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Auch Männer feiern Weihnachten. Und sie spielen in der Weihnachtszeit eine wichtige Rolle - ob Nikolaus und Weihnachtsmann, Joseph, die Hirten, die drei Könige, ja, das Jesuskind selbst - ohne Männer wäre Weihnachten undenkbar. Was in der Vorweihnachtszeit dem starken Geschlecht das Leben leichter und vielleicht auch besinnlicher macht, darum geht es in diesem heiteren Lesebuch.
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Seitenzahl: 109
Gert Böhm / Johannes Pausch
JOSEPH UND DIE DREI KÖNIGE
Weihnachtsgeschichten für Männer
© KREUZ VERLAG
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013
Alle Rechte vorbehalten
www.kreuz-verlag.de
Umschlaggestaltung: agentur IDee
Umschlagfoto: © shutterstock
Motive Innenteil: © shutterstock
Innengestaltung: agentur IDee
ISBN (E-Book) 978-3-451-80031-3
ISBN (Buch) 978-3-451-61118-1
Inhalt
Einstimmung
Leben hinter den Kulissen
Vom 1. Dezember bis zum 6. Januar
1. Licht im Dunkeln
2. Im Dunkeln beginnt Wachstum
3. Es ist keiner da
4. Von der Seele eines Blumenstocks
5. Vom Sinn des Bittgebets
6. Sankt Nikolaus und sein dringendes Geschäft am Zaun
7. Warum Blutwürste gut für die Demut sind
8. Sonntag ist Ruhetag
9. Der röhrende Hirsch
10. Vom Schweigen und Hören
11. Der erste Schritt
12. Die Seele reist langsam
13. Pausen kreativ nutzen
14. Hingabe - mit weitem Herzen leben
15. Warum eine frische Halbe Bier eine Gotteserfahrung sein kann
16. Das Urteil beendet den Prozess
17. Das weltliche Schicksal des Erzengels Gabriel
18. Schwächen und Stärken
19. Mit dem rechten Maß zu heiterer Gelassenheit
20. Die wundersame Hilfe des heiligen Joseph
21. Im Rhythmus der Jahreszeiten leben
22. Die Verwandlung von Schmerz
23. Die betrogenen Christbaum-Diebe
24. Der Saustall am Heiligen Abend
25. Eine schöne Bescherung!
26. Das Leben entschleunigen
27. Wenn Nervensägen an den Nerven sägen
28. Was Leib und Seele zusammenhält
29. Der unsichtbare Affe
30. Das verzwickte Rhinozeros
31. Ein Gebet zum Jahresabschluss
1. Die heilsame Kraft des Segens
2. Auf nichts mehr warten?
3. Mit Leib und Seele tanzen
4. Hilft das gegen geschwollene Füße?
5. Die verwechselten Heiligen Drei Könige
6. Der Tag für Lebensgeschenke
Zum Schluss
Ein wunderbarer Brief
Wenn die Tage stiller und dunkler werden, ereignen sich oft die wichtigen Dinge im Leben. So ist es auch im Advent. Es ist trotz des oft nervigen Trubels eine Zeit des Innehaltens, zum Atemholen – welch ein Geschenk. Die Tage vom ersten Adventssonntag bis Heiligdreikönig sind etwas Besonderes. Der Rhythmus des Lebens wird langsamer, macht die Menschen ruhiger, nachdenklicher – und bereit, sich im Herz berühren zu lassen. Der Blick richtet sich eher nach innen und auf die einfachen Dinge des täglichen Lebens, die uns in vielfacher Gestalt begegnen: Menschen und Ereignisse, die man vorher kaum beachtet hat, fallen einem jetzt auf. Das liegt vielleicht daran, dass man in der Dunkelheit das Leben stärker wahrnimmt als bei Licht.
Die Zeit vor und nach Weihnachten schenkt uns am Himmel und im Herzen viele Sternstunden. Das war auch so, als in Bethlehem ein Kind geboren wurde: Ein Stern strahlte auf und verwandelte die Herzen der Menschen, die Herzen der Hirten, der Weisen aus dem Morgenland, die Herzen von Maria und Josef – und sogar die Herzen von Ochs und Esel, wenn es sie denn an der Krippe je gegeben hat (woran wir nicht zweifeln angesichts der vielen Esel und Rindviecher auf dieser Welt).
