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Winterzauber! Bea genießt die wunderschöne verschneite Landschaft rund um Hummelstich. Bei einer Alpaka-Wanderung stößt die Hobbyermittlerin auf einen seltsam aussehenden Schneemann - in dem ein Toter versteckt wurde! Es handelt sich um Robert Eschenheim, den Förster der Nachbargemeinde Tannenglück. Ihre Ermittlungen führen Bea zu einer regionalen Sage um einen gigantischen Schatz. Was hat es damit auf sich? Und musste der Förster deshalb sterben?
Zur Serie: In Hummelstich scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Dächer der niedlichen Fachwerkhäuser funkeln und glitzern unter strahlend blauem Himmel und die Bewohner gehen emsig ihrem Tagewerk nach. Aber der schöne Schein trügt - denn hinter der Bilderbuchfassade tun sich mörderische Abgründe auf ... Aber zum Glück ist die energische Hobbydetektivin Bea von Maarstein vor Ort! Zusammen mit ihrem persönlichkeitsgestörten Papagei Dr. Jekyll und dem Dorfpolizisten Sven Grüneis löst sie jeden noch so verzwickten Fall.
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Seitenzahl: 170
Cover
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
HUMMELSTICH – Die Serie
Die Charaktere
Titel
Zitat
1. Leise rieselt der Schnee
2. Verborgen im Schnee
3. Väterchen Frost
4. Der Winter naht
5. Schneeflöckchen, Weißröckchen
6. Ein eiskalter Verdacht
7. Ein Eismännlein kommt selten allein
8. Winterwunderland
9. Schnee, der auf Federn fällt
10. Schnee von gestern
11. Schneeweißchen
12. Eisblumen
13. Das kalte Herz
14. Aufruhr beim Winterbasar
15. Ice and fire
16. Dünnes Eis
17. Dr. Jekylls Gespür für Schnee
18. Kalte Füße
19. Grabeskälte
20. Spaziergang im Schnee
21. Winterzauber
Rezept: Schneetorte
In der nächsten Folge
Über die Autorin
Impressum
Leseprobe
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Winterzauber! Bea genießt die wunderschöne verschneite Landschaft rund um Hummelstich. Bei einer Alpaka-Wanderung stößt die Hobbyermittlerin auf einen seltsam aussehenden Schneemann – in dem ein Toter versteckt wurde! Es handelt sich um Robert Eschenheim, den Förster der Nachbargemeinde Tannenglück. Ihre Ermittlungen führen Bea zu einer regionalen Sage um einen gigantischen Schatz. Was hat es damit auf sich? Und musste der Förster deshalb sterben?
In Hummelstich scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Dächer der niedlichen Fachwerkhäuser funkeln und glitzern unter strahlend blauem Himmel und die Bewohner gehen emsig ihrem Tagewerk nach. Aber der schöne Schein trügt – denn hinter der Bilderbuchfassade tun sich mörderische Abgründe auf … Aber zum Glück ist die energische Hobbydetektivin Bea von Maarstein vor Ort! Zusammen mit ihrem persönlichkeitsgestörten Papagei Dr. Jekyll und dem Dorfpolizisten Sven Grüneis löst sie jeden noch so verzwickten Fall.
Bea von Maarstein, 68 Jahre, kosmopolitische Hobbydetektivin, verwitwet, exzentrisch, lebensfroh, fährt einen alten Bücherbus, den sie zu einem mobilen Detektivbüro umgebaut hat.
Dr. Jekyll, Beas Papagei, ein hellroter Ara, smart und kratzbürstig, äußerst sprachbegabt.
Sven Grüneis, 35 Jahre, Dorfpolizist und Landwirt, verheiratet, lebt mit seiner Familie in einem großen Bauernhaus, naiv, pflichtbewusst und stets korrekt, hat das Herz am rechten Fleck.
