Ich komm da nicht mehr mit - Kester Schlenz - E-Book

Ich komm da nicht mehr mit E-Book

Kester Schlenz

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  • Herausgeber: Mosaik
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Alles wissen müssen, alles können sollen – Kester Schlenz über eine immer komplizierter werdende Welt, die uns alle überfordert.

Wir alle sind im Visier eines gewaltigen Info-Dauerfeuers: News, Mails, Social Media, Messenger, Podcasts, Push-Nachrichten. Wir sollen informiert sein, Meinungen haben, mitreden können. Und wir sollen nicht nur immer mehr wissen. Wir sollen und müssen auch immer mehr können und selber machen: runterladen, bestätigen, eingeben, updaten, verifizieren – die digitale Welt treibt uns in den Wahnsinn, anstatt uns zu entlasten. Kester Schlenz beschreibt die alltägliche Überforderung und begibt sich auf die Suche nach Wegen zu mehr Gelassenheit.

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Buch

Wir alle sind im Visier eines gewaltigen Info-Dauerfeuers: News, Mails, Social Media, Messenger, Podcasts, Pushnachrichten. Wir sollen informiert sein, Meinungen haben, mitreden können. Und wir sollen nicht nur immer mehr wissen. Wir sollen und müssen auch immer mehr können und selber machen: runterladen, bestätigen, eingeben, updaten, verifizieren – die digitale Welt treibt uns in den Wahnsinn, anstatt uns zu entlasten. Kester Schlenz kommt da nicht mehr mit! Er beschreibt die alltägliche Überforderung und begibt sich auf die Suche nach mehr Gelassenheit.

Autor

Kester Schlenz war bis vor Kurzem noch Redakteur und Ressortleiter beim Magazin Stern. Jetzt ist er Rentner, lehnt diese Bezeichnung aber für sich ab, weil sie ihm zu sehr nach »alter Knacker« klingt. Schlenz ist Autor zahlreicher Sachbücher, darunter die Bestseller »Mensch, Papa! Vater werden – das letzte Abenteuer« und »Alter Sack, was nun?«. Außerdem schreibt er mit seinem Kumpel Jan Jepsen erfolgreiche Krimis.

Außerdem von Kester Schlenz im ProgrammAlter Sack, was nun?Bleib locker, Papa!Ich bin bekloppt … und ich bin nicht der EinzigeLeg los, alter Sack!Mensch, Papa!Mutti baut abPapas SchwangerschaftskalenderDer kleine Phrasendrescherauch als E-Book erhältlich

KESTER SCHLENZ

ICH KOMM DA NICHT MEHR MIT

Wie Informationsflut und digitale Überforderung uns in den Wahnsinn treiben – wenn wir es zulassen!

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe April 2024

Copyright © 2024: Mosaik Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Sabine Kwauka

Umschlagmotiv: shutterstock/Aha-Soft

Redaktion: Dagmar Rosenberger

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

CH · IH

ISBN 978-3-641-30865-0V001

www.mosaik-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1. Zwischen Übersättigung und Erschöpfung

2. Warum komme ich mir so oft blöd vor?

3. Ich bin mir ja nicht mal mit mir selbst einig

4. Unser Ich unter digitalem Dauerbeschuss

5. Wir sollen auch immer mehr können

6. Er lauert überall: Der Terror der Technik

7. So bewältigen wir die Entscheidungsmelancholie

8. Zurück zur Natur!

9. Lebendig sein statt nur funktionieren

10. Digital Detox – Entgiftung im Selbstversuch

Und wie geht es jetzt weiter?

Vorwort

Vor einiger Zeit schrieb ich für das Magazin Stern eine Titelgeschichte. Darin schilderte ich, wie mich die tägliche Informationsflut zu überfordern droht. All die Breaking News, Info-Häppchen, Mails, SMS-Nachrichten, der Dauer-Austausch auf Social Media und die Flut der Serien, Filme oder Dokus, die ich (angeblich) sehen muss, um mitreden zu können. Ich hatte gemerkt, dass mir das alles in dieser Ballung und Schnelligkeit wahnsinnig auf die Nerven zu gehen begann. Immer öfter dachte und fühlte ich: Das ist zu viel. Das ist nicht mehr gut. Da komme ich nicht mehr mit.