Dieser Stern der Gnade, der Weisheit und der Liebe leuchtet umso heller auf, je dunkler die Finsternis ist – nicht nur beim Propheten Jesaja, sondern bei all jenen, die als Gottsucher unterwegs sind: „Die Menschen, die da wandeln im Finstern, schauen ein helles Licht. Denen, die im Reich der Schatten leben, ist lichter Tag geworden.“ Das ist eine tiefe Erkenntnis und Wahrheit. Man findet sie nur selten in den Theatern der Welt – und wenn, dann eher hinter den Kulissen. Dort wird das Leben geboren, im Dunkeln, nicht im Scheinwerferlicht. Davon berichten wir in diesem Buch. Es sind Geschichten des Lebens – von Glück und Enttäuschung, ernst oder heiter, traurig oder zum Schmunzeln. Mit den Geschichten begleiten wir die Tage im Advent bis zum Fest der Heiligen Drei Könige.
Zu unserem Buch passt eine Begebenheit, die von einem Derwisch berichtet, der in einem Bazar in Istanbul Geschichten erzählte. Männer, Frauen und Kinder standen um ihn herum und waren gebannt von seiner Rede, die voller Trauer und Freude war, dramatisch, ergreifend und packend. Es war faszinierend, ihm zuzuhören – und noch faszinierender war es, die Gesichter seiner Zuhörer zu sehen, in denen sich die Geschichten spiegelten. Nachdem der Derwisch seine Erzählungen beendet hatte, verneigte er sich vor seinen Zuhörern dreimal tief, fast bis zum Boden. Als ihn einer fragte, warum er sich vor den Zuhörern so tief verneigte, antwortete er: „Was wären meine Geschichten ohne eure Ohren und eure Herzen?“
Auch die Geschichten in unserem Buch können nur lebendig werden durch die Herzen seiner Leser. Wir haben uns beim Schreiben ganz unterschiedliche Leser vorgestellt, aber wir geben zu – das verrät ja auch der Untertitel unseres Buches -, dass wir vor allem an Männer gedacht haben: an Väter und Söhne, an Großväter und Onkel, an Brüder, Freunde und Kollegen – an Joseph und die drei Könige eben und all die anderen Weihnachtsmänner. Für sie sind die 37 Erzählungen in erster Linie. Sie begleiten durch die Adventszeit, über Weihnachten bis zum Dreikönigsfest.
Wer jeden Tag eine Geschichte lesen will, beginnt am 1. Dezember – und ist am 6. Januar mit dem Buch fertig. Man kann aber auch einzelne Geschichten auswählen und sie an bestimmten Tagen vorlesen – zum Beispiel die Erzählungen vom Nikolaus, von Weihnachtserlebnissen, vom Jahreswechsel oder von den Heiligen Drei Königen.
Es ist zwar ein Buch für die „heilige Zeit“, aber die Geschichten sind nicht selig-fromm, sondern auch nachdenklich, zum Schmunzeln oder manchmal sogar ziemlich deftig – halt wie das Leben. Wir hoffen, dass unsere Geschichten den Leser berühren – mal seine Seele, mal die Lachmuskeln, mal beides.
Gert Böhm und Johannes Pausch
Licht im Dunkeln
Das Anzünden der ersten Kerze am Adventskranz ist ein Symbol dafür, dass ein Licht im Dunkeln leuchtet – wie groß die Dunkelheit manchmal auch sein mag. Die Geschichte einer Frau, die eine schwere Krankheit gebeugt und zermürbt hatte, zeigt die heilsame Wirkung, die von einer einfachen Kerze ausgehen kann. Hilfe war nach menschlichem Ermessen kaum mehr möglich. In ihrer Verzweiflung suchte sie mich, der ich als Priester und Psychotherapeut tätig bin, auf. Als sie in mein Sprechzimmer eintrat, spürte ich förmlich die Dunkelheit ihrer Lebenssituation. Ich nahm ein Streichholz und wollte eine Kerze auf dem Tisch entzünden. Die Frau seufzte tief und sagte: „Wegen mir brauchen Sie das Licht nicht anzuzünden – ich bin nichts wert.“ Ich ließ mich jedoch nicht beirren und zündete die Kerze trotzdem an. Es dauerte eine Weile, bis das Licht der kleinen Kerze durch die Dunkelheit drang.