Borwin Wandelohe, 62 Jahre, Halbspanier, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Friseurskunst, quirlig, fröhlich, verbreitet stets gute Laune, exzellenter Hobbykoch.
Kurt Pfeiffer, 61 Jahre, Kommissar im Ruhestand, hat ein Talent für die Ölmalerei, kann kein Blut sehen.
Sieglinde Sperling, 36 Jahre, die neue Kommissarin der Bad Frankenberger Mordkommission, fleißig aber unerfahren, ihr Lachen klingt wie das Quietschen eines Meerschweinchens.
Die Leiche im Schnee
Mein Haus liegt versteckt zwischen Tannen und Buchen.
Du kannst mich zwar finden, doch nicht nach mir suchen.
Von Frühling bis Herbst währt meine Nacht,
In der die Natur über mich wacht.
Erst wenn das Laub von den Bäumen fällt
Und frischer Schnee den Himmel erhellt,
erwache ich zu neuem Leben.
Großer Reichtum wird dem gegeben,
Der zur rechten Zeit mein Haus betritt.
Wohlstand für den, der Nöte litt.
Doch höre: Nur ein gutes, reines Herz
Beendet das Leid und lindert den Schmerz.
Das Böse kann sich nicht verstecken.
Ich werde es sofort entdecken.
Meine Schergen strafen jeden,
der von Unrecht oder Habgier redet.
Ich warte auf dich zwischen Tannen und Buchen.
Willst du mich finden, hör auf, mich zu suchen.
Der Himmel war in ein weißes Licht getaucht. Die Novembersonne leuchtete, und eine dicke, samtene Schneedecke lag ausgebreitet über Wald und Flur. Zarte Eiskristalle rieselten wie Puderzucker auf die Erde herab. Jedes Geräusch verebbte im makellosen Weiß. Es roch nach frisch geschlagenem Holz, Glühwein, Orangen und Zimt. Hummelstich, die kleine Gemeinde am Fuße des Kyffhäusergebirges, erstrahlte in allerschönstem Winterglanz.
Lautlose Glückseligkeit erfüllte das Dorf. An den Dächern der niedlichen kleinen Häuser reihten sich unzählige spitze Eiszapfen aneinander. Eisblumen zierten die Fenster, und in den Vorgärten waren fantasievolle Schneefiguren aufgestellt worden. Rauchwölkchen quollen aus den Schloten und mäanderten wie junge Lämmer der Sonne entgegen. Unterdessen brachte der Nordwind neuen Frost. Die Luft war so kalt, dass selbst die Füchse und Hermeline im Wald mit den Zähnen klapperten.
»Geruhsamkeit« war das Motto dieser Tage. Man hörte weder Zank noch Gezeter. Überhaupt schien »Lärm« ein Fremdwort zu sein. Alles war friedlich und still. Das hieß nicht, dass die Hummelstichler untätig waren. Ganz im Gegenteil. Sie werkelten und bauten, schafften und schraubten voller Tatendrang in ihren gut geheizten Stuben.
Der alljährliche Winterbasar stand vor der Tür, und jeder, ob groß oder klein, jung oder alt, wollte einen Beitrag dazu leisten. Da wurden Stände repariert, Kuchen gebacken und Waren für den Verkauf vorbereitet. Das Gemeindehaus wurde geputzt und auf Vordermann gebracht. Alles sollte so sauber und rein wie nur irgend möglich sein. So strahlend schön wie der frisch gefallene Schnee, der draußen in der Sonne glitzerte.
Inmitten dieser winterlichen Idylle bahnten sich Bea und Sven einen Weg durch die verschneiten Gassen. In ihre warmen Mäntel gepackt und mit Mütze, Schal und Handschuhen versehen, konnte die Kälte ihnen nichts anhaben. Auch den drei Alpakas, die fröhlich hinter ihnen hermarschierten, machten die eisigen Temperaturen nicht das Geringste aus.
