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Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke ist eine Sammlung von Reiseberichten und Abenteuern, die von der renommierten Entdeckerin Ida Pfeiffer verfasst wurden. Mit einem klaren und fesselnden Schreibstil nimmt uns Pfeiffer mit auf ihre Reisen in ferne Länder, von Südamerika über Asien bis hin zu den Polargebieten. Durch ihre detaillierten Beschreibungen der Landschaften und der Menschen vor Ort ermöglicht sie dem Leser, die Welt durch ihre Augen zu sehen und das Gefühl des Abenteuers zu spüren. Diese Werke spiegeln nicht nur die Entdeckungslust und den Mut der Autorin wider, sondern bieten auch ein authentisches Bild der kolonialen Zeit und des europäischen Reiseverhaltens im 19. Jahrhundert. Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke ist ein faszinierendes Zeugnis historischer Reiseberichte und ein eindrucksvolles Beispiel für die Entdeckungsreisen einer außergewöhnlichen Frau des 19. Jahrhunderts. Die Leser werden von Pfeiffers unerschrockenem Geist und ihrer Entschlossenheit, die Welt zu erkunden, inspiriert sein. Ihre Abenteuer werden sowohl Geschichtsinteressierte als auch Reiseliebhaber gleichermaßen fesseln und einen Einblick in die Welt des 19. Jahrhunderts aus einer ungewöhnlichen Perspektive bieten.
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Seitenzahl: 3024
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Es existiren über Ida Pfeiffer verschiedene, in Encyklopädieen und Zeitschriften zerstreute biographische Aufsätze, die sich theils auf mündliche Mittheilungen der Verstorbenen, theils auf Erzählungen ihr nahe gestandener Personen stützen. Eine authentische Lebensbeschreibung der Weltreisenden gibt es bis jetzt aber noch nicht, obwohl gewiß Viele, welche mit ihren Sympathien die muthige Frau begleiteten, den Wunsch hegen, auch etwas Näheres über das frühere Leben Ida Pfeiffer's zu erfahren. Bei bedeutenden Menschen finden sich die Grundbedingungen einer außerordentlichen Entwickelung meistens schon in der Jugend, und wer ein interessantes Menschenleben von seiner Mittagshöhe bis zum Niedergang mit Theilnahme verfolgt hat, der wird gerne einen Rückblick in die frühen Tage werfen, in welchen die Keime der späteren Bedeutung gelegt wurden.
Hiermit ist die Veröffentlichung nachstehender Blätter wohl hinlänglich gerechtfertigt, um so mehr, als diese biographische Skizze in Bezug auf das Thatsächliche ausschließlich auf der Erzählung der Verstorbenen selbst beruht. Frau Ida Pfeiffer hat einen kurzen Lebensumriß, von ihrer eigenen Hand geschrieben, hinterlassen, dessen Benutzung die Familie mit großer Bereitwilligkeit gestattete. Ihm soll sich eine übersichtliche Darstellung ihrer Reisen und endlich ihr Tagebuch aus Madagaskar, welchem ihr Sohn, Herr Oskar Pfeiffer, die Erzählung ihres Leidens und Todes beifügte, anschließen. Somit läge dann der ganze Lebenslauf der Verstorbenen, mit besonderer Betonung der letzten Ereignisse ihres viel bewegten Daseins, d. h. der in ihren Einzelnheiten so interessanten Reise nach Madagaskar, vor dem Leser.
Unsere Reisende ist am 14. Oktober 1797 in Wien geboren. Sie war das dritte Kind des wohlhabenden Kaufmannes Reyer und erhielt in der Taufe die Namen Ida Laura. Bis zu ihrem neunten Jahre gab es in ihrem elterlichen Hause, außer ihr selbst, nur Knaben, so daß sie unter sechs Geschwistern das einzige Mädchen war. Durch den fortwährenden Umgang mit ihren Brüdern bildete sich in ihr eine große Lust an dem Wesen und den Spielen der Knaben aus. „Ich war nicht schüchtern, sondern wild wie ein Junge und beherzter und vorwitziger als meine älteren Brüder,“ sagt sie von sich selbst, indem sie beifügt, daß es ihr größtes Vergnügen war, in Knabenkleidern sich unter Jungen umherzutummeln und alle tollen Knabenstreiche mitzumachen. Von Seite der Eltern legte man dieser Tendenz nicht nur kein Hinderniß in den Weg, sondern man gestattete auch, daß das Mädchen Knabenkleider trug, wodurch die kleine Ida vollends den Puppen und dem Küchen-Geschirr gram wurde und sich dagegen mit Trommeln, Säbeln, Gewehren und dergleichen beschäftigte. Der Vater scheint namentlich an dieser Anomalie seine Freude gehabt zu haben. Er versprach im Scherz dem Mädchen, er werde es in einer Militär-Erziehungs-Anstalt zum Offizier heranbilden lassen und forderte mittelbar dadurch das Kind auf, Muth, Entschlossenheit und Verachtung des Schmerzes zu zeigen. Daran ließ es Ida denn nun auch nicht fehlen, nachdem es ihr eifrigster Wunsch war, sich einmal mit dem Säbel in der Faust den Weg durch das Leben zu bahnen. An Beispielen von Unerschrockenheit und Selbst-Ueberwindung mangelte es sogar in ihrer frühen Kindheit nicht.
Ueber Kinder-Erziehung hegte Herr Reyer seine eigenen Ideen, deren Durchführung in seiner Familie er mit Macht aufrecht erhielt. Er war ein sehr rechtlicher, aber strenger Mann, der die Ueberzeugung hatte, daß die Jugend vor allem vor Unmäßigkeit zu bewahren sei und ihre Gelüste und Begierden bezähmen lernen müsse. In Folge dessen erhielten seine Kinder eine genau zugemessene, einfache, fast karge Kost und mußten ruhig bei Tische zusehen, wenn die Erwachsenen sich an verschiedenen Speisen gütlich thaten. Ebenso war es den Kleinen nicht gestattet, ihr Verlangen nach irgend einem eifrig gewünschten Spielzeug in wiederholter Bitte auszusprechen. Ja, die Gesinnungs-Strenge des Vaters ging so weit, daß er den Kindern manchen billigen Wunsch abschlug, manche Freude versagte, nur um sie an Entbehrung zu gewöhnen. Widerstand duldete er nicht, und selbst Vorstellungen gegen seine an Härte streifende Strenge ließ er nicht gelten.
Unzweifelhaft ging der alte Herr in der Konsequenz seines Erziehungs-Systems zu weit; aber eben so sicher ist es, daß aus der kleinen Ida, ohne diese spartanisch strenge Erziehung, nie die Weltreisende geworden wäre, die Wochen und Monate lang die stärksten Strapazen oft bei der erbärmlichsten Nahrung ertragen konnte. So finden die Haupt-Eigenschaften Ida Pfeiffer's — Muth, Ausdauer, Gleichgiltigkeit gegen Schmerz und Entbehrungen ihre Ausbildung in einer fast bizarren Erziehungs-Methode, für welche sich in unserer alles Eigenthümliche mit Hast nivellirenden Zeit schwer ein Vertheidiger finden dürfte. Das Besondere mit seinen scharfen Umrissen und tiefen Schatten verblaßt immer mehr in dem Lichte einer hellen, vernünftigen Alltäglichkeit, die Charakterköpfe, die wir noch in unserer Jugend unter uns umherwandeln sahen, scheiden unersetzt einer nach dem anderen und machen sehr rationellen, aber etwas langweiligen und einförmigen Gestalten Platz.
Ida's Vater starb im Jahre 1806 und hinterließ eine Witwe mit sieben Kindern. Die Knaben befanden sich in einer Lehr-Anstalt und der Mutter fiel die Erziehung des fast neunjährigen Mädchens anheim. So gefürchtet die väterliche Strenge bei den Kindern war, so erschien sie dem Mädchen doch nicht so fatal wie die Melancholie der Mutter, die mit Aengstlichkeit und Mißtrauen jede Bewegung der Kinder überwachte und aus übertriebenem Pflichtgefühl der heranwachsenden Tochter manche bittere Stunde bereitete.