Aber konnte ich als Journalist, der auch von aktuellen Nachrichten lebt, so etwas überhaupt zugeben? Zu meinem Erstaunen fanden alle Kolleginnen und Kollegen die Idee für einen solchen Artikel gut. Ich sprach offenbar vielen aus dem Herzen. Also recherchierte ich zum Thema Informationsflut und schrieb los. Die Geschichte kam auch bei den Leserinnen und Lesern des Stern gut an, wie mir zahlreiche Leserbriefe zeigten.

Kurz darauf erhielt ich eine Mail meiner Lektorin beim Mosaik Verlag, mit der ich häufig zusammenarbeite, wenn ich Sachbücher schreibe. Ob ich nicht ein Buch zu diesem Thema schreiben wolle. Ich sagte nein. Weil ich dachte, ich hätte in meinem Zeitschriftenartikel schon alles zu diesem Thema gesagt.

Machen wir es kurz: Das hatte ich nicht. Immer wieder wurde ich auf den Artikel angesprochen, fand neue Aspekte und merkte, dass es noch sehr viel mehr zu erzählen gab. Denn die Informationsflut ist nur eine Seite des Problems: Wir sollen nicht nur immer mehr Informationen immer schneller konsumieren, verarbeiten und nutzen, also immer mehr wissen. Nein, wir sollen und müssen auch immer mehr können und selber machen in der angeblich so schönen neuen digitalen Welt. Die sich aber für mich immer mehr gegen uns Menschen zu wenden scheint und unser Leben komplizierter statt leichter macht. Ich zumindest spüre: Diese moderne, digitale Welt und ich – das passt immer öfter nicht mehr so richtig zusammen. Ich gebe mir Mühe. Aber die Welt nicht.

Ich soll immer irgendwas machen, bestätigen, ablesen, eingeben, aktualisieren, verifizieren und runterladen. Und bin überfordert, weil man einfach zu viel von mir fordert: Wissen, Kompetenzen, Flexibilität, Zeitmanagement, Anpassung. Das Ergebnis: Es nervt. Es stresst. Es ärgert mich. Und macht mich wütend, denn ich stecke so oft fest und fühle mich schlecht.

All das erzähle ich in diesem Buch. Mit vielen Beispielen aus dem alltäglichen Wahnsinn, der uns umgibt. Und ich vermute und hoffe, Sie werden sich beim Lesen sehr oft wiederfinden. Denn ich weiß: Ich bin nicht allein. Es geht nicht nur mir so.

Und es geht so nicht weiter.

Deshalb versuche ich im zweiten Teil des Buches, Wege aus diesem Überforderungswahn zu finden. Ich bin kein Experte, nur ein Betroffener. Aber ich habe mit Experten und Expertinnen gesprochen. Leute, die wissen, dass wir dabei sind, uns kaputtzumachen, wenn wir so weitermachen. Die beschriebenen Wege zu mehr Ruhe, Abstand und innerer Gelassenheit mögen Ihnen vielleicht zu einfach oder zu allgemein klingen oder Ihnen schon bekannt vorkommen. Mag sein. Aber oft ist die Lösung einfach, nur eben schwer umzusetzen. Und manchmal – das wissen alle Menschen mit Therapieerfahrungen – muss man sich die Dinge immer wieder sagen oder sagen lassen, bis das, was wichtig und richtig ist, wirklich ankommt.

Ich habe es versucht und ich versuche es weiter. Denn es geht mir besser. Auch davon erzähle ich.

Ich grüße Sie herzlich

Ihr

Kester Schlenz

1.Zwischen Übersättigung und Erschöpfung

Wahrscheinlich kennen Sie es alle: dieses Gefühl, wenn es zu viel wird. Wenn es einfach reicht mit all den News, Mails, Messenger-Kontakten, Anrufen, SMS-Nachrichten, Serien, Jingles, Werbeslogans, Terminvorschlägen, Cookies, Podcasts und Pushnachrichten – und auf dem Tisch liegt die Tageszeitung und raunt: Lies mich!

Informationen sind wichtig, aber aus dem Nachrichtenfluss ist eine Flut geworden, die uns verschlingt. Ich habe das Gefühl, schon bis zu den Hüften im Wasser zu stehen. Ich ertrinke in News.

Mir reicht’s!

Dabei bin ich Journalist. Informiert zu sein ist mein Beruf. Ich habe mich bisher immer für jemanden gehalten, der auf der Höhe der Zeit ist, sachkundig und meinungsbereit. Ich wusste Bescheid. Ich gebe es nicht gern zu, aber diese Gewissheit schwindet rasant. Ich gebe mir Mühe, aber das Unbehagen wird immer größer. Wir alle haben nicht nur immer längere To-do-Listen zu bewältigen, sondern müssen auch immer mehr To-know-Listen abarbeiten. »Wissen ist Macht« gilt heute mehr denn je. Aber dieses Wissen-Müssen, das Up-to-date-Sein, das Immer-schneller-Werden – das überfordert mich.