Das anschließende Gespräch war nicht leicht. Plötzlich aber sagte die Frau: „Ich bin froh, dass Sie das Licht für mich angezündet haben.“ Und ich selbst hatte das Gefühl, dass dieses Licht nicht nur ein Zeichen der Wertschätzung war, sondern ihr tatsächlich vermittelt hat: Du bist ein wertvoller Mensch.
Advent ist die Zeit der Erwartung und der Botschaft Gottes, die jedem von uns sagen will: Du bist ein geliebter Mensch. Um diese Botschaft begreifen zu können, brauchen wir besondere Zeichen. Die erste Kerze am Adventskranz kündigt die Botschaft von der Liebe Gottes an. Sie entzündet überall dort ein Licht, wo die Dunkelheit undurchdringlich erscheint, wo Menschen einsam und verzweifelt sind, wo Sprachlosigkeit und Unverständnis Mauern errichtet haben. Natürlich kann jeder auch für sich selbst eine solche Kerze entzünden, um die Erfahrung vom Licht zu machen. Eine Kerze anzuzünden und Licht ins Dunkel zu bringen – das ist eine Art Gebet. In der Kirche zünden sogar „Ungläubige“ eine Kerze an. Offenbar berührt sie das Lichtsymbol. Lichterketten zu den verschiedensten Anlässen spiegeln ebenfalls die Kraft wider, die in diesem Zeichen steckt.
Auch im spirituellen Sinn bringt eine Kerze Licht in die Dunkelheit des Menschen. Im Gespräch werden beim Schein der Kerze Verzweiflung und Bedrückung eher aus der Dunkelheit herausgeführt als ohne dieses Symbol. Ein aufmerksames Gespräch ist wie ein Gebet, weil dabei eine transzendente Beziehung zu Gott hergestellt wird.
Noch besser ist es natürlich, wenn man mit dem Menschen, der einem gegenübersitzt, tatsächlich gemeinsam beten kann. Ob das ein vorformuliertes Gebet ist oder ob es aus dem Moment heraus gesprochen wird: Immer zünden die beiden Betenden ein Licht an, das die Dunkelheit, die sie umgibt, erhellt.
So verzweifelt jemand auch sein mag – das Gebet im Licht der Kerze wird ihm sein Selbstwertgefühl zurückgeben, das er vielleicht verloren hat. In der Zuwendung zu diesem Menschen kann man mit ihm eine Grenze überschreiten, über die er alleine nicht gehen kann. Es ist die Grenze seiner Angst, seiner Selbstzweifel, seiner Not – in seiner Dunkelheit will oder kann er die Kerze oft selber nicht sehen. Indem er das Licht wahrnimmt, überschreitet er seine Selbstbezogenheit und öffnet sich – genau wie im Gebet. Deshalb ist das Kerzensymbol ein Gebetssymbol. Im Licht der Kerze können wir gemeinsam sprechen oder beten oder schweigen – es ist immer ein Gebet. Natürlich kann jeder auch sein eigenes Leben im Lichte Gottes betrachten, obwohl man „nur“ vor einer kleinen Kerze sitzt.
Im Dunkeln beginnt Wachstum
Die meisten Menschen fühlen sich in der Dunkelheit bedroht und machen deshalb oft die Nacht zum Tag. Durch die Erfindung des elektrischen Lichts und mit der Einführung von Schichtarbeit wurde die Nacht sogar als Teil des natürlichen Rhythmus unseres Lebens außer Kraft gesetzt. Dabei wird jedoch vergessen, dass alles Leben im Dunkeln entsteht: Der Mensch wächst in der Dunkelheit des Mutterleibes heran, jedes Samenkorn ist von Erde bedeckt, die Geheimnisse aller Religionen beginnen im Dunkeln, ihre großen Feste der Erlösung wie Weihnachten und Ostern werden in der Dunkelheit der Nacht gefeiert.
Wir Menschen neigen dazu, alles ans Licht, an die Öffentlichkeit zu zerren. Damit werden aber häufig der Zauber und manche wunderbaren Geheimnisse zerstört, die uns mit Freude und Glück erfüllen. Die Geräusche der Nacht, Wahrnehmungen jenseits der Helligkeit – viele halten dunkle Erfahrungen gar nicht mehr aus. Doch es ist ein Prinzip des Lebens, dass ohne Dunkelheit kein Geistesblitz auftauchen kann und keine Sternstunde das Herz mit Glück erfüllt.