Einige Monate nach dem Tode des Vaters wurde der erste Versuch gemacht, dem Mädchen die Knabenkleider zu nehmen und die Hose gegen den Unterrock zu vertauschen. Das Attentat erschien der zehnjährigen Ida aber so unerhört, daß sie vor Schmerz und Aerger darüber krank wurde. Auf den Rath des Arztes gab man ihr wieder die Knabenkleider zurück und versuchte nun mit Vorstellungen nach und nach auf den Verstand der Widerspänstigen einzuwirken.
Die dem Mädchen wieder zugestellten Knabenkleider wurden mit stürmischem Enthusiasmus in Empfang genommen, die Gesundheit kehrte zurück und Ida benahm sich nun mehr als je wie ein Junge. Sie lernte alles, was ihr für Knaben passend schien, mit Fleiß und Eifer, betrachtete dagegen jede weibliche Arbeit mit der tiefsten Verachtung, und da sie beispielsweise Klavierspielen mehr als weibliche Art betrachtete, so schnitt sie sich häufig in die Finger oder brannte letztere mit Siegellack, um nur den verhaßten Uebungen zu entgehen. Für Violin-Spiel zeigte sie große Lust. Die Mutter gestattete jedoch dieß nicht, und der Klavier-Lehrer wurde förmlich oktroyirt und mit Macht aufrecht erhalten.
Als das für Oesterreich so verhängnißvolle Jahr 1809 kam, war Ida zwölf Jahre alt. Nach dem gerade von ihren Neigungen und Ideen Mitgetheilten wird man es natürlich finden, daß sie das größte Interesse an den Kriegsbegebenheiten nahm. Sie las mit Eifer die Zeitung und verfolgte auf der Landkarte die Stellungen der beiden sich feindlich gegenüberstehenden Armeen. Voll Patriotismus jubelte und tanzte sie, wenn die Oesterreicher siegten, während sie bittere Thränen vergoß, wenn das Kriegsglück den Feinden günstig war. Da das elterliche Haus in einer der lebhaftesten Straßen Wiens lag, so gaben die vielen Truppenmärsche oft Gelegenheit zur Unterbrechung der Studien und zur Formulirung der eifrigsten Wünsche für den Sieg der Oesterreichischen Fahnen. Wenn Ida so von ihrem Fenster aus ihre Landsleute in den Krieg ziehen sah, so bedauerte sie nichts mehr, als daß sie noch zu jung war, um den bevorstehenden großen Strauß mitzukämpfen. Sie glaubte nämlich ihre Jugend sei für sie das einzige Hinderniß, mit in den Krieg zu ziehen.
Leider siegten die Franzosen, der Feind rückte in die Hauptstadt ein und die Angelegenheiten Oesterreichs standen grundschlecht. Ja, die kleine Patriotin erlebte den Aerger, daß die verhaßten Sieger in Masse im elterlichen Hause einquartirt wurden, bei dieser Gelegenheit die Hauptrolle spielten, am Tisch mitaßen und für alle derartigen Gefälligkeiten die zuvorkommendste Behandlung beanspruchten. Zeigten nun auch alle Hausbewohner den Siegern ein freundliches Aeußere, so konnten weder Bitten, noch Befehle, noch Drohungen das Mädchen veranlassen, daß es den Franzmännern ein gutes Gesicht machte. Sie gab im Gegentheil ihre Gesinnung durch Schweigen und Trotz, und wenn sie direkt von den Feinden aufgefordert wurde, sich zu äußern, durch Worte des Unmuthes und des glühendsten Hasses zu erkennen. Sie sagt über diesen Punkt: „Mein Haß gegen Napoleon war so groß, daß ich den Mordversuch des bekannten Staps in Schönbrunn als eine der verdienstlichsten Thaten betrachtete und den Thäter, als man ihn vor ein Kriegsgericht stellte und erschoß, wie einen Märtyrer verehrte. Ich glaubte, wenn ich selbst Napoleon hätte ermorden können, ich würde keinen Augenblick gezaudert haben.“
Es ist bekannt, daß man Ida dazu zwang, eine Revue, die Kaiser Napoleon in Schönbrunn über seine Truppen abhielt, mit anzusehen, daß das Mädchen, als der Verhaßte vorüber ritt, ihm den Rücken kehrte und für diese Gesinnungstüchtigkeit mit einer Ohrfeige von mütterlicher Seite belohnt wurde, daß die Mutter sie dann an den Schultern festhielt, dabei aber nichts erreichte, da Ida, während der Kaiser mit seinem glänzenden Stab von Marschällen zum zweiten Mal vorüber ritt, die Augen schloß.
Mit dem dreizehnten Lebensjahre erhielt sie zum zweiten Male Mädchenkleider, und diesmal für immer. Sie war nun freilich schon verständig genug, die Nothwendigkeit dieser Umwandlung einzusehen; aber nichts destoweniger kostete dieselbe ihr viele Thränen und machte sie sehr unglücklich. Es handelte sich ja dabei nicht nur um andere Kleider, sondern auch um anderes Benehmen, um andere Beschäftigungen, Gewohnheiten und Bewegungen. „Wie linkisch und unbeholfen war ich Anfangs,“ sagt sie in ihrem Tagebuche; „wie lächerlich mußte ich in den langen Kleidern aussehen, als ich dabei noch immer lief und sprang und mich in allem benahm wie ein wilder Junge!“
„Glücklicher Weise erhielten wir damals einen jungen Mann als Lehrer, der sich meiner ganz besonders annahm. Ich erfuhr später, daß er die Mutter oft im Geheimen bat, mit mir, als einem Kinde, dessen Gedanken von allem Anfang an eine schiefe Richtung gegeben worden war, Nachsicht zu haben. Er selbst behandelte mich mit ungemeiner Güte, mit dem größten Zartgefühl und bekämpfte mit Beharrlichkeit und Geduld meine verkehrten und verworrenen Ideen. Da ich meine Eltern mehr fürchten als lieben gelernt hatte und er, so zu sagen, das erste Wesen war, das mir mit Freundlichkeit und Theilnahme entgegenkam, so hing ich mit schwärmerischer Liebe an ihm. Ich suchte jeden seiner Wünsche zu erfüllen und fühlte mich nie glücklicher, als wenn er mit meinen Bestrebungen zufrieden schien. Er leitete meine ganze Erziehung, und obgleich es mich gar manche Thräne kostete, meinen jugendlichen Träumereien zu entsagen und mich mit Dingen zu befassen, die ich früher mit der tiefsten Verachtung betrachtet hatte, so that ich es doch — ihm zu Liebe. Selbst alle weiblichen Arbeiten, Nähen, Stricken, Kochen u.s.w. lernte ich. Ihm verdanke ich es, daß ich im Verlaufe von drei bis vier Jahren vollkommen zu der Einsicht der Pflichten meines Geschlechtes gelangte, daß aus dem wilden Jungen eine bescheidene Jungfrau wurde.“
In jener Zeit als Ida der Knaben-Rolle entsagen mußte, keimte in ihr der erste Wunsch die Welt zu sehen. Vom Krieg und vom Soldatenleben wandte sie den Sinn ab, um ihn großen Reisen zuzuwenden; die Reise-Literatur beschäftigte sie auf das Lebhafteste und ersetzte bei ihr das Gefallen an Putz, Bällen, Theatern und allen anderen Vergnügungen, die sonst einen Mädchenkopf ganz anzufüllen pflegen. Wenn sie von Jemanden hörte, der große Reisen gemacht hatte, so erfaßte sie Wehmuth, daß ihr als Mädchen für immer das Glück verschlossen bleiben mußte, das Weltmeer zu durchfurchen und ferne Länder aufzusuchen. Oft lag ihr der Gedanke nahe, mit Naturwissenschaften sich zu beschäftigen; sie unterdrückte ihn aber immer wieder, weil sie darin nur Rückkehr zu den „verkehrten Ideen“ witterte. Es wird gut sein, sich vor Augen zu halten, daß im Anfang unseres Jahrhundertes ein Bürgermädchen, auch aus wohlhabender, angesehener Familie, eine weit einfachere Erziehung erhielt als heut zu Tage.
