Ich höre was, das du nicht sagst - Klaus-Dieter Gens - E-Book

Ich höre was, das du nicht sagst E-Book

Klaus-Dieter Gens

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dieses Buch ist eine Einladung an Paare, mit Gewaltfreier Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg ihre Liebesbeziehung so lebendig zu erhalten wie am ersten Tag - und damit eine tragfähige Basis für die gemeinsame Zukunft zu schaffen. Als Begleiter eines fiktiven Liebespaars begeben sich die Autoren auf eine abenteuerliche Reise durch die Höhen und Tiefen beziehungstypischer Dialoge und Konflikte - und landen am Ende bei einer "echten" Beziehung, in der die Anwendung der Gewaltfreien Kommunikation längst kein Konzept mehr ist, sondern gelebter und bewährter Alltag. Anhand humorvoller Praxisbeispiele werden Alternativen zum klassischen Beziehungsdrama vorgestellt, die anregen und inspirieren - frei nach dem Motto: Gewaltfreie Kommunikation braucht keine Missionare. Sie ist ansteckend. Und: Sie funktioniert wirklich.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 154

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Susann Pasztor & Klaus-Dieter Gens

Ich höre was, das du nicht sagst

Gewaltfreie Kommunikation in Beziehungen

Copyright © Junfermann Verlag, Paderborn 2004 4. Auflage 2011

Coverfoto: © Vadim Guzhva – stock adobe

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2019

ISBN der Printausgabe: 978-3-87387-599-9

ISBN dieses E-Books: 978-3-87387-805-1 (EPUB), 978-3-95571-067-5 (PDF), 978-3-95571-066-8 (MOBI).

Vorwort

Ich bin überzeugt, Sie haben sich einen Partner, eine Partnerin auserwählt, weil Sie glücklich sein möchten, eine schöne Beziehung leben wollen, Gemeinsamkeit, Nähe, Zuwendung brauchen. Doch wie viele Tage enden mit Enttäuschung, Traurigkeit oder sogar Haß – gegen den Partner oder gegen sich selbst.

Warum ist es manchmal so schwierig zu bekommen, was die Beziehung erfüllen soll oder sollte? Streit, Konflikte, verbale und körperliche Gewalt sind nicht die böse Absicht des anderen. Es ist nicht der Versuch, dem anderen zu schaden – es ist der Versuch, zur Beziehung und zum Leben beizutragen. Leider allerdings oft auf eine traurige, schädigende Weise, hinter der der Wunsch, beizutragen, nicht mehr zu erkennen ist. Man hat uns viele destruktive Weisen beigebracht, das Leben zu beeinflussen: Schuldzuweisungen, Scham, Drohungen und Bestrafungen oder auch Belohnen und Schmeicheln. Dies sind alles Wege, mit denen man Menschen mehr beherrschen als positiv beeinflussen kann. Sie erzeugen vielmehr Unwillen, Widerstand oder Haß. Für eine Paarbeziehung oder eine Familie sind sie eher ungeeignet, wie viele Gespräche in unseren Seminaren und Beratungen zeigen. Wir verwenden solche Muster, weil wir keine besseren haben, und oft in Kenntnis der Wirkungslosigkeit. Wie oft können Sie schon im Voraus sehen, daß diese oder jene Auseinandersetzung nur traurig und schmerzlich enden kann?

Ich habe mich über das Angebot, an diesem Buch mitzuwirken, sehr gefreut, weil ich weiß, daß es möglich ist, eine glückliche oder zumindest befriedigende Beziehung mit fast jedem Menschen zu leben – dies ist mir besonders wichtig mit den Menschen, die ich liebe: meine „große“ Tochter Lydia, meine Partnerin Katarina und ihre beiden Töchter Anne und Theresa. Mit ihnen haben wir uns auf die Entdeckungsreise liebevoller Umgangsweisen gemacht.

Für uns ist es die Gewaltfreie Kommunikation – von Dr. Marshall Rosenberg entwickelt –, die eine Veränderung unserer Beziehungen bewirkt hat. Eine schlichte, wirkungsvolle Kommunikationsweise, keine schwierige Therapie, kein Wühlen in (alten) Konflikten. Eine Methode, die Schluß macht mit Vorwürfen, Schuldzuweisungen, Angriffen, Interpretationen, Bestrafungen und Schmeichelei. Mit dieser Methode lernen Sie, vorbeugend mit Respekt und Achtung, Verständnis und direkten Bitten Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin gegenüberzutreten, und Sie können die wohltuende und verbindende Wirkung des gegenseitigen Verständnisses und des Mitgefühls erleben.

