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Humorvolle Texte:
Essays, Storys, Interviews, Gedichte, Drabbles, Theaterstücke, Briefe
Alman * Brief an die Sitcom * Das Spirituelle * Elite * Elite-Denken * Eristik – Streitschrift für Eris * Filmzitate * Gegenteiltag * Hochzeitssprüche * Liebesroman vs. Real Life * Macht Sinn * Mit Wut wird alles gut * Musik * Pranks * Schnodderdeutsch * Sprichwörter und Spontisprüche * Teure Sätze * Versprechen * Vom Bergsteigen * Von Vong * Wahrheit als Ware * Für Wahrheit oder Pflicht? * In Wahrheit * Wie festlich * Ansteckend * Dance * Egal-Land – Gespräch mit Optimismus und Pessimismus * Eigenantrieb – Elan * Es klappert die Mühle am rauschenden Bach * Frechheit vs. Höflichkeit * Gaffen * Gedicht schreibt sich selbst * Halb zog sie ihn, halb sank er hin * Hasen * Highlife am Teich * Luftig * Oxymoron-Land * Regen * Vom Rennen * Schwerkraft * See-Gespräch * Sinnvoll * Schlumpfig * Wie geht's? * Veränderung * Stillleben mit Sonnenblumen * The Muse is not amused * Unverhofft * Von Toren und Türen * Wasserfall gefällt * Windrad * Kleinere Gedichte * Verdrehte Redewendungen * Hexerei in der Bäckerei * Tannenbaum sucht Nadeln im Heuhaufen * Dieser Moment, wenn … * Drabbles * Interview mit Samson und Delila * Protagonist vs. Autor * Weisheitssprüche – Gespräch mit Uhu und Apfelbaum * Brief an Rapunzel * Hamstern * Shakespeare und Hera * Auf Seelenfang * Interview mit dem Happy End * Gespräch mit der Nacht * Interview mit Hephaistos und Pandora * Eine Truhe voll Gold * Brief ans Spiegelbild * Diabolus und Celeste * Smart Home * Wie ich über meinen Schatten sprang * Pygmalion, Galatea und Galateus * Umschulung – Beratung eines Schneemanns * Venus und der Ironiker * Erst der Sex, dann das Date * Brief an Goethe * Annasusanna und der Freibierfred – Palindrom-Date * Der Bergsee * Ein Ticket für die Fantasie * Ambitionen als Seefahrer * Wettrennen im Zoo * Jack Oldfield und Fee Fanferlüsch * Satz kommt zu Wort * Ansprechende Waren * Johnny * Blumenampel setzt auf Rot * Strand Symphonie * Reporter in Asgard * Memory * Barbarossa in Altenburg
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Alman * Brief an die Sitcom * Das Spirituelle * Elite * Elite-Denken * Eristik – Streitschrift für Eris * Filmzitate * Gegenteiltag * Hochzeitssprüche * Liebesroman vs. Real Life * Macht Sinn * Mit Wut wird alles gut * Musik * Pranks * Schnodderdeutsch * Sprichwörter und Spontisprüche * Teure Sätze * Versprechen * Vom Bergsteigen * Von Vong * Wahrheit als Ware * Für Wahrheit oder Pflicht? * In Wahrheit * Wie festlich * Ansteckend * Dance * Egal-Land – Gespräch mit Optimismus und Pessimismus * Eigenantrieb – Elan * Es klappert die Mühle am rauschenden Bach * Frechheit vs. Höflichkeit * Gaffen * Gedicht schreibt sich selbst * Halb zog sie ihn, halb sank er hin * Hasen * Highlife am Teich * Luftig * Oxymoron-Land * Regen * Vom Rennen * Schwerkraft * See-Gespräch * Sinnvoll * Schlumpfig * Wie geht's? * Veränderung * Stillleben mit Sonnenblumen * The Muse is not amused * Unverhofft * Von Toren und Türen * Wasserfall gefällt * Windrad * Kleinere Gedichte * Verdrehte Redewendungen * Hexerei in der Bäckerei * Tannenbaum sucht Nadeln im Heuhaufen * Dieser Moment, wenn … * Drabbles * Interview mit Samson und Delila * Protagonist vs. Autor * Weisheitssprüche – Gespräch mit Uhu und Apfelbaum * Brief an Rapunzel * Hamstern * Shakespeare und Hera * Auf Seelenfang * Interview mit dem Happy End * Gespräch mit der Nacht * Interview mit Hephaistos und Pandora * Eine Truhe voll Gold * Brief ans Spiegelbild * Diabolus und Celeste * Smart Home * Wie ich über meinen Schatten sprang * Pygmalion, Galatea und Galateus * Umschulung – Beratung eines Schneemanns * Venus und der Ironiker * Erst der Sex, dann das Date * Brief an Goethe * Annasusanna und der Freibierfred – Palindrom-Date * Der Bergsee * Ein Ticket für die Fantasie * Ambitionen als Seefahrer * Wettrennen im Zoo * Jack Oldfield und Fee Fanferlüsch * Satz kommt zu Wort * Ansprechende Waren * Johnny * Blumenampel setzt auf Rot * Strand Symphonie * Reporter in Asgard * Memory * Barbarossa in Altenburg
Alman – Bezeichnung für typisch deutsches Verhalten; klingt irgendwie liebenswürdiger als 'Kartoffel'. Einer Kartoffel will niemand nacheifern, ihr Vorbild-Charakter ist nicht so ausgeprägt. Aber will man überhaupt 'Typisch' sein? Test machen: Wie hoch ist der Alman-Anteil in einem? Ist man übertrieben besserwisserisch, erfüllt man all die Klischee-Vorgaben ordnungsgemäß? Kleinlich, geizig, humorlos ... das liest sich jetzt nicht so nett. Aber kann man echt mit Coolness kontern? Kant und Hölderlin sind jetzt nicht so die Bringer in puncto Coolness-Faktor; und Schopenhauer würde man jetzt auch nicht unbedingt als coole Socke bezeichnen. Was ist bezeichnend für das Volk der 'Dichter und Denker'? Mischen wir nicht mit an der Spaß-Front? Zu reserviert, zu nah am Problem? Man ist sehr fokussiert. Vielleicht gehören die Deutschen alle auf Freuds Couch? Sich mal ausquatschen, in der Vergangenheit rumstochern und über die Ich-Befindlichkeit so lange labern, bis der Therapeut schreiend wegläuft. Übergenau bei allem – wenn schon, denn schon. Da lassen wir auch nicht so schnell los. Vorbild: Dachs. Mit welchem Tier würde man jede Nation beschreiben wollen, welches Tier zuordnen? Die Wokeness-Bewegung ist stark bei uns – die Steigerung der Political Correctness. Ein Eichelhäher würde zu uns passen – Aufpasser-Vogel, Melde-Vogel. Vielleicht auch die Spottdrossel. Die relaxten Tiere passen nicht ganz so zu uns – vielleicht eher so wie die total über-ambitionierte Möwe Jonathan, die hofft, der Sinnlosigkeit des Daseins etwas abtrotzen zu können durch Übung, Training.
Memes machen die Runde, in denen das Almanhafte zur Karikatur wird. Gehorsam – zur Nazizeit nicht so tolle Tugend. Mit wahrer Leidenschaft sich der Pflicht verschreiben – hat auch was Unschönes. Man stürzt sich immer in eine bestimmte Richtung – und erhofft von da Rettung. Vielleicht ist das typisch deutsch – sich Glaubens-Ersatz holen, egal, woher? Mit wahrer Inbrunst intolerant sein und auch intolerant gegen die Intoleranten. "Anzeige ist raus." Man schaut, wie man die eigene Meinung untermauern kann, baut Wände um die Meinung, schützt sie ... Eine Meinungs-Burg – und die Zugbrücke für Andersdenkende wird höchst selten runtergelassen – und maximal bis 22 Uhr. Witzig finde ich die Bezeichnung 'Alman Think-Tank' für Stammtisch. Ist unser Steckenpferd die Prinzipienreiterei? Eines Tages fliegt uns die Ordnung noch um die Ohren – Paragraphenreiter ziehen im Galopp an uns vorüber. Regelrechte Regelwut – dabei lässt sich die Natur höchst selten etwas vorschreiben; sie zieht ihr Ding durch. Eine Illusion, dass man mit Gesetzen diese Welt bändigen könnte; aber wir halten fest daran. Dann müssen halt noch mehr Gesetze an die Front. Nachschub!
Spießbürger sind keine Superhelden, sie beten die Ordnung an, die eigene Meinung; die Coolness hat die Größe von Gartenzwergen. Flache Witze bleiben en vogue, egal, wie abgenutzt sie sind; man weiß, was der andere sagen wird, das hat was Zuverlässiges; man lacht nicht aus Höflichkeit, sondern wegen des Wiedererkennungs-Effekts. Loriot wird ad nauseam wiederholt – man findet's immer noch lustig. Der Anfang eines Zitats genügt, Anspielungen, man weiß Bescheid. Witzig, wenn man versucht, bewusst gegen den inneren Alman zu kämpfen, man will mehr sein als ein Klischee – und stürzt sich in die angebotenen neuen Klischees – jetzt günstig zu haben; ob der Wokeness-Anzug passt? Très chic – man geht glatt als Weltbürger durch. Moralismus extrem – Moralismus XXL. Die Moralismus-Keule – und "Mein Rechtsanwalt ist informiert". Gut gewappnet in allen Lebenslagen, man hat die Antworten, man gibt sie gern – auch ungefragt. Wokeness fühlt sich richtig daheim bei den Deutschen, korrekter als korrekt – fit für die Korrektheits-Olympiade.
