakten, bis ich irgendwann tatsächlich das Gefühl hatte, endlich durchzublicken. Sogar Carry schien stolz auf mich zu sein, da sie mir am Freitag, kurz vorm Wochenende, eine Tasse Kaffee mit den Worten »Der ist für dich« hinstellte.

Ich wusste, dass diese weiße Tasse einem Ritterschlag gleichkam, und fühlte mich gut. Nur mit Müh und Not konnte ich mir ein strahlendes, zufriedenes Lächeln verkneifen.

Parallel zu meiner Eingewöhnung bei P&M machte ich mich auf die Suche nach einer neuen Wohnung. Ich schrieb unzählige Vermieter an, doch wie sich herausstellte, erfüllte ich zu viele Punkte auf deren Mieter-No-Go-Liste. Ich war Single, hatte gerade erst einen neuen Job begonnen und eine riesige Abneigung gegen verschimmelte Bäder. Es schien daher unmöglich, in einer so riesigen Stadt wie London eine halbwegs passable Wohnung zu finden. Jedes Mal, wenn ich die Lobby des Hotels, in dem ich seit einem Monat wohnte, durchquerte, kam ich mir blöder vor. Blöd war die Sache auch für meine Ersparnisse, die wie Butter in der Sonne schmolzen.

Im Laufe der ersten Woche füllte sich eine Ecke meines Büros mit den Kartons, die ich aus Bens Wohnung gerettet hatte. Ich hatte ihm die Möglichkeit verweigern wollen, mich mit den wenigen Dingen, die ich besaß und die mir etwas bedeuteten, zu erpressen. Ganz legal war meine Zwischenlagerung hier wohl nicht, doch ich hoffte, dass mir die wenigen Kollegen, die mein Büro betraten, dennoch wohlgesonnen blieben.

Am Montag sollte ich Carry beim finalen Meeting zu einem großen Fall begleiten. Ich kam deshalb extra etwas früher, um zuerst noch einen weiteren Karton zu verstauen und in Ruhe meinen Kaffee zu trinken. Ich hatte außerdem einige größere Verträge zu bearbeiten. Doch ich fühlte mich geehrt, bei diesem Meeting, zu dem auch die beiden obersten Chefs kommen würden, eingeladen worden zu sein.

Ich fuhr meinen PC hoch, um die E-Mails zu checken. Doch als ich meine Hand nach der Maus ausstreckte, stieß ich an meiner Tasse an, und etwas Kaffee schwappte direkt auf meine weiße Bluse.

Das war ein echter Worst Case.

Die betroffene Stelle war riesig, und der hässliche braune Fleck begann sich rasant auszubreiten. So könnte ich niemals zu diesem Meeting gehen. Ich wäre die Witzfigur der gesamten Firma! Ich blickte mich Hilfe suchend in meinem Büro um, und wie ein verdammtes Omen sprang mir ein Karton mit der Aufschrift »Kleidung« ins Auge.

Ich war ja doch ein Genie!

Nachdem ich meine Tasse abgestellt hatte, eilte ich zu dem beträchtlichen Kartonstapel und fing an, in der Kiste nach einem Kleidungsstück zu suchen, das nicht allzu sehr verknittert war. Die Wahl fiel auf eine rote Wickelbluse, die gut zu meinem schwarzen Rock passen würde.

Ich entledigte mich schnurstracks meiner schmutzigen Bluse und warf sie auf die Lehne des Stuhls vor meinem Schreibtisch. Während ich also in nichts weiter als einem schwarzen BH und meinem Rock dastand, öffnete sich die Tür – und vor mir tauchte eine schockiert wirkende Carry in Begleitung eines Mannes auf, der mir flüchtig bekannt vorkam.

Zuerst sackte mir das Blut in die Beine, dann klappte meine Kinnlade auf, und erst dann, sehr viel später, als mir lieb war, registrierte ich, dass ich immer noch halb nackt war.

»Kate … also … wir scheinen gerade einen schlechten Moment erwischt zu haben«, stammelte Carry. Wenn selbst sie mal sprachlos war, musste die Lage äußerst prekär sein.