In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie mehr von dem bekommen, was Sie in Ihrer Beziehung brauchen. Gemeinsam mit einem fiktiven Liebespaar können Sie sich in 10 Stufen auf den Weg machen, Untiefen und Klippen zu umschiffen und zu lernen, offener und direkter das zu kommunizieren, was Sie brauchen und von dem anderen wünschen. Jedes Kapitel mit einem erdachten, aber realitätsnahen Dialog zeigt jeweils eine Kommunikationshürde auf, und wir arbeiten mit dem Paar an Veränderungen der Einstellung und Gesprächsweise. Schritt für Schritt erleben Sie mit, wie unser Paar seine Kommunikationsfähigkeiten entwickelt und immer weniger frustriert und hilflos sein muß.

Wenn es Ihnen manchmal fremd vorkommt, wie die beiden in unserem Buch miteinander gewaltfrei reden, so finden Sie im 11. Kapitel die Umsetzung der Methode in den Alltag eines realen Paares. Dieses Interview hat uns sehr viel gegeben und uns die Bedeutung unserer Partnerschaft noch einmal vor Augen geführt.

Noch einen Nebeneffekt habe ich beim Schreiben dieses Buches an mir selbst festgestellt: Die Dialoge unseres Pärchens, die schiefgehen, sind realitätsnah schrecklich. Sie rufen so viel Erfahrungsschmerz in mir hervor, daß ich viel tun würde, um nicht mehr in solche Situationen zu geraten. Mit der Gewaltfreien Kommunikation weiß ich sogar, wie.

Freude und Glück wünscht Ihnen

Klaus-Dieter Gens

1. Einführung

Tanzstunde

„Liebling, das war eine wunderbare Idee, diesen Tanzkurs gemeinsam zu besuchen.“

„Ja, nicht? Endlich machen wir mal wieder etwas zusammen. Obwohl ich ja eigentlich lieber den Fortgeschrittenenkurs belegt hätte ... Ein bißchen unterfordert fühle ich mich hier schon – au!“

„Na, das war jetzt wohl eine kleine Erinnerung daran, daß du doch noch nicht so fortgeschritten bist, was?“

„Wie bitte? Du bist gerade völlig aus dem Rhythmus gekommen, mein Süßer, hör doch mal hin: eins-zwei-drei, eins-zwei-drei ... Immer schön im Takt bleiben!“ 

„Es ist natürlich immer leichter, am Stil des anderen herumzumeckern, wenn man sich nur führen zu lassen braucht.“

„Also, wenn ich dir die Führung überlassen hätte, wären wir schon längst gegen die Wand geprallt. Hoppla!“

„Das war jetzt aber eindeutig deine Schuld.“

„Wenn du auch nicht richtig führen kannst!“

„Ein gewisser Zusammenhang mit dir läßt sich aber nicht verleugnen, Liebling ... Vorhin beim Partnerwechsel habe ich zum Beispiel mit der Dame im grünen Kleid einen perfekten Foxtrott aufs Parkett gelegt! Ein himmelweiter Unterschied zu unserem Gestolpere hier!“

„Meinst du etwa diese blonde Zicke mit dem Riesenbusen?“

„Also wirklich, solche sexistischen Sprüche hätte ich nicht von dir erwartet.“

„Die so rumläuft, als wollte sie sich alle Männer unter den Nagel reißen?“

„Ich glaube, wir sprechen von der gleichen Person, ja.“

„Ich wette, du hast die ganze Zeit nur in ihr Dekollete geschaut.“

„Habe ich nicht. Sonst hätte ich kaum mit ihr tanzen können.“

„Ja, beides gleichzeitig geht im Anfängerkurs noch nicht so gut, was? Und was kann sie denn so toll, deine blonde Traumfrau? Läßt sie sich willig von dir führen, und sei es mitten hinein in – Vorsicht! Da stehen doch Leute!“

„Jetzt hast du aber einen falschen Schritt gemacht. An der Stelle hättest du mit dem linken Bein den Schritt nach hinten machen müssen, nicht mit dem rechten.“