Nur unangenehm, wenn sich herausstellt, dass die Alman-Memes keine Persiflage sind, sondern ziemlich genau den Tatsachen entsprechen. Steht man mit seiner Lebensphilosophie allein auf weiter Flur? Wie hält man es mit dem Mainstream? Wie weit weg davon, wäre noch okay? Welche Denkschablone ist heute dran? Der Markt offeriert viel – großes Angebot – aber im Zweifelsfall entscheidet man sich für das Klischee. Da weiß man, was man hat.
Alman-Memes als Mittel zur Selbstreflexion; inwieweit sind sie zutreffend? Was lässt sich verändern? Man kann Sympathien und Antipathien nicht beliebig verteilen. Man hat Grundüberzeugungen – aber da lässt sich was machen, sobald neues Wissen ins Spiel kommt. Stichwort 'Framing' – in welchem Rahmen findet das statt? Man hat zwar kein neues Bild, kann aber den Rahmen austauschen. Etwas in einem größeren Zeitrahmen sehen.
Wir verlassen uns auf die Gesetze, wurde uns beigebracht. Uns faszinieren Filme, in denen der Held das alles alleine macht – One Man Army –, die Schurken erledigt er im Alleingang. Wir kriegen schon Ärger, wenn wir den Mülleimerdeckel zu laut zuklappen. "Anzeige ist raus." Da möchte man im Chuck-Norris-Style – per Roundhouse-Kick seine Meinung dazu kundtun – oder wie Bud Spencer und Terence Hill die Faust sprechen lassen, aber wir zitieren stattdessen Faust. "Mit Worten lässt sich trefflich streiten." Da geht es dann um Themen wie: "Zuerst Cornflakes oder zuerst die Milch?"
Liebe Sitcom,
sicher wunderst Du Dich, von mir einen Brief zu erhalten; einem Genre schreibt man ja im Allgemeinen nicht. Serien bekommen Fanpost. Aber ich meine genau Dich – weil Du das ja alles erst möglich gemacht hast. Ich sehe nicht gerne Krimis; aber Du bringst mit ganz simplen Mitteln das Lachen und die Heiterkeit in eine Welt, die doch eher sachlich ist. Man übernimmt Deine Weltsicht, man setzt sich die Sitcom-Brille auf – und plötzlich sind auch die eigenen Fauxpas amüsant. Humor im Schnelllehrgang. Bleib so, wie Du bist!
Aber Du musst Dich ja laufend steigern, bessere Performance, noch mehr Lacher pro Minute. Du stehst unter enormen Erfolgsdruck. Macht Dir das überhaupt noch Spaß? Würdest Du gerne mal mit anderen Genres zusammenarbeiten? Western, Science-Fiction ...? Du hast ja schon vieles ausprobiert, hast Dich an Kriegsschauplätze begeben und ins Krankenhaus. Dir scheint kein Ort heilig. Aber meist sitzen deine Figuren auf der Couch; Dreh- und Angelpunkt; der Nabel Deiner Welt. Ein Krimi, der immer nur auf der Couch stattfände, wäre seltsam. Allenfalls ein Porno wäre machbar. Jedes andere Genre würde sich mit Deiner Bewegungsarmut schwertun; aber Dir macht das nichts aus. Die Leute machen das, was sie im Leben auch machen: Konversation. Keine Handlung, die vorangetrieben werden müsste; es sind allenfalls Ereignisse, Widrigkeiten ... Und der Humor schafft es, spielend mit all dem fertigzuwerden. Du feierst den Moment; Situationskomik – wie kommen Personen und die Dramaturgie des Welt-Moments miteinander aus? Was prallt da aufeinander? Charaktere, die an ihr Selbst gebunden sind; sie können nicht aus ihrer Haut; manchmal ist man es so leid, ein Charakter zu sein; zu dogmatisch, zu vorhersehbar agiert man; daraus entwickeln sich Pointen; ein wahres Fest für sie. Und doch scheint sich der allgemeine Charakter der Welt durch Dich zu verändern: milder, nachsichtiger ... Es scheint fast so, als hätte die Güte eine echte Chance. Du bietest die ganze Palette der Heiterkeit: das Lachen in allen Abstufungen. Wenn man will, kann man sich auch kaputtlachen. Die Welt ist ridikül, aber dieser Lächerlichkeit begegnet man bierernst. Es ist Deine spezielle Sichtweise, die im Grunde alles mit dem Scheinwerfer der Komik beleuchten kann; die komischen Aspekte treten hervor. Als ob eine Felsenstruktur sich plötzlich als kunstvolles Relief entpuppt: Bilder, die man zuvor dort nicht gesehen hat. Du deutest darauf. Umdeuten der Welt: Als ob es ein so einfacher Prozess ist wie das Umdeuten der Wolken-Figuren. Was eben noch bedrohlich war, wird harmlos. Disneysierung der Welt? Immerhin verkündet das Lachen großmundig, dass es die beste Medizin der Welt sei. Kann es sein Versprechen einlösen? Und wenn man nur einige Momente annehmbarer findet, dann ist dem Lachen – und sei es auch nur in seiner Version als inneres Lachen – ein kleines Wunder gelungen. Okay, die Welt ist kein Amüsierbetrieb – aber etwas Amüsement sollte schon drin sein, selbst wenn die Umstände eigentlich dagegensprechen und ihr wichtiges Veto vorbringen. Man übergeht das; die Sitcom stärkt einem den Rücken; man hat Vorbilder; man ruft sich entsprechende Szenen aus der Film-Erinnerung ab. Also, ein gutes gefülltes mentales Film-Archiv ist da durchaus von Vorteil. Erinnerungsbilder müssen nicht immer aus dem eigenen Leben stammen – man leiht sie sich gewissermaßen von den Sitcom-Figuren. Die haben nichts dagegen; so war es auch gedacht. Letztlich ist man das, was man isst. Gilt auch für das, was man sich mental so reinzieht. Man setzt auf den Abfärbe-Effekt. Gewissermaßen in einer Waschmaschine mit der Buntheit der Welt.
Variationen eines Lebens – was wäre, wenn man nicht immer der düstere, der sachliche Typ wäre? Abweichen, die Sitcom als Vorbild. Kann ein Himmel komisch sein? Man muss da schon was hineininterpretieren. Plötzlich tauchen Delfine auf, die aber verdammte Ähnlichkeit mit Wolken haben; kann man ihnen ja nicht ankreiden. Das Bewusstsein sucht sich die Ausschnitte aus der Welt aus, es sortiert sich das, hat da ähnliche Muster vorliegen ... Wunderbar, wenn man eine ganze Sitcom-Kollektion hat – und im Leben Ähnlichkeiten vorfindet. Man könnte auch die Krimi-Brille aufsetzen und alles verdächtig finden. Sitcom, Du kennst hoffentlich Deinen wahren Wert, lass Dir das nicht kaputtreden von den Ernstlingen der Branche, denen das Dramatisieren überaus wichtig ist. Du schlägst den anderen Weg ein: das Ent-Dramatisieren. Platz für einen Witz ist immer noch. Als Tragödiendichter fände man jede Menge Material; das Leben ist ohnehin ein Trauerspiel. Es erfordert schon eine gewisse Verwegenheit, der Natur und der Welt was Heiteres unterzujubeln. Die sieht das nicht gern; sie ist sehr seriös. Im Anfang war das Wort: vermutlich 'Haha' in der Lautstärke des Homerischen Gelächters.
Wie sähe die Sitcom-Version der Welt aus? Oder würde man sich dann nach ein bisschen Seriosität sehnen? Ist es immer der Kontrast, der etwas wertvoll macht? Das, was man gerade vermisst? Wenn man satt ist, reizt einen Fisch nicht so sehr. Eine hungrige Seele ... Auf der Speisekarte stehen Albernheit, Heiterkeit, Spaß. Mit den Running Gags des Lebens kommt man nicht so gut klar; aber in der Sitcom sind sie gut aufgehoben. Hier bezeichnet man das einfach als Malheur. Und das Real Life lässt einem einfach nicht genügend Zeit für anständigen Sprachwitz; die Situation ist passé, bevor man richtig loslegen kann. Da ist es schon besser, man verfügt über ein Skript. Ein gescriptetes Leben will man aber auch nicht. Vermutlich würden einen die Kollegen im Büro entgeistert anschauen, wenn man in bester Sitcom-Manier eine Pointe nach der anderen raushaut – es wäre unangebracht; noch nie hätten sich Pointen so fehl am Platz gefühlt. Sitcom bietet die Bühne – quasi die Anderswelt – eine Art Parallelwelt, in der das alles problemlos möglich ist. Man kann Probleme wegzaubern durch eine Prise Humor; der Zauberstab des Ulks. Magie des Lachens. Schon seltsam, dass eigentlich nur Menschen lachen können; setzt wohl auch die Fähigkeit zum Weinen voraus.
Sitcom, nur keine Bescheidenheit; Du leistest da vorzügliche Arbeit. Ein Oscar ist wohl selten für Dich drin. Wenn Aliens unsere Sitcoms sehen würden, fänden sie uns vielleicht sogar sympathisch. Die echte Version bleibt lieber unter Verschluss – Menschheit ist ja so nicht vorzeigbar. Auch vorm Himmelsportal könnte man mit der Sitcom-Version von sich punkten; ein paar Jokes – und schon ist man drin. Wird leider nicht funktionieren, die sind da sehr streng. Al Bundy hätte sicherlich keine Chance. Eigentlich schade. Auch in der Bibel wird sehr selten gelacht; Gott zürnt meist; er hat bestimmt jede Menge Friseur-Engel beschäftigt, da er sich ständig die Haare rauft. Er wäre wohl auch nicht einverstanden, wenn Er seinen Thron gegen 'ne Couch eintauschen sollte.
