Hunters - Daniel Schmidt - E-Book

Hunters E-Book

Daniel Schmidt

4,4

Beschreibung

Im Untergrund der Welt, in einem verwinkelten Tunnelsystem, wütet ein verheerender Krieg zwischen Dämonen und Jägern. Die Dämonen waren eine Bedrohung für jeden. So hatte sich vor Jahren ein Clan den Jägern angeschlossen und stand ihnen seither im Kampf gegen die Dämonen bei, solange bis das Hauptquartier der Jäger zerstört wird. Zoey, die Tochter der Anführerin des Clans und der junge David kämpfen weiter. Der Kampf gegen das Böse nimmt seinen Lauf. Kaleb ist ein unheimlich starker Dämon, er ist der Teufel in Person. Geben sie einfach auf und überlassen die Welt ihrem Schicksal? Nein. Gemeinsam organisieren sie sich neu und bitten einige Hexenclans um Hilfe, um sich gemeinsam gegen den Dämonen zu stellen.

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 2014

Umschlaggestaltung: Konstanze Welck-Beyer

Lektorat: Michael KanthakSatz: Patricia Knorr-TriebeHerstellung: Patricia Knorr-Triebe

© Best-off-Verlag. Alle Rechte vorbehalten.Postfach 12 03 47D-93025 RegensburgTel. +0049 (0)9404 / 96 14 84Fax +0049 (0)9404 / 96 14 85

E-Mail: [email protected]: www.best-off-verlag.de

ISBN 978-3-942427-78-4

Daniel Schmidt

Hunters

Fantasy Roman

Für alle, die mich unterstützen undjeden Tag an mich glauben –

Ich verdanke euch so viel!

Warum das Böse auf der Welt?Dass aus der Kraft der Sünde die Überkraft des Guten werde.

Paul Olaf Bodding (Sprachwissenschaftler)

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Eine Warnung

Eins

Alltag

Zwei

Zurück

Drei

Ein Auftrag

Vier

Zimmer 179

Fünf

Anders als geplant

Sechs

Hinterhalt

Sieben

Beobachter

Acht

Das wahre Gesicht

Neun

Begegnungen

Zehn

Neue Bekanntschaften

Elf

Der Club

Zwölf

Verbindung

Dreizehn

Möglichkeit

Vierzehn

Erwacht

Fünfzehn

Heimkehr

Sechzehn

Nachtschicht

Siebzehn

Brownies

Achtzehn

Nicht mehr eins

Neunzehn

Spaziergang

Zwanzig

Allein

Einundzwanzig

Zurück

Zweiundzwanzig

Gefangen

Dreiundzwanzig

Roxanne

Vierundzwanzig

Training

Fünfundzwanzig

Verpasst

Sechsundzwanzig

Erkenntnis

Siebenundzwanzig

Ein verzweifelter Plan

Achtundzwanzig

Folter

Neunundzwanzig

Tiefe

Dreißig

Tunnel

Einunddreißig

Träume

Zweiunddreißig

Ein Hindernis

Dreiunddreißig

Rettung in letzter Minute

Vierunddreißig

Falsche Realität

Epilog

Unerwünschte Besucher

Danksagung

Über den Autor

Prolog

Eine Warnung

Die Hexe lief mit sicherem Gang die Tunnel entlang. Sie wusste ganz genau, wo sie hin musste. Ein leises Gefühl ließ sie die richtigen Schritte tun, an jeder Ecke und an jeder Kreuzung, die genauso aussahen wie die vorigen. Außerdem spürte sie die dunkle Macht, die mit jedem Schritt stärker wurde. Dunkel und allem Licht gegenüber abwertend stand sie in der Luft, wie ein Gift, stark und betörend. Geröll und Felsbrocken räumten sich vor ihren Füßen weg, jedoch war sich die Hexe nicht sicher, ob das ihr Verdienst war.