Um mich herum tobt ein thematisches Dauerfeuer auf allen Ebenen. Jeden Tag. Schon morgens meldet das Smartphone die ersten Pushnachrichten. Kaum bin ich wach, da hat gefühlt schon jeder etwas zum Neuesten getwittert, gemailt, es kommentiert und nicht selten dabei gepöbelt. Nie war mehr Meinung. Alle sagen was, aber kaum einer hat mehr Ahnung.

News schwirren wie Heuschreckenschwärme durch den Tag und setzen sich auf uns. Die Welt rückt uns auf beispiellose Weise zu Leibe. Und das Smartphone ist das Tor zu dieser Welt. Es macht uns zu Getriebenen eines immerwährenden globalen Informationsstroms, den wir kaum noch bewältigen können. Zu allem soll ich mich irgendwie verhalten: zum Klimawandel, zur Energiewende, zum Veganismus, zur Flüchtlingspolitik, zum Gendern, zur Identitätspolitik, zu Kryptowährungen, zu kultureller Aneignung, zur neuen Netflixserie, zu Russland, der Ukraine, zu Israel, Palästina, China, zur Lage in Afrika, zur Krise auf dem Balkan, zur künstlichen Intelligenz, zum Islam, zu Wärmepumpen, energetischer Sanierung, zur Raubkunst-Debatte, zur richtigen Geldanlage und zur optimalen Gesundheitsvorsorge. »Was sagst du dazu? Findest du nicht auch, dass …? Hast du schon gehört?«

Gehört ja, aber noch nicht alles durchdrungen. »Lass mich doch erst mal darüber nachdenken«, möchte ich antworten. Aber das sage ich nicht. Auch von mir kommt meist sofort eine Meinung. Manchmal muss ich sie korrigieren. Und manchmal bin ich hinterher froh, geschwiegen zu haben. Überall vermintes Gelände. Man kann so schnell so viel falsch machen. Der gefährlichste Knopf der Welt ist »senden« bei Facebook, Twitter oder Instagram. Das Netz ist die Spinne. Es hockt da und wartet auf Fehler. Shitstorms sind die neue Inquisition, und noch nie war es so einfach, Streit, Hass, bewusstes Missverstehen und schnelle Urteile zu verbreiten. Und ich mache mit. Aber ich fühle mich nicht mehr wohl damit. »Outrage Fatigue« nennen das die Fachleute: »Empörungserschöpfung«.

Liegt es an mir? Am Alter? Ich bin, während ich dieses Buch schreibe, vierundsechzig Jahre alt. Bin ich zu bequem und unflexibel geworden? Vielleicht. Aber ich glaube das nicht. Ich bin immer noch interessiert und motiviert. Aber ich habe nun mal – wie die meisten von uns – nur eine begrenzte Aufnahmekapazität. Und ich bin zunehmend »news-gesättigt«. Ich habe mich an Informationen und herausgebrüllten Meinungen förmlich überfressen. Das tut mir nicht gut. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass das alles sein muss. Dass ich weiter alles in mich reinfressen muss, weil alle anderen es auch tun und ich sonst abgehängt werden könnte. Guck, da hat schon wieder einer getwittert! Und ich weiß noch nicht mal genau, um was es geht. Ich bin wohl zu langsam. Vielleicht ist auch mein Info-Magen zu klein. »Mehr Speed, Digger!«, sagt eine Stimme in meinem Kopf. Ich weiß übrigens, dass Twitter jetzt X heißt, aber ich mag nicht »x-en« sagen, nur weil Herr Musk das will. Deshalb benutze ich in diesem Buch noch den Begriff »Twitter«.