Sven warf Bea einen belustigten Blick zu. »Wusstest du, dass die Inuit mehr als vierzig verschiedene Wörter für Schnee haben?«
Bea nickte lächelnd. »Die Schotten haben sogar über vierhundert!«
»Ernsthaft?« Sven hob die Augenbrauen. »Wieso haben wir dann nur eins?«
»Das ist nicht ganz richtig.« Bea grinste in sich hinein. »Immerhin gibt es auch in der deutschen Sprache einige Unterscheidungen wie ›Neuschnee‹, ›Pappschnee‹, ›Pulverschnee‹ und so weiter.«
»Den ›Eischnee‹ nicht zu vergessen«, entgegnete Sven, was Bea ein Kichern entlockte. »Trotzdem!«, sagte er. »Am Ende ist es alles bloß Schnee!«
»Ich weiß schon, was du meinst.« Fasziniert betrachtete Bea ihren gefrorenen Atem. »Von vierhundert Wörtern können wir nur träumen!«
Sie passierten die Dorfkirche und gelangten an eine Weggabelung.
Sven drehte sich zu den Alpakas um. »He, ihr Rasselbande! Hier geht’s lang!« Er angelte sich die drei Führstricke und zog die Tiere näher zu sich heran. Gemeinsam bogen sie nach rechts in eine schmale Straße ein.
Bea tätschelte hingebungsvoll eines der hübschen Tiere. »Dass du demnächst Alpaka-Wanderungen anbieten willst, finde ich klasse.«
Die Alpakas warfen die Köpfe auf und ab, was wie ein zustimmendes Nicken aussah.
»Sara meinte, dass Wanderungen mit Tieren aktuell sehr im Trend lägen und wir uns damit ein zusätzliches Standbein schaffen könnten«, sagte Sven.
Lächelnd stapfte Bea durch den unberührten Schnee. »Da hat deine Frau eine wirklich clevere Idee gehabt.«
»Dann denkst du, dass es funktioniert?« In Svens Stimme schwang ein Hauch von Sorge mit.
»Ich glaube, dass du dich vor Anfragen nicht retten können wirst«, antwortete Bea und musterte ihren Freund. »Aber hast du denn auch genug Zeit dafür?« Die Frage war berechtigt – schließlich war er Dorfpolizist und Landwirt von Beruf und hatte schon damit genug um die Ohren – ganz zu schweigen von seiner stetig wachsenden Familie, die auch jede Menge Aufmerksamkeit brauchte.
»Das kriegen wir schon geregelt.« Sven vollführte eine wegwerfende Handbewegung. »Pedro Hernandez hat mir bereits seine Unterstützung angeboten. Seine Familie und er wollen uns gerne dabei helfen.«
»Na, das ist doch prima!«, rief Bea. »Das freut mich!« Die siebenköpfige Familie Hernandez, die aus der peruanischen Partnergemeinde stammte und mit Familie Butterblum für ein Jahr das Zuhause getauscht hatte, war ihr sehr ans Herz gewachsen. Und auch bei den Hummelstichlern, von denen einige anfangs sehr kritisch gewesen waren, wurden die Hernandez’ wegen ihrer freundlichen und hilfsbereiten Art immer beliebter.
Bea und Sven ließen den Bahnhof am Rand des Dorfes hinter sich und erreichten erneut eine Abzweigung.
»Wollen wir diesen Weg nehmen?« Bea deutete auf einen gewundenen und von Bäumen gesäumten Pfad.
Sven kratzte sich an der Stirn. »Der führt in den Wald in Richtung Tannenglück.«
»Und wenn schon«, sagte Bea, die im Gegensatz zu Sven die Rivalität zwischen Hummelstich und der Nachbargemeinde nicht nachvollziehen konnte. »Wäre doch eine schöne Route für eure zukünftigen Alpaka-Wanderungen.«
»Okay, wenn du meinst.« Sven zuckte mit den Schultern. »Vielleicht treffen wir unterwegs ja das Eismännlein.«
»Wen?« Bea blickte ihn neugierig an.