Diese Macht war anders als die ihres Clans. Zwar war auch der ihre nicht gerade der Heiligste, bestimmt hatte es einige finstere Zeiten in seiner Geschichte gegeben, doch sie verwendeten ihre Macht nie zum eigenen Vorteil, sondern dazu, die Menschen, ohne dass sie es wussten, zu unterstützen und ihnen Kraft zu geben. Diese Macht aber, die sie jetzt spürte, war durch und durch böse, fast greifbar in der Luft, wie ein düsterer Schleier, der über die Wände strich und denen, die hier vorbeikamen, gruselige Dinge einflüsterte. Die Hexe staunte über die Architektur der Gänge. Sie glaubte sogar, ein Muster in den Wänden zu erkennen, das hypnotisierend war und jeden, der nicht hierher gehörte, in seinen Bann zog. Ein Wispern lag zwischen all den Dingen, betörend wie ein schöner Duft und gefährlich wie ein Schwarm Hornissen. Nein, nicht daran denken! Schnell erinnerte sie sich daran, warum sie sich überhaupt hierher begeben hatte. Sie war in Feindesland eingedrungen, daran änderten auch die schönen Wände nichts. Ihre Mission war gefährlich, das durfte sie nicht vergessen, und konnte jederzeit mit dem Tod enden. Sie überprüfte instinktiv ihre Schilde, die körperlichen wie auch die magischen. Diesem Wesen, dem sie sich näherte, durfte es nicht gelingen, sie zu überwinden. Zu viel stand auf dem Spiel. Nachdem sie ihre Schilde überprüft hatte und alles in Ordnung schien, wurden die Wände gröber, so, als hätte jemand riesige Stücke herausgerissen, wie riesige Wunden stachen sie aus dem Bild. Obwohl niemand da war, fühlte sich die Hexe beobachtet. Sie bezweifelte, dass selbst eine mächtigere Hexe als sie selbst keine Angst gehabt hätte.

Wenigstens hatte sie ihre Schilde und ihren Verstand. Wenn diese nicht mehr da wären, wäre sowieso alles vorbei. Dann könnte sie sich auch gleich ihr eigenes Grab schaufeln. Denn ihr Gegner war ein gerissener Hund, nicht mehr und nicht weniger, eine tödliche Viper, die schon viel zu lange ihr geheimes Leben im Schattenreich fristete.

Ihr Schritt wurde langsamer, als plötzlich zwei Tore auftauchten und den Weg versperrten. Sie waren mit Sprüchen in einer ihr fremden Sprache verziert und von zwei riesigen, in den Stein gehauenen Augen flankiert. Bannsprüche aus der Alten Welt, unüberwindbar und gefährlich wie das meiste, das von dort kam. Die Hexe blieb stehen, wartete. Das Rascheln ihres Umhangs war das einzige Geräusch, das zu vernehmen war, als sie sich die Kapuze über den Kopf zog. Sie wusste, dass er sie sah. Dennoch musste sie enttäuscht feststellen, dass er schon einen Fehler gemacht hatte. Man ließ eine Hexe nicht warten, das war unhöflich und absolut respektlos. In anderen Situationen, mit anderen Personen, würde so etwas ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen. Er jedoch war anders, er wollte damit seine Dominanz zur Schau stellen, beweisen, dass er Macht hatte und sie auch nutzte. Und der Verdacht bestätigte sich. Ich habe auf dich gewartet. Komm doch rein, meine Liebe. Eine aalglatte Stimme hatte sich in ihren Kopf geschlichen, die Barrieren in ihrem Kopf unbemerkt überwunden. Sie rümpfte die Nase und drückte den Rücken durch. Niemand würde sie einschüchtern können, schon gar nicht Er.

Trotzdem beschlich sie ein mulmiges Gefühl, als sie durch das Tor, das sich langsam auseinander schob, in die Halle trat. Der Raum, in den sie eingetreten war, wirkte wie ein Thronsaal, die Wände waren in schwungvollen Rundbögen geformt. Am anderen Ende erhob sich der Boden wie ein Podest. Fackeln steckten in verrosteten Halterungen und beleuchteten Teile der großen Höhle, der Rest blieb im schwarzen Schatten verborgen. Und auf diesem Podest stand Er. Ja, selbst die Hexe musste sich eingestehen, dass er gut aussah, obwohl er ihr den Rücken zuwandte. Zumindest, wenn man auf das offensichtlich Böse stand. Sein dunkles Haar floss seinen Rücken hinunter, unter der ledernen Kleidung zeichneten sich dicke Muskelpakete ab. Überall waren tiefe Narben zu sehen, Zeichen des großen Kampfes, den er damals verloren hatte.

„Herzlich willkommen“, säuselte er.

