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Als sich der umtriebige Imker Toni Martinelli in Hummelstich niederlässt, sind nicht alle Dorfbewohner begeistert. Seine einzigartige Methode zur Gewinnung von Hummelhonig stößt bei vielen auf Ablehnung. Auch sein Nachbar Hagen Salzwein, der an einer schweren Insektengiftallergie leidet, will den Neuankömmling so schnell wie möglich wieder loswerden. Doch dann wird Salzwein leblos in seiner Wohnung aufgefunden. Neben ihm liegt eine tote Hummel. Hat sie ihn gestochen? Oder hat jemand anders nachgeholfen? Bea und ihre Freunde nehmen die Ermittlungen in diesem stacheligen Fall auf ...
Zur Serie: In Hummelstich scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Dächer der niedlichen Fachwerkhäuser funkeln und glitzern unter strahlend blauem Himmel und die Bewohner gehen emsig ihrem Tagewerk nach. Aber der schöne Schein trügt - denn hinter der Bilderbuchfassade tun sich mörderische Abgründe auf ... Aber zum Glück ist die energische Hobbydetektivin Bea von Maarstein vor Ort! Zusammen mit ihrem persönlichkeitsgestörten Papagei Dr. Jekyll und dem Dorfpolizisten Sven Grüneis löst sie jeden noch so verzwickten Fall.
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Seitenzahl: 173
Cover
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
HUMMELSTICH – Die Serie
Die Charaktere
Titel
1. Der Honig ist nicht weit vom Stachel
2. Hummelhonig im Kopf
3. Wespentaille und Hummelhüfte
4. Tote Hummeln stechen nicht
5. Wo Honig ist, da gibt es Fliegen
6. Wilde Hummeln
7. Schwarmintelligenz
8. Sehnsucht nach Hummelstich
9. Das Gift der Bienen
10. Die Hornisse im Bienenstock
11. Wer keine Bienen hat, muss selbst schwärmen
12. Der Hummelflüsterer
13. Hummeln im Hintern
14. Der Stachel des Todes
15. Honigkuchenpferde
16. A bee or not a bee, that is the question
17. Ein Imker kommt selten allein
18. Ein Stachel macht noch keine Hummel
19. Alle Menschen sind bestechlich, sagte die Hummel zur Biene
20. Der Stich ins Wespennest
21. Honigsüße Pläne
Rezept: Torta della Nonna
In der nächsten Folge
Über die Autorin
Impressum
Leseprobe
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Als sich der umtriebige Imker Toni Martinelli in Hummelstich niederlässt, sind nicht alle Dorfbewohner begeistert. Seine einzigartige Methode zur Gewinnung von Hummelhonig stößt bei vielen auf Ablehnung. Auch sein Nachbar Hagen Salzwein, der an einer schweren Insektengiftallergie leidet, will den Neuankömmling so schnell wie möglich wieder loswerden. Doch dann wird Salzwein leblos in seiner Wohnung aufgefunden. Neben ihm liegt eine tote Hummel. Hat sie ihn gestochen? Oder hat jemand anders nachgeholfen? Bea und ihre Freunde nehmen die Ermittlungen in diesem stacheligen Fall auf …
In Hummelstich scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Dächer der niedlichen Fachwerkhäuser funkeln und glitzern unter strahlend blauem Himmel und die Bewohner gehen emsig ihrem Tagewerk nach. Aber der schöne Schein trügt – denn hinter der Bilderbuchfassade tun sich mörderische Abgründe auf … Aber zum Glück ist die energische Hobbydetektivin Bea von Maarstein vor Ort! Zusammen mit ihrem persönlichkeitsgestörten Papagei Dr. Jekyll und dem Dorfpolizisten Sven Grüneis löst sie jeden noch so verzwickten Fall.
Bea von Maarstein, 69 Jahre, kosmopolitische Hobbydetektivin, verwitwet, exzentrisch, lebensfroh, fährt einen alten Bücherbus, den sie zu einem mobilen Detektivbüro umgebaut hat.
Dr. Jekyll, Beas Papagei, ein hellroter Ara, smart und kratzbürstig, äußerst sprachbegabt.