Ein wichtiger Abschnitt im Leben Ida Pfeiffer's mag hier nach ihrer eigenen Erzählung seinen Platz finden:
„In meinem siebzehnten Jahre hielt ein reicher Grieche um meine Hand an. Die Mutter verwarf seinen Antrag, weil der Bewerber nicht katholisch war und ich ihr zum Heirathen noch zu jung schien. Sie fand es unpassend für ein Mädchen unter zwanzig Jähren sich zu verehelichen.“
„Bei dieser Gelegenheit ging in meinem Inneren eine große Umwandlung vor. Bisher hatte ich nichts geahnt von jener mächtigen Leidenschaft, die den Menschen zum glücklichsten, aber auch zum unglücklichsten Wesen machen kann. Als mich die Mutter von dem Antrage des Griechen unterrichtete, als ich erfuhr, daß es in meiner Bestimmung läge, einen Mann zu lieben und ihm für immer anzugehören, da gewannen die Gefühle, die ich bisher unbewußt in mir getragen, eine feste Gestaltung und es wurde mir klar, ich könne Niemand andern lieben als T..., den Führer meiner Jugend.“
„Ich wußte nicht, daß auch T... mit ganzer Seele an mir hing; ich kannte ja kaum meine eigenen Gefühle, um wie viel weniger war ich fähig, jene einer anderen Person zu errathen. Als T... jedoch von der Bewerbung um mich hörte, als ihm die Möglichkeit vor Augen trat, mich verlieren zu können, da gestand er mir seine Liebe und beschloß, bei der Mutter um meine Hand anzuhalten.“
„T... hatte sich dem Staatsdienste gewidmet und bereits seit einigen Jahren eine Anstellung erhalten, von deren Gehalt er ganz gut leben konnte. Schon lange war er von dem Beruf eines Lehrers zurückgetreten, ohne jedoch deshalb unser Haus seltener zu besuchen. Er brachte im Gegentheil fast alle freien Stunden bei uns zu, als ob er ganz zur Familie gehörte. Meine fünf Brüder waren seine Freunde und die Mutter hatte ihn so gerne, daß sie ihn oft „ihren lieben sechsten Sohn“ nannte. Er fehlte bei keiner Gesellschaft in unserem Hause und bei keiner Einladung, der wir folgten. Bei Theaterbesuchen, Spaziergängen u.s.w. war er stets unser Begleiter. Was war natürlicher, als daß wir beide uns überredeten, die Mutter habe uns für einander bestimmt und werde wahrscheinlich nur die Bedingung setzen, daß wir warten sollten bis ich mein zwanzigstes Jahr erreicht und T... eine bessere Anstellung erlangt haben würde?“
„T... hielt daher um meine Hand an.“
„Doch wer vermag unsere schmerzliche Ueberraschung zu schildern, als die Mutter ihre Einwilligung nicht nur ganz und gar versagte, sondern auch T... von diesem Augenblick an gerade so haßte, wie sie ihm früher gewogen war. Gegen T... konnte kein anderer Grund vorliegen, als daß ich einmal ein ziemlich großes Vermögen zu erwarten hatte, und daß T... vor der Hand nur einen bescheidenen Gehalt bezog. Hätte die Mutter ahnen können, was später aus meinem Vermögen wurde, wie sich mein Loos so ganz anders gestaltete als sie es in ihren Gedanken sich zurecht gelegt hatte, sie würde mir den tiefsten Kummer und endloses Leid erspart haben!“
„Nach dem Antrage T...'s hätte die Mutter gewünscht, mich so rasch als möglich zu verheirathen. Ich erklärte jedoch bestimmt, daß ich T...'s Frau werden oder unverheirathet bleiben wolle. T... durfte natürlich unser Haus nicht mehr betreten, und da meine Mutter wußte, wie hartnäckig ich auf meinem Willen bestand, wenn es mir ernst um eine Sache war, so führte sie mich zuweilen zu einem Geistlichen, der mir die Pflichten der Kinder gegen ihre Eltern und den Gehorsam, den letztere zu fordern berechtigt sind, klar machen mußte. Man wollte mir einen feierlichen Eid vor dem Kreuze abnehmen, T... nicht heimlich zu sehen, noch mit ihm Briefe zu wechseln. Den Eid verweigerte ich, aber ich versprach das Verlangte, vorausgesetzt, daß man mir gestattete, T... von allem in Kenntniß zu setzen. Die Mutter gestand dies endlich zu und ich schrieb T... einen langen Brief, in welchem ich ihm alles mittheilte und ihn bat, ja nichts zu glauben, was ihm andere Leute von mir sagen würden. Ich fügte hinzu, daß ich ihn weder sehen noch einen zweiten Brief ihm schreiben könne, daß aber — im Fall ein anderer um meine Hand anhielte und die Mutter mich zu einer Ehe zwingen wolle — T... dies sofort durch mich erfahren werde.“
„T...'s Antwort war kurz und voll tiefen Schmerzes. Er schien es begreiflich zu finden, daß unter solchen Umständen keine Hoffnung für uns war, und daß mir nichts anderes übrig blieb als den Befehlen meiner Mutter zu gehorchen. Doch erklärte er bestimmt, er selbst werde nie sich verehlichen.“
„Hiermit schloß unsere Korrespondenz. Drei lange traurige Jahre vergingen, ohne daß ich ihn sah und ohne daß sich in meinen Gefühlen oder in meiner Lage etwas änderte.“
„Eines Tages ging ich mit einer Freundin meiner Mutter spazieren und begegnete zufällig T... Unwillkürlich blieben wir beide stehen; aber lange vermochten weder er noch ich ein Wort über die Lippen zu bringen. Endlich wurde T... seiner Bewegung Meister und fragte mich, wie es mir ginge. Ich aber war zu tief erschüttert um sprechen zu können. Meine Kniee bebten und es war mir, als müßte ich bewußtlos niedersinken. Dann faßte ich krampfhaft den Arm meiner Begleiterin, zog sie fort mit mir, und ohne zu wissen was ich that, eilte ich nach Hause. — Zwei Tage später lag ich im hitzigen Fieber.“
„Der herbeigerufene Arzt mochte die Ursache meiner Krankheit wohl ahnen und erklärte, wie ich später erfuhr, meiner Mutter, daß mein Uebel nicht im Körper, sondern im Gemüth seinen Ursprung habe, daß Arzneien hier wenig helfen würden und daß vor allem eine Besserung meines Seelenzustandes angestrebt werden müsse. Die Mutter beharrte jedoch auf ihrem Willen und sagte dem Arzte, sie vermöge nichts zu ändern.“
Die Kranke schwebte lange in Lebensgefahr und wünschte in ihrer Exaltation nichts sehnlicher als den Tod. Als sie durch eine Ungeschicklichkeit ihrer Wärterin erfuhr, wie man in der That täglich ihre Auflösung erwartete, beruhigte sie dies so sehr, daß sie in einen tiefen Schlaf verfiel und die Krise glücklich überstand.
Ida's Vater hatte ein bedeutendes Vermögen hinterlassen, es fehlte daher nicht an Bewerbern um ihre Hand. Sie wies indeß jeden Antrag zurück und kam dadurch ihrer Mutter gegenüber in ein immer unangenehmeres Verhältniß, denn der Wunsch der letzteren, Ida möge ihre Wahl treffen, sprach sich stets drängender aus. Durch diese häuslichen Mißhelligkeiten wurde endlich der Wille des Mädchens gebrochen, nachdem ihr jedes Loos erträglicher erschien als in der bisherigen Lage fortzuleben. Sie erklärte, sie werde den nächsten Freier annehmen, nur müsse er ein bejahrter Mann sein. Damit wollte sie T... beweisen, daß nicht Liebe sondern moralischer Zwang sie zum Ehebündniß getrieben habe.