Man sollte der Couch ein Denkmal errichten – zu Ehren der Sitcom. Sie hat die Welt durch Stillsitzen weitergebracht als mancher Action-Thriller, in dem nur gerannt wird. Auch Eremiten sind nicht gerade bekannt durch ihre Jogging-Freudigkeit. Eine Abart des Denkers: der Couch-Guru. Würde Al Bundy sicherlich gefallen. Donald Duck allerdings auch.
Besteht überhaupt noch Bedarf an Magie, Spirituellem? Die Wissenschaft behauptet frech "Nein". Sie könne alles erklären, man solle ihr bloß nicht in die Quere kommen mit Guru-Kram. Das spirituelle Erwachen findet nicht statt, auch wenn man Alexa darum bittet. Was ist der rechte Spirit, um das Leben zu meistern? Logik-Gläubigkeit à la Mister Spock? Ein Vulkanier im Geiste. Man bedauert es beinahe, dass Harry Potter & Co. nur Fiktion sind – dass sich echte Zauberei nicht erlernen lässt, nur dieser Hokuspokus.
Spiritus Sanctus – der Heilige Geist kann angeblich zu allerhand befähigen. Aber es gibt inzwischen Universal-Übersetzer – die Technik wetteifert mit den Wundern. Esoterik wird oft belächelt, aber sie hat zumindest den Mut, mit der Technik in den Ring zu steigen, sie herauszufordern. Es geht bei ihr zu wie auf einem Basar: Es findet sich dort alles, jede Glaubensrichtung, man kann sich bedienen und ist bald bedient. Ihr Verhältnis zur Philosophie: Die Esoterik behauptet einfach – ein Experimentier-Feld; sie ist ein Praktiker. Teste den Samadhi-Tank, versuch es mit Klangtherapie; findet sich irgendwo in der Seele Resonanz? Manchmal ist es wie ein Stichwort, das einem zugerufen wird – und vor dem inneren Auge erscheinen Bühnenbilder. Vielleicht können Menschen tatsächlich über große Entfernungen miteinander kommunizieren ohne technische Hilfe; eine Telefonistin, die mentale Gespräche vermittelt. Alien-Konferenzen. Ein Universums-Internet, für das die Seele das Passwort kennt? Vielleicht sind Geist und Seele keine ganz neuen Erfindungen, sondern es ist eine etablierte Ebene des Universums.
Im Grunde ist es unwissenschaftlich, das Spirituelle auszuklammern – und auch Psi, parapsychische Phänomene. ASW – außersinnliche Wahrnehmung könnte existieren, aber da es nicht ins Weltbild passt, kann es sehen, wo es bleibt. Mathematik als Chefin, sie spielt sich ganz schön auf. Sie findet vieles anrüchig; sie erteilt die Passierscheine. Unsere Schuld, wenn man sich unwohl fühlt in einer streng rationalen Welt. Oder sind wir nur Muggel, die den eigentlichen Zauber nicht sehen, weil er in Unscheinbarem gut versteckt ist? Vielleicht meint der Heilige Geist auch so etwas wie wortloses Verstehen? Eine Empathie-Ebene. Man kennt das Phänomen bei guten Freunden oder Bekannten: Man weiß, was der andere gleich sagen will oder denkt.
Im Grunde so wie eine Gottes-App – man spürt, ob man auf dem richtigen Kurs ist, man ist connected mit der Schaltzentrale des Universums; wie ein Navi, ein GPS im Geiste. Man kann sich die App downloaden – aber vermutlich hat man sie ohnehin seit eh und je installiert, gehört wohl zum Betriebs-System. Ist aber die Frage, ob sie zu den häufig genutzten Apps zählt. Die Logik-App hält dagegen – sie will es ganz genau wissen, sie wägt gerne ab, urteilt, verurteilt, verwirft, benotet. Das Spirituelle ist ungenau, es verlässt sich sehr stark aufs Gefühl. Es gibt ein Sowohl-Als-Auch – Ambivalenz ist fürs Spirituelle kein Problem. Logik ist da eher für Entweder-Oder. Sie denkt da eher digital. Das Spirituelle könnte man als analog bezeichnen. Es denkt auch gerne in Analogien. Ein Bild, das ungefähr stimmt, das genügt ihm. Die Logik schüttelt entsetzt den Kopf.
Vielleicht lieben Dichter und Schriftsteller deshalb das Spirituelle, weil es die Möglichkeit der Bilder bietet – es geht hier nicht um Wissenschaft. Ein Gedicht hat keinem wissenschaftlichen Anspruch zu genügen – hier betätigt sich der Geist, er malt, er spielt. Eremiten setzen sich nicht hin und hoffen darauf, dass die Wissenschaft in ihnen sich meldet, sie hoffen auf Erleuchtung, das Erleuchtet-Werden – irgendwie was Passives, als ob man im Wartezimmer eines Arztes sitzt. Gott als Arzt, als Heiler.
Wissenschaftler sind Macher; sie schaffen sich Mini-Versionen vom Universum und stellen damit allerlei Experimente an. Den Heiligen Geist kann man nicht vermessen; wäre auch vermessen. Wissenschaft sagt ja auch, es gibt keinen Seelen-Käscher. Unmöglich für sie, das während einer OP einzufangen. Die Seele steht betrübt daneben, kommt sich zuweilen vor wie ein Wesen aus einer anderen Dimension.
Einem Magersüchtigen ist aber mit der bloßen Realität nicht geholfen. Er erlebt seine eigene Version der Realität. Die übertrifft alles. Als ob der Glaube bestimmt, was gerade Trumpf-Farbe ist. Die Realität hilft einem nicht weiter. Das Spirituelle verwaltet seine eigene Realität, hält daran fest – und das kann zum Vorteil sein oder zum Nachteil. Schön, wenn die eigene Version der Realität die übertrifft, man ist ein wenig größenwahnsinnig, aber es geht einem blendend.
Der Esoterik-Markt hat allerlei Humbug im Angebot; aber erstaunlicherweise kann selbst Humbug nützlich sein; man kommt auf neue Ideen, bringt den Zufall ins Spiel. Passt der Logik natürlich überhaupt nicht. Aber die Seele ist angewiesen auf Zufall – so wie das Immunsystem Training nötig hat, es kann nicht alles nach Plan und Schema F gehen.
Das Unterbewusstsein braucht Projektions-Flächen – das Ungeordnete ist ideal dafür – Wolken, Felsen, Wahrsage-Kugeln, Tarot-Karten, Sternbilder. Es projiziert da etwas hinein. Die Realität ist für uns zusätzlich so etwas wie eine Projektions-Fläche; das mischt sich. Und manchmal erlangen die Bilder, die wir da hineinprojizieren, mehr Bedeutung als das Tatsächliche.
Vielleicht ganz nützlich die Gottes-App; man weiß zumindest, dass man vom Kurs abgekommen ist. So etwas wie eine innere Alexa, die bestens informiert ist. Seltsam, dass man mit einem Sprach-Modul geboren wird, das nur darauf wartet, konkreten Input zu bekommen. Es hat einen Sinn für Grammatik, kapiert das im Nu. So ähnlich stelle ich mir die Gottes-App vor – es ist in uns angelegt. Alle Kulturen haben ihre Götter, ihre Gottes-Vorstellungen. Das muss weitaus mehr sein, als nur das Bemühen, die Welt zu erklären oder das Abstrakte beim Namen nennen zu können. Das Spirituelle ist uns ein echtes Bedürfnis.
Dünkel will gelernt sein; es genügt nicht, nur hochnäsig zu sein. Großspurigkeit ist ein guter Anfang. Wie ein großspuriger Geländewagen; Panzer-Feeling. Im Falle eines Crashs ist man auf der sicheren Seite. Warum soll man sein Licht unter den Scheffel stellen? Ganz im Gegenteil, man macht eine Lichter-Show daraus; spektakulär. Selbstgefälligkeit gehört auf ein Podest. Was soll die Tiefstapelei? Wirkt ja nur peinlich. Demut wird von der Evolution abgestraft. Damit kommt man nicht weit. Sich den Löwenanteil holen. Die Tatzen-Sprache wird überall verstanden. Artig die Tätzlein falten – damit verteidigt man nicht das Revier. Bringt natürlich auch Nachteile, wenn man zur Elite gehört: Man fällt auf. Beim Trojanischen Krieg wird zwar hernach nett von den Helden berichtet, aber besser wäre es wohl, man hält sich bei solchen Gelegenheiten weit im Hintergrund, fällt gar nicht so auf, lässt die Historie quasi vorbeigehen, soll sie sich vordrängeln. In der Führungsmannschaft zu sein – plötzlich hat man Verantwortung; muss Dinge verantworten, von denen man gar nichts weiß. Man beneidet den Akrobaten um seine Fähigkeiten, blendet aber die Mühe aus, die dahintersteckt. Verhält sich bei der Elite auch so: Man hätte gerne ihre Fähigkeiten oder ihre Macht. Bildungselite, Machtelite. Man will auch so eine elitäre Sichtweise.
Wo bleibt der Dünkel, wenn man ihn braucht? Man ist viel zu selten ein Snob. Okay, man kann das blasierte Lächeln vor dem Spiegel üben – aber damit gehört man immer noch nicht zu den oberen Zehntausend – allenfalls zu den oberen fünf Milliarden. Man stand noch nie auf dem olympischen Siegerpodest, der Jetset jettet ohne einen. Dabei klingt das mit dem Elitarismus ganz amüsant – nicht ganz so durchschnittlich sein; wissen, wo's langgeht oder so tun – und die anderen folgen einem. Vom Neidhammel zum Leithammel.