Für den Bestseller-Autor und Philosophen Rolf Dobelli (»Die Kunst des klaren Denkens«) ist diese News-Flut eine echte Gefahr, denn sie erzeuge »die Illusion, wir würden die Welt besser verstehen und seien irgendwie mit ihr verbunden«. Doch das Gegenteil sei, so Dobelli, der Fall. »News«, sagte er mir in einem Interview, »sind reine Zeitverschwendung. Sie stehlen unsere Aufmerksamkeit. Sie machen süchtig.« News, das sind für Dobelli »all diese Kurzmeldungen aus aller Welt, die überall auf uns einstürmen. Diese schnellen Info-Häppchen: Zwei Präsidenten haben sich getroffen. Irgendwo startet eine Rakete. Ein Vulkan ist ausgebrochen. Ein Promi-Paar hat sich getrennt. Trump twittert was. Ich meine all diese Meldungen, die aufsehenerregend oder schockierend wirken, die aber eigentlich völlig belanglos sind. Vor allem für das persönliche Leben der meisten Menschen und ihr Weltverständnis. Ich nenne sie Massenvernichtungswaffen gegen den gesunden Menschenverstand.«

Mir klingt das ein wenig zu krass, aber dennoch nachdenkenswert. Muss ich wirklich alles konsumieren, was man mir als »Breaking News« aufzwingen will? Muss ich wissen, was Oliver Pocher wieder getwittert hat oder dass Herzogin Kate ganz gut Tennis spielt?

Aber es geht ja nicht nur um Überflüssiges, Belangloses und Nerviges, mit dem wir alle täglich bombardiert werden. Dieses Info-Fast-Food ohne inhaltliche Ballaststoffe ist sozusagen der umfangreiche Beifang inmitten echter, »harter« Nachrichten, die uns aber in ihrer schieren Masse nicht weniger bedrängen und überfordern. Wir können sie nicht mehr bewältigen, wollen sie aber auch nicht ignorieren. Also hat man ständig – ich kenne das von mir selbst – dieses ungute Gefühl, die wirklich wichtigen Nachrichten im unendlichen Datenstrom zu übersehen.

Hinzu kommt, dass es leider mehrheitlich schlechte Nachrichten sind, weil wir alle die Tendenz haben, uns eher für das Negative zu interessieren. Ein Überbleibsel unserer Evolution. Es war wichtiger für den frühen Menschen, schnell zu erfahren, wo Gefahren drohen, statt sich am Plätschern eines Wasserfalls zu erfreuen oder zu hören, dass es »Ugur« aus der Nachbarhöhle gut geht. Interessanter waren da schon die News, dass es »Ugur« schlecht geht, weil er diese lecker aussehenden roten Beeren gegessen hat.

Und so saugen wir sie auf, all die Nachrichten über Kriege, Seuchen, Verbrechen, Gefahren oder Katastrophen. Und manche können gar nicht mehr damit aufhören. Eine Negativspirale, die nicht selten Ängste, Wut, Trauer, Entsetzen oder Ohnmacht erzeugt. Es gibt dafür sogar einen Fachbegriff: »Doomscrolling« – die zwanghafte Neigung, sich exzessiv mit schlechten Nachrichten zu beschäftigen. Das Wort setzt sich zusammen aus »Doom«, dem englischen Wort für Untergang oder Verderben, und »scrolling«, also dem Verschieben auf dem Bildschirm. Studien belegen, dass dieses »Doomscrolling« Ängste und Depressionen steigert und zu Schlafstörungen und der vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen führt. Das Negative der News verstärkt zudem – was nicht verwundert – bei nahezu allen Rezipienten negative Gedanken und Gefühle.

Hinzu kommt, dass zwar der Umfang an Informationen immer rapider zunimmt, nicht jedoch deren Qualität. Wir allen kennen das aus Blogs und sozialen Netzwerken. Oft wird nicht informiert, sondern polemisiert, gepöbelt und noch schlimmer: gelogen. Das Phänomen der Falschnachrichten, der so genannten Fake News, ist ein weltweites Problem von ungeheurer Zerstörungskraft, wie uns die gesellschaftliche Spaltung in den USA und der Siegeszug von Populisten und Autokraten überall auf der Welt zeigen. Genau die setzen nämlich auf diese Fake News, um ihre Ziele zu erreichen. Die Falschnachrichten kommen in der Verkleidung echter Fakten daher, sind aber nahezu immer Lügen, Halbwahrheiten, Verdrehungen oder Teil von Verschwörungstheorien.

Die Verantwortlichen liefern Desinformation statt seriöser Fakten, um Macht zu erlangen und zu sichern, Gegner zu diskreditieren oder ein krudes Weltbild zu verbreiten. Wir können das gerade im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beobachten: Desinformation und Fake News gehörten von Anfang an zur psychologischen Kriegsführung. Verbreitet durch russische Staatsmedien oder durch vom Kreml beauftragte Player. Überall auf der Welt gibt es solche dubiosen »Nachrichtenseiten« und so genannte »Fake Accounts«. Und wir ohnehin schon gestressten News-Empfänger müssen uns nun auch noch ständig fragen, wie glaubwürdig die Quellen der Absender sind.

