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»Um gut alt werden zu können, braucht der Mensch zuerst einmal Essen und Trinken, damit er gesund bleibt. Aber nicht zu üppig – und nicht zu viel Alkohol. Und dann braucht er Frieden, innen und außen.«
Lindenwirtin Josefine Wagner
Josefine Wagner ist stolze 100 Jahre alt. Sie hat vielen Menschen in unserer Gesellschaft eines voraus: Die Wirtin des Gasthauses „Zur Linde“ am Wolfgangsee ist in Würde und mit Freude alt geworden. Pater Johannes Pausch und Gert Böhm haben sich auf die Suche gemacht: Warum sind Menschen wie Josefine Wagner so zufrieden mit ihrem Leben? Was können wir von ihnen lernen? Humorvoll und weise zeigen sie uns, wei ein gelassener Weg ins Alter aussehen kann.
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Seitenzahl: 249
Der Lindenwirtin von Winkl / St. Gilgen,Frau Josefine Wagner,zu ihrem 100. Geburtstagin Ehrfurcht und Dankbarkeit gewidmet
Unsere Politiker und die Staatsbürokraten besänftigen alternde Menschen mit allerlei Versprechungen für einen paradiesischen Lebensabend: mehr Sicherheit im Verkehr, innovative Wohnprojekte, bessere Einbindung ins gesellschaftliche Leben durch verstärktes bürgerschaftliches Engagement, Entbürokratisierung der Altenpflege, sinnvolle Palliativmedizin und Sterbebegleitung durch die Hospizbewegung, die bessere finanzielle Unterstützung pflegender Angehöriger, neuartige Gemeinschaftsprojekte, in denen sich die Senioren gegenseitig helfen können – die Liste mit Vorschlägen für eine zukünftige Seniorenpolitik ist lang und voll schöner Worte. Allein 300 eng beschriebene DIN-A4-Seiten umfasst der fünfte offizielle Regierungsbericht »Zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland« aus dem Jahr 2006. Er enthält zahlreiche Vorschläge, wie ältere Menschen in Zukunft betreut, versorgt, beschäftigt und bei Laune gehalten werden sollen.
Leider sieht die Realität ganz anders aus. Denn so nützlich und gut gemeint all die Empfehlungen auch sein mögen: Sie zielen fast immer nur auf die materielle Seite des Altwerdens ab – und übersehen dabei, dass der Mensch vor allem ein spirituelles Wesen ist, in dem körperliche, seelische und geistige Erfahrungen auf geheimnisvolle Weise miteinander vernetzt sind. Zwischen diesen drei Erfahrungsebenen gibt es – für uns oft undurchschaubare – Zusammenhänge. Deshalb ist es nicht besonders intelligent, die Probleme des Altwerdens nur auf der körperlich-materiellen Ebene lösen zu wollen. Dann nämlich bleiben die meisten Initiativen ohne Geist und ohne Begeisterung, ohne Liebe und ohne »Feuer« – und die Pflegebedürftigen empfinden ihre Betreuung als einen bürokratischen Akt, bei dem es offenbar nur darauf ankommt, dass jeder Handgriff der Helfer peinlich genau protokolliert wird. Wer jemals die von einer überbordenden Bürokratie vorgeschriebenen 20 Formblätter gesehen hat, mit denen ein Altenheim die Betreuung jedes einzelnen Bewohners »dokumentieren« muss, kann nur den Kopf schütteln. So ein System kann – und darf! – auf Dauer nicht überleben. Denn die bürokratische Krake vergisst den Hauptzweck der Altenbetreuung: die menschliche Zuwendung. Doch diese steht nicht mehr an erster Stelle, vielmehr geht es um eine lückenlose Kontrolle. Um unter den sozialen Betreuungsfirmen in Ausnahmefällen einmal ein »schwarzes Schaf« zu erwischen, werden alle anderen mit völlig überzogenen Kontrollen gepiesackt. Statt dem bettlägrigen Heimbewohner übers Gesicht zu streicheln, muss die Pflegerin oder der Pfleger Formblätter ausfüllen und Protokolle schreiben – welch ein Irrweg! Doch die Überbürokratisierung missachtet nicht nur die betroffenen Alten, sondern vergrault auch die Helfer: Viele Altenpflegerinnen und Altenpfleger, die ihre Arbeit am Menschen einmal hoch motiviert begonnen haben, steigen nach weniger als fünf Jahren völlig frustriert aus diesem Beruf wieder aus.
Vielleicht gibt es sogar einen Zusammenhang zwischen der Enttäuschung über ihr Leben, die alte Menschen empfinden, und den stark zunehmenden Demenzerkrankungen. Der Verfall der Gedächtnisleistung und Denkfähigkeit wird ja auf altersbedingte Veränderungen im Gehirn zurückgeführt. Trotz ständig wachsender Erkenntnisse wissen wir aber noch zu wenig über diese schreckliche Krankheit, an der allein in Deutschland über eine Million Menschen leiden. Es wird vermutet, dass die Betroffenen am Leben nicht mehr teilnehmen, weil sie dazu nicht in der Lage sind. Aber könnte es nicht sein, dass sie dieses Leben gar nicht mehr wollen, dass ihre Verweigerungshaltung also vor allem psychische Ursachen hat? Sind demenzkranke Menschen vielleicht deshalb so frustriert, weil sie sich in der »normalen«, kalten Gesellschaft gar nicht mehr aufhalten möchten? Ihre Fähigkeit, ihre Umgebung und andere Menschen wahrzunehmen und mit ihnen zu kommunizieren, schwindet – und mit dem allmählichen Verlöschen ihrer Persönlichkeit verlieren sie ihre Würde und sind rund um die Uhr auf Pflege angewiesen. Ist es denkbar, dass ihr Gedächtnisschwund nicht nur die Folge einer Gehirnerkrankung ist, sondern der – im Schöpfungsplan vorgesehene – unbewusst vollzogene Abschied des Menschen von einer Gesellschaft, die ihm Würde und Respekt verweigert?
Viele Menschen spüren wahrscheinlich schon lange vor ihrem letzten Lebensabschnitt, dass sie von der Gesellschaft als wertlos betrachtet werden. Ihnen wird das Gefühl vermittelt, dass ihr Leben und ihre Arbeit überflüssig sind – und jederzeit austauschbar. Dieser Sinnverlust kann im Alter dazu führen, dass der Mensch seine Nutzlosigkeit im Unterbewusstsein besonders stark empfindet und sich vollends zurückzieht, um seine eigene »Entsorgung« nicht miterleben zu müssen. Intuitiv will er sich vor dieser bedrohlichen »Endlösung« retten: Er kapselt sich ab, zerschneidet mehr und mehr seine Beziehungsstränge zu den Menschen in seiner Umgebung und flüchtet in die Einsamkeit der Demenz.