Oder Avantgardist sein – Kreativität genügt; dem Zeitgeist voraneilen, in der Hoffnung, dass man so etwas wie ein Pionier ist und kein Irrläufer. Return to sender. Zurück auf Los. Elite und Coolness gehören nicht zwangsläufig zusammen: Nerds haben so einiges drauf, sind innovativ, sie beschleunigen den Zivilisations-Karren – sind aber bestenfalls so etwas wie Antihelden. Man ist nicht neiderfüllt. Das, was Elite eigentlich auszeichnet, ist der unüberschaubare Neid-Tross; auf Neid-Wogen surfen sie, ein paar Schaumschläger folgen. Andererseits braucht man ein Ziel, will auf etwas hinarbeiten: Bei der Crème de la Crème mitzumischen, erscheint erstrebenswert. Es muss nicht immer Kaviar sein – Cremetorte ist auch lecker. Man will in den Club aufgenommen werden. Aber der innere Antiheld rebelliert; man müsste sich anpassen. Als ob man in einer Partei Karriere machen will – wer sich am stärksten mit den Parteizielen identifizieren kann, der entscheidet das Rennen für sich. Abstand zu den Zielen, Infragestellen des Konzepts führt zum Rauswurf. Man bewegt sich in einer Blase – Außenhaut bitte nicht beschädigen; die Eliteschicht bitte intakt lassen.
Manchmal müssen Geheimagenten so tun, als würden sie zu der Spitze der Gesellschaft gehören, die sie bespitzeln sollen. Dazu ausgebildet, eingebildet zu wirken. Bildung formt und verformt den Menschen. Man wird so leicht verbildet. Aber man kann ja so tun, als ob man dazugehört; sich nicht unters Volk mischen, sondern beim Establishment nach dem Rechten sehen; sich verlinken, connecten; der 08/15-Denke ein Upgrade verpassen. Smart Home für das Oberstübchen; Smartphone assistiert. Sich in Regionen vorwagen, in die zuvor noch nie ein Normalo seinen Fuß gesetzt hat. Vielleicht erkennt man, dass da eine Menge Hochstapler mitmischen? Was ist echt? Wie hoch ist der Fake-Anteil in der Persönlichkeit? Ist jeder Fähige automatisch Mitglied des Elite-Clubs? Oder entscheidet das der Zeitgeist ganz nach Lust und Laune? Man gibt sich selbst die Lizenz zum Angeben. Man will in die tonangebenden Kreise, aber man vergreift sich im Ton, unüberhörbare Dissonanzen. Heißt die Alternative zur Elite, dass einem Massentauglichkeit bescheinigt wird? Das Seltsame ist, dass sich jeder als was Besonderes empfindet; seltsame Perspektive. Unglaubliche Verzerrung der Realität. Dass die das mit sich machen lässt. Kaum einer will 'normal' sein. Als ob die Norm was Widerwärtiges hat; man will sich nicht darüber definieren lassen. So schaut man sich Filme an, in denen das Elitetum vorgelebt wird. Und der Weg dorthin. Vom Normalo zum Helden in 90 Minuten. Einfach nachzuvollziehen. Ein gelingsicheres Rezept. Helden retten die Welt, man selber freut sich über die rettende Idee in der Konferenz; ein Mini-Held. Aber Elite en miniature gibt es nicht. Ehrgeiz kann einem das ganze Leben versauen. Vielleicht ist das Modell 'Antiheld' eher was für einen? Der kann Schwächen haben – macht ihn nur sympathischer. Bei ihm ist allerdings kein Happy End inkludiert, wird standardmäßig nicht mitgeliefert. Die Last, ein Kritikaster sein zu müssen ... man zeigt sich unbegeistert von der Welt, ständig hat man an ihr was auszusetzen ... kann sich andererseits auch nicht dazu durchringen, als Held die Welt umzudekorieren. Wenn man schon nicht der Architekt ist, könnte man ja zumindest als Innenarchitekt Beachtliches leisten. Elite bewegt was, die sind tüchtig, denen gehen die Ideen niemals aus; man selber hat nur fixe Ideen, die einen langsam nerven.
Vielleicht ist das so ähnlich wie mit dem Himmelreich: Man selber ist derjenige, der darüber zu befinden hat, ob man es wert ist, in diesem Club dabei zu sein? Wie Groucho Marx sagt: "Ich würde keinem Club angehören wollen, der mich als Mitglied aufnimmt." Da ist eine gewisse kritische Distanz zum Selbst. Die Elite-Tauglichkeits-Prüfung wurde vorverlegt: Sie findet im großen Hörsaal des Ich statt. Unschöne Begleiterscheinung – sollte man es tatsächlich in die Leistungselite geschafft haben: Man muss Leistung bringen. Typisch für eine Meritokratie: Erbrachte Leistung definiert einen, befördert einen nach oben. Ganz im Gegensatz zum Egalitarismus, dem das ziemlich egal ist. Das Normale ist das Maß aller Dinge, was darüber hinausgeht, wirkt nur streberhaft. Will der Mensch gefordert sein? Hat man mit 'Kreativen Klassen' einen entscheidenden Vorteil, wenn man auf Schwierigkeiten trifft? Die Evolution lässt sich gerne Schikanen einfallen; aber ob man mit Hilfe der Schickeria da besser mit fertigwird? Beeindruckt Schickimicki das Schicksal?
Den Adel unter die Lupe nehmen. Ist er lupenrein? Sie wissen zu brillieren. Nicht jeder sieht den Adel als Juwel an. Manche reden von Talmi. Immer wieder erstaunlich, wie der Adel seinen Führungsanspruch gerechtfertigt hat. Sogar Gott musste herhalten, wurde in den Zeugenstand gebeten. Früher führt der Weg zu Gott über den Herrscher, den Pharao. Adel ist dann zumindest so etwas wie eine Freitreppe. Treppenstufen, Verbindungselemente zu dem ganz da oben. Sie residierten auch bevorzugt in der Höhe; 17. Etage mindestens. Oder zumindest auf 'nem Hügel in 'ner Burg. Zum Thema Anarchie: 50 Leute auf 'ner Insel – ging nie gut aus. Die haben sich gegenseitig fertiggemacht inklusive der Ureinwohner. Jeder verfährt mit den anderen, wie er will. So gesehen, sind uns die Primaten da überlegen: Die kommen miteinander aus. Der Grund-Hass scheint bei denen nicht so ausgeprägt. Ohne Klasse ist das nicht so klasse. Selbst bei Wikipedia ist das hierarchisch geordnet: Supervisor kontrollieren den Unsinn auf den unteren Ebenen. Dabei ist natürlich Kreativität gefragt: Jeder soll sich einbringen, Verbesserungsvorschläge machen. Lief ja nicht so gut in China, wo sie auf ihren Fachmann nicht gehört haben ... Verdrängung – und voilà, als Krönung: C…. Auch heutzutage reißen die Bemühungen nicht ab: Wie man zu denken hat, jedes No-Go wird festgelegt; es wird alles in die Wege geleitet, damit man nicht Unkorrektes denkt. Der Freigeist wird unter Beschuss genommen. Nicht 'Kampf um Rom', sondern 'Kampf um die herrschende Meinung'. Tonangebend sein – wer gehört dazu, wer darf seine Stimme erheben? Und wen erwartet der nächste Shitstorm? Man schüttet nicht mehr heißes Öl von der Burgmauer. Das geht subtiler.
Die Rhetorik hat kein gutes Image, ihr wird unterstellt, dass sie sich zu gerne unlauterer Mittel bedient. Ihre Trickkiste ist nicht uninteressant. Man kommt als Redner in Versuchung, sich bei der Eristik zu bedienen – Rabulist zu werden – ein Streit-Künstler, ein Wortklauber, ein Sophist. Die Wahrheit und das Recht auf seine Seite ziehen – ob es ihnen nun recht ist oder nicht. Man ist ein Argumentations-Zauberer, man verblüfft sein Publikum, man siegt wie ein Feldherr, der eine viel zu kleine Armee hat, aber dem das nichts ausmacht, da er Quantität wettmacht mit Raffinesse. Letztlich ist es ein Krieg der Meinungen – und Eris, die Göttin des Streits, macht man sich besser zur Freundin. Kein Wahrheitsfanatiker – die kann sie nicht leiden. Sie hält zu denen, die etwas flexibler sind. Logik ist verhandelbar – das ist ihre Grundthese.
Als ob die Welt schön auf Prämissen aufgebaut ist – solide Säulen – dabei gibt es letztlich keine Letztbegründungen – alles hängt irgendwie in der Luft bzw. im luftleeren Raum – alles fußt auf gar nichts – ideale Voraussetzung für den Blender, dem das sehr entgegenkommt; so hat alles nur den Anschein.
Unglaublich, was sich alles anstellen lässt mit den Argumenten des Gegners: sie deformieren, dehnen, ausweiten, stauchen, zusammenfalten ... Man muss da ein bisschen einfallsreich sein. Und dann gibt es da die schöne Sache des Argumentum ad hominem – sich in die Gedankenwelt des Gegners begeben und von dessen Position aus argumentieren. Plötzlich wird Empathie zur Waffe, man setzt sie gegen ihn ein, man schleicht in sein Gehirn – und das weitaus besser als Facebook, Google & Alexa – und verwendet dessen subjektive Wahrheit; man legt sich gar nicht erst mit der großen, übermächtigen objektiven Wahrheit an. Gewissermaßen der kleinere Bruder – man begnügt sich mit der Wahrheit des Gegners, dessen Weltsicht.