Umso wichtiger ist es, dass wir nur seriösen Medien vertrauen und dem Gegröle von Populisten keinen Glauben schenken, die gegen die »Lügenpresse« und den angeblichen »Staatsfunk« hetzen. Leider verfängt diese Polemik bei vielen. Es gibt berechtigte Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seinen aufgeblähten Strukturen. Aber die Nachrichten, Dokumentationen und Reportagen, die dort in Radio und Fernsehen laufen, und auch die Print-Berichterstattung in den so genannten »Leitmedien«, wie dem Spiegel, der Zeit, dem Stern, der FAZ, der FrankfurterRundschau oder der Süddeutschen Zeitung sind immer noch verlässlich, meist ausgewogen und vor allem seriös. Was man allein schon daran erkennt, dass in der Tagesschau oder im heute-Journal nach der Berichterstattung über die Arbeit der Regierung und neue Gesetzesvorhaben immer auch die Opposition mit ihrer Kritik daran zu Wort kommt. So etwas findet man in US-Krawallsendern wie Fox-News nicht. Ebenso wenig wie eine eigene Korrekturenseite, wie sie z. B. die Tagesschau im Internet anbietet, auf der sie Fehler einräumt und richtigstellt.

Risiken und Nebenwirkungen der »Infodemie«

Brandgefährlich wird es auch, wenn es bei Fake News um Gesundheitsthemen geht. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Äthiopier Tedros Adhanom Ghebreyesus, prägte im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Corona-Virus einen neuen Begriff. »Wir bekämpfen«, sagte er, »nicht nur eine Epidemie, wir bekämpfen auch eine Infodemie.« Gemeint ist damit die wachsende Flut von medizinischen Informationen in allen möglichen Medien, die teilweise richtig, aber eben auch sehr oft falsch sind. Den Rezipienten fällt es jedoch im News-Gewitter zunehmend schwer, zwischen Fake News, Halbwahrheiten und seriösen, vertrauenswürdigen Nachrichten und Quellen zu unterscheiden. Gerade, wenn der Absender sich seriös gibt und vielleicht sogar einen (angeblichen) Doktortitel hat.

Während der Corona-Pandemie explodierte die Zahl falscher Nachrichten, vor allem in den sozialen Medien. Die Pandemie, die die Menschen massiv verunsicherte und anfällig für vermeintlich einfache Antworten machte, war die Geburtsstunde der »Querdenker« und ihrer »alternativen Fakten«, die aber vor allem Lügen, Gerüchte und Halbwahrheiten waren. Hauptsache, es ging gegen das »Regierungsnarrativ«. Da wurde vehement gegen das Impfen polemisiert und das Virus verharmlost, wurden Masken und Schutzmaßnahmen abgelehnt oder dubiose alternative Arzneien oder Therapien empfohlen.

Manche davon waren regelgerecht gesundheitsgefährdend, wie etwa die Falschmeldung, Desinfektionsmittel oder Methanol könnten innerlich angewendet Corona heilen. Auch die Behauptung, Knoblauch schütze vor einer Covid-Infektion, war natürlich schlichtweg fahrlässiger Unsinn. Ebenso wie die Behauptung, Kuhdung wäre ein Corona-Gegenmittel. Wahlweise wurden auch verdünntes Arsen oder das Trinken von Bleichmitteln empfohlen. Aber die Saat ging auf. Etliche Menschen glaubten diesen Unsinn, brachten sich in Gefahr oder begannen, an den offiziellen Verlautbarungen der medizinischen Experten und der zuständigen Politiker zu zweifeln. Nach dem Motto: Impfen? Steckt da nicht Bill Gates hinter? 

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Studie des »Massachusetts Institute of Technology« (MIT) aus dem Jahr 2018, die ich auf einer Info-Seite der Verbraucherzentrale NRW zum Thema »Infodemie« fand. Sie zeigt die unheilvolle Macht von Social Media. Unwahre Behauptungen und Nachrichten, so das MIT, würden sich auf Twitter deutlich schneller verbreiten und mehr Menschen erreichen als wahre Informationen. Lügen hätten sogar eine um 70 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, von Usern weiterverbreitet zu werden. Mir wird angesichts solcher Zahlen angst und bange. Die Lüge siegt. Und die Wahrheit bleibt in den aufgeheizten Echokammern des Internets zunehmend auf der Strecke.