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Oliver Bruns weiß es doch auch nicht. Warum Datings zum Beispiel gründlich schief gehen können. Oder warum ein Mann lange darauf wartet, dass der Autoverkehr eine Lücke zum Überqueren der Straße lässt, obwohl nur wenige Meter entfernt eine Ampel alles regeln könnte. Und warum andere Männer sich nicht trauen, die Angebetete im Supermarkt anzusprechen. Oder was aus unser aller Freiheit wird. Aber er weiß, was hilft: Geschichten erzählen. Von den kleinen und großen Absurditäten des Lebens. Humorvoll. Nachdenklich.Verwegen. Ein Lesebuch voller Kurzgeschichten, Gedichten und Texten.
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Seitenzahl: 104
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So, wie du bist
Dating
Würdest du mich noch einmal erhören
Bahnerlebnisse (1)
Geschenk
Bahnerlebnisse (2)
Nie auf der Flucht
Willkommen in der Familie
Zufall
Bahnerlebnisse (3)
Liebe meines Lebens
Bahnerlebnisse (4)
Ungläubig
Bahnerlebnisse (5)
Haut und Haar
Viel mehr, was ich nicht weiß
Ausgerechnet
Was zu feiern
Kein Liebesgedicht
Wenn es soweit ist
Dreh‘n und wenden
Herbst
Zu banal
Staunen
Jetzt mit dir
Mitgehört
Liebesbrief
Weit weg
Der Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite
Früher
So ein Gedanke
Spieltag
Als der Stein ins Wasser fiel
Krass
Lebenslauf
Champagner im Glas
Supermarkt
Orchestrierung des Moments
Keine Bewegung
Überfluss
Augenblick
Schon geklärt
Klappt nicht
Perfekte Zähne
Ein Reh
Immunität bis zur nächsten Ecke
Geständnis
Bisher veröffentlicht:
Während sich Kirchen leeren,gebären sich neue Götter.
Mein schamloser Versuch
Dich mit Worten zu erreichen.
Dein Herz zu berühren,
dich mit Silben zu streicheln.
Ich pflück für dich Schnee
und wir gehen Wellenreiten.
Ich lieb dich von vorne bis hinten
und sowieso von allen Seiten.
Dein geschmeidiger Gang
So lässig grazil ohne Überschwang.
Und ich kann nicht überseh´n
Wie dein Busen wippt beim geh´n.
Du gefällst mir so wie du bist.
Mit dir ist´s einfach und gut.
Alles an dir erzählt was:
Lust, Leidenschaft und Mut.
Es bringt rein gar nichts
Verblassendes zu beklagen.
Sei einfach du, hier und jetzt,
Zukunft gewinnen die, die wagen.
Im Grunde nahm der Abend in genau dem Moment seine Wendung, als Hannes sein Date fragte: „Wieso? Sie waren doch auch mal jung und hübsch, oder?“
Er hatte sich später hundertmal gefragt, was denn so falsch war an der Bemerkung und warum Sabrina förmlich die Farbe aus dem Gesicht fiel, sie die Konversation auf ein Minimum, das absolut Notwendige, herunterfuhr, um sie dann im nächsten, schnell folgenden Schritt vollständig einzustellen, ihre Jacke und Handtasche zu greifen und das Lokal zügig zu verlassen, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Der Abend hatte so gut begonnen. Und das eigentlich schon ein paar Wochen vorher. Nach vielen Fehlschlägen mit uninteressierten Frauen, mit gefakten Profilen, mit Ghosting, mit Frauen, die am Ende professionelle Interessen hatten, war Sabrina die Erste, die offenbar echt war, mit ehrlichen Interessen und die sich nicht unnötig aufgepumpt hatte. Es ergab sich eine Konversation, zunächst im Chatroom der Seite, dann im Mailpostfach und schließlich über Messenger-Dienste.