Der Gegensatz wäre Argumentum ad rem – also sich tatsächlich mit den Fakten abgeben, sich damit plagen. Diskutieren ist eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Alles ist erlaubt. Arthur Schopenhauer hat dazu 38 Kunstgriffe aufgeführt: "Eristische Dialektik". Leitsatz: Es kommt nicht auf die Wahrheit an, sondern auf den Sieg. Schönes Motto. Ähnlich wie im Gerichtssaal. Betätigungsfeld für den Eristik-Fan. Auch wenn man nicht vorhat, als begnadeter Rabulist die Wahrheit zurechtzustutzen, so ist es dennoch hilfreich, die Eristik-Tricks zu kennen. Man sollte sich nicht outen als Anhänger der Wahrheit. Recht haben und Recht behalten, ist um so vieles schöner. Ein tolles Hobby. Den eigenen Argumenten geht es gut – ganz egal, wie nahe sie bei der Wahrheit sind –, etwas Wahrheits-Ferne schadet überhaupt nichts, macht das Diskutieren nur zu einer etwas größeren Herausforderung. Man muss allerdings schon den Willen mitbringen, den Gegner zu besiegen; Eris mag keine Schlaffis und Schluffis. Wort-Ritter ohne Furcht und mit viel Tadel sind ihr die liebsten.
Dem Gegner zeigen, was eine Harke ist, wo der Hammer hängt – ein gut aufgeräumter Wort-Geräteschuppen ist wichtig. Dafür sorgen, dass dem Gegner ganz blümerant wird. Verbal-Munition um die Ohren pfeffern – knallhart vor den Latz. Ein zorniger Gegner ist unkonzentriert, man kann ihn dazu verleiten, dass er seine Argumente nachlässig behandelt. Beim Disputieren dissen, zerschieß seine Prämissen. Bei manchen Diskutanten fragt man sich allerdings: "Sie diskutieren abgehoben in der Welt der Worte und Begriffe; was hat das noch zu tun mit der Realität?" Vielleicht ist die Logik ohnehin unfähig, die Welt auch nur annähernd zu beschreiben? Man sagt ja, ein Bild sagt mehr als tausend Worte – und die Logik ist hoffnungslos überfordert mit dieser Aufgabe. Schlussfolgern, Syllogismen – am Ende erscheint ihr das alles selbst ein bisschen sibyllinisch? Trotzdem tut man als guter Rhetor so, als hielte man zur Logik – dabei schweift man weitab der Logik-Gefilde umher, versucht es mit Argumentum ad personam – den taktischen Angriffen auf den Gesprächs-Gegner. Eris ist hocherfreut.
Wahrheits-Suchende sind wir nicht – liegt gar nicht in unserem Interesse; was, wenn die Wahrheit sich stur anstellt und unseren Argumenten den Weg versperren will? Zum Glück haben wir die Eitelkeit und das Prestige-Denken – das hilft uns, kurzen Prozess zu machen mit den Argumenten des Gegners, sie zu Kleinholz verarbeiten – gemeinsam auf dem Holzweg. Als Eristiker ist einem die Wahrheit herzlich egal; purer Zufall, wenn das übereinstimmt mit unseren Überzeugungen. Man ist einfach nicht angewiesen auf die Wahrheit; emanzipiert sich von ihr. Wäre ja noch schöner, wenn sie das Sagen hätte. Man ist der Anwalt der Unlogik, verhilft skurrilen Meinungen zum Recht, abseits der ausgetretenen Pfade des Gebräuchlichen. Willkommen auf der dunklen Seite der Rhetorik. Wobei es sich fragt: Hat sie überhaupt eine Helle? Man ist immer geleitet vom Ego – und der Stolz lässt es nicht zu, dass man klein beigibt. Dann lieber ein Großmaul – man zitiert Autoritäten – Argumentum ad verecundiam; wen würde der Gegner als Autorität gelten lassen, wen respektiert er? Das sind Schläge, von denen er sich nicht so schnell erholt – man hat doch eine ganz andere Schlagfertigkeit, wenn einem Autoritäten assistieren. Die hinter sich zu wissen – schon steht man mit einem ganzen Heer da, man ist Feldherr – und die Zitate ziehen für einen in den Krieg. Wunderbar. Tolle Truppe.
Man will ja nicht erotematisch die Wahrheit an den Tag bringen – durch geschickte Fragen den Leuten auf die Sprünge helfen – man ist ja nicht Sokrates. Die Polemik hochfahren. Wahrheit ist verhandelbar – sie weiß es nur noch nicht. Das schöne Argumentum ad populum – die Allgemeinheit als Autorität, deren Argumente verwenden, im schönen Einklang mit dem Publikum. Oder reichlich Killerphrasen und Totschlagargumente verwenden – großzügig damit sein; damit ist fortzufahren, bis der Gegner keinen Widerspruch mehr wagt. David gegen Goliath – sehr fair war das auch nicht, aber irgendwann ist es Zeit für Trick siebzehn. Und die Evolution heißt das ausdrücklich gut. Warum soll es auf dem Gebiet der Dialektik anders sein? Ihn fertigmachen mit dem Phrasen-Mäher.
Es könnte oft auch ein Unentschieden geben – vieles ist nicht entscheidbar, Antinomien sind häufig. Irgendwie haben beide Seiten recht. Ein Unding? Vielleicht ist das dem Universum herzlich egal, ob es schlüssig ist? Die Mathematik ist empört, dass sich das Universum recht unabhängig benimmt: Es ignoriert oft die Gesetze und Gebote der Mathematik – wie ein unartiges Kind. Vielleicht ist das Universum als Parodie gedacht – und wir sind bierernst bei der Sache, lassen uns hochnehmen? Man sollte sich einen Disput mit dem Universum liefern – aber nicht auf die förmliche Weise, nach den Regeln der Logik – sondern so, wie es Eris gutheißt, in ihrem Namen, als ihr Ritter kämpfen.
Die lahme Wahrheit erobert nicht Troja – mit dem Trojanischen Pferd, der hervorragenden Lüge, öffnet man sich die Portale in andere Dimensionen. Einem sollten nur nicht die Argumentations-Pferde durchgehen. Gerade beim Streiten sollte man die Ruhe weghaben. Streitlustig und lustig zugleich. Odysseus war in der Hinsicht ein Vorbild. Wobei Eris den ganzen Streit um Troja ja erst angezettelt hat. Aber so ist sie, die unvergleichliche Göttin der Zwietracht: Sie setzt was in Bewegung. Dispute halten den Geist rege. Und Homers Helden würden ohne sie historisch unter "ferner liefen" rangieren. Wir brauchen Eris. Wie sollen die Kinder das Streiten lernen, wenn man sie ständig zu Friedfertigkeit ermahnt?
Man kann für die Freiheit streiten – oder aber man verteidigt seine Argumente wider jede Vernunft. Vielleicht ist dem Verstand bei dieser Vernunftehe ohnehin nicht so wohl – und er braucht den Kick des Absurden – und er verehrt insgeheim die Unlogik? Ist ihr glühender Verehrer? Täuschen, tricksen, gänzlich ohne Wahrheits-Last argumentieren, gänzliche Beliebigkeit der Prämissen, große Auswahl. Syllogismen als Siebenmeilenstiefel verwenden – auch wenn sie eine Nummer zu groß sind.
