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Aus seiner langjährigen therapeutischen Praxis hat der Autor die Schlussfolgerung gezogen, dass jeder Mensch im Grunde leben, lieben und geliebt werden will. Es ist die Zauberformel, die aus inneren Verwirrungen und Verstrickungen, die ursprünglich aus der Bindung an Mutter und Vater herrühren, wieder herausführt. Selbst massive frühkindliche Traumata können damit in vollem Umfange integriert werden. Todes- und Verlassenheitsängste werden damit überwunden. Die Rückbesinnung auf diese menschlichen Urbedürfnisse wirkt wie eine Reset und hilft, statt nur zu überleben, zukünftig im guten inneren Kontakt mit sich zu leben.
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Seitenzahl: 246
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Franz Ruppert
ICH WILL LEBEN,LIEBEN &GELIEBT WERDEN
Ein Plädoyer für wahre Lebensfreude und menschliche Verbundenheit in Freiheit
Autor: Franz Ruppert
Lektorat, Korrektorat: Ute Boldt
Umschlaggestaltung, Illustrationen, Layout: Susanne Bhangu
Foto: Dirk Wächter, shutterstock
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44,22359 Hamburg
ISBN: 978-3-347-33861-6 (Paperback)
ISBN: 978-3-347-35311-4 (Hardcover)
ISBN: 978-3-347-33863-0 (e-Book)
© 2021 Franz Ruppert
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Wenn sich unsere Lebensenergie mit unserer Herzenswärme verbindet, blühen wir auf. Es verblasst der Schein des Äußerlichen und gibt Raum für unser wahres Sein.
München, 8. Juni 2021
1. Wesentliche Fragen menschlichen Daseins
In Bezug auf uns Menschen stellen sich mir zahlreiche Fragen:
▪ Warum sagen viele Menschen „Mir geht es gut!“, obwohl sie voller Ängste sind und wenig Lebensfreude verspüren?
▪ Warum haben sehr viele von uns Angst vor ihren Gefühlen und flüchten sich in ihren Kopf?
▪ Warum sind so viele Menschen kauf-, arbeitssüchtig oder drogenabhängig?
▪ Warum laufen sie vor sich selbst davon?
▪ Warum erleben sich so viele Menschen als falsch und defizitär?
▪ Warum fühlen viele Frauen Ekel vor Männern und bleiben dennoch in einer Beziehung mit ihnen?
▪ Warum sind viele Männer Frauenverächter, haben Angst vor Nähe und suchen ein Leben lang nach einer Traumfrau?
▪ Warum finden weder Frauen noch Männer den Traumpartner, den sie sich so sehnlichst wünschen?
▪ Warum können viele Eltern ihre Kinder trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht wirklich lieben?
▪ Warum erleben sich so viele Kinder als unerwünscht?
▪ Warum misshandeln Mütter wie Väter ihre Kinder seit Tausenden von Jahren körperlich wie psychisch? Auch sexuell?1
▪ Warum lieben Kinder ihre Eltern trotz alledem?
▪ Wozu wollen Menschen besser, schneller, klüger oder reicher sein als andere?
▪ Warum verkaufen sie im Endeffekt sogar ihre Selbstachtung für Geld, Status, Besitz oder ein wenig Teilhabe an der Macht?
▪ Weshalb glauben „wir“, das „wir“ bessere Menschen sind als „die Anderen“?
▪ Warum wird so viel gelogen, betrogen, missbraucht und sogar mit gutem Gewissen gemordet?
▪ Woher kommt der Drang, andere zu kontrollieren und zu beherrschen?
▪ Warum gibt es derart viel Prostitution und Pornographie?
▪ Warum entwickeln sich unschuldige Kinder zu erwachsenen Menschen, die Monstertaten begehen?
▪ Warum haben manche Menschen sogar Vergnügen daran, ihre Mitmenschen zu quälen?
▪ Warum verspüren sie Genugtuung, wenn sie andere verletzen?
▪ Warum verehren manche Menschen „das Böse“, statt an „das Gute“ zu glauben?
▪ Warum versklavt die Menschheit sich selbst?
▪ Warum lässt sie sich von einem instabilen Finanzsystem beherrschen?
▪ Warum nutzt sie die phantastischen wissenschaftlichen Erkenntnisse und gigantischen technologischen Innovationen nicht zum Wohle aller?