Alleine diese Kette an Kommunikationsmethoden, hatte ihm klar signalisiert, dass es eine Steigerung des Vertrauens gab. Sie hatten sich die Handynummern gegeben. Er überlegte unentwegt, womit das zu vergleichen war. Für ihn etwas ganz Besonderes. Er war ausgesprochen vorsichtig mit der Preisgabe seiner Handynummer und wurde als Konsequenz daraus mit wohltuender Ruhe belohnt, obwohl er sein Smartphone fast immer eingeschaltet ließ. Nur seine Mutter, die Schwester und zwei, drei enge Freunde kannten die Nummer und er sorgte penibel dafür, dass das so blieb. Für den Fall, dass es unumgänglich war, eine Telefonnummer anzugeben, hatte er sich eine Prepaid-Karte besorgt, in das ausrangierte Vorgängermodell seines jetzigen Handys gesteckt, sich einmal angemeldet und anschließend das Telefon in die unterste Schreibtischschublade verstaut. Weit hinten. Unter den Reisepass, bei den alten Adaptern und Netzkabeln. Da konnten sie ihn jetzt mit den fröhlichen Werbebotschaften und Verkaufsknüllern zuschütten.
Handynummer weitergeben. Wer macht das schon? Das war ein klares Zeichen, dass es in der Beziehung zwischen ihm und Sabrina voranging. Und er war tagelang unbeschwert und das Tagwerk ging ihm von der Hand, wieselten.
Sie fingen an, sich morgens per Messenger zu begrüßen und abends eine gute Nacht zu wünschen. Zum ersten Mal musste er sich mit den Smileys auseinandersetzen. Da gab es ja inzwischen eine ganze Abteilung lustiger Bildchen.
Warum nur war sie aufgestanden und gegangen? Was war denn so falsch an seiner Frage. Ist es nicht eine Binsenweisheit, dass wir alle früher, zu Jugendzeiten, hübscher, straffer, irgendwie unverbrauchter aussahen. Wenn es nur nach Äußerlichkeiten ginge, dann wären doch zum Beispiel Julia und Stephan nie im Leben zusammen. Ist es nicht so, dass Zuneigung, Sympathie und am Ende die Liebe nicht von vielen anderen Dingen abhängt als einem knackigem Hintern oder einer makellosen Nase im Gesicht? In Sonntagsreden wird davon gesprochen. Das die inneren Werte die wichtigen sind. Das wir falschen Schönheitsidealen hinterherlaufen. Das das Äußerliche eh vergänglich ist und so weiter. Doch im Praxistest steht die Dame auf und verlässt verärgert den Raum.
Sie hatte dagesessen und erzählt. Sehr viel erzählt. Er hatte bereits sein drittes Bier bestellt, und sie hatte noch die halbvolle erste Weinschorle vor sich stehen. Nun, das war ja nicht neu, dass Frauen etwas vorsichtiger beim Alkoholgenuss agierten. Sie hatte ihm den Stadtteil genannt, in dem sie wohnt. Einer der seltenen Momente, in dem es ihm gelungen war, zwischen den Monolog eine eigene Frage einzustreuen. Keine Gegend, auf die man zwingend stolz sein muss. Und ihr Erzählen klang so, wie er sich die Häuser vorstellte, ohne jemals bewusst dort gewesen zu sein. Lange Gebäude, wie sie in Kasernen stehen. Der Putz grau-schwarz, als ständen sie neben einem Kohlekraftwerk, bevor Filter erfunden wurden. Drinnen dunkelbeige, wischfeste Farbe, die es dem Hausmeister erleichtern, sauber zu machen, wenn sich mal einer erbrochen hat. Schilder an den Wänden mit lauter Aufforderungen und Verboten. Keine Fahrräder. Keine Kinderwagen. Mittags- und Nachtruhe sind einzuhalten. Daneben der Plan der Müllabfuhr, eine Fluchtwegekarte, die etwas größer hätte ausfallen können und allgemeine Hinweise zur Hausordnung. Alles in Großschrift, den Senioren zuliebe. Lange Flure mit Eingangstüren zu den Wohnungen im exakten Abstand, die aussahen, wie eine angetretene Kompanie. Bodenfliesen so einfallslos, dass sie ohne Weiteres in jedes Finanzamt passten. Abteilung Umsatzsteuer. Mitbewohner, die auf der Mieterversammlung die akkurate Beschneidung der Rasenkante einfordern und sich vehement gegen Kinderlärm und Haustiere aussprechen. Solche, die in ihrem Auto Duftbäume mit Fichtenwald-Aroma hängen haben, obwohl sie weder rauchen noch einen Hund mit sich führen.