„Warum bist du hier, meine Liebe?“ Seine Worte waren rauchig und füllten die ganze Halle aus. Mit dieser Stimme konnte er bestimmt Tausende von Menschenherzen zum Schmelzen bringen, ob Frau oder Mann, das war egal. Nur, dass es bei einer Hexe mehr bedurfte. Mit einem Mantra aus Schutzzauber in ihrem Kopf antwortete sie.

„Du weißt, warum.“ Sie freute sich innerlich, wie fest und ebenbürtig ihre Stimme klang. „Diesmal bist du zu weit gegangen. Du bist zu einer Gefahr für die Menschheit geworden.“

Ein Lachen. Genau die Reaktion, die sie erwartet hatte. Dagegen war sie gewappnet.

„Glaube nicht, dass du diesmal damit durchkommst. Hast du nichts dazugelernt? Bist du nicht schon genug gestraft?“ Sie konnte nicht glauben, dass jemand so denken konnte.

„Was weißt du schon, Hexe?“, lachte er. „Du weißt nicht, wie gut es mir geht, welche Macht ich besitze.“

Er drehte sich zu ihr um und starrte sie mit seinen durchdringenden Augen an, die in dem schummrigen Licht aufzuflammen schienen. Von vorne sah er sogar noch besser aus. Und gefährlich. Übermenschlich schön. Mächtig und durchtrieben, ein Wesen, das schon viel durchgemacht hatte und dadurch viel Erfahrung in den unterschiedlichsten Bereichen gesammelt hatte. Kampf. Stärke. Gefühle. Leben. Tod. Die Hexe musste sich dagegen wehren, einen Schritt zurückzutreten.

„Was willst du schon tun? Mich mit einem Zaubertrick verhexen, mich in einen lausigen Hasen verwandeln?“ Er kam auf sie zu, sie wich zurück. Man durfte ihn nicht unterschätzen, sonst landete man unweigerlich mit verzerrtem Gesicht auf dem Boden.

„Ich könnte dich mit einem Wink töten“, drohte er.

Der Wahnsinn trat in seine Züge, sie wollte sich nicht vorstellen, was er sich gerade ausmalte. Die Hexe ließ sich nicht einschüchtern und hob den Kopf.

„Mein Clan würde dich jagen“, drohte sie, „dann wärst du sofort tot. Lass dir gesagt sein: Dies ist deine letzte Warnung. Verhalte dich ruhig!“ Ein spielerisches Lächeln zuckte um seine Lippen, und er kam noch näher an sie heran. „Komm schon, Kleine. Vergiss doch deine Ängste. Ist das nicht undankbar, dass du einfach hierher geschickt wirst, in die Höhle des Löwen, nur um mich zu warnen?“ Nicht einfangen lassen, dachte die Hexe, bleib stark, er will dich nur in Versuchung führen, deine Familie zu hintergehen.

„Ich glaube, mein Clan weiß ganz genau, was er tut.“ „Dein Clan ist ein Witz. Ein Haufen verrückter Esoteriker, Ökomenschen, die die Natur anbeten als wäre sie ein lebendiges Wesen.“ Der Hexe platzte der Kragen. Er konnte sie beleidigen, aber mit dem Clan war es etwas völlig anderes. Die Familie durfte nicht angegriffen werden – und von ihm schon gar nicht.

„Dann bist du ja auch nicht lebendig und nur eine Illusion im Universum.“ „Oh, nein, im Gegenteil. Meine Macht ist real.“

Er lachte, hob die Hände und ruderte in der Luft herum. Ohne eine Warnung hob sie die Hand gegen ihn und ballte sie zur Faust. Das Lächeln in seinem Gesicht verschwand; er griff sich an den Hals, nach einer nicht vorhandenen Schlinge tastend, die ihm die Luft immer weiter abschnitt. Er stolperte nach hinten, die Flammen zischten in ihren Halterungen nach oben, eine Brise kam auf und wehte über die Szene. Hass stieg in seinen Augen auf. Genugtuung erfüllte sie, als sie ein Röcheln tief in seiner Kehle hörte.

„Verfluchte Hexe“, würgte er hervor.