Sven Grüneis, 36 Jahre, Dorfpolizist und Landwirt, verheiratet, lebt mit seiner Familie in einem großen Bauernhaus, naiv, pflichtbewusst und stets korrekt, hat das Herz am rechten Fleck.
Borwin Wandelohe, 62 Jahre, Halbspanier, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Friseurskunst, quirlig, fröhlich, verbreitet stets gute Laune, exzellenter Hobbykoch.
Kurt Pfeiffer, 61 Jahre, Kommissar im Ruhestand, hat ein Talent für die Ölmalerei, kandidiert für die Ortsvorsteherwahl.
Sieglinde Sperling, 36 Jahre, die neue Kommissarin der Bad Frankenberger Mordkommission, fleißig, aber unerfahren, ihr Lachen klingt wie das Quietschen eines Meerschweinchens.
Der Stachel des Todes
Hummelstich, die kleine Gemeinde am Fuße des Kyffhäusergebirges, war von einem gleichmäßigen und alles durchdringenden, leisen Brummen erfüllt. Das sonderbare Geräusch rührte jedoch weder von einer Maschine her, noch hatte es mit der Vorliebe der Dorfbewohner für skurrile Wettbewerbe zu tun. Das Brummen stammte einzig und allein von den vielen Hummeln, die auf den blühenden Wiesen Nektar sammelten und gemeinsam mit Myriaden weiterer Insekten die malerische Ortschaft bevölkerten.
Während man andernorts das Verschwinden der schwirrenden Brummer zunehmend beklagte, wurden es in Hummelstich Jahr für Jahr mehr. Ob es an den hübsch bepflanzten Vorgärten lag, die sich an die niedlichen kleinen Häuser schmiegten, an den vielen Taubnesseln und Kornblumen oder an dem prächtigen Eisenhut, der hier überall gedieh, konnte man nicht sagen. Fest stand, dass Hummelstich ein wahres Paradies für die Tierchen war. Hummeln wie Bienen, Wespen wie Fliegen, Schmetterlinge wie Heupferde sowie der Rest der Insektenschar fühlten sich an diesem Ort zweifellos wohl.
Toni Martinelli ging es ganz ähnlich. Der geschäftstüchtige Imker, der vor ein paar Wochen nach Hummelstich gezogen war, hatte sich bereits bis über beide Ohren in das sonderbare Dorf und die ansässigen Bienen- und Hummelschwärme verliebt.
Die warme Junisonne im Rücken, betrachtete er den großen kuppelförmigen Nistkasten, den er auf dem gepachteten Gelände im Schatten eines Holunderbaumes aufgestellt hatte. Die Hummeln hatten die aus gebranntem Ton gefertigte neue Unterkunft ohne Zögern in Beschlag genommen und auch schon damit begonnen, Honigvorräte anzulegen.
Normalerweise produzierten sie nur so viel, wie sie selbst verbrauchten. Reine Selbstversorger eben. Doch Toni Martinelli, der ein ganz spezielles Gespür für die Hummeln besaß und genau wusste, was sie bevorzugten und brauchten, hatte einen Weg gefunden, die Honigproduktion zu steigern. Sein Garten war das reinste Hummelparadies mit den schönsten Blumen und Stauden. Am Zaun entlang bis hin zum Gartentor gediehen üppige Ginsterbüsche, deren sonnengelbe Blüten bereits von Weitem leuchteten. Auch Sonnenblumen, Löwenmäulchen, Eisenhut und Dahlien zogen die Blicke von Mensch und Hummel auf sich.
Jetzt kam es nur noch darauf an, die menschlichen Bewohner des Dorfes von seinen Ideen zu überzeugen. Dass das keine leichte Aufgabe werden würde, war ihm vollkommen klar. Als Fremder wurde er natürlich erst einmal von allen kritisch beäugt – das wäre in seinem italienischen Heimatdorf Calascibetta bestimmt nicht anders gewesen. Der eine oder andere hier betrachtete ihn vielleicht sogar als Eindringling.