▪ Warum verschleudert sie den materiellen Reichtum, den sie schafft, für das, was Menschen arm und krank macht?
▪ Warum gewinnen psychisch schwer gestörte Menschen Wahlen?
▪ Warum regieren in Wirklichkeit diejenigen, die gar nicht gewählt sind?
▪ Warum ziehen die Trauma-Opfer für die Trauma-Täter in den Krieg?
▪ Fehlt uns tatsächlich ein atomarer Schlagabtausch wegen eines Flecken Erde, der „Krim“ heißt?
▪ Brauchen Menschen für ein gutes Leben alle sechs Monate eine Impfung gegen irgendeinen Virus?
▪ Wer vertritt eigentlich das Allgemeininteresse: der Staat, die Wissenschaft, die Religion, eine Partei, das „WEF“2?
▪ Warum wird aus der ursprünglichen Lebensformel „Ich will leben, lieben und geliebt werden“ bei so vielen Menschen die Überlebensformel: „Man muss sich irgendwie durchschlagen, superschlau und gefürchtet sein“?
▪ Haben alle Menschen auf diesem Globus „gehörig einen an der Waffel“?
▪ Gibt es für diese Menschheit überhaupt noch eine Hoffnung?
Ich lade die Leserin, den Leser, die Hörerin, den Hörer an dieser Stelle ein, kurz innezuhalten und sich selbst einige wesentliche Fragen des eigenen Daseins zu notieren. Ich bin inspiriert von Rainer Maria Rilke (1875-1926), der in einem seiner berührenden Gedichte sagte: „Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein.“3 Wer keine Fragen hat, erhält auch keine Antworten. Wer Unwesentliches fragt, bekommt ein unwesentliches Echo. Wer wesentliche Fragen stellt, wird auch wesentliche Antworten bekommen.
3. Mein Leben in den Pandemiejahren
Ich habe diesen Text in den Pandemiejahren 2020 und 2021 geschrieben. Auch in diesen Jahren wird die Menschheit weit mehr von Angst, Panik, Katastrophenvorstellungen und der (Selbst)Unterdrückung ihrer Lebens-, Liebens- und Freiheitsbedürfnisse und der gewaltvollen, globalen Inszenierung von Täter-Opfer-Dynamiken geplagt, als dass es eine lichtvolle Perspektive für Lebensfreude und ein friedliches Miteinander auf dieser wunderschönen Erde gäbe. Symbiotische Identifikationen und symbiotische Zuschreibungen dominieren in der Öffentlichkeit und es fällt schwer, seine gesunde Identität in einem Umfeld zu bewahren, das zunehmend wahnhaft wahrnimmt und handelt.
Mitgefangen in dieser Situation mache ich täglich neue Erfahrungen mit meiner Lebensfreude, meiner Liebe und den neuen Formen der Gewalt und des Wahnsinns auf globaler Ebene, die mir Angst machen und die ich zuvor so nicht kannte. Ich gewinne daraus weitere Erkenntnisse über mich und meine Mitmenschen. Mir selbst hat diese Corona-Zeit einen enormen inneren Entwicklungsschub gebracht. Ich beobachte das ebenso bei vielen anderen Menschen.
„Corona“ ist eine große Herausforderung für die gesamte Menschheit, weil hier global etwas stattfindet, das uns alle betrifft. „Covid 19“ erscheint mir wie ein Testfall, den die Menschheit zu bestehen hat. Entwickelt sie sich dadurch weiter oder zurück? Geht sie daran vielleicht sogar zugrunde? Oder ist das ein wesentlicher Anschub in Richtung einer psychisch reiferen Menschheit? Können wir diese Chance nutzen, damit aus uns symbiotisch verwirrten Kopffüßlern endlich kluge Körperwesen werden, die in sich selbst ruhen?
„Corona“ setzt in meinen Augen einer ohnehin traumatisierten und symbiotisch verstrickten Weltbevölkerung eine weitere Traumakrone auf ihr bereits geschundenes Haupt. Es befördert den Prozess unserer Dehumanisierung durch die Selbstentfremdung von unseren Grundbedürfnissen, die bereitwillige Selbstversklavung und den Verlust an geistiger Klarheit. Ich frage mich daher: Wie lässt sich dieser Prozess aufhalten und in Richtung gesunder Identität umkehren?
