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Der beschützende Sonnenhut und die feurige Kapuzinerkresse, der friedenstiftende Baldrian und das sonnige Gänseblümchen: Unser Klostergarten in Gut Aich beherbergt eine schier unerschöpfliche Fülle an kostbaren Heilpflanzen. Inspiriert von dieser reichen Vielfalt, habe ich 28 Heilkräutermandalas entworfen, die ganzheitlich auf die Menschen wirken. Sie sind der einzigartige Versuch, auf Farbe, Form und Heilkraft der jeweiligen Pflanze hinzuweisen. Doch hinter meinen Mandalas verbirgt sich noch viel mehr. Sie sind Gebete, Ausdruck meiner benediktinischen Natur-, Menschen- und Gottesbeziehung, Geschenke des Himmels und der Erde. Oft fühlen sich Menschen spontan von jenem Heilkräutermandala angezogen, das ihnen hilft. Wissen und Intuition weisen gemeinsam den richtigen Weg. Für jeden ist ein Kraut gewachsen!
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Seitenzahl: 175
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Meine HeilkräuterMandalas
Kardenwurzel und -kraut.
Pater Johannes Pausch
Mit Fotografien von Markus Bassler
Meine HeilkräuterMandalas
Heimische Heilpflanzen und ihre ganzheitliche Wirkung
Beim Hildegardzentrum Kloster Gut Aich wächst eine imposante Sommerlinde.
Heilkunde, das Wissen um die heilsame Wirkung von Pflanzen, ist ein Schatz, der über Jahrhunderte in Benediktiner- und Zisterzienserklöstern gewachsen ist. Die Mönche und Nonnen kannten noch keine eigene Klosterheilkunde, es war Heilkunde schlechthin; denn es gab noch keine andere Medizin. In den Gärten der Klöster blühten viele Arten von Pflanzen, oft genau angeordnet, wie wir aus dem Klosterplan von St. Gallen aus dem 9. Jahrhundert ersehen. In den Kräuterbeeten sind sogar die Pflanzen eingezeichnet.
Mit dem Aufkommen der Chemie und der auf ihr aufbauenden Schulmedizin schien die Kräutermedizin überholt zu sein. Gezielt können chemische Wirkstoffe aufgrund genauer wissenschaftlicher Untersuchungen eingesetzt werden, wenngleich nicht selten negative Nebenwirkungen wieder aufgefangen werden müssen.
Diese Art von Medizin hat bei all ihren Vorteilen ein Handicap: Sie betrachtet den Menschen nur unter dem Blickwinkel der organischen Chemie. Das gilt selbst für die Psychopharmaka. Der Mensch aber besteht aus Leib, Geist und Seele. Er ist ein mehrdimensionales und doch einheitliches Wesen, eingebettet in die Natur, in die Gemeinschaft anderer Menschen, geborgen in Gott. Das macht die Gesamtheit, das Ganze eines Menschen aus. Gesundheit und Krankheit sind verwoben in diesen Beziehungen.
Wir sehen die Dinge oft nur eindimensional, als getrennte, in sich stehende Objekte. Unter dem Blickwinkel der Welt als Schöpfung Gottes erfahren wir Menschen, Tiere, Pflanzen und sogar die Steine als Geschenke Gottes. Wir werden wach für die Wunder dieser Welt. Wir erkennen ihre Schönheit und erfahren, dass Gott diese Welt für uns geschaffen hat, zu unserem Heil und zu unserer Freude. Die Antwort ist Dankbarkeit, Hören, Schauen, Suchen, Offenheit für neues Erleben und Sich-ansprechen-Lassen. Erst so erfahren wir die gesamte Wirklichkeit des Menschen und können ihr gemäß handeln. Krankheit ist nicht nur eine Störung der Physis des Menschen, in ihr äußern sich auch seelische und zwischenmenschliche Spannungen, Spannungen im Sinnverständnis unserer Zeit und des einzelnen Kranken. Die unterschiedlichen Kräuter in unseren heutigen Klostergärten wollen wieder dem ganzen Menschen dienen, der Heilung an Leib und Seele, der Heilung seiner Beziehungen.
P. Johannes Pausch hat sich viel mit dieser ganzheitlichen Sicht von Heil-Sein und Heilung befasst. Dieses Buch ist ein Zeugnis seiner reichen Erfahrung, einer Erfahrung, die er glücklicherweise nicht für sich selbst behält, sondern andern mitteilt. Mögen viele Leserinnen und Leser dadurch ebenfalls die größere Dimension ihres Lebens erfahren.
Notker Wolf OSB,
Abtprimas des Benediktinerordens
Die Heilkräuter aus dem Klostergarten Gut Aich haben mich dazu inspiriert, Mandalas zu zeichnen. Sie bringen das Aussehen und die Heilkraft der Pflanzen zum Ausdruck und wirken positiv auf Körper, Geist und Seele.