Filmzitate sind toll – selbst ganz normale Sätze erhalten so die Chance, als außergewöhnlich zu gelten. Satzbrocken hämmern sich ins kollektive Gedächtnis. "Ich denke, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft." Jahrtausendelang musste die Menschheit ohne Filmzitate auskommen, jetzt aber haben wir ein großes Reservoir an Sprüchen, die wir raushauen können, wann immer uns danach ist. Redensarten wirken da eher bieder; die eindeutig uncoolere Variante. Filmzitate haben den Vorteil, dass man eine konkrete Situation mit ihnen verbindet – man transferiert also gewissermaßen die gesamte Situation – als ob man Baum samt Wurzelwerk und Erdballen verpflanzen würde. "Make my day!" Sie beherrschen das ganze Repertoire: weise, witzig, kalauernd, kultig, cool, absurd. Für jeden ist was dabei. Und indem man das Filmzitat verwendet, mogelt man sich gewissermaßen selbst in den Film – man mischt die Filmszene in die Realität – es überlagert sich. Klappt am besten, wenn die Anwesenden den Film kennen und jeder weiß, was gemeint ist. Filme verbinden; man hat ein Gesprächsthema. Man könnte sich den ganzen Tag lang behelfen mit Filmzitaten; sich durch den Tag hangeln mit Filmzitaten; nach ihnen greifen wie Tarzan nach einer Liane. Man kann das auch ausarten lassen – und sich dafür entscheiden, sich nur noch über Filmfiguren zu definieren; in Anlehnung an ... Charakter gestaltet mit Mithilfe von diversen Film- und Serien-Helden. Wie authentisch ist man noch im 'Binge Watching'-Zeitalter? Total-Identifikation abgeschlossen nach 6 Staffeln in einem Rutsch? Hat was von Gehirnwäsche; aber nicht im Schongang. "Ich sehe tote Menschen", heißt es bei 'The Sixth Sense'. Im Grunde sind die Filmhelden ebenfalls tot, jedenfalls waren sie nie im Real Life als lebendig gemeldet. Sie sind allesamt eine Nummer größer, perfekter, witziger als das, was man im Real Life so vorfindet, besonders, wenn man in den Spiegel schaut. Da kann man mit Filmzitaten nachhelfen – gewissermaßen ein Cosplay für die Seele – sich psychisch hineinfinden in die Hollywood-Blockbuster. "Ich nehme nur einen Drink, Wodka Martini, geschüttelt, nicht gerührt." Klare Ansage, der Mann weiß, was er will. Man könnte einen ähnlichen Geschmack entwickeln wie die Vorbilder. Ist das nun Selbstverleugnung oder ist man ein Bildhauer, der das Selbst nach Vorgabe so fertigt, dass es den Filmhelden bestmöglich entspricht? Man erkennt sich auf Anhieb. Man ist ein Serien-Klon. Ab wann fängt ein Vorbild an, lästig zu sein? Filmheld als Mentor, der davon gar nichts weiß. Ist man letztlich selbst nur noch ein Filmzitat? Alles Individuelle rausgepresst – eine Hülle, zu füllen mit dem Besten, was Hollywood zu bieten hat? Hollywood-Ingredienzien? "Flieht, Ihr Narren!", würde Gandalf uns zurufen. Filme als Monster, die das Selbst ausradieren, weil es einem plötzlich wie ein Fehler vorkommt? Tipp-Ex genügt da nicht? Wie soll man mithalten mit der Hollywood-Großartigkeit? Ist man aufgefordert, sich denen irgendwie anzugleichen? Man kauft eifrig Markenklamotten; hört auf das, was der letzte Schrei ist. Zimmert Heiligenschreine, betet zu den Göttern aus Zelluloid. Filmzitate wären dann so etwas wie ein Gebet – oder Rosenkranz-Rituale. "Hüte Dich vor der dunklen Seite der Macht", würde Obi-Wan Kenobi sagen. Vielleicht machen wir es Filmzitaten zu leicht? Ist man so leicht zu beeindrucken? Vermutlich treffen sie einen Nerv – man hat Bedarf an Coolness frei Haus. Selbst wenn man zu Höchstform aufläuft, ist man nie wirklich kultig. Und die Retourkuschen aus eigener Fabrikation sind nicht ganz so eindrucksvoll wie die aus der Traumfabrik. Man müsste sein eigener Drehbuchautor sein, aber die Seele will das nicht, sie hat da ganz andere Qualitäts-Ansprüche. Meistens ist man albern, zu zynisch ... Filme überfordern einen; ständig wollen sie was von einem. "Carpe Diem! Nutze den Tag! Macht etwas Außergewöhnliches aus Eurem Leben, da es vergänglich ist!" Jaja, schon gut; man ballert sich Filmzitate rein, hangelt sich an ihnen längs, nutzt die schon längst als Ersatz für die Lebensweisheiten aus anno dazumal. Wirklich hilfreich sind sie nicht – man fühlt sich eine Weile motiviert – plötzlich schmecken sie wie ein Kaugummi, das man zu lange im Mund hatte. Man kaut darauf herum – wie ein Kauknochen, der nicht satt macht. Aber vielleicht träumen Weisheiten davon, in Filmzitate verpackt zu werden? Es macht sie legendär. Man kommt auf den Punkt. Ein Konzentrat. Unvergänglich. Wunderbar. Filmzitate dringen tief vor in unsere Seele; sie erreichen Bereiche, dahin kommen normale Sätze nicht; ist ihnen vorbehalten; ein Privileg. Scheinbar mühelos übertreffen Filme jedes Romantik-Level im Real Life. Das kann da nicht mithalten. "Liebe bedeutet, niemals um Verzeihung bitten zu müssen." Das ist schön formuliert. Wie soll man das toppen? "Du vervollständigst mich!" Wenn man sich solche Sprüche ausleiht für eigene Dates, dann wirkt das, als hätte man Blumen aus dem Park geklaut; sie gehören einem nicht. Dennoch kommt es vor, dass Filme andere Filme zitieren. Im Grunde sind Gene auch ein Zitat – das Leben zitiert sich selbst, greift zurück auf schon Vorhandenes. Das Leben als Zitatensammlung. "Es ist ganz egal, ob er perfekt ist oder ob sie perfekt ist, solange sie perfekt füreinander sind." Auch sehr romantisch. Es sind keine wissenschaftlichen Thesen, man ist nicht aufgerufen, sie zu falsifizieren, sie zu widerlegen. Man hat auch das Gefühl, man zerstört etwas von ihrem Zauber, wenn man solche Sätze unter die Lupe nimmt. Als ob man einen Schmetterling zerpflücken würde, um ihn unterm Mikroskop besser betrachten zu können. Filmzitate wirken als Gesamt-Paket – die zugehörige Szene ist stets dabei, sie liefert den Kontext. Das nimmt ihnen etwas von ihrer Flexibilität. Filmzitate ähneln Lieblingsmelodien. Man verinnerlicht das, die Wiederholung wirkt wie ein Mantra. Sie werden zu einem Teil von einem. Man hat das Gefühl, sie komplettieren einen. Die Filmszenen sind abrufbar, man fühlt sich hineinversetzt. Als ob man andere Versionen von sich betrachtet und zur Verfügung hat. Man hätte gar nicht daran gedacht, dass man ein Western-Held sein könnte. Man spielt das mal so durch. Splitter der Seele – die finden sich gewissermaßen in Filmen verteilt wieder. Gerade durch die Absurdität vieler Filme, die über das Normalmaß gehenden Gefühle, entdeckt man Bereiche, da kommt das Real Life überhaupt nicht hin. Man wird mit Situationen konfrontiert, die kennt ein Mittelalter- oder Steinzeit-Mensch nicht: Vampire der Handelsklasse A, Aliens, die nach Hause telefonieren wollen, fliegende Autos. "Straßen? Wo wir hinfahren, brauchen wir keine Straßen!" Filme haben den unschätzbaren Vorteil, dass man sie sich jederzeit wieder ansehen kann. Das Leben wiederholt sich nicht, aber Filme kann man anhalten, vorspulen, erneut ansehen. Verfügungsgewalt über die Mitwirkenden. Trotzdem erscheint es einem manchmal so, als gäbe es auch im Leben einen Vorspul-Knopf; geht plötzlich alles rasend schnell, man bekommt kaum was mit. Vielleicht auch, weil man sich gedanklich ausgeblendet hat. Man nimmt nicht mehr so richtig teil am Geschehen. Automatik-Modus. Vielleicht können Filme einem dabei helfen, bewusster zu leben? Man kann sich die entscheidenden Passagen öfters ansehen; kann versuchen, daraus was zu lernen, was mitzunehmen für sich. Bei 'Und täglich grüßt das Murmeltier' heißt es: "Aber was, wenn es kein Morgen gibt? Heute gab es nämlich auch keins." Filme können einem aus der Routine raushelfen. Filmzitate haben mehr drauf, als nur witzig zu sein. Gebündelte Magie? Sie haben viel gemein mit Zaubersprüchen; eingängig ... Sie katapultieren einen ohne Weiteres über jedes Normal-Maß – machen sie mit links. In der Hinsicht sind sie Riesen. Filmzitate sind ein Konzentrat – in jeder Hinsicht. Viele Gedanken laufen, fließen hier zusammen. Die Drehbuchautoren haben sich was dabei gedacht. Und beim Publikum hat das Eindruck gemacht, man fand es wert, sich das zu merken. Die Filmfiguren definieren sich auch über ihre Sprüche. Und wir definieren uns über sie – wir nutzen deren Rollen, um uns eine größere Vielfalt hinzuzufügen, als es das Real Life alleine zustande bringen könnte. Da ist einfach mehr Auswahl; das Angebot ist größer. Kein Mittelalter-Mensch war ein Weltraum-Krieger, man kämpfte nicht mit Laserschwertern – und kein Jedi-Meister belehrte einen: "Viel zu lernen Du noch hast!" Man lernt durchs Zuschauen. Und wir hören: "Marty, Du musst lernen, 4-dimensional zu denken!" Dann klappt es wohl. Filmzitate bringen einen zu den entscheidenden Momenten zurück. Man war dort, man kennt es, man hat es gesehen. Wie ein Snapshot aus dem Urlaub. Ein besonders schöner Moment aus dem eigenen Erinnerungs-Archiv. Okay, man betrügt sich da etwas selbst; aber die eigenen Gefühle waren involviert; man war dabei, man war die Person, hat sich mit ihr identifiziert. Einem ist, als hätte man den Spruch selbst gesagt. Außerdem sind Filmzitate meist exemplarisch, sie verdeutlichen etwas, sie stehen stellvertretend für ähnliche Situationen. Überaus praktisch. Das macht sie übertragbar, anwendbar, portabel. Portabilität in den Alltag hinein. Sprüche zum Mitnehmen. Vielleicht stehen sie auch gerade deshalb im Drehbuch? Weil man es doch ahnt, dass das Publikum so etwas braucht. Etwas zum Mitnehmen – das hat man schwarz auf weiß, das kann man getrost nach Hause tragen. Die Symbolik noch mal dick unterstrichen mit Leuchtstift. Na ja. Ob sie gelegentlich auf diesen einen Satz hinschreiben, hinarbeiten? Es kulminiert in wirklich gelungenen Sätzen; durchaus zitierfähig. Dennoch muss es was anderes sein als ein Aphorismus – Filmzitate kann man meist erst im Kontext richtig würdigen. Ein Aphorismus hat es da schwerer; er muss das alles in seinem Marschgepäck dabeihaben. Filmzitate sind immer gewichtig – weil sie im Film eine Bedeutung haben. Selbst einem albernen Spruch kommt Sinn zu. "Ich bin nur eine Darmgrippe von meinem Traumgewicht entfernt", heißt es bei 'Der Teufel trägt Prada'. "Chantal, heul leise!", meint der Lehrer bei 'Fack ju Göhte'. Steht so auch nicht im Faust. "Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke!", hätte allerdings Mephisto sagen können, der sich den Film 'Stirb Langsam' wohl gern reingezogen hätte. Wer weiß, vielleicht gibt es in der Hölle Kino und riesige Flachbildschirme? Sein Lieblings-Spruch wäre vermutlich: "Das ist doch kein Messer ... DAS ist ein Messer!" Oder aber er ist schon viel resignierter, als wir alle vermuten. "Ich bin zu alt für diesen Scheiß!"