»Das Eismännlein«, wiederholte Sven. »Eine Figur aus einer regionalen Sage, die dem, der es findet, zu unermesslichem Reichtum verhelfen kann.«
Unermesslicher Reichtum? Bea runzelte die Stirn. »Ich dachte immer, du hast längst alles, was du brauchst: eine tolle Frau, zwei entzückende Kinder, Freunde, einen spannenden Beruf, ein großes Haus mit Garten und eine Menagerie, die jeden Fürsten vor Neid erblassen lassen würde. Reicher kann ein Mensch kaum sein.«
»Ich will das Gold ja auch nicht für mich!« Ein verlegenes Lächeln huschte über Svens Gesicht. »Einen Schatz zu finden wäre aber trotzdem aufregend. Und mit einer Sagengestalt zu plaudern natürlich auch.«
Bea konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Manchmal war Sven wie ein Kind. Glaubte er denn wirklich an dieses Eismännlein? Das war schon ein wenig albern! Obwohl – in Hummelstich konnte alles passieren.
»Ich freue mich übrigens schon total auf den Winterbasar!«, sagte Sven. »Echt klasse, dass du die Organisation auf die Schnelle so hingekriegt hast.«
Bea zog ihre Mütze noch etwas tiefer ins Gesicht, um sich gegen den stärker werdenden eisigen Wind zu schützen. »Einer musste sich ja darum kümmern. Außerdem hatte ich aber auch jede Menge Hilfe.« Bei Festen und Traditionen zogen die Hummelstichler immer an einem Strang. Darauf konnte man sich stets verlassen.
»Jetzt, wo Gisela nicht mehr da ist, bleibt sicher vieles von ihrer Arbeit an dir hängen«, meinte Sven.
Der Rücktritt der Ortsvorsteherin hatte Bea in der Tat eine Vielzahl neuer Aufgaben beschert. Zwar hatte sie sich nicht darum gedrängt, die Planung der anstehenden Veranstaltungen zu übernehmen, doch da sich momentan niemand sonst dazu in der Lage fühlte, hatte sie die Führung kurzerhand übernommen. Selbstverständlich nur übergangsweise.
Sven warf ihr einen fragenden Blick zu. »Ich meine, im Grunde könntest du den Job ja auch offiziell machen.«
»Nein, danke«, erwiderte Bea entschieden. »Das ist auf Dauer nichts für mich.«
Doch davon wollte Sven nichts hören. »Fakt ist, wir brauchen eine neue Ortsvorsteherin, und du wärst die perfekte Frau dafür. Ich bin nicht der Einzige, der so denkt.«
Bea seufzte leise. »Es ist nett, dass ihr mir das zutraut, aber ich habe genug bei den Landfrauen zu tun. Außerdem führe ich auch noch eine Detektei.«
Sven band seinen Schal, der sich durch den Wind etwas gelockert hatte, fest um den Hals. »Da ist doch im Moment eh nix los.«
»Das kann sich aber auch ganz schnell ändern«, erwiderte Bea. Die Ruhephasen waren meist kurz, und ehe man sich’s versah, gab es wieder einen Mord. Das hatten sie mehr als einmal erlebt.
Sven rieb sich das Kinn. »Ach, das glaube ich nicht. Mittlerweile hat doch sogar der letzte Schurke kapiert, dass es nicht wirklich ratsam ist, in deiner Nähe ein Verbrechen zu begehen.« Er grinste. »Der Ruf, Mordfälle zu lösen und die Bösen zu schnappen, eilt dir bereits in der gesamten Region voraus.«
Sie gelangten tiefer in den Wald, und der Wind ebbte wieder etwas ab.
»Wenn es so wäre, könnte ja die Bad Frankenberger Polizei geschlossen in den Ruhestand gehen«, sagte Bea.