„Mein Clan ist nicht so schwach, wie du denkst“, zischte sie. „Vergiss das niemals. Wir werden dich finden, wenn du gegen die Regeln verstößt.“ Damit ließ sie von ihm ab. Röchelnd sank er auf die Knie, fluchend fasste er sich an die Kehle. Rote Striemen zeichneten sich an seinem Hals ab, die jedoch nach kurzer Zeit wieder verschwinden würden. Weiter keuchend stand er auf.

„Das war ein Fehler“, zischte er. Seine Augen verengten sich zu zwei Schlitzen.

„Das wirst du bereuen.“ Der Wind legte sich wieder. Im selben Moment flammten die Feuer erneut auf, höher und imposanter, als hätte sie jemand mit Benzin gestärkt. Die Hexe senkte den Blick, so hell stachen die Flammen hoch an die Decke. Plötzlich spürte sie etwas. Eine fremde Präsenz versuchte, nach ihrem Geist zu greifen. Bevor diese überhaupt in die Nähe ihrer Seele kam, wurde sie von den Schilden, die ihren Geist umgaben, zurückgeworfen wie ein Ball von einer harten Wand.

„Versuch es gar nicht erst. Du verbrennst dir nur die Finger“, rief sie.

„Miststück“, knurrte er, versuchte es aber nicht weiter, und die Präsenz zog sich wieder zurück. Mit einer Drehung wandte die Hexe sich um, der Umhang hinter ihr raschelte.

„Es ist alles gesagt“, ließ sie verlauten.

Ohne ein weiteres Wort an dieses Wesen zu verschwenden, drehte sie sich um und verließ den Saal, wartete nicht ab, ob er noch mehr Beleidigungen für sie hätte oder sie noch einmal angreifen würde. Jedoch bemerkte sie das rachsüchtige Lächeln nicht, das sich auf die Lippen ihres Feindes stahl, während die Hexe durch den Tunnel zu ihrem Clan zurückkehrte. Er stand in seiner Höhle und hob die Hände in die Höhe. Am Anfang passierte gar nichts, doch dann begannen die Wände zu vibrieren. Ein großes Krachen erfüllte den Raum, um ihn herum stürzten Felsbrocken hinunter. Ein Schrei drang bis zu ihm hindurch. Dann war es wieder still, die Erde beruhigte sich wieder.

„Wohl doch nicht so mächtig“, lächelte er.

Eins

Alltag

Auf den ersten Blick sah die Gestalt wie ein Mensch aus. Wegen des wenigen Lichtes, das durch das Gitter an der Decke fiel, konnte man nur die Umrisse dieser Gestalt ausmachen, jedoch war ich mir absolut sicher, dass das kein Mensch war. Für einen Menschen stand dieses Wesen zu unsicher, so, als hätte es gerade erst laufen gelernt. Außerdem baumelten Arme und Kopf unkontrolliert herum, weshalb ich mir ganz sicher war: Das war kein Mensch. Nein, das war eindeutig ein Dämon. Einer der niederen, wie man am Geruch und der Statur unfehlbar erkennen konnte. Die Proportionen stimmten nicht überein, der Kopf war größer als der Rest des Körpers. Trotzdem war mir klar: Mit diesem Exemplar war nicht zu spaßen. Wer hätte schon wissen können, wie dick die Haut dieses Dämons war? Mein Dolch könnte im Fleisch des Untieres stecken bleiben, ohne großen Schaden anzurichten. Oder Schlimmeres, was ich mir im Moment nicht unbedingt vorstellen wollte. Ein Grunzen ließ mich vermuten, dass der Dämon mich bemerkt beziehungsweise gerochen hatte. Ich stellte mir vor, wie sein Kleinhirn begann, die wenigen Informationen, die ihm mein Anblick lieferte, zu verarbeiten, um schließlich eine Entscheidung zu treffen. Das Grunzen steigerte sich zu einem markerschütterten Schrei. Das war das Einzige, was diese Untiere konnten: grunzen und zuschlagen.