Sollten Demenzerkrankungen neben den medizinisch nachgewiesenen Verfallserscheinungen im Gehirn tatsächlich auch psychische Ursachen haben, die nicht erst im hohen Alter, sondern schon lange vorher entstehen, dann könnte die Krankheit frühzeitig behandelt werden – und zwar durch spirituelle, sinngebende Maßnahmen. Denn wer im Leben einen Sinn sieht, ist weniger anfällig für Demenz, vielleicht tritt die Krankheit dann gar nicht erst auf. Oder vielleicht ist Alzheimer, die häufigste Form der Demenzerkrankungen, gar keine Krankheit, sondern – ohne körperliche Schmerzen – ein Modell für den Ausstieg aus dem Leben? Aus der Forschung wissen wir, dass die Zahl der Altersverwirrten nach dem 70. Lebensjahr steil ansteigt. Unter den 100-Jährigen leiden neun von zehn unter Demenz. Ist angesichts dieser Häufung die Vermutung abwegig, dass Alzheimer in einem großen kosmischen Plan, den wir nicht kennen, eine »normale« Entwicklung im Lebenskreis des Menschen darstellt ?
Trotz aller Probleme, die es heute für alte Menschen gibt: Die betrüblichen Erfahrungen sollen uns nicht entmutigen. Vor allem dürfen wir uns nicht damit abfinden, dass das Altwerden unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht dem Ideal eines schönen, friedlichen Lebensabends entspricht. Allerdings ist die Hoffnung auf eine rasche Wende nicht besonders groß, weil die Menschen durch die jahrzehntelange materielle Überbetonung ihres Lebens in eine Erstarrung geführt wurden, die sich nicht von heute auf morgen auflösen lässt. Mit ihren 60, 70 oder 80 Lebensjahren stecken die meisten Menschen längst in einer Falle, aus der sie kaum noch herauskommen; sie sind Teil eines Systems geworden, das ihnen ein sinnvolles, glückliches Leben vorenthält.
Der Wandel ist nur langfristig möglich. Alt werden im Licht der Abendsonne – für die meisten ist das gegenwärtig nur ein unerfüllter Traum. Um ihn Wirklichkeit werden zu lassen, darf der Mensch nicht warten bis zum Renteneintritt, sondern muss sein Leben schon frühzeitig so gestalten, dass er das Alter selbstbewusst und mit heiterer Gelassenheit erleben kann. Das erfordert eine Weichenstellung, die bereits in der Lebensmitte erfolgen muss. Viele werden sich fragen: Ist so ein Wandel überhaupt möglich, wenn gerade in der Mitte des Lebens die Probleme im Beruf und in der Familie im Vordergrund stehen? Natürlich ist es nicht leicht, aus den alten Verhaltensmustern auszubrechen. Doch ein langer, friedvoller Lebensabend ist dafür der wunderbare Lohn. Und: Dazu gibt es keine Alternative! Wer im Alter nicht in der materiellen Versorgungs-Maschinerie geistig und seelisch verelenden will, hat gar keine andere Wahl, als sich rechtzeitig auf einen spirituellen Weg zu begeben.
Am 5. Dezember 2009 feierte Josefine Wagner, die Wirtin des Gasthauses »Zur Linde«, das in Winkl neben dem Europakloster Gut Aich liegt, ihren 100. Geburtstag. Die Lindenwirtin ist – trotz der Mühsal und der Schwierigkeiten, die es auch in ihrem Leben gab – in Würde und mit Freude alt geworden. Leider ist solch ein erfüllter Lebensweg nicht allen gegeben – im Gegenteil: Viele Menschen fühlen sich im Alter oft unnütz und ohne Perspektive. Die Wurzeln dieser traurigen Schicksale liegen meist in der Vergangenheit, weil die Menschen wenig für ein sinnvolles Leben getan haben. Sie haben ihre Aufmerksamkeit viel zu einseitig auf Äußerlichkeiten ausgerichtet und dabei vergessen, dass ihre materialistische Lebensführung mit zunehmendem Alter erhebliche Probleme aufwirft.
Josefine Wagners Lebensweisheit ist ein einfaches, aber wunderbares Beispiel für sinnvolles Altwerden – und man fragt sich, was Mensch und Gesellschaft ändern müssen, damit möglichst viele im Alter ähnlich zufrieden und glücklich sind wie die Lindenwirtin.
Mit dieser Frage setzen wir uns im vorliegenden Buch auseinander. Natürlich nehmen wir nicht in Anspruch, das komplizierte Altersproblem lösen zu können. Aber wir versuchen, Anregungen zu geben und die Menschen zu ermutigen – zu einer verantwortungsbewussten Lebensgestaltung, die schon lange vor dem Renteneintritt beginnen kann und den Menschen im Alter trägt. Um den Weg in die spätere Erstarrung zu vermeiden, sollte ein Mensch bereits im Alter zwischen 40 und 50 Jahren mit der bewussten Gestaltung seines Lebens beginnen – hin zu einer Spiritualität, die ihn in der späten Abendsonne wärmt. Dieses Umdenken in der Lebensmitte leitet einen Wandel ein, der dem Älterwerden Sinn gibt. Es ist der Aufbruch zu einer Spiritualität, die die Beziehung des Menschen zu sich selbst, zu anderen und zur Schöpfung fördert, die Achtsamkeit und Demut erfordert.
In vielen Kapiteln des Buches ergänzen wir unsere Gedanken mit Zitaten der Lindenwirtin Josefine Wagner, die ihr gutes Leben oft verblüffend einfachen Weisheiten verdankt, und mit kleinen, oft humorvollen Geschichten aus dem alltäglichen Leben. Wir wollen mit diesen Zitaten und Geschichten zeigen, dass alles Denken und Tun erst dann Sinn macht, wenn es dem Menschen zu einem guten Leben verhilft.
Ein junger Mönch bemühte sich, seinen Mitbrüdern fundierte theologische und spirituelle Vorträge zu halten. Es waren etwa 50 Männer, die – aus ihrer Arbeit herausgerissen – mehr oder weniger konzentriert seinen Ausführungen folgten. Dabei fiel ihm einer besonders auf, weil er mit großer Aufmerksamkeit jedem seiner Vorträge folgte und stets sehr konzentriert versuchte, den Inhalt zu verstehen. Es war der alte pensionierte Pförtner des Klosters.
Eines Tages fragte ihn der junge Mönch, ob er denn mit seinen Gedanken etwas anfangen konnte. »Ja, ja«, meinte der Pförtner, »die Vorträge sind sehr gut – ausgezeichnete Gedanken finde ich in ihnen. Früher habe ich mich selbst mit dem heiligen Augustinus und Thomas von Aquin beschäftigt – die sind auch gut gewesen. Aber hilft das alles gegen meine geschwollenen Füße?«
Der junge Mönch war ziemlich betroffen. Sollten denn geistliche Übungen gegen geschwollene Füße helfen?! Oder hatten Freude und Leid, Schmerz und geschwollene Füße vielleicht doch etwas mit spirituellen Übungen zu tun? Manchen selbst ernannten Eliten in Kunst und Wissenschaft mag es wie dem zunächst sprachlosen Mönch ergehen: Sie denken nicht an die geschwollenen Füße der Menschen, weil sie nur um sich selbst kreisen.