Im Jahre 1819, als Ida 22 Jahre alt war, wurde Dr. Pfeiffer, einer der ausgezeichnetsten Advokaten Lembergs, Witwer und Vater eines schon erwachsenen Sohnes, in dem Reyer'schen Hause eingeführt. Er hielt sich nur einige Tage, verschiedener Geschäfte wegen, in Wien auf, und empfahl bei seinem baldigen Abschied der Reyer'schen Familie seinen Sohn, der an der Wiener Universität die Rechte studirte.
Ungefähr vier Wochen später kam ein Brief von Dr. Pfeiffer, in welchem er um Ida förmlich anhielt. Da er mit Ida nur einige Worte über die gleichgiltigsten Dinge gewechselt, so hatte sie auch nicht im entferntesten an die Möglichkeit einer Werbung von dieser Seite gedacht. Sie wurde nun an ihr Versprechen erinnert, den nächsten Freier anzunehmen.
„Ich versprach die Sache zu überlegen,“ sagt sie in ihrem Tagebuch. „Dr. Pfeiffer schien mir ein sehr vernünftiger, gebildeter Mann zu sein; was aber in meinen Augen noch weit mehr zu seinem Vortheil sprach, war, daß er hundert Meilen von Wien entfernt lebte und 24 Jahre mehr zählte als ich.“
Nach acht Tagen willigte sie unter der Bedingung ein, Dr. Pfeiffer die wahre Lage ihres Herzens mittheilen zu dürfen. Dieß geschah denn auch in einem ausführlichen Briefe, in welchem sie ihrem Freier nichts verheimlichte, wobei sie die stille Hoffnung nährte, derselbe werde von seiner Werbung abstehen. Dr. Pfeiffer aber antwortete alsbald, er sei durch das Geständniß einer 22jährigen Jungfrau, daß sie schon geliebt habe, gar nicht überrascht. Diese wahrheitsgetreue, offene Darstellung lasse ihm Ida gerade um so achtungswerther erscheinen; er beharre bei seiner Werbung und glaube fest, daß er sie nie zu bereuen haben werde.
Nun lag Ida die schwere Pflicht ob, T... die Wendung ihres Geschickes mitzutheilen. Sie that dieß in einigen Zeilen, wie man sich denken kann, mit den schmerzlichsten Gefühlen. Die Antwort war durchaus in dem würdigsten Tone gehalten, voll Entsagung und Edelsinn. T... sprach wiederholt die Versicherung aus, er werde ihrer nie vergessen und sich nie verehelichen. Er hat sein Wort gehalten.
Die Trauung mit Dr. Pfeiffer fand am 1. Mai 1820 statt, und acht Tage später reiste das neue Ehepaar nach Lemberg ab. Die Fahrt brachte Zerstreuung, indem sie in der jungen Frau die alte Reiselust anfachte und gab dem Paar Gelegenheit sich näher kennen zu lernen. Ida fand in ihrem Mann Redlichkeit, Offenheit und Verstand, und wenn es auch nicht in ihrer Macht lag, ihn zu lieben, so konnte sie ihm doch Achtung und herzliche Zuneigung um so weniger versagen, als er sich ebenso liebevoll als zartsinnig gegen sie zeigte. Sie nahm sich vor, ihre Pflichten redlich zu erfüllen und sah mit einer gewissen Beruhigung der Zukunft entgegen.
Dr. Pfeiffer war ein Mann der geraden und freien Gesinnung, der das Unrecht, wo er es antraf, rücksichtslos aufdeckte und angriff, und aus seiner Ueberzeugung kein Hehl machte. In dem Beamten-Schlendrian in Galizien war damals gar mancherlei faul; es fehlte nicht an bestechlichen und unredlichen Beamten. Namentlich hatte Dr. Pfeiffer Gelegenheit, bei einem großen Prozeß, den er siegreich durchführte, Schwindeleien der stärksten Art zu entdecken, die er furcht- und schonungslos der höchsten Autorität in Wien anzeigte. Es wurde eine Untersuchung eingeleitet, die Angaben Dr. Pfeiffer's erwiesen sich als begründet und mehrere Beamte wurden theils entlassen, theils versetzt.
Indeß blieben für Dr. Pfeiffer die schlimmen Folgen auch nicht aus. Durch seine Anzeige hatte er sich den größten Theil der Beamten zu Feind gemacht, und diese feindselige Gesinnung trat so oft und so entschieden zu Tage, daß Dr. Pfeiffer endlich seine Advokatur niederlegen mußte, denn er wäre für seine Klienten nicht nur von keinem Nutzen gewesen, sondern hätte ihnen geradezu geschadet.
„Mein Mann,“ schreibt Ida Pfeiffer, „hatte das alles wohl vorausgesehen; aber es ging ihm gegen die Natur, über schmachvolle Ungerechtigkeiten ein Auge zuzudrücken. Noch in demselben Jahre legte er seine Stelle nieder und nachdem er seine Privat-Geschäfte geordnet, übersiedelten wir 1821 nach Wien, wo er bei seinen vielseitigen Kenntnissen leicht eine Beschäftigung zu finden hoffte. Sein Ruf jedoch war ihm bereits vorausgeeilt; man kannte in Wien seine Gesinnung und seine Handlungen so gut wie in Lemberg und witterte in ihm einen unruhigen Kopf und einen Feind des Bestehenden. In Folge dessen waren alle seine Bewerbungen um Agenten-Stellen u. dgl. vergeblich. Man gab den unbedeutendsten, talentlosesten Menschen, was man ihm wiederholt verweigerte.“
Alles dieß wirkte natürlich sehr störend auf Pfeiffer's Gemüth ein. Er sah sich überall in seinen Arbeiten und Bestrebungen gehemmt und durchkreuzt und was er sonst mit Eifer und Vergnügen betrieb, verursachte ihm jetzt Mißmuth und Aerger. Seine Thätigkeit verlor sich endlich zum Theil, und was er arbeitete, das brachte ihm entweder sehr geringen oder gar keinen Nutzen. Dadurch wurden die Lebens-Verhältnisse des Pfeiffer'schen Ehepaares alle Tage kritischer. Dr. Pfeiffer hatte wohl früher als tüchtiger Advokat in Lemberg eine bedeutende Einnahme gehabt; aber er liebte es auf großem Fuße zu leben, hielt Wagen und Pferde, führte gute Tafel und dachte nie daran, für die Zukunft zu sorgen. Viele Leute, die seine Großmuth kannten, benutzten ihn, indem sie ihm Geld abborgten. So schwand auch Ida's väterliches Erbe durch einen Freund Pfeiffer's, dem man aus der Klemme helfen wollte. Er fallirte trotz der Hilfe und alles war verloren.
Nachdem Dr. Pfeiffer vergeblich gesucht hatte in Wien Beschäftigung zu erhalten, kehrte er mit seiner Frau nach Lemberg zurück, kam später wieder nach Wien und versuchte endlich sogar sein Glück in der Schweiz, wo er geboren, aber nur die ersten Jahre seines Lebens geblieben war. Es wollte ihm jedoch nirgends gelingen und die Noth, die bittere Noth klopfte an die Pforte dieser Familie.