Er scharrte mit den Füßen, wie ein Stier in der Arena. Ich spürte den Dolch in meiner Tasche, verlagerte mein Gewicht mal auf den einen, dann auf den anderen Fuß. Ich wusste nicht, ob ich es wagen und versuchen sollte, das Untier zu töten. Jetzt wurde es eng; ich musste mich schnell entscheiden, denn es begann, auf mich zuzurennen. Der ganze Tunnel begann, unter den schweren Schritten zu erzittern, seine Fratze kam meiner Stellung immer näher. Im letzten Moment rollte ich mich zur Seite. Mit einer fließenden Bewegung glitt der Dolch in meine Hand. Der Dämon drehte sich um, doch nur, um sich wieder auf mich zu stürzen. Seine gelben Augen fixierten mich, rollten unkontrolliert in ihren Höhlen herum – die meisten dieser Dämonen waren kurzsichtig. Ich sprang auf und ergriff eine der Stangen, die die Decke hielten, und trat meinem Feind in die Brust. Der taumelte und klatschte auf den Boden. Er ruderte wie ein hilfloses Insekt mit den Armen. Sofort war ich bei ihm, zeigte ihm meinen Dolch wie eine Trophäe und stach zu. Zuerst erstarrten die Augen des Dämons, gefüllt mit Ungläubigkeit, dann wurden die Augäpfel glasig, bis sie schließlich kein scharfes Bild mehr einfangen konnten. Ich seufzte, mehr zufrieden als erschöpft.

In Kürze würde der Prozess des Verfalls beginnen, sodass von dem Dämon in wenigen Minuten nur noch Staub zurückbleiben würde. Ich wischte dunkles, zähflüssiges Blut an meiner Hose ab. Im selben Moment ertönte hinter mir ein anerkennendes Klatschen.

„Gut gemacht, Kleiner“, ertönte eine Stimme hinter mir. Ich musste lächeln. Seit zwei Jahren war ich jetzt schon dabei und Liam nannte mich immer noch „Kleiner“.

„Wo warst du?“ Mein Vorwurf klang eher belustigt als vorwurfsvoll. Das lag wohl daran, dass ich mich noch in meinem kleinen Siegesruhm sonnte.

„Während du diesen kleinen Möchtegern-Dämon besiegt hast“, begann Liam, „habe ich zwei dieser Viecher besiegt und außerdem die hier diesen Monstern abgenommen.“ Typisch. Kaum verspürte man ein wenig Selbstzufriedenheit, kam Liam und machte es einem zunichte. Klar, er gehörte ja auch zu den Besten hier und machte gerne einen auf Ego-Trip. Ich sah ihn an. Kein Wunder, dass er eine so hohe Trefferquote hatte und von jedem Jäger respektiert und geschätzt wurde. Seine Statur war eher breitschultrig; Muskeln verliefen in dicken Bändern über seine Oberarme, wie bei einem Boxer – und das bei einem Achtzehnjährigen!

Er konnte einen großen Dämon mit bloßen Händen in die Luft heben und gegen die nächste Wand klatschen; das nannte er dann „Mit Gewichten trainieren“. Ich war da ganz anders. Ein Junge, der nicht gerade der Traumtyp der Mädchen war. Meine Gliedmaßen schienen alle ein wenig zu lang zu sein, das Gesicht nicht sehr fein, und die Haare eher rau als weich. Ich würde zwar nicht sagen, dass ich etwas gegen Spiegel hätte, aber ehrlich gesagt betrachtete ich mich nicht gerne darin. Ganz im Gegenteil zu Liam. Jetzt bemerkte ich die zwei Dinge, die er mir vor die Nase hielt. Es waren Ketten, genauer gesagt, Schutzamulette, wenn ich das richtig erkannte. Ich kam nicht umhin, einen anerkennenden Pfiff auszustoßen.

„Na, was sagt du jetzt?“ Lässig ließ Liam die Amulette in an seiner Hand herunterbaumeln. „Perfekt. Gut für uns, schlecht für die Dämonen. Wo hast du die gefunden? Kriegsdämonen tragen solche machtvollen Dinge jedenfalls nicht. Höchstens Schamanen.“ Schamanen waren die Magier unter den Dämonen, sehr machtvolle Wesen und sehr gefährlich. Ihre mentalen Kräfte waren meistens größer als ihre körperlichen. Bisher hatten wir nur einmal ein solches Ding erkämpfen können, das einem Schamanen gehört hatte, was uns drei Tote und mehrere schwere Verletzte eingebracht hatte. Damals war es ein faustgroßer Kristall gewesen, der aber nach einiger Zeit zerfiel, weil ihn niemand mehr mit dämonischer Macht gefüttert hatte. Doch Liam schüttelte nur den Kopf.