Sein Nachbar Hagen Salzwein hatte ihn jedenfalls alles andere als willkommen geheißen. Dieser Eigenbrötler hatte ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen und ihm auf die Distanz giftige Blicke zugeworfen. Mit dem war der Ärger vorprogrammiert.
Toni Martinelli wusste, dass er sein Temperament im Zaum halten musste. Er durfte sich vor allem nicht provozieren lassen. Hagen Salzwein würde garantiert keine Gelegenheit verpassen, um ihn zu brüskieren. Doch dem durfte er keine allzu große Beachtung schenken. Es ging doch einzig und allein um die Hummeln und darum, seine geniale Geschäftsidee Wirklichkeit werden zu lassen.
Zum Glück waren die Dorfbewohner gerade voll und ganz mit der Wahl des Ortsvorstehers beschäftigt und scherten sich noch nicht sonderlich um ihn. Doch nach der Wahl würden sie sich alle mit ihm befassen – darum sollte er sich besser ein paar Verbündete suchen. Die Hummelstichler Landfrauen schienen recht freundlich und patent zu sein. Besonders die Vorsitzende des Vereins, Bea von Maarstein, die ihm sogar schon einen leckeren Kuchen vorbeigebracht hatte, fand er sehr sympathisch. Wenn sich in diesem Dorf ein Band der Freundschaft knüpfen ließ, dann am ehesten mit ihr.
Zuversichtlich wandte er sich einer Hummel zu, die emsig in die Ferne strebte. Gleich nachdem er heute seine Arbeit beendet hatte, würde er mit einer Flasche Honigwein zu den Landfrauen gehen.
Während Toni Martinelli und sein Schwarm weiter ihrem Tagwerk nachgingen, fand sich ein Großteil der Hummelstichler auf dem nicht weit entfernten Dorfanger ein. Dort war ein langer Podiumstisch aufgebaut, an dem bereits eine Frau mit glattem silbergrauem Haar und einem Fuchspelz um die Schultern saß. Sie trug das Tierfell ganzjährig, sommers wie winters, als wäre es an ihr festgewachsen. Zwei Männer – einer im Hawaiihemd, der andere mit Jackett und Fliege – gesellten sich zu ihr und nahmen ebenfalls Platz. Vor dem Tisch standen in ordentlichen Reihen Bierbänke und Stühle, allesamt voll besetzt.
Die Kirchturmuhr schlug drei Mal, und als der letzte Schlag verklungen war, trat Bea von Maarstein vor die versammelte Menge. Sie strich über den Rock ihres türkisfarbenen Sommerkleides, das einen schönen Kontrast zu ihren feuerroten Haaren bot. »Liebe Hummelstichler, meine lieben Freunde! In wenigen Tagen wollen wir das neue Oberhaupt unserer Gemeinde wählen. Ich weiß, dass einige von euch schon ihre Entscheidung getroffen haben, andere hingegen sind sich noch uneins.«
Bea ließ den Blick über die vielen erwartungsvollen Gesichter wandern. Da waren Metzgermeister Erwin Meuselböck und seine Frau Brunhilde, die Wirtsleute Paul und Britta Heinemann, die Pastorin Frederike Neuhaus, Beas guter Freund Borwin Wandelohe und noch viele andere.
»Heute haben wir alle noch einmal die Gelegenheit, den drei Kandidaten unsere Fragen zu stellen.« Bea streckte den Arm in Richtung Podiumstisch aus. »Vielen Dank an Kurt Pfeiffer, Hagen Salzwein und Griseldis Herzog-Wennemann, dass sie sich die Zeit für diese Veranstaltung nehmen.«
Das Publikum spendete zaghaft Applaus. Hier hatte gewiss niemand Vorschusslorbeeren zu verteilen.
Ein Lächeln huschte über Beas Gesicht. »Die drei Bewerber haben beschlossen, auf lange Vorreden zu verzichten und gleich zu den Anliegen der Bürger Stellung zu nehmen.«
Der Beifall klang nun wesentlich beherzter, was Bea nur zu gut verstehen konnte. Auf ein langes Geschwafel hatte niemand Lust.
Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Hummel wahr, die geradewegs auf den Podiumstisch zusteuerte.
Kurt Pfeiffer, der ganz links saß, zog unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern, wodurch er ein wenig wie eine Schildkröte und sein buntes Hawaiihemd wie ein farbenfroher Schildkrötenpanzer anmutete. Die Angst vor Insekten war nur eine seiner vielen Phobien.
Neben ihm, in der Mitte des Podiums, griff Hagen Salzwein nach einer Mappe und schlug damit wild um sich. »Verschwinde, du Mistviech!« Seine Panik vor der Hummel schien noch gewaltiger als die von Pfeiffer zu sein.
»Bleiben Sie ruhig!«, rief Griseldis Herzog-Wennemann, die von allen nur »die alte Herzogin« genannt wurde und auf der rechten Seite des Tisches saß. Sie fuhr sich durch das seidig schimmernde silbergraue Haar, das ihr bis ans Kinn reichte. »Das winzige Tierchen tut Ihnen schon nichts!«
»Es tut mir nichts?« Hagen Salzwein zupfte nervös an seiner Fliege. »Diese Dinger sind mordsgefährlich!«
»Das ist eine Hummel«, entgegnete die alte Herzogin ruhig. »Und Hummeln stechen nicht.«
»Na, wenn Sie wüssten!« Hagen Salzwein schnaubte und fächerte sich mit der Mappe Luft zu. »Was meinen Sie denn, wie dieser Ort zu seinem Namen gekommen ist?« Er wartete keine Antwort ab, sondern echauffierte sich gleich weiter. »Außerdem leide ich an einer schweren Allergie gegen Insektengift. Ein Stich und wir müssen sofort den Notarzt alarmieren.«
Die alte Herzogin rümpfte die leicht gekrümmte Nase, die ihr einen etwas geierartigen Ausdruck verlieh. »Kein Grund, gleich durchzudrehen.«
»Unverschämtheit!«, zischte Salzwein, und obwohl die Hummel längst das Weite gesucht hatte, wedelte er theatralisch mit der Mappe in der Luft herum.
»Lassen Sie uns anfangen«, sagte Bea rasch und wandte sich ans Publikum. »Bitte, wer hat eine Frage?«
Eine hagere schwarzhaarige Frau in Reihe drei hob die Hand. »Was wollen Sie unternehmen, um die Hummelstichler Wirtschaft zu fördern?«
Kurt Pfeiffer faltete die Hände und beugte sich leicht vor. »Wir müssen natürlich die Infrastruktur und die vorhandenen Tourismus-Chancen ausbauen. Hummelstich ist ein sehr idyllischer Ort.«
Hagen Salzwein räusperte sich. »Idylle hin oder her – das allein reicht nicht! Das Dorf muss insgesamt attraktiver werden. Wir brauchen mehr Angebote, um Gäste und Urlauber anzuziehen.«
Pfeiffer hob eine Augenbraue. »Also, ich finde Hummelstich, so wie es ist, schon anziehend genug. Was die schönen Gärten und die Kreativität der Bewohner angeht, sind wir jedenfalls ganz weit vorn.«
Leider trifft das auch auf die Kriminalität zu, dachte Bea. Im vergangenen Jahr hatte Hummelstich vom Buch der Besten die Bezeichnung »Mörderischstes Dorf Deutschlands« verliehen bekommen.International der dritte Platz! Der Gedanke ließ Bea erschauern.
Hagen Salzwein riss erneut das Wort an sich. »Ich sehe unser Dorf vor allem auch als Erholungsort für gestresste Großstädter.«
»Ich nicht«, entgegnete Kurt Pfeiffer und warf seinem Kontrahenten einen verärgerten Blick zu.
Hagen Salzwein schenkte ihm keinerlei Beachtung. »Für Familien mit Kindern, die Ferien auf einem Erlebnisbauernhof machen und der Natur einmal ganz nah kommen wollen.«
Pfeiffer wollte etwas erwidern, doch Hagen Salzwein kam ihm erneut zuvor.