„Gott allein weiß, was ich durch achtzehn Jahre meiner Ehe litt!“ ruft Ida Pfeiffer aus. „Nicht durch rohe Behandlung von Seite meines Mannes, sondern durch die drückendsten Lebens-Verhältnisse, durch Noth und Mangel! Ich stammte aus einem wohlhabenden Hause, war von frühester Jugend an Ordnung und Bequemlichkeit gewöhnt, und nun wußte ich oft kaum, wo ich mein Haupt niederlegen, wo das Bischen Geld hernehmen sollte, um mir nur das höchst Nöthige anzuschaffen. Ich verrichtete alle Hausarbeiten, ich fror und hungerte, ich arbeitete im Geheimen für Geld, ich ertheilte Unterricht in Zeichnen und Musik, und doch trotz aller Anstrengungen gab es oft Tage, an welchen ich meinen armen Kindern kaum etwas mehr als trockenes Brot zum Mittagessen vorzusetzen hatte!“
„Allerdings hätte ich bei meiner Mutter oder bei meinen Geschwistern Unterstützung suchen und finden können; allein dagegen empörte sich mein Stolz. Jahre lang kämpfte ich mit der Noth und verheimlichte meine Lage; oft war ich der Verzweiflung so nahe, daß mich nur noch der Gedanke an meine Kinder aufrecht erhielt. Endlich brach das Uebermaß der Leiden meinen Sinn und ich nahm verschiedene Male die Hilfe meiner Brüder in Anspruch.“
Ida Pfeiffer hatte zwei Söhne. Eine Tochter war einige Tage nach der Geburt gestorben. Die Erziehung der Söhne fiel ganz der Mutter zu, und da der jüngere viel Talent für Musik zeigte, so gab sie sich besondere Mühe mit ihm, um seine guten Anlagen auszubilden.
Im Jahre 1831 starb die alte Frau v. Reyer, während der langen Krankheit, die ihrem Tode voranging, von ihrer gerade in Wien weilenden Tochter sorgsam gepflegt. Ida begab sich nach dem Tode ihrer Mutter abermals nach Lemberg, von wo Dr. Pfeiffer neuerdings über sichere Aussichten auf eine passende Beschäftigung schrieb. Der nunmehr 60jährige Mann lebte aber nur immer in Illusionen — ein einfaches Versprechen genügte, um ihn mit größtem Vertrauen in die Zukunft zu erfüllen. Als daher Ida das schwankende dieser Verhältnisse noch einmal während zwei Jahren genau erfahren hatte, kehrte sie wieder nach Wien zurück, wo es ihr wenigstens leichter war, ihren Söhnen eine ordentliche Erziehung zu geben.
Durch den Tod ihrer Mutter hatte sie zwar kein großes Vermögen, aber doch so viel geerbt, daß sie anständig leben und ihren Kindern ordentliche Lehrer halten konnte. 1835 siedelte sie definitiv nach Wien über, während Dr. Pfeiffer in Lemberg blieb, wohin ihn Gewohnheit und die Neigung für seinen dort angestellten Sohn aus erster Ehe zog. Nur von Zeit zu Zeit kam er nach Wien, um Frau und Kinder zu sehen.
Bei einer Reise, welche Ida Pfeiffer mit ihrem jüngeren Sohne nach Triest machte, um denselben dort Seebäder nehmen zu lassen, sah sie zum ersten Male das Meer. Der Eindruck, den die See auf sie machte, war überwältigend. Die Träume ihrer Jugend tauchten mit den imposantesten Bildern ferner, noch unbekannter Länder voll fremdartiger, üppiger Vegetation auf. Eine kaum zu bewältigende Reiselust erwachte in ihr, und gerne hätte sie das erste Schiff bestiegen, um hinauszufahren in das unermeßliche, geheimnißvolle Meer. Nur die Pflicht gegen ihre Kinder hielt sie zurück; doch fühlte sie sich glücklich, als sie Triest wieder verlassen konnte und der Karst zwischen ihr und der See lag; denn die Sehnsucht nach der weiten Welt hatte in der Seestadt wie ein Alp auf ihrer Brust gelegen.
Als sie wieder nach Wien in ihr ruhiges Alltags-Leben zurückgekehrt war, beschäftigte sie fortwährend der Wunsch, daß sie so lange bei Kraft bleiben möge, bis ihre Söhne selbstständig und auf das eigene Wissen gestützt sich in der Welt bewegen könnten. Dieser Wunsch wurde ihr erhört. Ihre Söhne wuchsen kräftig heran und wurden in ihrem Berufe wackere Männer.
Die vollendete Erziehung und gesicherte Stellung beider gab Ida Pfeiffer wieder sich selbst und ihren Reise-Gedanken zurück. Das alte Projekt, die Welt zu sehen, tauchte neuerdings auf und fand nun in den Gründen der Vernunft und Pflicht keinen Widerstand mehr. Viel beschäftigte sie die Idee, wie sie allein eine größere Reise ausführen werde — denn allein mußte sie reisen, da ihr Mann schon zu alt war, um die Strapazen eines derartigen Unternehmens zu ertragen, und die Söhne ihrem Berufe nicht auf längere Zeit entrissen werden konnten. Auch die Geldfrage gab viel Stoff zum Nachdenken. Die Länder, welche sie besuchen wollte, hatten weder Gasthöfe noch Eisenbahnen, durch deren Abwesenheit der Reisende zu viel bedeutenderen Ausgaben genöthigt ist, da er alles, dessen er bedarf, mit sich führen muß. Und über viel Geld hatte Ida Pfeiffer, nachdem sie einen Theil ihres mütterlichen Erbe zur Erziehung ihrer Söhne verwendet, nicht zu verfügen.
„Doch war ich bald über diese wichtigen Punkte mit mir einig,“ schreibt sie in ihrem Tagebuche. „Was den ersten anbelangt, daß ich als Frau allein in die Welt hinaus wollte, so verließ ich mich auf meine Jahre (ich zählte deren schon 45), auf meinen Muth und auf die Selbstständigkeit, die ich in harter Schule des Lebens erlangt hatte, als ich nicht nur für mich und meine Kinder, sondern auch mitunter für meinen Mann sorgen mußte. In Betreff des Geldpunktes war ich zur größten Sparsamkeit entschlossen. Unbequemlichkeiten und Entbehrungen schreckten mich nicht. Ich hatte ja deren schon genug und zwar gezwungen ertragen; wie viel leichter mußten die freiwillig aufgesuchten mit einem bestimmten Ziel vor Augen, zu ertragen sein!“
Eine andere Frage, nämlich: Wohin? war auch bald beantwortet, da zwei Projekte die Gedanken der Reiselustigen von Jugend auf beschäftigten — eine Nordpol-Fahrt und eine Reise in das heilige Land. Der Nordpol zeigte trotz aller magnetischen Anziehungskraft bei näherer Ueberlegung unüberwindliche Schwierigkeiten. Es blieb daher das „heilige Land.“ Als sie indeß ihren Freunden von ihrem Wunsch, Jerusalem zu besuchen, erzählte, wurde sie einfach als Närrin, als überspannte Person behandelt und niemand schien ein solches Unternehmen ihr im Ernst zuzutrauen.
Nichtsdestoweniger beharrte sie bei ihrem Entschluß, verheimlichte aber das eigentliche Ziel der Reise, indem sie erklärte, sie werde eine Freundin in Konstantinopel, mit der sie seit langer Zeit in lebhafter Korrespondenz stand, besuchen. Sie zeigte niemanden ihren Paß und keiner von denjenigen, die von ihr sich verabschiedeten, ahnte ihr eigentliches Ziel. Am schwersten wurde ihr der Abschied von ihren Söhnen, die mit großer Liebe an ihr hingen und sie gar nicht aus ihren Armen lassen wollten. Mit aller Kraft kämpfte sie ihre weiche Stimmung hinab, vertröstete die Ihrigen auf baldiges Wiedersehen und bestieg am 22. März 1842 das Dampfboot, das sie die Donau hinabtrug nach dem Schwarzen Meer und der Stadt des Halbmondes. Sie besuchte Brussa, Beirut, Jaffa, das Todte Meer, Nazareth, Damaskus, Balbek, den Libanon, Alexandrien, Kairo und reiste durch die Wüste des Isthmus von Suez zum Rothen Meer. Von Egypten kehrte sie über Sicilien und durch ganz Italien in die Heimath zurück und traf im Dezember 1842 in Wien ein. Da sie nach einem sorgfältig geführten Reise-Tagebuch oft ihren Freunden und Bekannten von ihren Erlebnissen erzählte, so wurde sie mehrfach aufgefordert, ihren ganzen Pilgerzug drucken zu lassen. Der Gedanke, Schriftstellerin zu werden, widerstrebte jedoch ihrer Bescheidenheit, und erst als ein Verleger ihr direkt Anträge machte, willigte sie ein, ihr Erstlingswerk der Oeffentlichkeit zu übergeben. Es erschien unter dem Titel: „Reise einer Wienerin in das heilige Land“ (2 Bände Wien 1843, vierte Auflage 1856) und obgleich die Verfasserin weder viel Neues zu erzählen hatte, noch in dem damals so beliebten Stil berühmter „Reisendinnen“ den geistreichen Damen-Pegasus ritt, so machte ihr Büchlein, wie die vier Auflagen beweisen, doch Glück. Es scheint, daß gerade die Einfachheit der Darstellung und die schmucklose Erzählung der Wahrheit sich rasch ein großes Publikum eroberten.