„Bestimmt waren das hirnlose Dämonen, die diese Dinger überbringen sollten. Sie werden unvorsichtig.“

„Hm, vielleicht“, stimmte ich zu. Was soll´s, dachte ich. Hauptsache, ein Sieg für uns. Etwas Besseres konnte uns doch gar nicht passieren. Schon viel zu lange tobten die Kämpfe. Da erschütterte ein Grollen die Tunnel. Ein klares Zeichen.

„Ich glaube, die haben den Diebstahl entdeckt“, stellte ich nüchtern fest.

„Sieht so aus.“ Das Grollen kam näher. Verflucht! Ich steckte meinen Dolch in die Tasche. Er nützte mir jetzt nichts mehr. Das Grollen klang nach mehr als nur einem Dämon – nach viel mehr. „Komm!“ Liam machte den Anführer, doch ich folgte ihm ohne Widerworte. Ich war seit über fünf Stunden auf Streife gewesen, mein ganzer Körper schmerzte, und ich hatte keine Kraft und Luft mehr für einen großen Kampf.

Wir liefen an dem Häufchen Asche vorbei, das von meinem Opfer übrig war. Die Tunnel waren ein weitverzweigtes Netz aus Schächten, Abflussrohren und der städtischen Kanalisation. Meine Schuhe tappten durch den Wasserfilm, der hier den gesamten Boden bedeckte. Diese Seite des Tunnels war weniger verwildert, man fühlte sich eher wie in einem Keller mit Gittern an der Decke, durch die das Licht der Straßenlaternen fiel. Trotz unseres schnellen Marsches kam das Grollen immer näher. Liam führte uns sicher durch die tückische Tunnelabschnitte, und er kannte sämtliche Abzweigungen.

„Sollten die Amulette uns nicht beschützen?“, fragte ich gehetzt, während ich einer Stolperfalle auswich. Ein Brennen durchzog meine Beine bei jedem Schritt.

„Erst, wenn sie unter unserem Befehl stehen. Ich glaube, im Moment verraten sie uns eher.“ Liam steckte die magischen Ketten in seine Tasche, so, als könne der dünne Stoff die Wirkung abschirmen. Es war nicht mehr weit bis zum Hauptquartier, das spürte ich. Der Boden wurde fester, und die Luft roch nicht mehr so stark nach Abwasser, sondern nach Kräutern, mit einer Spur Metall versetzt.

„Fast geschafft! Komm schon, David!“, spornte mich Liam an. Dabei sah ich auch bei ihm die Schweißperlen auf der Stirn glänzen.

Nach einer letzten Kreuzung war es dann geschafft. Wie wenn ein Taucher auftaucht, überschritten wir die magische Grenze, die alles Böse von uns fernhielt, ein riesiger Schutzkreis, der jeden fernhielt, der nicht zu den Guten gehörte. Er war nicht zu erkennen, nur ein leises Flimmern in der Luft, doch die Dämonen würden ihn mit Sicherheit nicht überwinden können. Ich blieb stehen, um Atem zu schöpfen, doch Liam zog mich weiter. „Keine Zeit“, war alles, was er sagte. Hinter uns hörte ich bestialische Rufe, die böse und zornig klangen. Mit ihren Klauen, so scharf wie Rasiermesser, schlugen sie auf die unsichtbare Mauer ein. Doch die Schutzzaubern, die die Hexen der Nacht erschaffen hatten, hielten der übermenschlichen Kraft stand. Einen weiteren kurzen Lauf später waren wir noch tiefer vorgedrungen. Erst als man den Eingang einer Art Höhle sah, machte Liam Halt.

„Eins muss man diesen Weibern ja lassen“, schnaufte Liam, „zaubern können sie“.