Aber Spiritualität ist nicht akademisch und intellektuell, sondern muss sich in irgendeiner Weise immer auch auf das wirkliche Leben auswirken – bei unserem Pförtner also auf seine geschwollenen Füße. Spiritualität macht den Menschen offen und sensibel, sie schenkt ihm Freude oder Nachdenklichkeit, Glücksgefühle und manchmal auch die schmerzvolle Erkenntnis, dass er sein Leben ändern muss. Es gibt nicht wenige Philosophen, die sich zwar theoretisch tief in Erkenntnisse des Geistes hineingebohrt haben, aber ihr rein verkopftes Denken hatte keine Auswirkungen auf ihr Leben. Im Gegensatz dazu durchdringt eine spirituelle Grundhaltung den ganzen Menschen und all seine Lebensbezüge. Sie wirkt sich gleichermaßen auf seelische, geistige und körperliche Zustände aus. Dies ist also kein lautloser, intellektueller oder abstrakter Prozess, sondern einer, der konkret im Leben spürbar ist.
Ein guter Lebensrhythmus gibt dem Leben des Menschen Stabilität und Sicherheit – und ermöglicht zugleich, dass er seelisch und geistig wachsen kann. Ein Lebensrhythmus ist nichts abgehoben Geistliches, das der Mensch nur nach langer Askese in lichtvoller Entrückung erfährt, sondern schlicht das harmonische Zusammenspiel von Körper und Seele. Dazu gehören der Rhythmus des Atems und des Herzens, die richtige Balance von Wachsein und Schlafen, von Spannung und Entspannung, von Bewegung und Ruhe, von Arbeit und Pause. Auch sinnvolles Essen und ein Leben im Rhythmus der Jahreszeiten geben dem Menschen innere Ausgeglichenheit und Stabilität.
Diese einzelnen Rhythmen, die im Idealfall zu einem großen Ganzen zusammenfließen, sind natürlich nicht nur im Alter wichtig, sondern in allen Phasen des Lebens. Sie verändern sich im Laufe der Jahre: Ein junger Mensch hat – und braucht! – andere Rhythmen als sein Großvater. Doch noch wichtiger als diese Erkenntnis ist die Tatsache, dass man die eigenen Lebensrhythmen nicht geschenkt bekommt, sondern sie erlernen und einüben muss. In jüngster Zeit ist leider vielen Menschen das Gefühl für diesen Entwicklungsprozess verloren gegangen. Im Stress unseres schnellen und oberflächlichen Lebens haben die meisten vergessen, wie wichtig ein ausgewogener Rhythmus ist. Kaum jemand kümmert sich bewusst um seine Rhythmen. In jungen Jahren ist diese Missachtung noch verständlich: Kinder, Heranwachsende und aufstrebende Erwachsene haben anderes im Kopf als die Einübung spiritueller Grundhaltungen. Sie strotzen vor Kraft und wollen das Hier und Jetzt genießen. Doch je älter der Mensch wird, desto mehr spürt er eine Sehnsucht, die sich allein in der Konsumwelt nicht mehr erfüllen lässt. Meistens sind es gesundheitliche Störungen, Stress oder Konflikte in der Familie und in der Arbeit, die ihn zu der Einsicht gelangen lassen, dass Geld, ein schöner Urlaub, das tolle Auto und die berufliche Karriere nicht alles im Leben sind. Was also tun?
Mit dieser Frage befindet sich der Mensch schon mittendrin in der Auseinandersetzung mit seinen Lebensrhythmen. Die ersten Verschleißerscheinungen, die in der Regel zwischen 40 und 50 auftreten, sind häufig der Auslöser fürs Umdenken. Vielen Menschen wird jetzt bewusst, dass ihr Leben mehr Ordnung, mehr Rhythmus braucht. Ohne Ausgewogenheit geht jeder Organismus kaputt. Am Auto und an anderen Maschinen kann man die Störungen leicht erkennen, Menschen dagegen sind komplizierte Wesen, weshalb die Selbstbeobachtung besonders sorgfältig sein muss. Oft ist es sehr schwierig, die ungleiche Verteilung im eigenen Leben festzustellen und bewusst nach Wegen zu suchen, um die verlorene Ordnung wiederzufinden.
Wir Menschen leben in der Illusion, dass wir unbegrenzte Freiheiten besitzen und tun und lassen können, was wir wollen. Doch diese Ideologie der Willkür tut niemandem gut – ohne Ordnung ist ein harmonisches Leben nicht möglich. Gemeint ist keine übertriebene, »militärische« Ordnung, sondern ein Rhythmus, der dem Leben guttut, weil er im Menschen Wachstum und Entfaltung fördert. Du musst also mit deinem Körper und deiner Seele maßvoll umgehen, sonst überforderst du dich. Die Organe, die Nerven, die Sinne – sie alle verlassen sich darauf, dass du mit ihnen ordentlich und verantwortungsbewusst umgehst, damit ein ausgewogener Lebensrhythmus entstehen kann. »Ordnung ist das halbe Leben« heißt es in einer alten Volksweisheit. Vielleicht kann man die Ordnung auch so verstehen, dass sie zumindest für die zweite Lebenshälfte unverzichtbar wird. Ordnung zu schaffen, ist ein bewusster Vorgang, den man sogar beim Blick ins eigene Zimmer versteht: Unordnung entsteht scheinbar von selbst, weil jeder schnell mal da und dort etwas hinlegt, aber das Aufräumen ist ein aktiver Prozess.
Seinen Rhythmus bewusst zu beachten, ist keine typische Aufgabe fürs hohe Alter, sondern gilt schon in der vorherigen Lebensphase: Je eher ein Mensch damit beginnt, desto besser! Die Erfahrung zeigt, dass es sinnvoll ist, ab der Mitte seines Lebens die Fundamente dafür zu legen, denn im Alter ist es viel schwieriger, mit der kreativen Gestaltung seiner Lebensordnung zu beginnen. Deshalb sollte man die Rhythmen schon frühzeitig einüben, damit sie – im wahrsten Sinn des Wortes – als natürlicher Bestandteil des Lebens »verinnerlicht« werden. Mit diesen Rhythmen, die nicht nur Rentner und Pensionäre betreffen, sondern Menschen jeden Alters, beschäftigen wir uns im folgenden Kapitel.
Für unseren Hausbau haben wir von der Grube eine Fuhre Schotter bekommen. Den Schotter habe ich auf einen Wagen geschaufelt und zu uns gebracht. Und dann haben wir einmal ein paar Säcke Zement gekriegt. Daraus habe ich Ziegel gemacht – 2000 Stück, alle mit der Hand: ein Sack Zement auf vier Scheibtruhen1Schotter und fünf Scheibtruhen Kollitsch2, dann zwei, drei Mal wie einen Kuchenteig durchmischen und rein in eine Eisenform. 2000 Ziegel habe ich selbst gemacht, zehn musste ich noch dazukaufen. Wenn man auf die gekauften Ziegeln draufgehauen hat, ist gleich ein Stück abgebrochen – die waren porös. Aber wenn man auf meinen Ziegel draufgehauen hat, haben die Funken gespritzt.
Lindenwirtin Josefine Wagner
Egal, ob wir alt oder jung sind: Unser Leben unterliegt einem Rhythmus – im Körper und in der Seele. Und weil sich Leib und Seele nicht voneinander trennen lassen, ist der gemeinsame Rhythmus so wichtig. Auch das Leben im Alter braucht einen vernünftigen Rhythmus, der dem Menschen eine ordnende Struktur gibt.
Viele Menschen befürchten, dass sich ihr Körper im Laufe der Zeit nur zum Schlechten verändert, weil er sich mit zunehmendem Alter verbraucht, weil die Kräfte schwinden und immer öfter etwas wehtut. Diese körperlichen Anzeichen gehen einher mit Stimmungen, mit Hochs und Tiefs. Rhythmus und Stimmung gehören zusammen. Sie sind die innere Ordnung für die Einheit von Körper und Seele.