Der gute Erfolg dieser ersten Reise, welcher der Pilgerin durch Honorar neue Geldmittel zuführte, erweckte in ihr bald wieder Reise-Plane, und dießmal trieb es sie nach dem fernen Norden, wo sie großartige Bilder, außerordentliche Natur-Erscheinungen aufsuchte.
Nach mancherlei Vorbereitungen, zu welchen das Erlernen der englischen und der dänischen Sprache, sowie des Daguerreotypirens zählte, und nachdem sie sich genau über die zu besuchenden Länder unterrichtet, trat sie am 10. April 1845 ihre Reise nach dem Norden an. Am 16. Mai landete sie an der isländischen Küste, durchstreifte die interessante Insel nach allen Richtungen, besuchte den Geiser, sowie die anderen heißen Quellen und erstieg den Hekla, welcher kurz nach ihrer Abreise, nachdem er siebenzig Jahre gerastet, wieder Feuer zu speien begann. Ende Juli segelte sie nach Kopenhagen zurück, reiste von da nach Christiania, Thelemarken, über die schwedischen Seen nach Stockholm, und über Upsala nach den Eisenwerken von Danemora. Ueber Travemünde, Hamburg und Berlin suchte sie wieder ihre Vaterstadt auf, in der sie am 4. Oktober 1845 — also nach sechsmonatlichen Wanderungen — eintraf.
Das Tagebuch dieser zweiten Reise erschien unter dem Titel: „Reise nach dem Skandinavischen Norden und der Insel Island“ (Pest 1846, 2 Bände) und wurde gleichfalls viel gelesen. Der Erlös der mitgebrachten Naturalien, sowie das Honorar des Verlegers bildeten für Ida Pfeiffer die Grundlage von Ersparnissen für neue Unternehmungen, welche in Folge der bisher errungenen Erfolge in jeder Hinsicht größere Dimensionen annehmen sollten. Eine Reise um die Welt war es, die den Geist der kühnen Frau jetzt beschäftigte und diese einmal gefaßte Idee ließ ihr bald keine Ruhe mehr.
„Größere Mühsale und Entbehrungen,“ schreibt sie, „als ich in Syrien und Island ausgestanden hatte, konnte ich nirgends erwarten. Auch die Kosten erschreckten mich nicht, da ich nun schon aus Erfahrung wußte, wie wenig man bedarf, wenn man sich auf das Allernöthigste beschränkt und jeder Bequemlichkeit, jedem Ueberfluß zu entsagen bereit ist. Durch meine Ersparnisse erhielt ich Summen, welche einen Fond bildeten, mit dem Reisende wie der Fürst Pückler-Muskau oder wie Chateaubriand und Lamartine höchstens auf einer vierzehntägigen Badereise ausgekommen wären, die mir, der einfachen Pilgerin, aber zu zwei- und dreijährigen Fahrten genügend schienen und, wie die Folge zeigte, es auch waren.“
Indem sie von ihren großartigen Reiseplanen den Verwandten und namentlich ihren Söhnen nichts sagte, sondern nur Brasilien als ihr Ziel nannte, nahm sie am 1. Mai 1846 von Wien Abschied und begab sich nach Hamburg, wo sie erst am 28. Juni in einer kleinen dänischen Brigg eine passende Gelegenheit zur Reise nach Brasilien fand.
Durch ungünstiges Wetter und Windstillen aufgehalten, brauchte das Schiff von Hamburg zur Passirung des Kanals La Manche einen vollen Monat, d. h. dieselbe Zeit, die es von da bis zum Aequator segelte. Am 16. September landete es in Rio Janeiro. Von hier aus unternahm Ida Pfeiffer verschiedene Ausflüge in das Land. Auf einem derselben wurde sie von einem entlaufenen Negersklaven, wahrscheinlich in raubmörderischer Absicht, angefallen. Da der Schwarze mit einem Messer bewaffnet war, so erlitt sie mehrere Verwundungen, und nur einer ganz zufälligen, rechtzeitigen Hilfe verdankte sie die Rettung ihres Lebens.
Anfangs Dezember 1846 verließ sie Rio Janeiro, umschiffte am 3. Februar 1847 das Kap Horn und landete am 2. März in Valparaiso. So großartig die Eindrücke der Tropenwelt, namentlich in Brasilien, waren, so wenig behagten der Reisenden die Zustände des ehemals spanischen Amerika. Bald schiffte sie sich wieder ein, durchsegelte den großen Ocean und betrat Ende April die Insel Otahaiti. Sie wurde der Königin Pomare vorgestellt, von deren Hofe sie später eine ziemlich lebhafte, mit viel Interesse gelesene Schilderung entwarf. Die damaligen Zustände Europa's waren so ruhig, daß man sich aus Stoffmangel wochenlang in den Zeitungen mit der Königin Pomare beschäftigte. Die Otahaitische Majestät ist heutzutage ziemlich aus der Mode gekommen, wie denn überhaupt Europa jetzt stark mit häuslichen Arbeiten beschäftigt ist und weit weniger Zeit und Muße hat, glückliche Inseln im Stillen Ocean zu protegiren.
Von Otahaiti begab sich Ida Pfeiffer nach China und kam Anfangs Juli nach Macao. Später besuchte sie Hongkong und die Stadt Canton, in der sie sich gerne mehr umgesehen hätte, wenn nicht die ungewöhnliche Erscheinung einer europäischen Frau für die Gehirn-Funktionen der Söhne des Himmlischen Reiches zu aufregend geworden wäre. Sie lief Gefahr vom Pöbel insultirt zu werden, kehrte daher bald dem glücklichen Lande den Rücken und reiste, Singapore einen kurzen Besuch abstattend, nach Ceylon, wo sie Mitte Oktober landete. Sie durchstreifte die schöne Insel nach verschiedenen Richtungen und besuchte Colombo, Candy und den berühmten Tempel Dagoha. Ende Oktober betrat sie in Madras das Festland von Indien, verweilte längere Zeit in Kalkutta, fuhr den Ganges hinauf bis Benares, sah die Ruinen von Sarnath, und durchstreifte dann Cawnpore, Delhi, Indore und Bombay. Auch die berühmten Felsen-Tempel von Adjunta und Ellora, sowie die Inseln Elephanta und Salsette wurden von ihr in näheren Augenschein genommen. Sie erhielt Zutritt in die Häuser vieler vornehmer Indier und bekümmerte sich überall um Sitten, Gebräuche und Eigentümlichkeiten. Auf Tiger-Jagden war sie ebensowohl anwesend wie bei der Verbrennung einer indischen Witwe. Sogar mit den Verhältnissen der englischen Missionäre hat sie sich ziemlich genau eingehend beschäftigt.