ENDE
Dieser Feiertag kommt mir sehr entgegen: 25. Januar – der Gegenteiltag. Wie geil ist das denn? 364 Tage im Jahr ist man Opportunist – aber ein Tag lang lebt der Oppositionsgeist. Wie ein Flaschengeist – und zaubert einem Magie. Rückwärts durch Türen gehen, sich vom Hund Gassi führen lassen, sich zum Pferd in den Stall stellen, das Auto beim Nachbarn parken. An jedem anderen Tag würde man zu hören kriegen: "Bist Du bekloppt?!" So aber ist das witzig. Eine uralte Sitte – einen Tag lang ist der Narr König, regiert die Opposition. Das Normale negieren; die Besonnenheit in den Schatten stellen. Bedenken halten einen ständig davon ab, die Negation zu Wort kommen zu lassen. Man verneint aus Prinzip, man weiß, was man will, die Evolution und die Gesellschaft haben die Güte gehabt, es einem mitzuteilen. Okay, Tiere haben nicht diesen Freiraum. Es ist ein Privileg des Menschen, sich bescheuert verhalten zu dürfen; es geht ja auch nicht so sehr um Stuntman-Akrobatik – mentale Akrobatik ist gefragt. Im Zirkuszelt seiner Gedanken neue Tricks üben. Wenn man immer Dompteur ist, warum soll man nicht auch mal Clown sein? Die Gegensätze bilden zusammen eine neue Einheit; Meta-Ebenen bauen. Oder beide gehen beim Zusammenprall zu Schrott: Kollision der Gegensätze. Hat aber was Tröstliches, dass Materie und Antimaterie plötzlich Energie sind. Die Verbindung schafft etwas Neues. Man ist immer auf der Suche nach seinem Alter Ego – es wäre doch an der Zeit, nach seinem Gegenteil zu suchen; was komplementiert einen? Gott und Teufel als Gegensatzpaar. Kennt man seine Komplementärfarbe? Grün und Magenta – starke Kontraste.
Am Gegenteiltag kommen sie alle zu Wort: die Verleugneten, Abgeschobenen, Unterdrückten. Macht doch Sinn. Im Unsinn steckt eine Menge Potenzial; wie eine Magie-Schublade. Man muss ein guter Koch sein, um aus Resten etwas nicht allzu Widerwärtiges zu zaubern. Meist kocht man ja, wenn einem widersprochen wird; und dann soll man sich auch noch selbst widersprechen? Die eigenen Maximen minimieren? Seine eigenen Slogans verraten? Ein Entlassungsschreiben für die Leitsätze. Nicht, dass die Ratio noch ihr Entlassungsgesuch einreicht. Ein bisschen verrückt ist das alles schon; aber der Gegenteiltag will gefeiert werden; die Gegenteile kommen ja immer zu kurz, man lässt sich darauf ein – kann ja therapeutisch wirksam sein, wer weiß? Testlauf, Experimentier-Phase, sich nicht so an Gewohnheiten klammern; probehalber sich selbst widersprechen und die eigenen Argumente in der Luft zerfetzen. Wie beim Schach Schwarz und Weiß zugleich spielen. Denken wie der Gegner. Am National Opposite Day gibt man zu, was man eigentlich die ganze Zeit über weiß: dass man sehr erfolgreich sein eigener Opponent und Widersacher ist. Man versaut sich reihenweise Chancen; man stellt sich in Frage. Man unterminiert seine Reputation. Dabei erwartet das Selbstbewusstsein, dass man sich wie eine Cheerleaderin anfeuert; aber man heißt die Spielzüge nicht gut, man will den Coach auswechseln. Sehr konfliktträchtige Situation, man will sich da auch gar nicht weiter einmischen ... Kurzum, man selbst ist sein schlimmster Rezensent, sein stärkster Kritiker – nimmt mögliche Kritik schon vorweg. Man diskreditiert sich – keineswegs diskret; man spürt die Diskrepanz zwischen realem Sein und dem Idealbild. Okay, das Ego hat Gardemaß – in aufgeblähtem Zustand. Der Mensch zählt zwar zu den Tieren, aber er kann experimentieren. Mal was sein, was er nicht ist. Auch wenn er grottenschlecht darin ist – mal was Neues ausprobieren; sein Gegenteil kennenlernen; ihm vorgestellt werden; alles das, was man sonst nicht ist. Vielleicht ist das Gespräch mit ihm ganz interessant, aufschlussreich? Man umgibt sich ja gerne mit Leuten, die einem seelenverwandt sind. Brüder im Geiste. Wenn nun das Motto hieße: "Möglichst unpassend"? Ausschau halten, wer nicht zu einem passen würde. Dating-Apps suchen ja immer nach Übereinstimmungen, die Logarithmen geben sich alle erdenkliche Mühe, Seelen-Kongruenz aufzuzeigen. Gegensätze ziehen sich an – man ist die Ähnlichkeiten leid.
Im Grunde machen Dinge für uns nur Sinn, wenn deren Gegenteil denkbar ist. Aber von Raum und Zeit gibt es keine Gegenbegriffe, keine Antonyme. Sie sind seltsam Gegensatz-los. Man sagt ja, das Gegenteil sei eine Spiegelung in einem gedachten Mittelpunkt: Teil und Gegenteil haben beide denselben Abstand vom Mittelpunkt. Was aber, wenn man die Mitte ist? Wenn eine Spiegelung nicht möglich ist? Dann gäbe es auch keinen Gegenbegriff. Wenn man die eigene Mitte gefunden hat, vereint man also alle Gegensätze in sich, alles ist aufgehoben. Offenbarung des Gegenteiltages.
Große Auswahl an Hochzeitssprüchen; was wünscht man dem Brautpaar, was will man ihm mit auf den Weg geben? Was ist die Essenz der eigenen Weisheit – welcher Spruch verdeutlicht, was man für wesentlich hält? Letztlich sind es nur Worte, aber ein Zitat am falschen Ort hat eine gewisse Detonations-Kraft. Man will sich ja nicht als Sprengmeister betätigen. Die Liebe ist zwar ein explosives Gemisch, aber die Braut mit einer Sexbombe zu vergleichen, sprengt den Rahmen des Üblichen. Sich nicht zu weit von der Romantik entfernen, sie sollte die Richtschnur des Abends sein.
Man kann George Bernard Shaw zitieren: "Wer den Mund hält, wenn er merkt, dass er unrecht hat, ist weise. Wer den Mund hält, obwohl er Recht hat, ist verheiratet." Da kommt was auf einen zu; besser, man ist vorbereitet. Ab jetzt gelten ganz neue Gesetze, das BGB gibt in dieser Hinsicht nicht viel her. Man nimmt es sich ja vor: "Lasst während der Ehe Güte und Zuversicht walten und Gerechtigkeit nebst Frieden herrschen." Gemäß Psalm 85,11. Der Alltag sieht anders aus; besser, man blendet das bei den Hochzeitssprüchen aus. "Was Glück ist, weiß man erst, wenn man geheiratet hat. Und dann ist es zu spät", meint Peter Sellers. Nur nicht zurückblicken; ist wie beim Aufstieg auf einen Berg.
"Echte Liebesgeschichten gehen nie zu Ende", davon ist Marie von Ebner-Eschenbach überzeugt. Schöne Überzeugung. Warum gibt sich der Alltagstrott solche Mühe, das zu widerlegen? Er legt sich dafür richtig ins Zeug. Die Liebe hat es schwer, sich zu behaupten inmitten all der Widrigkeiten des Ehealltags, der zuweilen an einen Partisanenkrieg erinnert. Ein Partisan kämpft gegen den in sein Land eingedrungenen Feind. Man gibt eine Menge an Eigenständigkeit auf – Territorium abstecken gegenüber dem Partner ist wichtig; aber wie bringt man das alles in Hochzeitssprüchen unter? Die Frau hat eine Mission: "Es ist das Ziel jeder Frau, den Mann zu dem zu machen, was er vor der Hochzeit zu sein behauptet hatte." Formen, verändern, passend machen. Das große Umformungs-Programm steht bevor. Auf was hat man sich da bloß eingelassen? "Die Ehe ist ein Zweikampf, der mit Ringen anfängt." Wie ehrlich darf man sein – darf man die Brautleute warnen? Eventuell fechten sie mit dem Brautstrauß einen Strauß aus? Kopf in den Sand stecken?
Man soll ja die Ehe als etwas Verheißungsvolles lobpreisen, ein bisschen verlogene Promotion, die Schattenseiten ausklammern. Die Liebe hat ihren Auftritt als immerwährende Sonne, sie hat ihren großen Tag, sie glaubt an sich selbst. Antoine de Saint-Exupéry sagt: " Liebe besteht nicht nur darin, dass man einander ansieht, sondern, dass man gemeinsam in die gleiche Richtung blickt." Aber wer wählt das Fernsehprogramm aus, was wird gestreamt? Wohl dem, der die Fernbedienung hat. Romeo und Julia hätten sich spätestens bei der Frage entzweit: Star Wars oder ein 'Chick Flick'-Film mit extra viel Schnulzenpower? Der Abend wird zum Melodram; da gehen die Meinungen auseinander. Man folgert: Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen.