Tag für Tag wird unser Leben von Rhythmen bestimmt: Der Mensch steht auf, bewegt sich, isst und trinkt, ruht sich aus, legt sich nieder zum Schlafen. Wer seinen Rhythmus nicht beachtet oder sich gar gegen ihn stellt, lebt auf Dauer gefährlich, weil er das Leben der Beliebigkeit überlässt. Das gilt für Menschen in jeder Lebensphase. Deshalb ist es sinnvoll, seine eigenen Rhythmen nicht erst im Alter zu beachten, sondern schon lange vorher. Wer es versäumt hat, seine Rhythmen frühzeitig einzuüben und entsprechend zu leben, braucht aber nicht zu resignieren: Er kann jederzeit damit beginnen und sein weiteres Leben freudvoller und ausgewogener gestalten – eine wunderbare Chance auch für alte Menschen. Sie werden es am eigenen Leib spüren, wenn sie ihr Leben eigenständig gestalten, indem sie bewusst die Rhythmen ihres Lebens wahrnehmen. Denn wenn Leib und Seele in Balance sind, lassen sich selbst kritische Zeiten gut überstehen.
Ein ausgewogener Lebensrhythmus löst auch die vielen körperlichen und psychischen Erstarrungen wieder auf, die sich im Laufe des Lebens bei vielen Menschen gebildet haben. Leider sind manche alte Menschen und ihre Betreuer in die Hände von bürokratischen Quälgeistern geraten, die alles vorschreiben, verwalten, lähmen. Wenn sich diese Situation verbessern soll, muss das gesamte System von der überzogenen Bürokratie befreit werden; denn die falschen Propheten wollen uns weismachen, dass man für ein sinnvolles Leben eine Unmenge an Formularen und Regelungen braucht. Dieser Trugschluss führt dazu, dass die Menschen übermäßig »verwaltet« werden und häufig keine Chance haben, ihr Leben selbst zu gestalten. Wie Mehltau liegen die bürokratischen Vorschriften über dem Schicksal gerade der älteren Menschen.
Einen wirklich zufriedenen Lebensabend kann man offenbar nur dann erreichen, wenn man sich aus den Fängen der Bürokratie befreit und schon zur Lebensmitte einen Weg einschlägt, der nicht im administrativen Gestrüpp endet, sondern auf Schritt und Tritt spirituelle Impulse gibt. Wer erst im Alter anfängt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und sinnvoll zu gestalten, hat es schwer. Einsicht kommt dann, wie die Entwicklung zeigt, in den meisten Fällen zu spät; denn der alte Mensch ist längst in die Fänge des Systems geraten. Als besonders deprimierend erweist sich dabei, dass »das System« selbst überhaupt keine bösen Absichten verfolgt, sondern im guten Glauben handelt, den Alten einen angenehmen Lebensabend zu bereiten. Aber in der Realität entpuppt sich dieser Wunsch meist als Illusion.
Der Mensch ist ein spirituelles Wesen. Er spürt besonders im Alter, dass er zwar eine gewisse materielle Sicherheit braucht, weil seine Kräfte und seine Gesundheit allmählich schwinden – doch er hat Angst davor, in eine fremdbestimmte Versorgungs-maschinerie hineinzugeraten, die ihm jede Eigengestaltung versperrt. Glücklicherweise lebt die Mehrzahl der alten Menschen nicht in Heimen, sondern noch im Kreis ihrer Familien oder kommt allein zurecht. Aber auch diese Menschen sollten sich immer wieder mit der Frage auseinandersetzen, ob sie ihr früheres Leben wirklich bewusst gestaltet oder sich selbst nur »verwaltet« haben. Es ist lohnenswert, vor dem Einschlafen darüber nachzudenken, ob es tagsüber gelungen ist, ein eigenes Leben zu führen – dies mit Blick auch auf die ganz einfachen Dinge: beim Kochen, bei den Hausarbeiten, in der Strukturierung des Tages, in der Beziehung zu anderen. Denn allzu leicht tappt der Mensch in Fallen und versorgt sich gedankenlos mit Fertiggerichten, vertraut blind jeder Tablette und lässt sich widerstandslos von allen möglichen Menschen und Ratschlägen steuern. So degradiert er sich selbst zu einer anonymen Nummer, die auf Versicherungsscheinen, Bankkonten und Behördenformularen »verwaltet« wird.
Die Sehnsucht nach individueller Lebensgestaltung endet leider oft in einer Sackgasse. Zum Beispiel verführt der weit verbreitete Jugendwahn Männer wie Frauen dazu, ihr Altwerden durch schier unerschöpfliche Verjüngungsmethoden im Sinne des »Anti-Aging-Trends« zu verbergen. Dann wird »Selbstgestaltung« oft verwechselt mit einer Neugestaltung durch den Schönheitschirurgen: Augenlider werden gestrafft, Nasen korrigiert, Falten an Mund und Hals fallen dem Skalpell zum Opfer, es gibt neue Silikonbrüste, Fett wird abgesaugt. Im Jungbrunnen der »Beauty-Klinik« soll die Zeit angehalten oder sogar zurückgestellt werden. Frisch geliftet, grell geschminkt und mit Glitzerschmuck behängt, präsentiert sich dann manche Blondine im Minirock ihren Enkelkindern, die ihre radikal verjüngte Oma kaum noch wiedererkennen.
Der Ausbruch aus dem verwalteten Leben soll nicht missverstanden werden: Denn die Ermutigung, sein Leben eigenständiger zu gestalten, heißt ja nicht, dass der Mensch plötzlich alle Vorschriften ignoriert und sich zum ungezügelten Lebenskünstler wandelt. Eine Gesellschaft braucht selbstverständlich Regeln, sonst treibt sie auf ein Chaos zu. Niemand darf die Schilder im Straßenverkehr missachten, andere betrügen, verletzen oder töten. Das eigene Leben zu gestalten bedeutet, innerhalb durchaus sinnvoller Regeln und Strukturen Freiräume zu entdecken, die man für sich selbst kreativ nutzen kann. Nur ein Übermaß an Verwaltung ist gefährlich, weil es den Lebensrhythmus der Menschen verändert, und zwar einseitig nach den Vorstellungen der Administration. Bestes Beispiel dafür sind Kliniken und Altenheime: Dort wird der Tagesablauf so geplant, dass er kostengünstig und möglichst reibungslos funktioniert. Ob das morgendliche Wecken oder die festgelegten Essenszeiten dem Patienten guttun, scheint nicht so wichtig zu sein – Hauptsache, der Rhythmus der Verwaltung läuft rund! Trotzdem sollte sich der alte Mensch von solchen festgefahrenen Strukturen nicht entmutigen lassen, denn solange er lebt, kann er sein Denken, sein Handeln und seinen Tag gestalten. Das gilt nicht nur für jene, die sich allein versorgen oder im Kreis der Familie leben, sondern auch für Pflegebedürftige, die stationär oder mobil betreut werden. Gerade Menschen, die in ihrer körperlichen Bewegung eingeschränkt oder gar gelähmt sind, dürfen sich nicht aufgeben. Denn selbst in verzweifelten Lagen kann der Mensch sein Leben durch sein Denken und Fühlen beeinflussen. Die meisten Menschen haben schon schwierige Zeiten durchgemacht und konnten die Probleme meistern, weil sie ihr Leben voller Zuversicht selbst in die Hand genommen und es nach ihren Vorstellungen gestaltet haben – mit ihrer Erfahrung, mit neuen Ideen und kreativer Kraft.