„Aber wenn du mit dem linken Bein nach vorn gehst, bleibt mir doch gar nichts anderes übrig!“

„Ich habe aber mit dem rechten Bein einen Schritt nach vorn gemacht, schau, so.“ 

„Glaubst du, das merke ich nicht selber? Ich bin völlig durcheinander wegen dieser Frau.“

„Wieso denn das?“

„Du hast gesagt, sie tanzt besser als ich.“

„Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, ich hätte vorhin besser getanzt mit ihr.“ 

„Das ist ja wohl ein und dasselbe.“

„Nein, ist es nicht. Du tanzt viel besser als sie. Ich meinte damit nur, daß es viel schöner wäre, wenn du nicht dauernd ... “ 

„Hey! Das war mein Fuß!“

„Entschuldige bitte. Sollten wir vielleicht einfach mal eine Runde aussetzen?“ 

„Willst du etwa nicht mehr mit mir tanzen?“ 

„Natürlich will ich mit dir tanzen, das weißt du doch.“

„Gar nichts weiß ich. Du sagst immer wieder, du würdest lieber mit anderen Frauen tanzen. Kannst du dir nicht vorstellen, wie mich so was verunsichert?“

„Schatz, ich habe doch nur gesagt ...“

„Wie soll ich harmonisch mit dir tanzen, wenn ich weiß, daß du ständig an andere Frauen denkst?“

„Herrgott noch mal, ich denke überhaupt nicht an andere Frauen. Aber wenn du nicht bald aufhörst mit deinem ewigen Gezeter ...“

„Achtung! Das war jetzt aber knapp. Die beiden eben haben ganz böse geguckt.“ 

„Ich kann auch nicht beides gleichzeitig – dich führen und mich mit dir streiten.“ 

„Dann schon lieber in andere Ausschnitte gucken, was?“

„So tanze ich nicht weiter. Ich gehe jetzt nach drüben zu unserem Tisch und trinke etwas.“ 

„Und mich willst du hier einfach so stehen lassen, mitten auf der Tanzfläche?“ 

„Du kannst ja mitkommen.“

„Ich bin aber hier, um tanzen zu lernen – mit dir!“

„Na siehst du, das Lied geht sowieso gerade zu Ende. Wie? Was hat der Tanzlehrer gerufen?“

„Er hat gesagt: ,Partnerwechsel, bitte!‘ Wehe, du wagst es!“

Eine Einladung

Wird er es tun? Wir jedenfalls wagen es nicht, uns weiter auszumalen, was als nächstes geschieht, und überlassen die zwei vorerst ihrem Schicksal. Wir werden ihnen im Lauf dieses Buches noch einige Male begegnen. Sie sollen uns mit ihren Dialogen erheitern und unterhalten, aber sie erfüllen auch noch andere, wichtigere Aufgaben: An ihren Gesprächen werden wir erkennen können, wie verbale Gewalt entsteht, wie sie sich entfaltet, was sie verbirgt – und wie sie verhindert werden kann. Denn Gewalt in Beziehungen beginnt nicht erst dort, wo Geschirr zertrümmert, Flüche gebrüllt oder gar Fäuste eingesetzt werden. Sie fängt bereits da an, wo verglichen und bewertet wird, gefordert und beschuldigt, verallgemeinert und beurteilt, kritisiert und korrigiert. Und das macht, wenn wir genau hinschauen, einen nicht unerheblichen Anteil der Kommunikation in Beziehungen aus – selbst wenn die Beteiligten der Meinung sind, das Gespräch sei doch eigentlich „recht friedlich“ verlaufen.