Ich straffte also die Schultern, tat so, als hätte ich den Besuch erwartet, und zog die Bluse an.

Statt wegzulaufen – was wohl besser gewesen wäre –, ging ich auf die zwei zu und streckte meine Hand mit glühenden Wangen nach dem Mann, dessen Wagen mich kürzlich fast überrollt hätte, aus. »Wie Sie sehen konnten, hatte ich mit Ihrem Besuch nicht gerechnet. Tut mir leid. Ich sollte das Kaffeetrinken wohl noch besser daheim üben. Oder versuchen, dabei still zu sitzen und nicht zu wild zu hantieren. Multitasking wird echt überschätzt«, versuchte ich meine Unsicherheit zu überspielen und rang mir sogar ein tapferes Lächeln ab.

Gott, ich laberte schon wieder wie ein Wasserfall, weshalb ich mir nun einen imaginären Reißverschluss über meinem Mund zuzog.

Carry runzelte die Stirn, während der Mann, den ich nie wiederzusehen geglaubt hatte, einen skeptischen Blich hinter mich auf meine Kartons warf.

Ich musste fast lachen, als er seine linke Augenbraue erstaunt nach oben zog. Meine Wangen waren noch immer glühend heiß, meine Nippel hart, und ich hoffte inständig, dass man diese nicht durch den Stoff meiner Bluse sehen konnte.

»Mister Maine wollte sich vor dem Meeting persönlich bei dir vorstellen«, erklärte Carry, als ich meine Hand aus seiner befreite.

Ich musste kein Genie sein, um diese Information und mein Basiswissen rund um diese Firma zusammenzufügen. Dieser dunkelhaarige Typ mit dem gefährlichen Blick war also der CEO des Unternehmens. Und jetzt stand er hier vor mir.

Gut, nun fühlte ich mich doch einer Ohnmacht nahe.

In meinen Vorstellungen war der CEO einer Investmentfirma ein Nerd, um die fünfzig, mit abgetragenem T-Shirt und Jeans. Doch Mister Maine hier trug einen schwarzen Maßanzug mit schwarzer Krawatte und weißem Hemd und verkörperte damit für mich die leibhaftige Sünde.

Heilige Scheiße. Und ich hatte ihm brühwarm aufgetischt, zu glauben, dass P&M das Fegefeuer wäre.

Ich war am Arsch. Aber so richtig.

Doch ich würde mir einfach nichts anmerken lassen. Vielleicht konnte er sich nicht mehr an mich erinnern. Ich wünschte ja keinem Menschen etwas Böses, aber … wie groß waren meine Chancen, dass Maine innerhalb der letzten Woche auf den Kopf gefallen war, sein Gedächtnis verloren hatte, sodass ich unbeschadet weiterleben könnte?

Gering. Er sah nämlich stark, gesund und äußerst munter aus.

»Wie gefällt es Ihnen bis jetzt bei uns?« Als er zu sprechen begann, hielt ich die Luft an. Ich war nicht nur wegen seines Besuchs bei mir, sondern auch wegen seiner Stimme völlig geflasht.

Ich nickte, weil ich langsam begriff, dass sein Auftauchen hier nur etwas Gutes bedeuten konnte. Oder? Ja!

»Gut. Sehr gut. Carry war mir bisher eine große Hilfe«, erwiderte ich mit atemloser Stimme.

Eigentlich war es verwunderlich, dass er nicht gleich wieder gegangen war. Doch vielleicht hatte er die Aussicht, meine Titten noch etwas länger angaffen zu können, verlockend genug gefunden.