»Wir müssen mit dem Trend der Zeit gehen. Die Alpakawanderungen, die Familie Grüneis anbietet, sind ein erster Schritt in die richtige Richtung.«
Bea blickte zu Sven, der am Rand des Dorfangers Aufstellung bezogen hatte. Der Landwirt, der im Nebenberuf Dorfpolizist war, kratzte sich am Kopf.
»Man könnte auch die Chinesen mit ins Boot holen, die an so einem hübschen Dorf wie dem unseren garantiert Interesse hätten«, fuhr Hagen Salzwein fort. »Vielleicht werden sie Hummelstich in China sogar einmal nachbauen – das wäre nicht das erste Mal, dass so etwas passiert.«
Im Publikum blickten viele irritiert drein – genau wie Kurt Pfeiffer, der sich im Stuhl zurücklehnte und die Stirn krauszog.
»Das klingt doch alles sehr weit hergeholt«, mischte sich nun die dritte Bewerberin ein, Griseldis Herzog-Wennemann. »Die Chinesen?« Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich setze nicht auf Luftschlösser und Fantastereien. Ich werde die Kirche im Dorf lassen!«
Die Hummelstichler nickten zustimmend.
»Mit mir als Ortsvorsteherin wird Hummelstich nicht zu einer chinesischen Billigkopie verramscht werden!«, rief die alte Herzogin mit Nachdruck. »Ich werde alles daransetzen, eine Umgebung zu schaffen, in der vor allem die Einheimischen Beachtung und Förderung finden.«
Das Publikum applaudierte begeistert.
Ein sehr geschickter Schachzug, dachte Bea. Sie war der alten Herzogin bereits im letzten Winter begegnet und wusste, wie abgebrüht und gerissen sie war. Griseldis Herzog-Wennemann tat gewiss nichts aus reiner Menschenliebe. Sie würde sogar ihre eigene Großmutter verschachern, wenn sie daraus einen persönlichen Vorteil ziehen konnte. Auch ihre Vorliebe für Pelze und die Skrupellosigkeit, mit der sie sich die Tierfelle zum Teil beschafft hatte, belegten ihre Kaltherzigkeit. Und nun wollte diese Frau Ortsvorsteherin von Hummelstich werden und wickelte die Leute mit ihrem Süßholzgeraspel ein. Die ganze Situation erfüllte Bea mit Unbehagen.
»Die lokalen Betriebe müssen vermehrt unterstützt werden!«, fuhr die alte Herzogin fort. »Der Metzger um die Ecke. Das hiesige Wirtshaus. Das ansässige Friseurgeschäft.«
Der Beifall schwoll noch weiter an, und auch die Meuselböcks, die Heinemanns und sogar Borwin stimmten mit ein.
»Diese hinterhältige falsche Schlange!«, zischte Sven, der unbemerkt an Beas Seite getreten war. »Ich glaube dieser Frau kein Wort.«
»Ich auch nicht«, raunte Bea ihm zu. »Doch ich fürchte, dass andere es tun werden.«
Sven schob die Hände in die Hosentaschen. »Sie darf nicht gewählt werden. Das müssen wir verhindern.«
Bea nickte entschlossen. Sie musste all ihren Freunden und Bekannten noch einmal ganz genau erzählen, was sie alles über die Frau wusste. Doch vorher mussten sie erst einmal diese Veranstaltung über die Bühne bringen.
»Gibt es weitere Fragen?« Bea schaute sich neugierig um.
In dem Moment setzte ein ohrenbetäubendes Summen und Brummen ein, das jedes andere Geräusch überdeckte.
Verwirrung machte sich breit.
Schnell bemerkte Bea, dass es sich um den Klang von Flöten und Violinen handelte. Sie kannte die Melodie. Das war Nikolai Rimski-Korsakows Hummelflug aus der Oper Das Märchen vom Zaren Saltan.
Die Leute im Publikum warfen einander fragende Blicke zu.
Das musste vom Grundstück von Toni Martinelli kommen. Bereits in den vergangenen Tagen hatte man von dort mehrere klassische Musikstücke vernehmen können, doch nie in dieser ungeheuerlichen Lautstärke.