Gewaltfreie Kommunikation – viele von Ihnen müssen bereits davon gehört haben und sich dafür interessieren, sonst hätten Sie dieses Buch nicht in der Hand. Wir werden Ihnen das Konzept und die wichtigsten Elemente der Gewaltfreien Kommunikation auf den nächsten Seiten vorstellen. Zunächst nur in aller Kürze – denn dieses Buch ist kein Lehrbuch. Es ist ein Praxisbuch, in dessen Verlauf Sie detaillierte Informationen über die Anwendung erhalten werden: eine Einladung an Sie, uns und unsere Protagonisten auf der abenteuerlichen Reise durch die Höhen und Tiefen menschlicher Kommunikation zu begleiten. Denn ein Abenteuer ist es allemal – allerdings keines, in dem böse Drachen besiegt werden, sondern eines, in dem verwunschene Prinzen und Prinzessinnen immer wieder wachgeküßt werden können. Und es ist auch ein Buch über die Liebe. Eigentlich handelt es von nichts anderem. Denn das, was wir mit Gewaltfreier Kommunikation bewirken, ist nichts anderes, als unsere Liebe füreinander zu bewahren, sie zu stärken und sogar auszudehnen. Genau das passiert, wenn wir lernen, unsere Gefühle und unsere Bedürfnisse zu erkennen und auszudrücken und die des anderen wahrzunehmen und seine Bitten zu erfüllen – aus vollem Herzen. Es ist geradezu unvermeidlich. Und es ist leichter, als Sie vielleicht denken. Gewaltfreie Kommunikation ist wie eine ergänzende Fremdsprache, die Sie dazulernen können. Es mag sein, daß Sie sich zunächst für den Aufbau und die Struktur dieses Modells interessieren und auch an seine positiven Auswirkungen glauben, es aber dennoch nicht bewußt in Ihrer Alltagssprache einsetzen wollen. Wir meinen, daß auch dieses passive Verständnis eine große Veränderung in Ihrer Kommunikation und Ihrem Leben bewirken kann, weil sich Ihre Haltung zu den Dingen ändert. Allein durch empathisches Zuhören werden unser Denken, unser Handeln und unsere Sprache beeinflußt und bereichert. Lassen Sie sich inspirieren!

Die Frage, ob es denn überhaupt sinnvoll ist, diese Sprache zu lernen und anzuwenden, wenn sich zunächst nur ein Partner für Gewaltfreie Kommunikation interessiert, kann eindeutig mit „Ja“ beantwortet werden. Mit Gewaltfreier Kommunikation lernen Sie all das auszudrücken, was in Ihnen lebendig ist – eigentlich das schönste Geschenk, das Sie sich selbst machen können. Und was glauben Sie, was mit Ihrem Partner geschieht, wenn er im Gespräch mit Ihnen gewürdigt und verstanden wird mit all seinen Gefühlen und Bedürfnissen? Gewaltfreie Kommunikation braucht keine Missionare oder Überzeugungsarbeit. Sie ist ansteckend.

... zum Lebendigsein

Wer lernen möchte, Gewaltfreie Kommunikation in seine Alltagssprache zu integrieren, den erwartet ein lebendiger Prozeß mit unerschöpflichen Übungsmöglichkeiten. Manche Worte gewinnen eine völlig neue Bedeutung, einige Begriffe haben Sie womöglich nie zuvor benutzt, und andere werden Sie vielleicht ganz aus Ihrem Wortschatz streichen wollen. Und wie bei jeder neuen Sprache werden Sie anfangs noch ab und zu in Ihrem „Vokabelheft“ nachschauen (siehe auch im Anhang). Gewaltfreie Kommunikation besteht nicht aus vorgefertigten Sätzen, die Sie nachsprechen müssen. Sie ist so vielfältig und lebendig wie die Menschen, die sie anwenden, ob Anfänger oder Experten. Wir werden versuchen, Ihnen ein Bild davon zu vermitteln, wie diese Sprache benutzt werden kann. Dazu haben wir mit Hilfe unser beiden Protagonisten klassische Szenarien entstehen lassen, die Ihnen möglicherweise bekannt vorkommen. Ehrlich gesagt: Das sollen sie auch. Anhand von typischen Konfliktszenen aus dem Beziehungsalltag wollen wir Sprachmuster identifizieren, Strategien und Hintergründe beleuchten und gewaltfreie Alternativen vorstellen – Alternativen, die beiden Beteiligten ermöglichen, ihre Gefühle und ihre Bedürfnisse beim Namen zu nennen. Was wiederum die Wahrscheinlichkeit signifikant erhöht, daß sie bekommen, was sie wirklich brauchen.

Unser Grundverständnis von Kommunikation ist die Vorannahme, daß alles, was wir einander sagen, Ausdruck unserer Bedürfnisse ist. Von daher verstehen wir unsere Aufgabe als Autoren als eine Art Übersetzungshilfe, um anhand der Beispieldialoge deutlich zu machen, wie sehr sich das, was gesagt wird, oft von dem unterscheidet, was eigentlich gemeint war.