So wohnt man, dachte er, wenn man so redet. Sie hatte das Thema gewechselt und von ihrer Unzufriedenheit mit ihrem Körper erzählt. Ihr Mitteilungsdefizit war ausgeprägt. Das bisschen nippen an der Weinschorle konnte es nicht sein, oder sie hatte vorher schon irgendwelche Wirkstoffe zu sich genommen. Sie berichtete davon, während er sein viertes Bier ansetzte, dass sie sich in ihrem Körper zunehmend unwohl fühle. Sie könne sich nicht mehr im Spiegel ertragen. Sie sei gefangen und wünschte, ab und zu ihre Hülle zu verlassen, um eine neue Form von Freiheit zu erfahren. Die Gefangenschaft verleide ihr das Leben und weil es die Natur gewollt habe, ihr einen solchen Körper zu verpassen, an dem fast nichts stimme, außer, dass er die zum Überleben notwendigen Verrichtungen einigermaßen problemlos vollzog, sei ihr der Weg zu sämtlichen Formen erotisierenden Gedankengut füllender Tätigkeiten verwehrt geblieben. Und in ihrem Alter sei die Jagd eh aus. Die Jäger zögen weiter und sie bliebe als verschmähte Beute zurück. Das Leben sei eben insgesamt ungerecht und sie sei von Kindesbeinen an besonders betroffen.
Es ist nicht so, dass er ausgesprochen geübt darin wäre, wie es heutzutage auf ersten Treffen von Einzelpersönlichkeiten wie der anwesenden Frau und ihm, mit der jeweiligen Sozialisation und ihrem Alter zugehe. Doch kam ihm das komisch vor. Vor allem, weil sie sich ja auf einer Datingseite für die reiferen Menschen getroffen hatten. Der Abend war ja gar kein zufälliges Kennenlernen, weil sie sich beim Einparken Beulen ins Auto gefahren hatten und besprächen, was zu regeln sei und dabei zufällig der kleine Bogenschütze Selbigen spannte und schoß. Dieses Treffen hier beruhte auf Vorsatz. Man meldet sich auf solch einer Seite an, weil man etwas vorhat. Einen Menschen kennenlernen zum Beispiel. Das ist doch mehr, als nur dem Zufall eine Chance zu geben.
Er setzte das Glas erneut an, nahm einen großen Schluck und fragte sich zum einen, warum er auf einmal so viel Durst hatte. Und ob er noch ein Bier bestellen solle. Oder ob der Abend doch noch einen Ausgang bereithalte, den man im Jahresrückblick erwähnen wollen würde und der eine gewisse Einsatzbereitschaft der körperlichen Funktionen, auch solcher, die nicht tagtäglich zum Einsatz kommen, erfordere. Und zum anderen wollte er etwas zum Gespräch beitragen und sagte genau den Satz, der dann dafür sorgte, dass dieser Abend gerade zu einem wurde, der so grau war, wie eine Wiese in der norddeutschen Tiefebene an einem Novemberabend. Die Worte, nur so dahergesagt, waren ein Wirkungstreffer und auf der Leinwand dieses Tages lief der Abspann durchs Bild, obwohl es noch gar nicht so spät war.
Die Dame ging.
Grußlos.
Ohne sich umzudrehen.
Und er bestellte sich ein Bier.
Würdest du mich noch einmal erhören,
wäre heute noch mal derselbe erste Tag?
Würde ich Dir noch mal auf- und danach gefallen?
Weißt Du noch, woran es einstmals lag?
Stell dir einen Augenblick lang vor,
es gäbe diesen Rucksack nicht.
Es wäre der eine statt des anderen Ball im Tor
und wir sähen wie damals ins Sonnenlicht.
Das Wellblechdach ist löchrig,
es regnet hier und da rein.
Zwischen fleckigen Bruchstücken
scheint nur gelegentlich Sonne hinein.
Spurverlust auf regennasser Bahn.