»Nicht schon wieder dieser furchtbare Imker!«, brüllte Hagen Salzmann, der offenbar die gleiche Eingebung hatte. »Hat man denn überhaupt keine Ruhe mehr vor dem Kerl?« Er sprang von seinem Stuhl auf, als hätte ihn eine Hummel gestochen. »Ich kann so nicht arbeiten!« Er klemmte sich seine Mappe unter den Arm, hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu und stapfte mit säuerlicher Miene davon.
Auch im Publikum verließen ein paar Leute ihre Plätze, um sich ein ruhigeres Fleckchen zu suchen.
»Jetzt dreh ihm doch mal jemand den Saft ab!«, rief Kurt Pfeiffer in Svens und Beas Richtung. »Meine armen Ohren, ich glaub, ich krieg Tinnitus!«
Sven hob die Hand. »Keine Panik! Wir kümmern uns drum.« Gemeinsam mit Bea verließ er den Dorfanger.
Wenige Minuten später betraten Bea und Sven das große umzäunte Grundstück von Toni Martinelli. Hier war die Musik so laut, dass ihnen beinahe das Trommelfell platzte.
Sie sahen sich um. Vor ihnen erhob sich ein kleines Gebäude, dessen pastellrosafarbene Fassade an Plätzchen mit Zuckerguss erinnerte. Fenster und Türen waren sperrangelweit geöffnet, und an der Balustrade eines schmalen Balkons wehte ein italienisches Fähnchen im Wind. Rings um das Haus herum spross und gedieh die prächtigste Vegetation. Üppige Ginsterbüsche blühten in leuchtendem Gelb. Sonnenblumen, Dahlien und Löwenmäulchen waren in akkuraten ellipsenförmigen Beeten angepflanzt. Dazwischen wuchs hier und da der Eisenhut. Obwohl das Gelände längere Zeit nicht verpachtet und unbewohnt gewesen war, hatten sich die Hummelstichler gemeinsam um die Pflege von Haus und Garten gekümmert.
Bea und Sven folgten einem schmalen Weg, der zu einer weitläufigen Wiese führte. Dort stand mit dem Rücken zu ihnen Toni Martinelli. Er trug Ohrenschützer, und sein schlanker, drahtiger Körper war über eine große Tonkuppel gebeugt. Etwa drei Meter entfernt entdeckten sie eine Lautsprecherbox, aus der noch immer der orchestrale Hummelflug in Endlosschleife dröhnte.
Mit wenigen Schritten war Sven bei der Box und schaltete sie aus, woraufhin der Lärm abrupt verstummte.
Toni Martinelli drehte sich verdutzt zu ihnen um und zog sich die Ohrenschützer vom Kopf. »Allora, es war doch wohl nicht zu laut?«
»Viel zu laut!«, entgegnete Sven streng. »Uns sind beinahe die Ohren abgefallen.«
»Scusi.« Toni Martinelli lächelte verkrampft. »Entschuldigung.«
»Vor allem hat es die Wahlkampfveranstaltung auf dem Dorfanger gestört«, fügte Bea hinzu.
»Scusi, Signora.« Der Imker setzte eine bedauernde Miene auf. »Das war keine böse Absicht. Dann warte ich, bis die Veranstaltung vorbei ist.«
»Nein, Sie verstehen nicht«, rief Sven. »Ab jetzt bitte keine derart laute Musik mehr!«
Toni Martinelli schaute ratlos drein. »Aber die Hummeln. Die Musik animiert sie, Honig zu sammeln.«
Bea und Sven sahen sich irritiert an.
»Das machen sie doch schon von sich aus.« Sven runzelte die Stirn. »Dafür brauchen Sie sie nicht extra mit lauter Musik zu beschallen.«
»Die Hummeln sammeln nur wenig Honig«, erklärte der Imker. »Sehr wenig. Sie sind nicht so emsig wie Bienen. Sie sind eher von der gemütlichen Art.«
Sven zuckte mit den Schultern. »Das ist doch in Ordnung. Jeder ist eben so, wie er ist.«
»Aber Hummelhonig ist … eine besondere Spezialität.« Toni Martinelli fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. »Eine Rarität. Es gibt Feinschmecker, die eine sehr große Summe Geld für ein kleines Glas Hummelhonig zahlen würden.«
»Dann sind Sie also nur auf den Profit aus?«, fragte Sven und musterte Martinelli kühl.