Ich nickte nur, meine Atemnot war einfach zu groß, um etwas erwidern zu können. Das Einzige, was ich wollte, war, mich kurz hinzusetzen. Wie immer jedoch, seit ich Liam kannte, dachte er schon weiter. Er zog die Amulette aus seiner Tasche. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass in der Mitte des einen ein grüner Stein funkelte und in dem anderen ein roter. Zweifellos waren es sehr mächtige Schutzamulette, und sie würden uns in unserem Kampf mit Sicherheit ein großes Stück voranbringen. Liam sah mich an und reichte sie mir dann. Verdutzt starrte ich ihn an. „Bring du sie zu Zoey, ich hab keine Lust auf diesen faulen Zauber. Sie soll diese Dinger auf irgendwelche Spuren und anderen Kram überprüfen. Ich melde uns zurück und mache Lagebericht“, erklärte Liam und trat in die Höhle ein. Allein und etwas erstaunt schaute ich die mächtigen Instrumente in meiner Hand an. Sonst wollte Liam den ganzen Ruhm immer für sich haben. Und jetzt ließ er sich die vielleicht größte Chance auf Anerkennung einfach so entgehen? Ob es mit seiner Abneigung gegen Magie zu tun hatte? Noch immer ein wenig wirr im Kopf, ging nun auch ich in die Höhle, unser Hauptquartier – das Hauptquartier der Jäger.

Überall tummelten sich Menschen, redeten in kleinen Gruppen oder meditierten reglos auf dem Boden. Vereinzelt brannten Feuer in gegrabenen Kuhlen, die die ganze Höhle mit Licht versorgten und die Kälte vertrieben. Ich ging an der Waffenkammer und der Krankenstation vorbei, die zum Glück im Moment nicht gut besucht war, vorbei an den Schlafräumen, auf die ich mich schon freute. Die Situation war jedoch immer noch die gleiche wie am Anfang: Unter den Städten der Welt lag das Reich der Dämonen; große, dumme Wesen wie die eben, die nur ein einziges Ziel hatten: unsere Vernichtung. Die Versklavung der Menschheit. Zusammen mit den Hexen der Nacht, dem mächtigsten Hexenclan der Welt, kämpften wir gegen diese Biester. Ja, es gab Hexen. Die Jäger waren sogar eine Minderheit, wenn man sie von der Anzahl her mit den Hexen verglich. Zudem wuchs die Zahl der Dämonen von Tag zu Tag – und leider waren wir nur Menschen. Die Amulette schmiegten sich in meine Hand, wie ein Kind an seinen Vater, und verlangten meine volle Aufmerksamkeit. Ich fragte mich, was es mit diesen Dingern auf sich hatte. Sie boten dem, der sie trug, Schutz, sie gaben einem mehr Kraft und verbesserten die Instinkte. Dass solche Instrumente nun in unseren Händen waren, war erleichternd, und zugleich machte es mich misstrauisch. Gleich würde ich mehr wissen, und auch, ob diese Dinger eine Gefahr für uns bedeuteten. Denn das konnte nur eine. Wer kann schon von sich behaupten, dass er eine Hexe als Freundin hat?

In meinem alten Leben niemand. Spielerisch wedelte ich mit den Amuletten in der Luft herum und machte mich auf den Weg.

Zwei

Zurück

Ich roch sie, noch bevor ich sie überhaupt sah. Der intensive Duft von Lavendel umgab mich wie ein Versprechen, und zugleich wie eine Aufforderung. Tief einatmend schritt ich auf den hinteren Platz der Höhle zu, wo sie ihr Lager hatten. Manche hatten Angst vor ihnen, manche hatten Respekt, und anderen waren sie einfach nur suspekt: die Hexen. Für mich waren sie einfach eine Gruppe, die ihren Platz in der Welt finden und nicht untergehen wollte. Es gab viele von ihnen, sie lebten in Clans, vergleichbar großen Familien. Gut und Böse, die beiden Seiten gab es auch unter den Hexen. Die meisten Clans lebten im Verborgenen und kümmerten sich nicht um die Probleme der oberen Welt. Die Dämonen aber waren eine Bedrohung für jeden; und so hatte sich ein Clan vor Jahren den Jägern angeschlossen und stand ihnen seither im Kampf gegen die Dämonen bei. Ein junges Mädchen hatte sich aus einer der vielen kleinen Gruppen gelöst und steuerte geradewegs auf mich zu. Das nachtschwarze Haar umspielte ihre feinen Gesichtszüge. Der Duft von Lavendel, dem Schutzkraut der Hexen, umhüllte sie wie unsichtbarer Nebel. Zoey umarmte mich ungestüm. Sie war länger hier als ich, und wir hatten uns angefreundet, nachdem mich ein Dämon einmal übel erwischt hatte. Sie war die Tochter der Anführerin des Clans und war somit dazu bestimmt, eines Tages selbst den Clan zu führen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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