»Wie Pfeiffer, meinst du?«
Bea nickte. »Der Ärmste leidet schrecklich. Seit seiner Zwangspensionierung fühlt er sich von der Welt im Stich gelassen. Ausrangiert. Nutzlos.«
»Mein Mitleid hält sich in Grenzen«, knurrte Sven.
Dass Kurt Pfeiffer und Sven keine Freunde waren und auch nie werden würden, wusste Bea. Die beiden waren schon mehr als einmal aneinandergeraten, hatten sich aber immer wieder zusammengerauft. »Kommst du mit der neuen Kommissarin denn mittlerweile besser zurecht?«, wollte sie wissen.
Sven schnaubte. »Die Sperling ist und bleibt ein aufgeblasenes Schrapnell!« Er schob die Hände in die Taschen seines Wintermantels. »Als ich letztens in der Polizeidienststelle war, hat sie sich aufgespielt, als wäre sie die Chefin des FBI. Und auf ihrem Computer lief irgend so ein Katzenvideo.«
»Wenn sie Katzen mag, ist sie ja vielleicht doch ganz nett!«, konterte Bea.
»Pah!«, meinte Sven. »Die tut doch nur so!«
Bea runzelte die Stirn. »Auf jeden Fall müssen wir uns wegen Kurt etwas einfallen lassen. Seitdem er nun wieder ganztags zu Hause ist, hängt er andauernd an meinem Rockzipfel. Stell dir nur vor, jetzt will er sogar noch in meiner Detektei mitmischen!«
»Rühr ihm doch was von Feigenbaums Wundermittel in den Tee«, schlug Sven vor. »Das soll ja wirklich für und gegen alles helfen.«
Ein Ausdruck der Verwirrung trat in Beas Gesicht. »Sag bloß, du hast dir das Zeug unseres werten Herrn Apotheker jetzt auch gekauft!«
Sven hob abwehrend die Hände. »Ich weiß, dass du Feigenbaum nicht magst und skeptisch bist. Aber es hilft tatsächlich! Seitdem Sara es nimmt, schläft sie viel besser. Und Krümels Haarausfall hat es auch kuriert.«
Bea seufzte. Schon seit Tagen hörte sie überall nur begeisterte Erfolgsberichte. »Tut mir leid, doch diesem sogenannten ›Wunderkram‹ traue ich nicht!«
»Aber ausnahmslos alle, die ich kenne und es ausprobiert haben, schwören darauf«, entgegnete Sven. »Da kannst du fragen, wen du willst.«
»Eben!«, sagte Bea. »Das genau ist ja das Unglaubliche! Das kann alles nicht mit rechten Dingen zugehen!« Sie schüttelte den Kopf. »Das Salz der Unsterblichkeit! Allein bei dem Namen schrillen bei mir alle Alarmglocken!«
Sven verlangsamte seine Schritte. »Apropos ›Alarmglocken‹, vielleicht sollten wir besser umkehren.«
»Jetzt schon?« Bea zog die Stirn kraus. »Wir sind gefühlt doch gerade erst losgegangen.«
»Mir ist kalt.« Sven schlang die Arme um seinen Oberkörper. »Und dieser Schneemann da vorne sieht aus, als wäre er einem Horrorfilm entsprungen!« Er nickte in Richtung eines Birkenhaines. Dort stand eine Schneefigur, die Bea bislang nur als undeutliche Silhouette wahrgenommen hatte.
Sie trat neugierig näher. Die Form des Schneemannes war gedrungen und plump, was daran lag, dass er nur aus zwei Kugeln bestand. Die untere, die den Körper darstellen sollte, war so groß, dass sie ihr locker bis über die Hüfte reichte. Darauf thronte der Kopf, eine Kugel von deutlich kleinerem Umfang, auf der mit Steinchen und abgebrochenen Zweigen ein schauderhaftes und schadenfroh grinsendes Gesicht nachgeahmt worden war. Ganz oben befand sich eine Krone aus Schnee, wodurch die Figur wie ein dicker, grimmiger Schneekönig aussah.