Der Imker hob abwehrend die Hände in die Höhe. »Bitte, lassen Sie mich versuchen, es zu erklären.« Er holte tief Luft. »Allora, ich habe mich gefragt, was kann ich tun, um mich von der Masse abzuheben? Um bessere Produkte als andere Imker anzubieten.« Er breitete die Arme aus. »Die Antwort ist mir wie Tomaten aus den Haaren gefallen. Ich möchte etwas komplett Neues schaffen. Und ich möchte ein Unternehmen gründen, das langfristig Bestand hat.«
Martinellis Augen leuchteten vor Begeisterung. »Wenn ich erst einmal meinen ersten Hummelhonig verkauft habe, und die Kunden mir die Tür einrennen – und das werden sie –, dann werde ich auch noch weitere Produkte ins Sortiment nehmen.« Er lächelte verzückt. »Ich denke da zum Beispiel an Gelato. Eiscreme.« Seine Hände schnellten durch die Luft, als dirigierte er ein Orchester. »Dazu vielleicht Bonbons und Konfekt. Und ich möchte später einmal auch Kosmetik und medizinische Produkte aus Hummel- und Bienenhonig anbieten.«
»Da haben Sie aber Großes vor«, sagte Bea.
Martinelli nickte stolz. »Für kleine Träume bin ich nicht hier.«
»Bienen haben Sie auch?«, fragte Sven eher skeptisch.
»Ja, aber mein Schwerpunkt soll in Zukunft der Nektar von den wunderbaren Hummeln sein.« Toni Martinelli warf der Tonkuppel einen liebevollen Blick zu.
»Ach, deshalb sind Sie wohl nach Hummelstich gekommen?«, entgegnete Bea. »Weil es hier so viele Hummeln gibt.«
»Esattamente!« Der Imker lächelte über das ganze Gesicht. »Ganz genau. Laut dem Europäischen Insektenregister hat diese Region das europaweit größte Hummelvorkommen.«
Sven und Bea tauschten überraschte Blicke. Das klang doch schon um einiges besser, als das mörderischste Dorf Deutschlands zu sein.
»Von den weltweit zweihundertfünfzig Arten gibt es in dieser Gegend mehr als vierzig«, erklärte Martinelli. »Außerdem sind sie robuster und vitaler als alle anderen Hummeln, die mir je begegnet sind. Ihr Honig ist sowohl geschmacklich als auch aus gesundheitsfördernder Sicht mit nichts zu vergleichen.«
»Erstaunlich«, murmelte Bea. Das wäre doch glatt einen Eintrag im Buch der Besten wert.
Sven rieb sich das Kinn. »Ich dachte immer, Hummel sei Hummel.«
»Oh nein.« Toni Martinelli hob den Zeigefinger. »Es gibt Wiesenhummeln, Baumhummeln, Steinhummeln, Ackerhummeln, Gartenhummeln, Erdhummeln, Eisenhuthummeln, Mooshummeln, Waldhummeln und, und, und.«
Man lernt doch nie aus, dachte Bea.
»Trotzdem müssen wir Sie bitten, die Musik in Zukunft leiser zu stellen«, sagte Sven. »Erheblich leiser.«
»Verstehe.« Toni Martinelli betrachtete die Spitzen seiner Schuhe. »Es wäre natürlich sehr schön, wenn ich ab und zu noch ein wenig experimentieren könnte … bis ich das beste Ergebnis erzielt habe.«
Sven schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, das ist für mich nicht verhandelbar. Das nennt man ›Ruhestörung‹. Als Dorfpolizist kann und werde ich das nicht zulassen.«
Der Imker ließ die Schultern hängen, und seine haselnussbraunen Locken hingen schlaff herab, sodass er wie ein begossener Pudel wirkte.