Ein paar Worte noch zum Thema „typisch männlich – typisch weiblich“: Auch wenn es zunächst nicht eindeutig aus den Dialogen hervorgeht, wird Ihnen meistens nach wenigen Sätzen klar sein, welche Stimme der Frau und welche dem Mann gehört. Das soll weder ein Geheimnis sein noch eine sonderliche Rolle spielen. Ja, es gibt „klassische“ geschlechtsspezifische Vorgehensweisen bei der Kommunikation in Beziehungen, und wir verwenden sie in unseren Dialogen als dramaturgisches Hilfsmittel. Darüber hinaus sind wir jedoch der Auffassung, daß sich das verbale Gewaltpotential von Sprache sowohl in „typisch männlichen“ als auch „typisch weiblichen“ Kommentaren verbirgt – mal offensiv, mal subtil, aber zweifellos gleichmäßig verteilt.

An dieser Stelle auch unsere Bitte um Ihr Verständnis, daß wir vorwiegend bei der männlichen Schreibweise geblieben sind und uns meistens auf „Ihren Partner“ oder „den anderen“ beziehen: Wir gehen trotzdem davon aus, daß sich Männer und Frauen gleichermaßen angesprochen fühlen werden. Gefühle und Bedürfnisse sind unser Hauptanliegen – und die sind weder männlich noch weiblich, sondern einfach menschlich.

Es herrscht viel Gewalt in unserer Welt, und von allein wird sie nicht wieder verschwinden. Angesichts der Globalisierung, des Terrors und der sehr realen Bedrohung durch Kriege und Waffengewalt mag es unbedeutend erscheinen, sich mit verbaler Gewalt in Beziehungen zu beschäftigen. Andererseits – wo, wenn nicht hier anfangen? Es geht um nichts Geringeres, als die Liebe am Leben zu erhalten, die Sie und Ihren Partner zusammengebracht hat. Die Möglichkeit, daß aus einer Tanzstunde am Ende ein Pas de deux werden kann, ist allein schon ein guter Grund, etwas Neues auszuprobieren, finden Sie nicht?

2. Was ist Gewaltfreie Kommunikation?

Das Konzept

Gewaltfreie Kommunikation ist zweierlei: ein Sprachkonzept, das zur erfolgreichen Konfliktbewältigung eingesetzt wird, und ein Lebensmodell, in dessen Mittelpunkt die einfühlsame Verbindung zu sich selbst und anderen steht. Auch wenn ihrer Anwendung einige wenige, klar strukturierte Vorgaben zugrunde liegen:Gewaltfreie Kommunikation ist keine Technik, sondern eine Haltung!

Die beiden zentralen Fragen in der Gewaltfreien Kommunikation lauten: Was ist lebendig in dir? Und was würde dein Leben bereichern – hier und jetzt? Ausdruck unserer Lebendigkeit sind unsere Gefühle, die wiederum auf unsere Bedürfnisse hinweisen. Und die, so eine der Grundannahmen der Gewaltfreien Kommunikation und ihres Begründers Marshall B. Rosenberg (siehe auch Über Marshall B. Rosenberg), sind der wesentliche Inhalt unserer menschlichen Kommunikation. Deswegen bezeichnet Marshall Rosenberg auch Gewalt als einen „tragischen Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse“.

Eine Sprache des Lebens ...

... ist eine Sprache, in der die Gefühle einen Namen bekommen und ausgesprochen werden. Genau wie das Leben selbst unterliegen sie einem ständigen Veränderungsprozeß: Jedes Gefühl, jeder Gedanke ist eine Momentaufnahme des gegenwärtigen Augenblicks. Gewaltfreie Kommunikation ist eine prozessorientierte Sprache, die das Bewußtsein darauf lenkt, was jetzt – oder zu einem bestimmten Zeitpunkt – in uns lebendig ist oder war.

Von Wölfen und Giraffen

In seinen Workshops benutzt Marshall Rosenberg den Wolf als Symbol für lebensentfremdete Kommunikation. „Wolfssprache“ ist die Sprache, mit der wir aufgewachsen sind: Die Sprache der Urteile und Schuldzuweisungen, des Machtmißbrauchs und des Leugnens von Verantwortung für die eigenen Gefühle und Handlungen. Im Gegensatz zur dynamischen „Giraffensprache“ (Giraffen sind die „Wappentiere“ der Gewaltfreien Kommunikation, weil sie die Landtiere mit dem größten Herzen sind) ist Wolfssprache statisch, weil sie Worte verwendet, die festschreiben und beurteilen.