Alant
Befreite Lebensfreude
Augentrost
Klare Sicht, Zuversicht
Baldrian
Innere Ruhe, Frieden
Bärlauch
Frühlingskraft
Beifuß
Innere Stärke
Brennnessel
Glühendes Lebensfeuer
Engelwurz
Balsamische Kraft
Frauenmantel
Weibliche Harmonie
Gänseblümchen
Kleine Sonne
Haferblüte
Stabilität
Holunderblüte
Öffnung
Johanniskraut
Strahlendes Licht
Kapuzinerkresse
Sprühendes Lebensfeuer
Kardenwurzel
Kraftvolle Befreiung
Lindenblüte
Solidarität
Meisterwurz
Innerer Meister
Melisse
Herzenswärme
Olivenblatt
Fokussierung
Ringelblume
Verbindende Kraft
Rosmarin
Klarheit und Kraft
Salbei
Reinigende Kraft
Schafgarbe
Maß und Balance
Sonnenhut
Behütend
Storchschnabel
Integrität
Thymian
Lebensglut
Ysop
Dynamische Regeneration
Zinnkraut
Elastische Struktur
Zistrose
Balsam für Leib und Seele
Kräutergarten an der Westseite des Europaklosters Gut Aich.
2 Vom Garten Eden zum Kräutergarten
Die Sehnsucht des Menschen nach dem „Heil-Sein“ ist so alt wie die Menschheit. Immer wieder suchten Menschen nicht nur die Bilder, sondern auch die Erfahrung des Einsseins mit sich und der Schöpfung, mit der Welt, die sie umgaben. Ein Ausdruck dafür ist das „Paradies“, dessen Bilder in den spirituellen Schriften vieler Religionen zu finden sind, oder der „Garten Eden“, der in der Bibel (Gen. 2,4b ff.) beschrieben wird.
„Am Tag, da Jahwe Gott Erde und Himmel machte, gab es auf der Erde noch kein Gesträuch des Feldes und wuchs noch keinerlei Kraut des Feldes. Denn Gott hatte noch nicht auf die Erde regnen lassen und der Mensch war noch nicht da, um den Erdboden zu bebauen. Da stieg eine Flut von der Erde auf und tränkte die ganze Fläche des Erdbodens. Dann bildete Gott den Menschen aus Staub von dem Erdboden und blies in seine Nase einen Lebenshauch. So wurde der Mensch ein lebendes Wesen. Gott pflanzte einen Garten in Eden, im Osten und setzte da hinein den Menschen, den er gebildet hatte. Und Gott ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume hervorwachsen, lieblich anzusehen und gut zu essen, den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis, des Guten und Bösen. Ein Strom ging von Eden aus, um den Garten zu bewässern und von dort teilte er sich in vier Arme …“
Der Garten Eden wurde zum Urbild des Paradieses. Der Begriff des Gartens Eden kommt wahrscheinlich aus dem Sumerischen (goan Eden), was so viel wie „Rand der himmlischen Steppe“ heißt. Es handelte sich dabei um einen spirituellen Ort, deshalb erübrigen sich auch alle Spekulationen über seine geografische Lage. Im Judentum weigerte man sich, den Ort des Paradieses, den Ort des Berges der Offenbarung, den Berg Sinai und ähnliche Orte geografisch zu fixieren, um nicht den Ort der Gotteserfahrung an einem Punkt festzulegen.
Auch in der europäischen Kultur, Kunst, Literatur und Spiritualität ist die Erzählung vom Paradies, vor allem die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies allgegenwärtig. Es wird immer wieder der Versuch gemacht, diesen Bruch oder Entwicklungsschritt der Menschheit zu verstehen oder aufzulösen.
Der Kräutergarten mit Glashaus beim Hildegardzentrum des Klosters Gut Aich ist in der Morgensonne besonders schön anzusehen.
Die geometrische Ausrichtung der Klostergärten zeigt sich auch in der Klosteranlage des Stiftes St. Paul im Kärntner Lavanttal.
Ein Versuch, dies zu tun, ist in der christlichen Ikonografie das Kreuz als Lebensbaum und als eine neue „Paradieses-Quelle“, der wie die vier Urflüsse des Paradieses die vier Kreuzenden, später die vier Evangelien entspringen. Der Versuch, die Einheit nach und in der Gebrochenheit wiederzuerlangen, wird auch in der Schaffung von blühenden Paradiesgärten versucht.
Die zahlenmystische Deutung, die sich in den Bildern des Paradieses wiederfindet, weist uns auf den Versuch einer Lebens- und Sinndeutung, die nicht naturwissenschaftlich oder rational, sondern mystisch ist.
In unserer christlich-abendländischen Deutungsgeschichte finden wir verschiedene Begriffe, wie das Paradies, das Himmelreich, das Himmlische Jerusalem, die Auferstehung des Fleisches usw.