4. Meine Empirie
Die Quellen für meine Erkenntnisse sind im Wesentlichen meine therapeutischen Begleitungen, die mittlerweile in die Zehntausende gehen. Wobei ich mit Menschen aus vielen Ländern arbeite. Jeder Therapieprozess ist für mich wie eine Fallstudie, in der ich bereits Bekanntes wiederentdecke und mit Neuem konfrontiert werde. Mit Hilfe meiner Anliegenmethode kann ich im lebendigen Austausch mit anderen Menschen eine psychologische Tiefe erreichen, die durch empirische Methoden wie reine Test-, Beobachtungs- und Befragungsmethoden nie erreichbar wäre. Jeder Tag in meiner Praxis ist für mich wie eine Fundgrube von tiefer Lebensweisheit. Ich freue mich, dass mittlerweile auch empirische Forschungen zu meiner Identitätsorientierten Psychotraumatherapie (IoPT) unternommen werden.6
5. Mögliche Einwände und Widerstände
In diesem Text geht es viel um die Mutter- und die Vaterliebe und welche Konsequenzen es individuell wie kollektiv hat, wenn die elterliche Liebe für Kinder nicht ausreichend vorhanden ist. Dieses Thema erzeugt erfahrungsgemäß bei Menschen, die noch keinen Zugang zu Psychotherapie und Selbsterforschung gefunden haben, einiges an Widerstand. Vor allem Mütter fühlen sich schnell angegriffen und zeigen ein entsprechendes Abwehrverhalten: „Jetzt sollen die Mütter an allem schuld sein!“ „Und was ist mit den Vätern?!“ „Es gibt doch auch andere Gründe als Trauma dafür, dass es Kaiserschnitte gibt, Frauen nicht stillen können oder ihr Kind in eine Krippe geben.“ „Was ist mit den Genen?“
Auch junge Frauen, die noch Mütter werden möchten, mögen es nicht gerne hören, dass ihre nicht gelösten Traumata Einfluss auf ihr Muttersein nehmen können. Sie bauen lieber auf ihre „Resilienz“ und hoffen, dass sie auch ohne Traumatherapie eine glückliche Partnerschaft führen und eine „gute“ Mutter werden können. Dem Angebot, ihre Traumata aufzuarbeiten, bevor sie schwanger werden, stehen viele mit Skepsis gegenüber. Manche hoffen, dass es Forschungen gibt, die meinen Erkenntnissen widersprechen, dass Traumata im Eltern-Kind-Verhältnis unweigerlich weitergegeben werden.
Weiterer Widerstand gegen meinen Wissensstand wird von Vertretern des „gender mainstreaming“ kommen. Soll das jetzt heißen, dass lesbische oder schwule Paare keine guten Eltern für ihre Adoptiv-, Leihmütter- oder Samen-/ Eizellenspender-Kinder sein sollen? Gönne ich womöglich diesen Menschen ihr Lebensglück nicht?
Jeder Mensch soll aus meiner Sicht einen Kinderwunsch haben und sich damit auseinandersetzen können. Auch dieses Thema ist eine große Chance für persönliches Wachstum. Aber er möge sich bitte auch in die Situation eines Kindes hineinversetzen, das z.B. im Bauch einer Leihmutter keinen emotionalen Kontakt zu dieser aufnehmen kann. Solche Kinder werden in der Regel auch per Kaiserschnitt geboren. Was macht das mit ihnen, wenn sie gleich nach der Geburt ohne Stillen von ihrer Leihmutter getrennt und erst nach Tagen zu ihren vermeintlich „richtigen“ Eltern gegeben werden? An diesem Beispiel wird besonders deutlich, wie unwissend und unbedarft die meisten Menschen in Bezug auf die Grundlagen unserer psychischen Entwicklung, nämlich das prä-, peri- und postnatale Geschehen sind.7
Mir ist bewusst, dass dieser Text an vielen Stellen eine Zumutung für das derzeit vorherrschende Bewusstsein ist. Wer sich noch nie mit dem Thema psychisches Trauma befasst hat, ist irritiert und meint: „Dann müssten ja alle Menschen traumatisiert sein!“ Nein - Psychotrauma ist etwas sehr Spezifisches, kann klar definiert werden, auch wenn es dafür wie immer in der Psychologie unterschiedliche Richtungen gibt.8 Bitte auch mitbedenken: Selbst wenn 100% aller Menschen traumatisiert wären, hätten noch immer 100% von ihnen gesunde psychische Anteile in sich und könnten diese für die Heilung ihrer Traumata nutzen. Es ist dafür nie zu früh und nie zu spät.