»Da hat sich bestimmt jemand einen Scherz erlaubt«, meinte Bea und trat noch einen Schritt näher heran.
»Garantiert so ein Witzbold aus Tannenglück!«, murmelte Sven mit jener allgegenwärtigen Verdrießlichkeit, die sich immer dann bei ihm einstellte, wenn es um die ungeliebte Nachbargemeinde ging.
»Den Tieren scheint er zu gefallen.« Bea beobachtete, wie die Alpakas sehr interessiert daran schnüffelten. Kiki, die jüngste der drei Alpakastuten, stupste sogar mit dem Kopf dagegen und versuchte, mit den Vorderhufen auf die untere Kugel zu klettern, doch sie rutschte gleich wieder herunter. Unglücklicherweise brach dabei ein Teil des Schnees ab.
Sven runzelte die Stirn. »Warte mal! Sieht aus, als wäre da was drin.« Er ging in die Hocke und pfriemelte an der ramponierten Schneekugel herum. »Was ist das?«
Jetzt entdeckte Bea es auch. Da steckte etwas im Schnee. Was konnte das sein? Sie beugte sich näher heran.
»Oh nein!«, murmelte Sven und erblasste.
»Was ist denn?«, fragte Bea. War das etwa ein Handschuh?
Erst bei genauerer Betrachtung verstand sie, was sie da sah. Die Erkenntnis ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Das, was da aus dem Bauch des Schneemanns ragte, war nichts anderes als eine tiefgefrorene, menschliche Hand.
So schnell sie konnten, kratzten Bea und Sven mit den Händen den Schnee beiseite. Er war hart und so vereist, dass Bea die Kälte wie einen stechenden Schmerz durch ihre roten Ziegenlederhandschuhe spürte. Stück für Stück legten sie den Rest des verborgenen menschlichen Körpers frei.
Mit einer Mischung aus Trauer und Grusel betrachtete Bea die zusammengekauerte Gestalt. Es war ein Mann, schätzungsweise mittleren Alters und von durchschnittlicher Statur, der auf dem Boden hockte und die angewinkelten Beine bis an die Brust herangezogen hatte. Er war mit einer dunkelgrünen Hose, braunen Stiefeln, einem grauen Pullover und einer grünen Wildlederjacke bekleidet. Der Kopf war nach vorn in Richtung der Knie geneigt. Die Haut im Gesicht und an den Händen war bläulich verfärbt, die wässrigen Augen starrten ins Leere. An den dunklen, krausen Haaren und an den Wimpern hingen winzige Eisklümpchen fest.
Beas Gedanken überschlugen sich. Ein toter Mensch! Versteckt in einem Schneemann! Sie hatte ja schon viele seltsame Dinge erlebt, aber das war selbst für Hummelstichler Verhältnisse skurril.
Neben ihr rang Sven nach Atem. Obwohl er in seinem Berufsleben schon einige Leichen gesehen hatte, war der Anblick nichts, an das er sich gewöhnen konnte.
»Das glaub ich jetzt nicht!«, keuchte er mit aschfahlem Gesicht. Er richtete sich auf, zog sich die Mütze vom Kopf und rieb sich die Stirn.
Bea warf ihm einen neugierigen Blick zu. »Du kennst den Mann?«
Sven nickte. »Das … Das ist Robert.« Er atmete tief durch und starrte fassungslos vor sich hin. »Robert Eschenheim, der Förster von Tannenglück.«
»Wart ihr befreundet?«, hakte Bea nach.