Ende April 1848 finden wir Ida Pfeiffer wieder auf der See, den Wanderstab nach Persien hintragend. Von Buschir wollte sie nach Schiras, Ispahan und Teheran; sie wurde aber durch Unruhen im Innern des Landes von diesem Projekte abgebracht und wandte sich nun nach Mesopotamien. Durch den Meerbusen Schat-el-Arab begab sie sich nach Bassora und später nach Bagdad. Nach einem Ausfluge in die Ruinen von Ktesiphon und Babylon reiste sie mit einer Karavane durch die Wüste nach Mosul und den benachbarten Ruinen von Ninive, sodann nach Urumia und Tebris. Dieser Zug durch Mesopotamien und Persien zählt zu den kühnsten und bedeutendsten Unternehmungen der muthigen Frau. Es gehörte ein hoher Grad von Unerschrockenheit und Physischer Kraft dazu, die vielen Beschwerden, bei Tag die brennende Sonnenhitze, bei Nacht Unbequemlichkeiten jeder Art, elende Nahrung, ein unreines Lager, beständige Furcht vor räuberischen Anfällen zu ertragen und dabei nicht zu Grunde zu gehen. Als sie sich in Tebris dem englischen Konsul vorstellte, wollte derselbe gar nicht glauben, daß einer Frau eine solche Fahrt habe gelingen können.
In Tebris wurde sie bei dem Vicekönig Vali-Ahd eingeführt und erhielt die Erlaubniß, dessen Harem zu besuchen. Am 11. August 1848 reiste sie wieder weiter durch Georgien, Armenien, Mingrelien, über Eriwan, Tiflis und Kutais nach Redutkale. Sie berührte Anapa, Kertsch und Sewastopol, landete in Odessa und gelangte von da über Konstantinopel, Griechenland, die Ionischen Inseln und Trieft nach Wien, wo sie am 4. November 1848, gerade nach Einnahme der Stadt durch die Armee des Fürsten Windischgrätz, eintraf. In der von Partheikämpfen durchwühlten Heimath sollte sie also auch keine Ruhe finden.
Indessen verbreitete sich der Ruf Ida Pfeiffer's nach dieser Reise um die Welt immer mehr, denn eine Frau, die, sich nur auf die eigene Kraft stützend, 2800 englische Meilen zu Land und 35.000 Seemeilen zu Schiffe zurücklegt, kann wohl als eine außerordentliche Erscheinung betrachtet werden. Das dritte Werk der Reisenden, welches unter dem Titel: „Eine Frauenfahrt um die Welt“ (3 Bände. Wien. 1850) erschien, hatte guten Erfolg; es wurde zweimal in's Englische und später auch in's Französische übersetzt.
Eine Zeit lang machte sich nun bei Ida Pfeiffer der Gedanke geltend, sich zur Ruhe zu begeben und einen Abschluß der Reise-Erfahrungen eintreten zu lassen. Aber nicht lange hielt die resignirte Stimmung an. Als sie ihre Sammlungen verkauft, ihre Tagebücher geordnet und veröffentlicht hatte, und dabei nicht den geringsten Abbruch ihrer Kräfte fühlte, begann in ihr allmählich der Plan einer zweiten Reise um die Welt zu dämmern. Ihre geringen Reisemittel wurden dießmal von der Oesterreichischen Regierung mit einem Beitrag von 1500 Gulden vermehrt, und am 18. März 1851 verließ sie Wien, um sich vorerst, da sie noch kein bestimmtes Ziel vor Augen hatte, nach London zu begeben und dort die Gelegenheit an sich herankommen zu lassen. Selbst als sie London Ende Mai verlassen und am 11. August in der Kapstadt angelangt war, stand ihr Entschluß noch nicht fest. Lange schwankte sie zwischen Inner-Afrika und Australien, bis sie endlich nach Singapore segelte und daselbst sich zur Bereisung der Sunda-Inseln entschloß. Sie landete vorerst auf der Westküste von Borneo in Sarawak und fand bei dem Engländer Sir James Brooke, der hier ein unabhängiges Fürstenthum gegründet hat, gute Aufnahme und kräftigen Schutz. Bei einem Ausflug unter die wilden, unabhängigen Dayaks wurde sie von den Kopfjägern nicht nur verschont, sondern sogar gut aufgenommen. Sie erreichte Sintang und setzte dann ihre Reise westlich nach Pontianak und den Diamanten-Minen von Landak fort. Ueberall fand sie bei den holländischen Offizieren und Beamten die bereitwilligste Unterstützung, ohne welche es ihr nicht möglich gewesen wäre, ihre Reisen im Indischen Archipel so weit auszudehnen. Sie wollte von Pontianak mitten durch das von den Europäern noch nicht betretene Innere der Insel nach Benjermassing an der Südküste, fand aber keinen Führer oder Begleiter für diese gefährliche Tour. Sie richtete daher ihre Blicke nach Java und landete Ende Mai 1832 in Batavia. Auch hier wurde ihr überall zuvorkommende Hilfe und Unterstützung bei den Holländern und in Folge dessen auch bei den einheimischen Fürsten. Sie hat dies später mit großem Dank wiederholt öffentlich ausgesprochen.
Am 8. Juli 1852 begann sie ihre Fahrt nach Sumatra, welche sie selbst als die interessanteste aller ihrer Reisen erklärt. Von Padang begab sie sich nämlich mitten unter die Battas, die Menschenfresser sind und noch nie einen Europäer unter sich geduldet haben. Trotzdem, daß die Wilden ihrem Weiterkommen Widerstand entgegensetzten, drang sie doch durch Urwald und eine Bevölkerung von Kannibalen fast bis zum See Eier-Taw vor. Hier wurde sie aber mit vorgehaltenen Speeren zum Rückweg gezwungen, nachdem man ihr schon einige Mal in Aussicht gestellt hatte, daß man sie tödten und verzehren werde. Am 7. Oktober traf sie wieder in Padang ein. Auf Sumatra wurde sie zwei Mal von dem dort einheimischen bösartigen Wechselfieber befallen.
Nach der Insel Java zurückkehrend, unternahm sie Ausflüge nach den Fürstenthümern Djokdjokarta und Surakarta, nach dem Tempel Boro Budoo und nach Surabaja. Hierauf segelte sie nach verschiedenen der kleineren Sunda-Inseln und den Molukken (Banda, Amboina, Saparua, Ceram, Ternate), hielt sich einige Zeit bei den wilden Alforen auf und schloß ihre Sunda-Fahrten auf Celebes.
Von da durchschnitt sie den Großen Ozean (10.150 Seemeilen), um Kalifornien zu besuchen. Zwei Monate lang sah sie nichts als Himmel und Wasser. Am 27. September 1853 betrat sie in San Francisco das Land, besuchte die Goldwäschereien am Sacramento und am Juba-Flusse, und schlief in den Wigwams der Rothhäute am Rogue River.
Mit dem Schluß des Jahres 1853 segelte Ida Pfeiffer nach Panama und von da weiter nach der Peruanischen Küste. Von Callao begab sie sich nach Lima, um von dort die Cordilleren zu übersteigen, Loretto am Amazonen-Strome und weiterhin die Ostküste Südamerikas zu gewinnen. Die gerade in Peru ausgebrochene Revolution machte aber das Land unsicher und nöthigte die Reisende an einem anderen Uebergangspunkte der Cordilleren ihr Glück zu versuchen. Sie ging nach Eguador zurück und trat im März 1854 von Guayaquil ihre mühevolle Wanderschaft über das Gebirge an. Ganz in der Nähe des Chimborasso überschritt sie die Cordilleren, gelangte auf die Hochebene von Ambato und Tacunga und erlebte hier das seltene Natur-Ereigniß eines Ausbruches des Vulkans Cotopaxi — ein Schauspiel, um das sie später Alexander von Humboldt beneidete. Als sie am 4. April in Quito eintraf, fand sie leider nicht die gehoffte Unterstützung, d. h. mehrere sichere Leute zur Erreichung und Beschiffung des Amazonen-Stroms. Sie gab daher ihren ursprünglichen Plan wieder auf und mußte die beschwerliche Tour über die Cordilleren zurück machen. In der Nähe von Guayaquil stand sie zweimal Todesgefahr aus, zuerst durch einen Sturz vom Maulthier, und dann durch einen Fall in den von Kaimans stark bevölkerten Fluß Guaya. Ihre Begleiter wollten sie zu Grund gehen lassen, denn sie reichten ihr nicht im geringsten hilfreiche Hand. Mit tiefem Widerwillen kehrte sie dem spanischen Südamerika den Rücken, begab sich zur See nach Panama und überschritt Ende Mai den Isthmus.