Oder man wagt etwas Unzeitgemäßes als Hochzeitsspruch, formuliert flott mit Heinrich Heine: "Hat versalzen Dir die Suppe Deine Frau, bezähm die Wut, sag ihr lächelnd: 'Süße Puppe, alles was Du kochst, ist gut.'" Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass die Braut ihre Wut bezähmen kann; kann auch sein, dass sie sich mit einem Stück Hochzeitstorte bedankt, die sie einem ins Gesicht klatscht. Für Freunde des Slapsticks also genau der richtige Spruch.
Oder man sagt: "Die Ehe ist eine Brücke, die jeden Tag neu gebaut werden muss, am besten von beiden Seiten." Gilt das auch für die Zugbrücke, die man im Laufe der Ehejahre für den Partner immer unwilliger herablassen will, weil einem dessen herablassende Art dermaßen auf den Keks geht? Man soll von rosigen Zeiten reden, dabei betätigt sich das Schicksal nur allzu gerne mit dem Schwarzmalen, es ist ein wahrer Meister auf diesem Gebiet. Zeit für Edelkitsch; Hochzeit der Lügenmärchen. Man mogelt sich ohnehin so durchs Leben, aber bei der Hochzeit beteiligt sich sogar die Natur an dem Schwindel: Sie will die beiden ja zusammenbringen. Und die Hochzeitssprüche sind das i-Tüpfelchen. Wobei man immer hofft, dass wahre Liebe so etwas wie ein Bollwerk gegen die Widrigkeiten des Lebens sein kann: ein ganz privates Bollywood.
"Jeder geliebte Mensch ist der Mittelpunkt eines Paradieses", davon ist Novalis überzeugt. Aber man wär ja schon froh, wenn es ein Schrebergarten ist. Ein Garten Eden mit neugierigen Nachbarn, ein Maulwurf und ständig Laub, das geharkt werden will. Dem Leben zeigen, was 'ne Harke ist. Was soll man zitieren? Lernt man von den Tieren? Ist die Ehe wie ein Adler im Aufwind, ein Bussard im Sturzflug – geht's aufwärts, abwärts? Wo steigt man da ein? In welchem Geschoss wird man wieder aussteigen? Siebter Himmel wäre gut, aber manchmal landet man im Tartaros – und das im Wechsel. Höhen und Tiefen kennenlernen. "Eine Ehe ist die Gründung einer Gesellschaft für Konfliktforschung", meint Wolfram Weidner. Zunächst muss man forsch sein – dann sucht man nach Rückzugsmöglichkeiten.
"Echte Liebesgeschichten gehen nie zu Ende" – das kann auch ein Fluch sein; man bekommt den anderen einfach nicht mehr aus dem Kopf – wie eine Melodie. Schön, wenn man Gassenhauer-Status erlangt – ein Evergreen mit einem Zuhörer. "Einen Menschen lieben, heißt, ihn so zu sehen, wie Gott ihn gemeint hat", meint Fjodor Michailowitsch Dostojewski. Das ist ein schönes Kompliment für den anderen, man selber ist ja oft entfernt vom Ich-Ideal, man ist nicht auf der Höhe der Zeit – und statt des Gedanken-Olymps begnügt man sich mit leicht erreichbaren Anhöhen. Ein Hügel-Bezwinger.
Unwohl ist einem bei dem Gedanken an die Treue. Darauf sollte man nicht so rumreiten; auch ein Thema, das man besser ausspart bei der Formulierung der Hochzeitssprüche. Ewige Treue – das ist eine lange Zeit. Gibt ja auch keine Treueprämie. Arthur Schopenhauer meint: "Heiraten heißt: Seine Rechte halbieren und seine Pflichten verdoppeln." Das ist schon ziemlich defätistisch; aber den Ehehafen nicht mehr verlassen zu können, hat etwas Beunruhigendes. Man will woanders anheuern. Die Seele liebt die See.
"Ehe ist gegenseitige Freiheitsberaubung in beiderseitigem Einvernehmen", meint Oscar Wilde. Die Ehe nimmt einen gefangen; sie fesselt einen – ein seltsamer Bann – ausgesprochen von der Evolution, die das für eine überaus witzige Idee hält. Sie ist selber ganz angetan von den Möglichkeiten und den Restriktionen. Man findet sich auf einer kleineren Plattform wieder.
Ein Buchtitel ist ein Versprechen; man muss den Genre-Erwartungen gerecht werden. Was mutet man seinem Protagonisten zu? Mehr als das Übliche? Gönnt man ihm sein Happy End? Männer können sich für Liebesromane nicht so recht begeistern. Sie bevorzugen die Unlogik des Action- und Thriller-Genres. Sie machen einen weiten Bogen um Titel wie 'Heiße Nächte in der Suite des Chefs' – wobei die Variante 'Heiße Nächte in der Suite der Chefin' durchaus annehmbar klingt. Gilt auch für 'Liebesglück auf der Yacht der Agentin'. Da ließe man mit sich reden. Sich für einige hundert Seiten lang als Lover bewähren – ist doch mal 'ne Abwechslung zu den üblichen Superhelden-Unternehmungen. 'Begehrt auf der Insel der Prinzessin' – die Schurken einfach mal links liegen lassen, Urlaub vom Thriller-Alltag, dem Protagonisten die üblichen Weltraum-Monster, Werwolf-Verwandlungen und Drachen-Attacken ersparen ... Urlaub im Liebesroman. Da taucht allerhöchstens ihr Ex-Freund aus dem Kindergarten oder College auf – jetzt kommt es darauf an, wer die besseren Liebesschwüre draufhat; wer kann am besten glaubhaft machen, dass er nicht nur an ihrem unglaublichen Body interessiert ist? Mondschein-Romantik sollte man schon draufhaben, sonst wird das nix. Allerdings, bei Titeln wie 'Hochzeit in der Limousine der Tycoonin' handelt es sich wohl eher um ein einseitiges Happy End, denn eine machtbesessene Frau ist als Geliebte durchaus akzeptabel, aber auf Dauer wohl kaum zu ertragen. Wohingegen die eigene Machtbesessenheit kein Problem darstellt im üblichen Thriller-Milieu. Als Superheld ist ein bisschen Größenwahn okay – Bescheidenheit im Angesicht von Monstern ist jetzt nicht so der Bringer. Man stelle sich Herkules vor in dem Roman 'Leidenschaft auf der Ranch der Milliardärin' – spätestens nach drei Monaten hat er sämtlichen Elan verloren, unbrauchbar für Einsätze gegen landesübliche Chimären und mythische Plagegeister. Selbst Helden wie Kermit fürchten den Romantik-Dauer-Modus; man darf nicht zu viel Schwein haben.
Was fasziniert an Liebesromanen? Die vorgelebte Perfektion, unerreichbar bei all den Unzulänglichkeiten der eigenen Seele? Die Unzumutbarkeit des eigenen Lebens tritt dadurch aber nur umso deutlicher hervor. Voll das Kontrast-Programm. Warum tut man sich das an? 'Begehrt im Schloss des Ritters' – unglaubliche Passivität; umworben sein; sich auf seine Ausstrahlung verlassen können. Nicht ständig darum bemüht, mithalten zu können mit der Konkurrenz. Vielleicht macht das die unglaubliche Sogwirkung der Liebesromane aus? Ist es aber nicht so wie ein Sumpf, in dem man da versinkt? Aber man versumpft ja ohnehin in dem Kaff, das sich globales Dorf nennt. Die reale Welt kann einfach nicht mithalten mit der Hollywood-Großartigkeit üblicher Liebesromane; unglaubliches Märchenambiente – inklusive garantiertem Happy End. Im Real Life ist man ja schon zufrieden, wenn es halbwegs gut läuft; man ist bescheidener, backt kleinere Brötchen. 'Leidenschaft in den Armen des Bäckers' – yep, so etwas ist durchaus machbar im Real Life; das hat es drauf. Es kann nicht so oft aufwarten mit Rittern ohne Furcht und Tadel. Kaum einer ist in tadellosem Zustand – das ist alles mehr so ein Gebrauchtwaren-Markt; lädiert; ramponiert. Der Prinz bei Dornröschen hätte von sich nicht gesagt, dass er zuweilen depressive Phasen hat. Im Real Life ist alles ein wenig kaputter, weniger Glamour. Man flüchtet vor dieser Erkenntnis. Protagonist als Stellvertreter, ein Avatar in Romantikhausen.
Den Sinnen käme es nie in den Sinn, von sich aus Sinneseindrücke zu erzeugen, so ganz ohne äußeren Anlass und Startschuss gewissermaßen. Sie sind es gewohnt, dass die Infos da draußen sind, sie sollen sie orten, wie ein guter Spürhund; die Sinne geschärft; was geht da so ab? Sie sind aber mehr als nur Sensoren, die die Umgebung scannen – die Sinne können quasi auch autonom – im Alleingang – für Sinneseindrücke sorgen: Dann sind sie Regisseur, Drehbuchautor und sie besetzen auch die Hauptrollen. Das Bewusstsein ist zuweilen lediglich Regieassistent – es staunt – und betrachtet, was die Sinne heute so im Angebot haben. Visualisieren, mentale Bilder; Bilder aufsteigen lassen, die ziemliche Ähnlichkeit haben mit der Realität. Oder man hört Musik, die gar nicht vorhanden ist – man kann auch eine neue Platte auflegen – quasi ein mentaler Musikautomat. Oder man nimmt Gerüche wahr, die nicht da sind. Zitronenduft. Ist natürlich immer von Vorteil, wenn man das Eingebildete von dem Tatsächlichen noch irgendwie unterscheiden kann. Im Traum glaubt man ja ohnehin, dass das real sei; kann noch so skurril sein; man ist sehr gutgläubig.