»Wir haben als Kinder miteinander gespielt«, erklärte Sven. »Robert hat mit seinen Eltern auf dem Nachbargrundstück gelebt.« Er seufzte schwer. »Doch als Erwachsener hat er sich dann sehr verändert. Er hat sich von allem abgekapselt und ist seiner eigenen Wege gegangen. Nachdem er vor einigen Jahren nach Tannenglück gezogen ist, hatten wir fast gar keinen Kontakt mehr.«
Bea legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn auf diese Weise einmal wiedersehen würde«, sagte Sven und wischte eine Träne fort. Er wandte sich ab. »Ich gebe der Sperling Bescheid!« Er zog sein Handy aus der Manteltasche, presste es sich ans Ohr und stiefelte unruhig auf und ab.
Sofort kehrte Beas Aufmerksamkeit zu dem Toten zurück. Der Mann trug weder Handschuhe noch eine Mütze. Bei diesen frostigen Temperaturen eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Auch die Jacke war viel zu dünn und eher ungeeignet für den Winter. Sie schien nur halb geschlossen zu sein, da der graue Pullover deutlich zu erkennen war.
Bea beugte sich näher heran. Oberhalb der Brust zeichneten sich dunkle Flecken auf der Wolle des Pullovers ab. Die Leiche ließ sich nicht bewegen, was wohl nicht nur an dem gefrorenen Zustand lag. Sicher hatte auch die Totenstarre längst eingesetzt. Je kälter die Umgebungstemperatur war, desto eher setzte sie ein, das hatte Bea durch die Lektüre diverser Pathologieratgeber erfahren.
»Seltsam«, murmelte Sven hinter ihr. Bea richtete sich wieder auf und drehte sich um.
»Weder die Sperling noch der Feigenbaum gehen an ihr Telefon«, sagte Sven.
»Den Feigenbaum brauchen wir doch gar nicht!«, entgegnete Bea energisch.
Sven runzelte die Stirn. »Ich habe ihn bisher zu jedem Todesfall hinzugezogen.« Er kratzte sich am Ohr. »Man weiß ja nie, ob nicht doch noch Hilfe möglich ist. Erst letztens habe ich gelesen, dass ein Opfer auch scheintot sein kann. Dass es also nur so aussieht, als wäre der Betreffende tot – und in Wahrheit steckt doch noch ein Fünkchen Leben in ihm.«
»Was wir in diesem Fall leider ausschließen können«, sagte Bea.
»Du meinst, wegen der Kälte?« Sven biss sich auf die Unterlippe. »Aber ist es nicht so, dass Kälte den Herzschlag auf ein Minimum herabsenken kann, so sehr, dass er für Außenstehende nicht mehr wahrnehmbar ist?«
Bea seufzte leise. »Der Mann ist tiefgefroren.«
»Was wäre denn, wenn wir ihn auftauen würden?«, schlug Sven vor.
»Robert Eschenheim ist tot, Sven.« Bea berührte sanft seinen Arm. »Es tut mir leid.«
Sven ballte die Hände, als klammere sich an einem unsichtbaren Seil fest. »Aber gibt es nicht sogar Einrichtungen, in denen Menschen tiefgefroren werden, damit sie irgendwann wiederbelebt werden können?«
»Du meinst die Kryonikkonservierung«, sagte Bea. »Dabei werden die sterblichen Überreste in Stickstofftanks eingelagert, in der Hoffnung, dass es in einer fernen Zukunft neue Heilmethoden gibt, um die toten, kaputten Körper wiederherzustellen.«
Sven nickte. »Ja, genau. Kryonik.«
Der Hauch eines Lächelns huschte über Beas Gesicht. »Wenn du mich fragst, ist das alles Kokolores. Reine Geld- und Zeitverschwendung. Der Körper ist doch nur eine sterbliche Hülle, deren Verfall man nicht aufhalten kann. Doch unser Geist, unsere Seele, lebt ewig weiter.«
Sven betrachtete den toten Förster. »Das heißt, wir können gar nichts mehr für ihn tun?«