Die Anregung zu kreativem Engagement ist für jeden Menschen sinnvoll, zugleich nützt sie auch der gesamten Gesellschaft. So ist zum Beispiel die jahrzehntelange Berufserfahrung frischgebackener Rentner ein Kapital, das der Staat für seine vielfältigen Aufgaben und das Gemeinwohl gut brauchen kann. Daher ist es unverständlich, dass staatliche Einrichtungen, aber auch Wirtschaftsunternehmen oder soziale Institutionen diese beruflichen und persönlichen Erfahrungen aus einem langen Leben nicht besser nutzen.
Im Alter ist die bewusste Gestaltung des eigenen Lebens besonders wichtig, um nicht zu verkümmern. Dazu gibt es heute vielfältige Angebote: Koch- und Computerkurse, Seniorentreffs, geführte Wanderungen, Museumsbesuche, Kräuterseminare, die Mitarbeit in Vereinen oder moderne Wohnprojekte wie Mehrgenerationenhäuser, in denen junge und alte Menschen unter einem Dach leben. Noch klüger ist es natürlich, gar nicht erst bis ins hohe Alter zu warten, sondern bereits frühzeitig damit zu beginnen, sinnvolle Aufgaben zu übernehmen und ein Leben nach weitgehend persönlichen Vorstellungen mit eigenen Gedanken und Zielen zu führen.
Die Überbürokratisierung des Alltags jedenfalls ist unmenschlich, sie kostet Zeit und Nerven, ist teuer und führt die Menschen in eine Erstarrung des Leibes und der Seele.
Die Altenpflege ist leider in ein Kontrollsystem hineingeraten, das sich vor allem aus gegenseitigem Misstrauen speist. Jeder Handgriff am Patienten muss schriftlich protokolliert werden, damit dem Betreuer bloß kein Cent zu viel vergütet wird! Ob Caritas, Diakonie oder andere Sozialeinrichtungen: Statt den Helfern vernünftige, angemessen gestaffelte Pauschalen zu zahlen, weil man ihnen vertraut und ihre Arbeit schätzt, unterstellt man ihnen offenbar betrügerische Absichten und zwingt sie zu einem unerträglichen Formular-Aufwand, damit aufseiten der Kostenträger oder des Staates ein Heer von Kontrolleuren alles auf Punkt und Komma nachprüfen kann. Höchste Zeit, dass in diesem System endlich die Schalter von »Misstrauen« auf »Vertrauen« umgelegt werden. Dann hätten die Pfleger wieder mehr Zeit für ihre eigentliche Aufgabe, nämlich die alten Menschen nicht nur fachkundig, sondern auch liebevoll zu umsorgen, ohne dauernd auf die Uhr oder auf den Fragebogen schauen zu müssen. Der oft zitierte Pflegenotstand wäre dann wahrscheinlich mit einem Schlag beendet!
Es ist ein alter Brauch, zum Osterfest rohe Eier auszublasen. Dazu sticht man die Eier oben und unten mit einer Nadel an und pustet kräftig in die kleine Öffnung, damit Dotter und Eiweiß herausfließen. Dann werden die Eier bunt bemalt und mit Fäden an die Zweige eines Strauchs gebunden. In einer Vase im Wohnzimmer oder draußen vor der Haustür kündigt der Osterstrauch den Frühling an.
Wer selbst schon einmal Eier ausgeblasen hat, weiß, wie anstrengend das ist. Die 43-jährige Margarete, Hausfrau und Mutter, kann ein Lied davon singen. Letztes Jahr taten ihr schon nach dem vierten Ei die Backen so weh, dass ihr Mann Andreas helfen musste. Der sollte nun die 23 restlichen Eier ausblasen. Ein bisschen mürrisch beugte er sich über die Eier, stach eines nach dem anderen oben und unten mit der Stecknadel an und blies und blies und blies. Nach dem elften Ei begann er zu schwächeln. Vor lauter Anstrengung wurde sein Kopf dunkelrot und vor seinen Augen begann sich alles zu drehen. Als er endlich fertig war, erklärte Andreas erschöpft: »Nächstes Jahr soll der Friedrich die Eier ausblasen, dann muss ich mich nicht mehr so plagen!«
Der Friedrich, ein im Dorf bekannter Mann Mitte 50, hatte mächtig Kraft in den Backen und eine Lunge wie ein Pferd. Seit 32 Jahren war er Mitglied im Posaunenchor. Wenn am Sonntag in der Kirche »Großer Gott, wir loben dich« gespielt wurde, konnte man ihn mit seiner Posaune immer heraushören – so fest war sein Ansatz am Mundstück. War der Friedrich in Form, schaffte er es sogar bis zum hohen C hinauf. Oft musste er die Kirche alleine beschallen, wenn den anderen Posaunisten mitten im Stück wieder einmal die Luft ausgegangen war. Und wenn bei der Beerdigung am offenen Grab »So nimm denn meine Hände« geblasen wurde, dann hielt der Friedrich seinen Ton so lange, bis es den anderen Posaunisten beinahe schwarz vor Augen wurde. Aus seinem Instrument ließ er immer die herrlichsten Töne erschallen.
So kam es, dass der Friedrich – der leider seit einiger Zeit arbeitslos war – im nächsten Jahr zur Osterzeit nicht nur bei Margarete und Andreas, sondern bei vielen anderen Familien im Dorf anzutreffen war. Vor ihm türmten sich stets Berge von rohen Eiern, die den Osterstrauch schmücken sollten. Er setzte Ei für Ei wie seine Posaune an die Lippen und presste das rohe Eiweiß und den Dotter gekonnt heraus, sodass sie in einem dünnen Strahl in die Schüssel vor ihm flossen. Der Friedrich ging von Haus zu Haus und wohin er auch kam – alle waren zufrieden. Als Lohn gaben ihm die Dorfbewohner mal ein paar Flaschen Bier oder einen Presssack, mal einen Kuchen und ab und zu auch etwas Geld mit. Auch der Friedrich selbst freute sich – weil er sein Talent nicht nur zum Posaunespielen, sondern auch zum Eierausblasen nutzen und anderen Menschen damit helfen konnte.
Als echter Posaunist ist der Friedrich halt ein vielseitiger Künstler: Vor Ostern verdiente er sich fortan ein kleines Zubrot beim Eierausblasen – und am Ostersonntag bei der Auferstehungsfeier in der Kirche spielte er wieder für Gottes Lohn.
Am gescheitesten ist es, dass man friedlich mit allen zurechtkommt. Um des Friedens willen soll man sich zurückhalten, denn das Grobe schadet uns ja am meisten selbst. Manches muss man auch schlucken, aber nicht vergessen: zuerst beißen, dann verdauen – und ausscheiden, was man nicht brauchen kann.