Werturteile und moralische Urteile

Natürlich brauchen wir unsere Urteilsfähigkeit, um bestimmte Situationen und Ereignisse einzuordnen und Entscheidungen treffen zu können. Diese Werturteile fällen wir im Einklang mit unseren individuellen Überzeugungen darüber, was uns im Leben wichtig ist – etwa Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit oder Rücksichtnahme. In der Gewaltfreien Kommunikation sind Werturteile insofern wichtig, als daß sie uns Informationen über unsere eigenen Bedürfnisse vermitteln.

Was aber, wenn andere Menschen ganz andere Werturteile haben als wir? Obwohl die Realität immer wieder zeigt, wie vielfältig und situationsabhängig menschliche Wertvorstellungen sind, fällt es den meisten schwer, diese Unterschiedlichkeiten auszuhalten – sie suchen stattdessen danach, was am anderen falsch ist.

Begriffe wie richtig und falsch, gut und böse, normal und unnormal sind Beispiele einer statischen Sprache, die auf Zuordnungen und moralische Urteile verweist. Sie spiegelt ein Dominanzsystem wider, in dem eine Autorität die Definitionsmacht beansprucht – nach Marshall Rosenberg die Quelle menschlicher Gewalt. Auch Konzepte wie Schuld oder Scham, Strafe und Belohnung sind eine Form des Machtmißbrauchs. Konsequent weitergedacht, ist also die Aussage „Gewalt ist schlecht“ ein moralisches Urteil, während der Satz „Ich setze keine Gewalt ein, weil ich Konflikte mit anderen Mitteln lösen möchte“ ein Werturteil ist.

Empathie

Unter Empathie – oder Einfühlung – verstehen wir das respektvolle Aufnehmen der Erfahrungen anderer Menschen. Das ist nur dann möglich, wenn wir ihnen ohne vorgefaßte Meinungen und Urteile begegnen. Empathie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für Gewaltfreie Kommunikation und ermöglicht uns, den anderen immer wieder in einem neuen Licht zu sehen und neu zu entdecken. Untrennbar verbunden mit Empathie ist Präsenz. Sie bedeutet: „Ich bin hier mit dir, was immer du auch sagst oder tust.“ Das unterscheidet Empathie von intellektuellem Verstehen oder von Mitleid. Weder Ratschläge noch Trost oder Beschwichtigungen haben etwas mit Empathie zu tun. Mit unserer Fähigkeit zur Empathie ermöglichen wir uns selbst, verletzlich und menschlich zu bleiben und auch ein „Nein“ vom anderen zu akzeptieren, ohne es als Zurückweisung zu empfinden.

Verantwortung übernehmen

Weder gesellschaftliche Normen und Wertvorstellungen noch das Verhalten anderer sind verantwortlich für unsere Gefühle und Handlungen. Wir selbst sind es, deren innere Haltung darüber entscheidet, wie oder was wir fühlen. Das Übernehmen der Verantwortung für die eigenen Gefühle ist ebenfalls ein wichtiges Element der Gewaltfreien Kommunikation.

Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation

Das Grundmodell der Gewaltfreien Kommunikation besteht aus vier Komponenten bzw. Schritten, die nacheinander ausgeführt werden:

1. Beobachtungen

Als erstes beobachten wir, was in einer bestimmten Situation tatsachlich geschieht: Was hören wir den anderen sagen, was sehen wir, das er tut? Das Entscheidende hierbei ist, diese Beobachtung von jedweder Form der Bewertung zu trennen. Der Satz „In der Küche steht das benutzte Geschirr von gestern abend“ ist eine Beobachtung, während bei „Die Küche ist das reinste Chaos“ schon eine Bewertung enthalten ist.

2. Gefühle

Im zweiten Schritt drücken wir unsere Gefühle aus, die durch das, was wir beobachtet haben, in uns ausgelöst wurden. Wir können uns fröhlich, begeistert, hingerissen und überglücklich fühlen – aber auch frustriert, besorgt, traurig oder ängstlich.

3. Bedürfnisse