Zum ausgewogenen Rhythmus des Menschen gehören die Nacht, die Dunkelheit, der Schlaf. Im Dunkeln machen wir mystische Erfahrungen, sodass die Verwandlung, die Umkehr im Leben beginnen kann. Bevor wichtige Entscheidungen zu fällen sind, schlafen viele Menschen erst einmal eine Nacht darüber. Und sogar Erschöpfung wandelt sich in neue Kraft und Kreativität. Wer nachdenkt oder in sich hineinhört, wer nach Lösungen für sein Problem sucht, verschließt oft unbewusst die Augen, damit aus der Dunkelheit neue Ideen aufsteigen können. Wir wissen auch, dass viele Erfinder im Dunkeln tappten, bevor ihnen das berühmte Licht aufging.
Advent ist die dunkelste Zeit im Jahr. Geben wir der Mystik der Nacht doch einmal bewusst Raum in unserem Leben und schalten nicht gleich das Licht an, wenn es draußen dunkel wird. Die Ruhe, die uns umfangen wird, kann neue, überraschende Ideen und Gedanken hervorzaubern.
Es ist keiner da
Ich wollte nichts kaufen auf dem Adventsmarkt in München. Aber das bedrückende Gespräch mit einem Patienten machte mich besorgter, als ich mir eingestehen wollte. Ich hatte keine Zeit, deshalb vertrödelte ich sie, um mich abzulenken. Vom Hauptbahnhof fuhr ich mit der U-Bahn zum Marienplatz. Die Menschen saßen und standen dicht gedrängt im Waggon. Einige telefonierten mit dem Handy, andere dösten vor sich hin. Keiner sprach mit seinem Nachbar, jeder war für sich allein. Obwohl der Zug voll war, war er leer.
Auf dem Markt herrschte ein fürchterliches Gedränge und Geschiebe. Es war laut. Aus den Lautsprechern dröhnten besinnliche Weisen. Es gab nichts zu kaufen, was ich wirklich hätte brauchen können. In dieser Wüste von Weihnachtsmüll wollte ich wenigstens eine Leberkäs-Semmel mit süßem Senf essen. Ich schob mich durch das Gewühl zur Verkaufstheke vor und sagte meinen Wunsch. „Einmal mit – macht Zweifünfzig. Der Nächste bitte!“ Dieser Nächste rempelte mich an, und die Semmel fiel in den Dreck.
Mir reichte es. Ich ging in die Fußgängerzone, aber auch da hasteten die Menschen aneinander vorbei. Viele stolperten telefonierend durch das Gewühl. Die wenigen, die miteinander redeten, stritten über den Blödsinn, den der andere gerade eingekauft hatte. Der Weihnachtsmann vor dem Sexshop verschenkte Kondome – und nebenan dudelte eine Drehorgel „Ihr Kinderlein kommet“. Rundherum blinkerten Lichter, aber es gab keinen Stern. Mitten in den Menschenmassen spürte ich meine Einsamkeit – und den anderen ging es vermutlich genauso.
Ich fühlte mich einsam, ohne Begleiter, ohne Ziel und ohne einen Menschen, mit dem ich reden konnte. Dabei ging es mir nicht einmal ums Reden, sondern nur darum, dass ein Mensch einfach da war, einer, auf den ich mich verlassen könnte.
Mir fielen die zerbrochenen Beziehungen ein, auch die Menschen, mit denen ich ein Stück meines Weges gegangen bin. Oft hatte der gemeinsame Weg so hoffnungsvoll begonnen – und dann hat man den anderen mit Problemen beladen wie der Weihnachtsmann den Packesel. Es fällt schwer, jemanden, der uns begleitet, nicht gleich alles aufzuladen – vor allem dann, wenn er sich dafür anbietet. Als Seelsorger müsste ich das eigentlich wissen. Aber gerade die professionellen Begleiter scheinen im privaten Umgang dafür anfällig zu sein, wie der Ochs und der Esel an der Krippe zu stehen und den Mund zu halten.