Der Islam etwa kennt sehr anschauliche Beschreibungen von einem Paradies voller Wonne, mit Früchten und kühlen Bächen, Paradiesjungfrauen mit Kissen und weichen Teppichen usw. Einen einheitlichen Begriff gibt es dort nicht. Meistens wird dieser Ort als Garten bezeichnet. Vorstellungen vom Paradies als Garten und der Fülle des Lebens sind sehr vielfältig. Die Kelten hatten ihren Avalon, den Apfelgarten. Die Germanen hatten Walhall, die Wohnung der Gefallenen. Die Griechen suchten den Garten der Hesperiden mit seinen goldenen Äpfeln. Im Christentum entwickelte sich parallel zur Paradiesesvorstellung auch das Bild des Himmlischen Jerusalems (Offenbarung 21), das später auch Grundbauplan für jeden heiligen Ort oder Tempel wurde.
Der Versuch, in Klostergärten dieses Bild des Paradieses und des Himmlischen Jerusalems zusammenzuführen, zeigt sich in der geometrischen Anordnung und im Anbau der Pflanzen. Diese Vorstellung lebte von dem Wunsch der Menschen, das Leben in der ursprünglichen Einheit und Harmonie wiederzuerlangen. Dies bezog die leibseelische Gesundheit ebenso mit ein wie das Zusammenleben der Menschen.
Die Sehnsucht nach diesem „Paradies“ war nicht nur eine Sehnsucht nach Ruhe, nach Beschaulichkeit, nach Heilwerden an Leib und Seele, sondern auch eine Sehnsucht, Kreativität und Wachstum zu entfalten und so solidarisch zu werden mit dem „Göttlichen Gärtner“, der den Menschen „Adam“ als „Mitverantwortlichen“ für das Paradies eingeführt hat. Der „Paradiesesgarten“ wird so zu einer Verbindung zwischen Himmel und Erde oder zum Versuch, die Sehnsucht nach der Transzendenz mit der irdischen Wirklichkeit in Beziehung zu bringen.
Erstaunlich ist, dass sich hier nicht nur eine gemeinsame Sprache, sondern auch gemeinsame Gestaltungselemente von Kulturen und Religionen erhalten haben. Die Auseinandersetzung mit den Gärten der Religionen und Kulturen zeigt uns mehr Gemeinsamkeiten der Menschen als die theologischen Schriften. Erstaunlich ist deshalb nicht, dass in diesen Werken oft dieselben Pflanzen und deren Wirkungsweise beschrieben sind. Immer wurden die Pflanzen spirituell gedeutet, in der christlichen Tradition bestimmten Heiligen, vor allem Maria (zum Beispiel die Mariendistel) zugeordnet.
Mit seinen Bewässerungsanlagen ist der Garten der Alhambra in Granada ein Paradebeispiel für einen orientalischen Garten.
Die Gärten bilden in der orientalischen Kultur ein Forum der Darstellung des Lebens. Die Gartengestaltung war ein Grundbestandteil der Lebensgestaltung. Ihre Verwandtschaft mit unseren Paradiesesgärten wird offenkundig, wenn man etwa den arabischen Gartenhof in der Schlossanlage der Alhambra in Granada mit den Kreuzganggärten eines Benediktinerklosters vergleicht.
Die Grundeinteilung ist meist sehr regelmäßig und wird durch zwei gekreuzte Wasserkanäle (die vier Paradiesströme!) geprägt. Hier ist wieder die Anlehnung an die Bibel und an den Koran zu finden, in dem steht: „Von Eden geht aus ein Strom in alle Himmelsrichtungen“. Neben dem praktischen Zweck der Bewässerung hatten die vier Kanäle natürlich auch eine symbolische Bedeutung als Quelle des Lebens. Interessanterweise finden wir dort auch Buchsbaumhecken, die nicht nur in den Klostergärten, sondern auch in vielen Kräutergärten und dann später als Zierelement in den barocken Gärten zu finden sind. Der Höhepunkt islamischer Gartenkunst ist in den Mogulgärten Nordindiens zu finden, beispielsweise in den wunderbaren Gärten beim Taj Mahal in Agra, oder der Rosengarten beim Grabmal von Mevlana Rumi in Konya in der Türkei. In diesen Gärten finden sich aber auch uns bekannte Heilpflanzen wie die Minze oder die Rose.
Die chinesischen und japanischen Gärten scheinen zunächst einmal mit unserer Vorstellung vom Garten Eden und dem Paradiesesgarten wenig zu tun zu haben, da dem Taoismus die Vorstellung des Paradieses fremd ist. Sie haben aber, wenn man sie genauer betrachtet, eine tiefe geistliche Bedeutung, ähnlich den Klostergärten. Auch in ihnen versuchen Menschen eine Ordnung zu schaffen, die dem Idealbild einer großen Harmonie entspricht.