Lindenwirtin Josefine Wagner
Jeder Mensch ist ein einmaliges Wesen – es gibt keine zwei, die zwischen Geburt und Tod ein völlig identisches Leben führen. Dennoch haben die Erfahrungen in allen Kulturen gezeigt, dass die Lebensrhythmen der Menschen erstaunlich viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Diese Erkenntnis beruht auf jahrtausendealten Beobachtungen – und daraus wurde ein Lebensmodell entwickelt: der berühmte »Siebener-Rhythmus«. Er geht davon aus, dass ein Mensch ab seiner Geburt alle sieben Jahre in einen anderen Lebensabschnitt wechselt. Ein Übergang wird jeweils begleitet von neuen Erkenntnissen und Grundhaltungen. Interessanterweise wurden diese uralten Erfahrungen inzwischen auch von der modernen Psychoanalyse weitestgehend bestätigt.
Der Siebener-Rhythmus kann dem Menschen gute Anregungen geben, wie er auch das Altsein mit Freude erlebt. Je mehr sein eigener Lebensverlauf den Erfahrungen der Siebener-Rhythmen entspricht, desto wahrscheinlicher ist es, dass er sich einer Spiritualität öffnet, die seinem Lebensabend Sinn gibt. Zu starke Abweichungen von diesen Rhythmen scheinen dagegen die Gefahr zu erhöhen, dass die Entwicklung des Menschen mehr und mehr auf einen Irrweg führt – mit sehr negativen Folgen für das Leben im Alter.
Beim Siebener-Rhythmus geht es um Beobachtungen, die den Menschen in Beziehung zu den Rhythmen der Schöpfung bringen. Daraus werden Einflüsse auf sein Leben abgeleitet, zum Beispiel der von Sonnenlauf und Erdrotation verursachte Wechsel von Tag und Nacht oder die Kräfte, die von Planeten wie dem Mond auf Menschen, Tiere und Pflanzen einwirken. Solche Erfahrungen werden seit Menschengedenken mit dem Kosmos verknüpft und bestimmten Sternzeichen oder Planeten zugeordnet. Diese Beobachtungen haben nichts zu tun mit einer Astrologie, die in Horoskopen den Einfluss der Gestirne auf das Schicksal eines Menschen voraussagt. Vielmehr haben die Menschen mithilfe der Sternbilder versucht, ihre Erfahrungen zu transzendieren und sich in Beziehung zu einer universalen Schöpfung zu setzen. In Demut erkennt der Mensch, dass er nicht nur mit der Natur verbunden ist, die ihn unmittelbar umgibt, sondern dass alles menschliche Leben in eine allumfassende Ordnung eingebunden ist.
Aus den kosmischen Bewegungen und dem Lauf der Gestirne wurde für den Menschen ein Rhythmus abgeleitet und interpretiert. Nach dieser mythologischen Vorstellung gibt es in der Schöpfung Abläufe, die dem menschlichen Leben entsprechen. Im Siebener-Rhythmus werden solche Beobachtungen beschrieben.
Unser Körper wandelt sich ständig. Zellen, Gewebe und Organe wachsen, reduzieren sich irgendwann, sterben ab und bilden sich neu. Es heißt, dass sich der menschliche Körper alle sieben Jahre zum Großteil erneuert.
Anders verläuft dagegen der seelische Prozess: Er unterliegt einer ständigen Höherentwicklung. Das geistige Leben wird immer weiter und reift – bis zu einem erstaunlichen Grad von Vollendung, den ein Mensch trotz seiner Unvollkommenheit erreichen kann. Menschen werden dann weise, sie leben in heiterer Gelassenheit. Dieses seelische Wachstum geht einher mit dem zunehmenden Verfall des Körpers. Vermutlich bedingen die beiden gegenläufigen Entwicklungen einander: Das geistige Wachstum speist sich aus dem Körper, der immer mehr abbaut.
Im hohen Alter wird der Mensch schließlich unabhängig und frei. Es ist ihm egal, was andere über ihn denken, weil er nicht mehr in einem Verhaltenskorsett gefesselt ist. Dieser Mensch fürchtet auch den Tod nicht. Er hat sein Leben gelebt, verarbeitet und angenommen.
Die einzelnen Siebener-Rhythmen hängen eng miteinander zusammen. Jede Entwicklungsphase des Menschen hat ihre Ursachen in vorangegangenen Ereignissen. Für unser Thema, das Altwerden, sind vor allem die Sieben-Jahres-Rhythmen nach dem 42. Lebensjahr von Interesse, weil spätestens jetzt, in der Mitte des Lebens, der spirituelle Weg ins Alter seinen Anfang nehmen sollte. Was geschieht in dieser Lebensphase – und warum sollten wir schon jetzt beginnen, uns aufs Alter vorzubereiten?
Die Erfahrungen mit dem Siebener-Rhythmus zeigen, dass der Mensch mit 42 Jahren einen Lebensabschnitt hinter sich gebracht hat, in dem er vor Energie nur so sprühte. Dabei ging es vor allem um Macht, Karriere und Durchsetzungskraft. Männer und Frauen haben um ihren Platz im Leben gekämpft, viele ihrer Ziele und Träume verwirklicht. Es war auch die Zeit der jungen Wilden, die mit den Menschen, die sich ihnen in den Weg stellten, kurzen Prozess machten. Schneidige Bankmanager, Agentur-Chefinnen, erfolgreiche Jungunternehmer, Yuppies auf dem Karriere-Trip und smarte Typen aus Politik und öffentlichem Leben – oft sind sie rücksichtslos ihren Erfolgsweg gegangen.
Beziehungen konzentrieren sich in dieser Zeitspanne vor dem 42. Lebensjahr vor allem auf den Beruf und seine Kampffelder. Bei Männern gilt die berufliche Selbstverwirklichung als selbstverständlich und legitim, während Frauen gern in die Ecke der Emanzipation gestellt werden. Frauen verspüren häufig den Wunsch, sich aus der Abhängigkeit von Mann, Familie und Kindern zu lösen; in diesem Lebensabschnitt gibt es die meisten Trennungen und Scheidungen. Aber auch als Mutter und Hausfrau braucht die Frau Kraft, um sich durchzusetzen – gegenüber ihren heranwachsenden Kindern und gegenüber ihrem Mann.
Doch in dieser Phase seines Lebens erfährt der Mensch auch, dass Erfolgsdenken und Unnachgiebigkeit nicht immer zum Erfolg führen. Manches lässt sich leichter erreichen, wenn man besonnen vorgeht. Klugheit und Zurückhaltung werden zu neuen Tugenden. Der Mensch erlebt Konflikte, lernt das Scheitern und erste Niederlagen kennen.
In der Mitte des Lebens beginnt ein doppelter Siebener-Rhythmus. Die Zeit zwischen dem 42. und dem 56. Lebensjahr ist geprägt von wichtigen Einsichten und spirituellen Perspektiven. Männer und Frauen können in dieser Phase den Grundstein für ein gutes Leben im Alter legen, denn die bewusste Hinwendung zur Spiritualität wirkt wie ein Samen, der eines Tages reiche Früchte trägt.
Der Mensch erkennt, dass seine kämpferischen Bewegungen allmählich zur Ruhe kommen und dass es im Leben nicht mehr allein um Auseinandersetzungen, um Siege oder Niederlagen geht. In der ersten Lebenshälfte lag der Schwerpunkt vor allem auf Äußerlichkeiten: Es zählen in erster Linie die berufliche Karriere, das eigene Haus, Autos und Urlaube, Partys und Events, außerdem die Familiengründung, das Heranwachsen der Kinder, der Freundeskreis.