»Das freut mich.« Ich war scheißnervös. Dieser Typ merkte das, gab sich aber weiterhin höflich. »Was lagern Sie hier ein? «

»Das ist bloß … Kram. Mein Kram.«

»Kram?«, wiederholte er beschwörend. »Sehr viel davon. Was haben Sie damit vor?«

Ich konnte nicht genau erkennen, ob er sauer war, weil ich mich wie ein Messie gebärdete. Er wollte aber definitiv eine Antwort von mir hören. »Da meine Wohnungssituation im Augenblick etwas … schwierig ist und ich nicht wusste, wo ich meine Sachen einstweilen unterbringen sollte, habe ich mir erlaubt, sie kurzzeitig hier zu lagern. Ich bringe die Kartons aber weg, sobald ich eine Wohnung gefunden habe.«

Auch Carry hatte nicht gewusst, dass ich kein fixes Zuhause hatte. Bei dem Blick, den sie beide auf mich richteten, wurde mir regelrecht übel.

»Wo wohnen Sie im Augenblick?«

»In einem Hotel. Es ist gerade sehr schwer, eine Wohnung zu finden.«

Ich war der absolute Verlierer in dieser Runde, doch Maines Blick erschien mir keinesfalls herablassend, sondern vielmehr besorgt. Das erstaunte mich.

»Sie haben also Ihre Wohnung äußerst schnell verlassen und dazu, wie ich hörte, Mister Pruisan eine recht emotionale Kündigung hingeknallt. Würden Sie sagen, dass Sie ein expressiver Mensch sind, Miss Giffard?«

Die Art, wie er meinen Namen betonte, war einerseits streng und belehrend, aber andererseits auch sanft und fast schon intim.

Ich schluckte und fächerte mir innerlich Luft zu. »Mein Verhalten Mister Pruisan gegenüber mag emotionsbedingt sehr stark ausgefallen sein, doch ich war einfach nicht mehr zufrieden mit meinem Job und dem Verhalten einiger Kollegen. Ich habe mich aber sonst immer gut unter Kontrolle.«

»Und wissen Sie auch, wie Sie sich aus der misslichen Lage, in der Sie sich anscheinend gerade befinden, befreien können?«

»Indem ich eine Wohnung finde.«

Er blickte mir lange und tief in die Augen, als wolle er meine geheimsten Gedanken lesen. Ich hoffte, dass ihm dies nicht gelang. »Vielleicht habe ich mich geirrt, als ich sagte, Sie würden nicht hierher passen.«

Ich lächelte und reckte das Kinn. »Das haben Sie.«

Maine ließ seinen Blick an mir hinabgleiten, und ich bildete mir ein, seine Mundwinkel zucken gesehen zu haben. »Etwas mehr Überzeugungskraft müssen Sie noch leisten, Miss Giffard. Das hier ist schließlich kein Kindergeburtstag, sondern das Fegefeuer – dieser Bezeichnung will ich alle Ehre erweisen.«

Ich stöhnte und musste zugeben, dass es einem Wunder glich, hier noch arbeiten zu dürfen – nach allem, was ich mir bei unserem ersten Gespräch vergangene Woche geleistet hatte.

»Sehen Sie zu, dass diese Kartons wegkommen«, fügte er mit Nachdruck hinzu. »Wir sehen uns gleich beim Meeting. Seien Sie pünktlich!«

Als er verschwunden war, atmete ich aus und hatte das drängende Bedürfnis, meinen Kopf unter kaltes Wasser zu halten.

Doch Carry hatte mich fest im Visier. Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und betrachtete mich finster. »Das war mit Abstand das Schrägste, was ich hier je gesehen habe.«

»Gott«, seufzte ich und fuhr mir mit der Handfläche über die Stirn.

»Was war das, bitte?«, bohrte Carry, die zunehmend ärgerlicher schien, nach.

Ich hatte binnen kurzer Zeit zum zweiten Mal das Gefühl, fast überfahren worden zu sein. Das Schlimmste aber war: Maine hatte die ganze Zeit gewusst, dass ich hier arbeitete; doch er hatte sich wohl bewusst von mir ferngehalten. Ob das absichtlich oder bloß, weil ich ihm im Grunde egal war, gewesen war, konnte ich nicht sagen. Vielleicht aber hatte er mich ab sofort im Visier.

Ich durfte mir einfach nicht erlauben, auch diesen Job zu verlieren.