Kontostand über dem was vereinbart war.
Und unentwegt die Frage danach
welcher Eintrag fehlt im Formular.
Ich sehe dich dasitzen.
Würdest Du mich noch mal bitten?
Erst zum Tanz und dann zum Schlitten
fahren und Vorgartenblumen stibitzen.
Steigst Du nochmal über den Freibadzaun
und schubst mich ins Becken?
Gibt es noch irgendeinen Traum
den wir vor uns gegenseitig verstecken?
Was wäre, würden wir den gesamten Weg,
vergleichen, kritisieren und bewerten.
Fänden wir einen einzigen Beleg
wie sehr wir das alles mal begehrten.
Ich sitze im Abteil. In Göttingen kommen drei junge Fahrgäste dazu. Der junge Mann setzt sich gegenüber hin und steckt sich sofort seine Ohrstöpsel ein, lehnt sich zurück und hört irgendwas. Es scheint Musik zu sein. Manchmal zuckt sein rechtes Bein, als gehorche es einem Takt. Dazu zwei junge Frauen. Die eine sitzt neben dem Mann, holt ihr Tablet raus. Steckt sich auch Ohrstöpsel rein und verfolgt etwas auf dem Bildschirm. Die dritte liest ein Buch. Sie hat neben mir Platz genommen. Ihre Haltung ist kauernd. Als sei sie im Buch gerade an einer intensiven Stelle angekommen und es gelte, sich etwas kleiner zu machen, um Emotionen nicht so viel Angriffsfläche zu bieten. Draußen ist es bereits dunkel. Der Zug gleitet dem nächsten Bahnhof entgegen. Plötzlich nimmt die Tablet-Nutzerin ihre Stöpsel wieder raus. Klappt das Gerät zusammen und schaut die buchlesende Frau so lange an, bis diese ihre Augen von den Zeilen erhebt und den Blick erwidert. „Jetzt mal im Ernst“ sagt die Tablet-Nutzerin „48 Folgen habe ich jetzt geschaut. Und die haben sich nur dreimal geküsst. Sonst nichts. Das ist doch nicht normal.“
Ich liege dir zu Füßen
und du weißt genau warum.
Eins ist schon mal klar
du bist ein Spezifikum.
Bei dir ist Luft zum Atmen
Ich fühl mich geborgen.
Sicherlich wirst du mich
mit allem versorgen.
Bei dir zu liegen
das ist nicht sonderbar.
Ich bin dir verfallen.
Hier zu sein ist unsagbar.
Es gibt kein Entkommen
und ich will auch gar keines.
Du bist mein Geschenk
und ich bin deines.
Ich bin vollkommen benommen.
Du machst mit mir langen Prozess.
Das ist dein voller Ernst
mal devot und mal kess.
Wo das alles endet?
Das ist jetzt nicht wichtig.
Es fühlt sich gut an,
und dann ist es auch richtig.
Wie wir hier liegen
so rein und verletzlich.
Im Unterfangen gefangen
meinst du mich unweigerlich.
Den Irrsinn des Augenblicks
lustvoll begehend genießen.
Wunder Wunder sein lassen.
Türe öffnen statt abzuschließen.
Du bist nun bei mir
Und ich bin bei dir.
Du reichst mir den Becher
mit goldenem Elixier.
Zwischen uns ist ein Band
ein zartes und feines.
Du bist mein Geschenk
und ich bin deines.
Verschworen im Märchenwald
zwei verwunschene Gestalten.
Wenn der Morgen anbricht
sind wir nicht mehr die alten.
Es kann nichts Größeres geben
was uns gemein ist.
Du bist mein Geschenk
und ich bin deines.
Und dann gibt es auch die Menschen, die auf
dem Bahnsteig dem pfandsammelnden
Clochard hinterher gehen um ihm dem Tipp
zu geben, in welchem Mülleimer sie gerade eine
Pfandflasche geworfen haben. Und sich dafür
entschuldigen, sie nicht daneben gestellt zu haben
Ich war nie auf der Flucht.
Über kein Meer.
Durch keine Wüste.
Nicht vor zu viel Sonne oder Regen