In der Lebensmitte geschieht fast immer eine Wende. Jetzt wird der Mensch konfrontiert mit Ereignissen, die sein Leben durcheinanderbringen. Oft sterben in dieser Zeit die Eltern und gute Freunde, nicht selten scheitert die Ehe, die Kinder verlassen das Elternhaus und gehen ihre eigenen Wege. Im Beruf steigen die Anforderungen, man wechselt die Arbeitsstelle, Kündigung und Entlassung drohen – und der Mensch spürt die beginnenden Verschleißerscheinungen an Körper und Seele. Es ist eine Zeit, in der ihm die ersten tiefen Verlusterfahrungen die eigene Begrenztheit vor Augen führen. Ab Mitte 40 kommt häufig die Einsicht, dass einem das Leben vieles vorenthalten hat, und es tun sich Fragen nach dem Sinn auf.
Jetzt hat der Mensch die Möglichkeit, zu sich selbst zurückzufinden, nachdenklicher zu werden, sich der Spiritualität und vielleicht dem Glauben zu öffnen. Auf jeden Fall hat er die Möglichkeit, seinen Weg langsamer zu gehen und das Leben gelassener zu betrachten. Ihm wird bewusst, dass das Wachstum nicht unendlich ist, sondern dem Werden und Vergehen unterliegt.
Die starken Spannungen, die bisher das Leben und den Erfolg bestimmt haben, lösen sich allmählich, das kämpferische Element weicht einer gelasseneren Einstellung. In dieser Lebensphase erkennt der Mensch Zusammenhänge, die er bisher kaum beachtet hat. Jetzt kann er sein Leben mit mehr Ruhe und Distanz betrachten. Die Ziele verlagern sich an der Schwelle zur zweiten Lebenshälfte mehr und mehr von außen nach innen, der Blick richtet sich zusehends weg von der Erde – hin zu Höherem. Der Mensch wird bereit, anderen zu helfen, und zwar aus ehrlicher Überzeugung heraus und nicht mehr nur aus Berechnung, wie das früher oft der Fall war. So ist es ganz natürlich, dass sich Männer und Frauen mehr mit ihrem Schicksal und mit der Frage nach dem Sinn des Lebens beschäftigen – es sind erste Schritte auf dem Weg zu Weisheit.
Doch leider nehmen viele diese ganz natürliche Wandlung in der Lebensmitte nicht als Chance wahr und reagieren falsch. Sie weigern sich, in ihr Inneres hineinzuschauen, und treten die Flucht an. Meistens stürzen sie sich dann noch stärker auf die Äußerlichkeiten der Welt und wollen mit Gewalt alles verbessern und verschönern. Dabei werden sie oft rücksichtslos, rechthaberisch oder sogar tyrannisch. Firmenbosse kleben dann an ihrem Chefsessel und sind nicht bereit, der jüngeren Generation die Verantwortung zu übergeben. Sie bilden sich ein, sie seien unersetzlich und müssten weiterkämpfen. Andere bleiben eisern in ihrer bisherigen Einstellung verhaftet, wollen bewusst nichts verändern oder erneuern – und erstarren dabei. Doch auch die gegenläufige Tendenz wird oft sichtbar: eine Flucht in die Rastlosigkeit, in der die Menschen alle bisherigen Lebensformen über Bord werfen und sich von einem Experiment ins nächste stürzen.
Menschen zwischen Anfang 40 und Mitte 50 nehmen solche Störungen häufig nicht wahr, weil sie in diesem Alter körperlich meist noch ziemlich fit sind und kaum an Gebrechen leiden. Die gute physische Verfassung kann aber darüber hinwegtäuschen, dass der Mensch in dieser Phase seines Lebens eine allmähliche Abwendung vom Körperlich-Materiellen hin zu seelischen und geistigen Entwicklungen braucht. Wenn er seine Emotionen nicht lebt und seine geistige Entwicklung missachtet, wenn er sich weiterhin hetzen und treiben lässt, wenn er den alten Zeit-und Erfolgsdruck nicht in mehr Gelassenheit umwandelt, wenn ihm der Stress wie eh und je das Leben vergällt und er nicht zu innerer Ruhe finden kann, dann verliert der Mensch seinen Rhythmus, seine Ausgeglichenheit, seine Mitte. Wer den Wandel missachtet, stört seinen natürlichen Lebensrhythmus und öffnet allen möglichen Krankheiten Tür und Tor.
Leider ist bei vielen Menschen die Bindung an konventionelle Sicherheiten stärker als ihre Bereitschaft zur Veränderung, zum Schritt auf die nächste Stufe des Lebens. Dann »bearbeiten« sie ihre Gefühle und Ängste nicht bewusst, sondern drängen sie ins Unterbewusstsein ab. Die Verbindung zum individuell gestalteten Leben kann abreißen, Sinnverlust, Ziellosigkeit und Unlust können den weiteren Weg versperren. Die Gefahr ist jetzt groß, dass die brachliegenden inneren Kräfte sogar in abnormes organisches Wachstum umschlagen, sodass der Lebenswille zum Vernichtungswillen entartet. Die nicht in sinnvolles Denken, Fühlen und Handeln umgewandelte Lebensenergie kann sich dann in vielerlei Krankheiten niederschlagen.
Wer dagegen die natürliche Wandlung in seiner Lebensmitte annimmt und als Chance begreift, erfährt, dass alles Wachstum dem Werden und Vergehen unterliegt. Diese Erkenntnis bringt positive Auswirkungen mit sich: Die starken Spannungen lassen nach, der Mensch fühlt sich nicht mehr so gehetzt und kämpferisch und erkennt in seinem Inneren neue Zusammenhänge. Diese Erfahrungen führen dazu, dass Probleme zwar nicht teilnahmslos, aber mit Ruhe und Distanz betrachtet werden. Anders gesagt: Man lässt sich nicht mehr so leicht »verrückt« machen und kommt durch viele Lebenserfahrungen zu neuen Einsichten und Schlüssen. Jenseits der 50 werden dem Menschen bestimmte Werte bewusst. Er erlebt mitunter eine innere Ergriffenheit – sein Horizont und sein Herz sind weit geworden. Es ist die Zeit, in der ihm der Tod nahestehender Menschen die eigene Begrenztheit und Sehnsucht nach dem Jenseits bewusst werden lässt. Diese Erfahrungen und die Beschäftigung mit dem Schicksal, mit der Frage nach dem Sinn des Lebens führen ihn zu ganz neuen Einsichten.
Die Zeit zwischen 42 und 56 ist für die meisten Menschen der Abschnitt ihres Lebens mit den tiefsten und nachhaltigsten spirituellen Erlebnissen. Im besten Fall findet ein Mensch zu einem fast idealen Gleichgewicht zwischen körperlicher und geistiger Energie. Er ist in diesem Alter körperlich noch sehr fit – und hat doch bereits viele geistige und seelische Erfahrungen gemacht.