»Ich habe ihn letzte Woche, an meinem ersten Arbeitstag, vor dem Gebäude getroffen und ein paar, na ja, Zweifel geäußert, die man seinem Chef gegenüber besser nicht ausspricht.«

»Heilige Scheiße«, säuselte Carry, als wäre sie froh, im Moment nicht in meiner Haut zu stecken. »Und dann stehst du auch noch praktisch oben ohne vor ihm. Kate, ich bin gerade echt verwundert, dass er so … nett zu dir war.«

Er soll nett gewesen sein?

Nahm man Carrys Forschheit als Richtwert, konnte man durchaus ihrer Meinung sein. Doch ich fühlte mich nicht so, als hätte ich gerade ein nettes Gespräch geführt.

»Im Ernst«, fuhr sie fort, als ich sie mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. »Mister Maine mag das Aussehen eines Gottes haben, er ist aber knallhart und duldet keine Fehler. Ich arbeite schon vier Jahre hier, aber nie habe ich ihn so locker gesehen wie mit dir gerade.«

»Eine Auszeichnung, auf die ich verzichten kann«, murmelte ich, ging zu meinem Schreibtisch und lehnte mich dagegen. »Was ist er für ein Kerl, dass ich mich vor ihm fürchten sollte?«

Carry kam zu mir, und obwohl wir gerade viel zu wenig Zeit für ein solches Gespräch hatten, fing sie an, über Maine zu erzählen. »Seine Familie zählt zu Londons Geldadel, wie du sicher weißt. Nach dem Tod seines Vaters vor einigen Jahren gründete er, zusammen mit seinem Freund, diese Firma. Er gibt sich Mühe, eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen, aber ist nur schwer zugänglich. Die Leute sagen, dass er seine berufliche Korrektheit privat durch wilde Partys und unzählige Frauengeschichten wettmacht. Maine ist Geschäftsmann durch und durch, er versteht es, aus allem Geld zu machen, und er hat dabei keine Skrupel. Wenn man hier arbeiten möchte, sollte man sich mit ihm gutstellen, ihm aber am besten aus dem Weg gehen.«

Bei Carrys Ratschlag bekam ich eine Gänsehaut. Ich rieb mir über meine nackten Unterarme und versuchte, ihre Worte in meinem Kopf zu sortieren. »Ich muss da jetzt wohl irgendwie durch. Verstecken ist nämlich keine Option für mich.«

Carry lachte. »Hätte er etwas gegen dich, Süße, wärst du jetzt bereits zerquetscht.«

»Vielleicht ist er bloß ein Sadist, der mit mir spielt und mich dann tötet«, erwiderte ich zerknirscht.

»Oder er fand deine Oberweite so atemberaubend, dass sein Verstand ausgesetzt hat.« Sie stand auf und nickte in Richtung Tür. »Wir müssen jetzt los. Komm.«

Dieses Meeting würde eine Zerreißprobe für mich werden. Aber ich würde es durchstehen – für meine Zukunft und für mich.

Maine war vielleicht ein machtgeiler Arsch, der seinen Angestellten alles abverlangte, doch ich war bereit, mich diesem Kampf zu stellen.

Kapitel 6

Ich überstand das an einigen Stellen äußerst hitzig verlaufende Meeting und fand in meiner zweiten Woche bei P&M in eine angenehme Routine. Tagsüber hängte ich mich richtig rein, um Maine, den ich nicht mehr zu Gesicht bekam, von meinem Können zu überzeugen. Abends traf ich mich meist mit Olivia. Wir bequatschten den Tag und tüftelten an unserer Idee.

Wir hatten ein richtiges Firmenmodell zusammengestellt, und ein Freund von Olivia hatte uns dankenswerterweise bereits eine Homepage gebastelt. Wir waren jedoch beide überrascht gewesen, wie teuer es war, aus einer Vision eine Firma zu bilden, die tatsächlich Dienstleistungen anbieten durfte und vor allem konnte. Denn die Leute mussten uns schließlich erst einmal finden – und für Werbung brauchte man viel Cash.