Mir persönlich geht es nicht darum, über andere Menschen moralisch zu werten, sie als gut oder böse zu beurteilen oder als hoffnungslose Fälle hinzustellen. Jeder Mensch verarbeitet seine Traumata unterschiedlich und es gibt viele Randbedingungen, die dem einen kaum Chancen bieten, psychisch wieder ins Lot zu finden und die dem anderen helfen, selbst schwerste Traumata zu bewältigen.
Das Erklärungskonzept Psychotrauma verlagert die Ursachen für menschliche Probleme nicht in das Innere eines Menschen („defekte Gene“, „schlechter Charakter“, „mangelnde Intelligenz“, „bösartiger Mensch“ „gestörte Persönlichkeit“), sondern sieht diese klar im Außen angesiedelt in der Lieblosigkeit und der Gewalt, die Menschen angetan wird und ihren symbiotischen Verstrickungen mit ihren traumatisierten Eltern und Großeltern. Erst als Folge davon werden Menschen möglicherweise sogar zu Psycho- und Soziopathen. Doch auch solche Fehlentwicklungen sind heilbar, gesetzt den Fall, der entsprechende Mensch lässt sich darauf ein.
6. Theorie und Praxis
Ich sehe mich als Wissenschaftler, der Phänomene auf ihre Ursachen zurückführt, die jeweiligen Rahmenbedingungen differenziert betrachtet und aus diesem Wissen praktische Schlussfolgerungen ableitet. Dort, wo es mir möglich ist, biete ich konkrete Unterstützung an. Damit mich dabei unbewusste Dynamiken in meiner Psyche nicht blind und einseitig machen, arbeite ich beständig meine eigenen Traumata auf. Ein Fallbeispiel dafür habe ich im Schlusskapitel dieses Buches aufgeführt.
Für mich gilt: Nichts ist praktischer als eine richtige Theorie. Halbwissen über die menschliche Psyche richtet oft mehr Schaden an als dass es nutzt. Daher erzeugen meine Einsichten oft auch Widerstand bei Praktikern, die dem Thema Psyche oder psychisches Trauma keine oder nur eine geringe Bedeutung einräumen. Ich kann ihnen versichern, dass sie sich ihre Arbeit wesentlich erleichtern und mehr Erfolg bei ihrer Berufstätigkeit haben werden, wenn sie über die menschliche Psyche und den Möglichkeiten ihrer Traumatisierung umfassend und fundiert Bescheid wissen.
NEUE PSYCHOLOGIE - NEUES MENSCHENBILD
Das 21. Jahrhundert braucht meines Erachtens eine neue Psychologie. Diese muss das, was wahr und klar ist aus der materiellen und der spirituellen Welt in sich vereinen und uns in einen realen Humanismus führen, der uns unterstützt, uns selbst zu verstehen.9 Meine therapeutische Tätigkeit hat geholfen, mir ein neues und, wie ich meine, reales Menschenbild zu erarbeiten. Es basiert nicht auf religiösen oder spirituellen Wunschvorstellungen („Gott wird uns retten.“ „Wir sind alle unsterbliche Geistwesen voller Liebe.“), apokalyptischem Pessimismus („Wir sind sündig und schlecht und werden dafür früher oder später mit dem Weltuntergang bestraft!“), sozialdarwinistischem Negativismus („Der Mensch ist des Menschen Wolf!“ „Jeder sucht nur seinen eigenen Vorteil zu maximieren.“), oder naturwissenschaftlichem Determinismus („Alles ist genetisch vorbestimmt!“ „Es gibt keinen freien Willen.“). Ich meine hingegen: Je nachdem, wie unsere Identitätsentwicklung verläuft und wie stark wir traumatisiert werden, können wir Menschen liebevolle und konstruktive Wesen sein oder zu gefühllosen Monstern werden. Aufgrund unserer inneren Aufspaltungen können wir auch mal so und mal anders sein. Durch die Auseinandersetzung mit seinen Traumata kann jeder Mensch bis zu seinem Lebensende sich zum Guten verändern. Jeder der eine gestörte bzw. traumatisierte Psyche hat, kann sie heilen, wenn er das will. Dieses Buch ist somit auch Plädoyer für einen realen Humanismus.