In den Lebensjahren zwischen 56 und 70 umfasst der Siebener-Rhythmus wieder einen Doppelbogen. Jetzt wird sich der Mensch seiner Vergänglichkeit bewusst und setzt sich mit dem eigenen Tod auseinander. Manche verzweifeln dabei, werden melancholisch und depressiv, hadern freudlos mit ihrem Schicksal. Nicht selten werden sie misstrauisch und mürrisch oder verhärten – das Leben wird für sie oft zur Plage. Andere Menschen wiederum erleben dagegen einen harmonischen Lebensabend. Sie werden – im wahrsten Sinne des Wortes – »gewissen-haft«, denn ihr Gewissen dient ihnen als Richtschnur im Leben.
Die erste Phase zwischen 56 und 63 ist häufig noch geprägt von der Auseinandersetzung mit dem eigenen Schicksal und der Erkenntnis, dass sich das Leben dem Ende entgegenneigt. Der Mensch erkennt noch mehr seine Grenzen, die ihm in dieser Klarheit vorher nicht bewusst waren – und er weiß, dass er sich allmählich der Schwelle zum Tod nähert. Entscheidend ist, wie ihm die Auseinandersetzung mit dieser Schicksalsfrage gelingt. Wenn er nur noch Angst vor dem Tod hat und keine Perspektiven, wie sie von Religionen vermittelt werden, sieht, wird er verzweifeln. Gläubige Menschen können ihr Schicksal oft annehmen. Sie erkennen in dieser Phase, dass der Tod nicht ein Feind, sondern ein Befreier ist, der das Schicksal überwindet und den Menschen in einen anderen Raum zu neuem Leben hineinführt.
Anstatt zu erstarren und zu verknöchern, kann ein alter Mensch sein Schicksal in eine Verinnerlichung umwandeln, die ihn durch eine dunkle Zeit zum Licht führt. Mit dem allmählichen Schwinden der Lebenskräfte erstarkt der Mensch in dem Vertrauen, dass nach dem Tod eine neue Entwicklungsstufe kommt. Am Ende der Äußerlichkeiten reift die Erkenntnis von seelischen und geistigen Zusammenhängen aus – das Leben vollendet sich.
In dieser letzten Phase des Siebener-Rhythmus verlieren Illusionen und Fantasien ihre Kraft. Die einen ebnen sich einen Weg für die Zeit nach dem Tod und andere, die diese Phase nur als Krise erleben, wenden sich zurück in ihre Vergangenheit, die sie ständig verherrlichen. Wer ein Leben lang in Äußerlichkeiten gelebt und nur materielle Dinge für wichtig gehalten hat, kann in ein tiefes Loch der Resignation fallen. Die Erfahrung zeigt, dass gläubige Menschen die Zeit vor dem nahenden Tod ohne Angst erleben. Ihre Hinwendung zum neuen Licht kennzeichnet das Leben nach dem letzten Siebener-Rhythmus, also jenseits der 70.
Im Siebener-Rhythmus wird der letzte Lebensabschnitt im kosmischen Bild von der Sonne regiert. In ihrem Licht vereint sich, was bisher getrennt war, alle Töne und Klangfarben des Lebens leuchten gemeinsam auf. Das Anhaften des Menschen an die Erde und an sein Ich löst sich allmählich auf. Alles wird leichter, die äußeren Dinge bewegen sich aufs Ende zu. Im gleichen Maß, in dem der Leib schwindet, werden innere Werte und die Sehnsucht stärker. Der geläuterte Mensch ist, auch wenn er an Gebrechen leidet, heiter und abgeklärt, ruhig und gelassen. Er nimmt sein Schicksal an und legt sein Leben in die Hände Gottes.
Im Lebensabend spiegelt sich noch einmal vieles wider, was früher geschehen ist. Menschen, die ihre Kindheit nicht richtig ausgelebt haben, holen sie vielleicht in ihrem letzten Lebensabschnitt nach: Sie werden wieder zum Kind, werden hilflos und müssen oft als Pflegefall versorgt werden. Wer in seiner Venus-Phase zwischen 21 und 28 Probleme in Liebe und Partnerschaft hatte, verliebt sich nicht selten im hohen Alter wieder und Menschen, die ihre kämpferische Zeit zwischen 30 und 40 nicht ausgelebt haben, neigen im Alter dazu, kaltherzig und starr zu werden.
Andere spüren im Licht der Abendsonne die Wärme, die von ihr ausgeht. Diese Menschen sind in Weisheit und Güte alt geworden – sie haben ein vollendetes Leben, auch wenn sie sich an vieles nicht mehr erinnern können. Die Abendsonne symbolisiert die Verwandlung der Materie: Alles drängt zum Licht, zu Weite und Wärme, und die Sehnsucht des Menschen nach ewiger Geborgenheit wird immer stärker.
Der Siebener-Rhythmus ist eine uralte menschliche Erfahrung. Im Laufe der Jahrhunderte jedoch wurde das Leben durch Fortschritte in der Medizin, durch Medikamente und Ernährung beeinflusst. Allein die Kosmetikindustrie verdient ein Vermögen mit angeblich verjüngenden Präparaten, die das geistige Wachstum und das allmähliche Schwinden des Körpers verleugnen. Wenn der Mensch sinnvoll leben will, werden ihm die Reifungsschritte, wie sie im Siebener-Rhythmus überliefert sind, zu einer großen Hilfe.
Die inzwischen stark gestiegene Lebenserwartung scheint allerdings mit den Erfahrungen des alten Siebener-Rhythmus nicht mehr synchron zu laufen. Vor allem die Zeit ab dem 56. Lebensjahr, die laut Siebener-Rhythmus bereits eine erste Auseinandersetzung mit dem nahen Tod bringt, muss heute wohl anders gesehen werden. Allerdings ist es jetzt noch zu früh, um aus den Erfahrungen weniger Jahre oder Jahrzehnte bereits grundlegende Rückschlüsse auf eine Veränderung der alten Lebensrhythmen ableiten zu können. Natürlich machen sich nach wie vor viele Menschen zwischen 56 und 70 Gedanken über den Tod, und die »klassischen« Leiden in dieser Lebensphase (Stress, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes usw.) sind auch in der Gegenwart unverändert aus den Statistiken abzulesen. Aber die meisten Mittsechziger sind heute viel rüstiger als früher. Sie werden von der Werbeindustrie als konsumfreudige »Golden Agers« umworben – kein Wunder, schließlich verfügen die meisten Senioren über konjunkturunabhängige Einkünfte, die sie für Reisen und hochwertige Nahrungsmittel, für Gesundheits- und Wellnessprodukte, für Wohnen und für ihre Enkel ausgeben. Die Beschäftigung mit dem Tod ist eher selten, sodass der bisherige Siebener-Rhythmus zwischen Mitte 50 und 70 derzeit wohl nicht mehr uneingeschränkt gelten kann.
Trotzdem ist es sinnvoll, dass wir auch in der Gegenwart die einzelnen Rhythmen zwischen Geburt und Lebensmitte beachten, sonst bleibt es uns nicht erspart, dass wir die Versäumnisse in späteren Lebensphasen »nachholen« müssen. Manchmal kann so ein zeitversetzter Prozess sogar zum Blick ins Panoptikum werden: Die geliftete 50-jährige Blondine im Minirock lässt aus der Disco grüßen. Sie lebt jetzt aus, was ihr – vielleicht wegen zu
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eISBN 978-3-641-06203-3
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