SELBST ÜBERPRÜFEN
Niemand muss mir glauben, was ich hier schreibe. Den Wahrheitsgehalt meiner Erkenntnisse kann jeder bei sich selbst überprüfen, in dem er Selbstbegegnungen mit meiner Anliegenmethode macht, wie ich sie im Abschlusskapitel dieses Buches näher beschreibe. Das erfordert möglicherweise eine gewisse Überwindung und etwas Mut. Wie immer im Leben gilt: The proof of the pudding is in the eating - Probieren geht über Studieren.
7. Gesunde Identität als Urzustand
Wollen wir die psychische Entwicklung eines Menschen und damit seine Identitätsentwicklung verstehen, müssen wir ganz am Anfang beginnen. Wenn eine Samenzelle mit einer Eizelle verschmilzt, wie interpretieren wir das? Die Idee, dass ein Sieger-Spermium sich in die Eizelle hineinbohrt, sie kapert und erobert, scheint eine sehr männlich-konkurrenzorientierte Vorstellung zu sein. In Wirklichkeit ist es wohl eher so, dass die Eizelle sich an einer Stelle öffnet und eine Samenzelle einlädt, zu ihr zu kommen. Ob Spermien durch einen Maiglöckchenduft oder durch das weiblich Sexualhormon Progesteron angelockt werden, dazu gibt es in der Wissenschaft unterschiedliche Annahmen.10 Vermutlich ist die erste Begegnung zwischen Ei- und Samenzelle ein Akt der Liebe und nicht des Kampfes.
Auf jeden Fall ist das Zusammenkommen von Ei- und Samenzelle der Zündfunke und Urknall für die Entstehung eines neuen Lebens. So kommt ein neuer Mensch in diese Welt. In ihm sind eine enorme Lebenskraft, ein unbändiger Lebenswille und eine grenzenlose Daseinslust vorhanden, von der er ein Leben lang Gebrauch machen kann. Das ist sein unzerstörbarer Kern in ihm. Er muss sich mit niemandem vergleichen oder unvollkommen fühlen. In diesem Zustand kann sich jeder Mensch wertschätzen indem, was er hat und wer er ist. Das ist der Urzustand einer gesunden Identität.
Seine Anfangs-Stammzellen mit ihrem riesigen Genpool, den sie nutzen können, stellt ein unfassbar großes Potential für das Leben dieses neuen Menschen dar. Es kommt nun darauf an, was davon alles gebraucht wird und was brach liegen bleibt. Wir sind keinesfalls „genetisch determiniert“, wie die übliche materialistische Vorstellung vom Menschsein ist, sondern „Beziehungen und Lebensstile steuern unsere Gene“, wie Joachim Bauer es formuliert. Sie sind das Gedächtnis unseres Körpers.11
Dieser neu entstandene Mensch ist von Anfang an kein Objekt. Er ist ein Subjekt, das unbedingt leben will mit seinen eigenen Lebenszielen. Er nimmt wahr, spürt, fühlt, abstrahiert und handelt angemessen im Rahmen seiner Möglichkeiten, Notwendigkeiten und Bedürfnisse.12
Weil ihm die Eizelle zunächst die Versorgung mit allen Vitalstoffen zu Verfügung stellt, kann sich ein neu entstandener Mensch für 6 bis 10 Tage unabhängig entfalten und wachsen. Er tritt innerhalb der Gebärmutter eine Reise an und sendet Botenstoffe an den mütterlichen Organismus, um an einer Stelle ein immunologisches Vakuum zu schaffen. Dort kann er sich dann in dieser einnisten und eine Plazenta mit Nabelschnur und eine Fruchtblase entstehen lassen.
8. Lieben - eine conditio humana
Mit der Einnistung in der Gebärmutter beginnt ein Verhältnis der existenziellen Abhängigkeit zwischen einen neuen Menschen und einer Frau, die nicht er ist. Es ist seine Mutter und er ist in diesem Beziehungsverhältnis von nun ab ihr Kind. Dieses dauert intrauterin ca. neun Monate und extrauterin etwa 15 Jahre an. Das bedeutet, dass sich auch das Leben einer Frau grundlegend verändert, wenn sie schwanger ist, ihr Körper sich zu einem Mutterkörper umbildet und sie nun mit ihrem ganzen Dasein für ein neues menschliches Wesen zuständig und für dessen Wohl und Wehe verantwortlich ist.
DIE ANGST VOR SCHWANGERSCHAFT