Von Aspinwall segelte sie nach New-Orleans und blieb hier bis zum 30. Juni, dann fuhr sie den Mississippi hinauf bis Napoleon und in dem Arkansas bis nach Fort Smith. Ihren den
Cherokee-Indianern zugedachten Besuch mußte sie aufgeben, da sie neuerdings einen hartnäckigen Anfall des Sumatra-Fiebers erlebte. Wieder in den Mississippi zurückkehrend, erreichte sie am 14. Juli St. Louis und besuchte in der Nähe von Libanon den dort angesiedelten badischen Demokraten Hecker. Dann ging sie gegen Norden nach St. Paul und den St. Anthony-Fällen, wandte sich hierauf nach Chicago und gelangte in die großen Seen und zu den Niagara-Fällen. Nach einem Ausfluge nach Canada blieb sie noch einige Zeit in New-York, Boston u.s.w., ging dann zu Schiff und betrat am 21. November 1854 nach einer zehntägigen Fahrt in Liverpool europäischen Boden.
Dieser großen Weltreise hängte sie ein kleines Supplement an, indem sie ihrem Sohn, welcher sich in San Miguel auf den Azoren aufhielt, einen Besuch abstattete und erst im Mai 1855 über Lissabon, Southampton und London nach Wien zurückkehrte.
Die von Ida Pfeiffer gesammelten Naturalien und ethnographischen Gegenstände gelangten zum größten Theil in das britische Museum und in die kaiserlichen Kabinete in Wien. Großes Interesse nahmen Alexander von Humboldt und Karl Ritter in Berlin an den Bestrebungen Ida Pfeiffer's, und Humboldt namentlich ertheilte ihr die freundlichsten Lobsprüche für ihre wackere Gesinnung und ihren Eifer. Auf den Antrag der beiden Gelehrten ernannte die Berliner Geographische Gesellschaft Ida Pfeiffer zum Ehren-Mitgliede, und der König von Preußen verlieh ihr die goldene Medaille für Wissenschaft und Kunst. In Wien ist man mit der Anerkennung gegen die Landsmännin viel karger gewesen, wahrscheinlich weil schon nach alter Regel der Prophet im Vaterlande nichts gilt.
Die Tagebücher der Reisenden über diese Reise erschienen in Wien unter dem Titel: „Meine zweite Weltreise“, 4 Bände. 1856.
Nach jeder ihrer früheren Reisen hatte Ida Pfeiffer eine Zeit lang den Gedanken, auszuruhen und nun der Erinnerung zu leben. Nach ihrer zweiten Reise um die Welt, die so über alle Erwartung befriedigend für sie ausfiel, kamen aber gar keine Ruhegedanken mehr zum Vorschein. Während sie sich noch mit der Ordnung ihrer mitgebrachten Naturalien und der Herausgabe ihrer Tagebücher beschäftigte, faßte sie schon den Plan, Madagaskar zu durchforschen, und ließ sich selbst durch das Zureden Alexander von Humboldts's, der ihr mehrere andere Reise-Projekte vorschlug, nicht von dem einmal in's Auge gefaßten Ziele abbringen.
Das fernere Schicksal Ida Pfeiffers werden die folgenden Tagebücher ihrer Reise nach Madagaskar und schließlich die Mittheilungen ihres Sohnes, des Herrn Oskar Pfeiffer, über ihr Leiden und Ende ausführlicher erzählen. Doch bevor der letzte Akt eines so mühevollen und erfahrungsreichen Lebens beginnt, mag eine kurze Charakteristik der Weltreisenden hier ihren Platz finden.
Ida Pfeiffer machte durchaus nicht den Eindruck einer ungewöhnlichen Frau, einer „Emanzipirten“ oder gar eines Mannweibes. Im Gegentheil, sie war in Gedanken und Worten so einfach, bescheiden und schlicht, daß der, welcher sie nicht näher kannte, nicht ohne Mühe Spuren dessen, was sie gelernt und erfahren hatte, zu entdecken vermochte. In ihrem ganzen Wesen lag eine Ruhe und Nüchternheit, die vorzugsweise an eine praktische Hausfrau ohne alle schwärmerische Hintergedanken erinnerten. Viele Leute waren deshalb mit ihrem Urtheil über Ida Pfeiffer rasch fertig und geneigt, die Reiselust derselben ausschließlich auf Rechnung einer ungewöhnlich entwickelten Neugierde zu schreiben. Dieser Anschauung stand freilich eine Thatsache schnurstracks entgegen, die in Ida Pfeiffer's Wesen sehr eindringlich zu Tage trat, nämlich die vollständige Abwesenheit jeder Neugierde. So unruhig ihr ganzes Leben gewesen war, so gemessen und gelassen war ihre persönliche Erscheinung. Von einer Sucht, sich vorzudrängen oder um ferner liegende Dinge zu kümmern, vermochte auch der schärfste Beobachter nichts zu entdecken. Ernst, sehr reservirt und wortkarg, bot sie dem ihr Unbekannten oder fern Stehenden sehr wenig liebenswürdige Seiten.
Wer indeß dazu gelangte, sie näher kennen zu lernen, der fand wohl die einzelnen Elemente zusammen, welche hinter einem unscheinbaren Aeußeren eine außerordentliche Frau bargen. Willensstärke, Zähigkeit des Charakters, die sich bis zum Eigensinn steigerte, waren bald aus gewissen Aeußerungen zu entdecken. Zählt man hiezu einen für eine Frau seltenen persönlichen Muth, Gleichgiltigkeit gegen körperlichen Schmerz und gegen die Bequemlichkeiten des Lebens und den nie rastenden Drang, dem menschlichen Forschen und Wissen nützlich zu sein, so wird man gestehen müssen, daß das Eigenschaften sind, mit welchen man in der Welt etwas ausrichtet. Doch was den Werth dieser Eigenschaften noch erhöhte, war Ida Pfeiffer's Wahrheitsliebe und strenger Sinn für Recht und Ehrenhaftigkeit. So wie sie nie etwas erzählte, was nicht thatsächlich vollkommen der Wahrheit gemäß war, so hat sie nie etwas versprochen, was sie nicht hielt. Sie hatte Charakter — wie man im gewöhnlichen Leben zu sagen pflegt.
Daß ihre Mittheilungen durch ihre anerkannte Wahrheitsliebe einen erhöhten Werth erhalten, liegt auf der Hand, und da sie weder für konfessionelle noch für andere Vorurtheile zugänglich war, so basirt ihr Urtheil immer auf gesundem Boden. Hätte sie in ihrer Jugend mehr sich mit Natur-Wissenschaften beschäftigt und in dieser Richtung positive Kenntnisse besessen, so wären ihre Reisen allerdings noch von weit größerem Nutzen gewesen; aber im Anfang unseres Jahrhundertes waren die Männer, die sich außer ihrem Fach mit Naturwissenschaften beschäftigten, Seltenheiten, geschweige denn die Frauen. Ida Pfeiffer fühlte wohl diese Lücke und dachte in vorgerückteren Jahren mehrmals daran, sie auszufüllen; sie hatte jedoch dazu weder die Zeit noch die Geduld.
Ihrem Streben deshalb alles Verdienst für die Wissenschaft abzusprechen, wäre ein Unrecht, dessen sich die kompetentesten Männer durchaus nicht schuldig gemacht haben. Sie drang in manche Gegenden, welche nie der Fuß eines Europäers betreten hatte, und gerade daß sie Frau war, schützte sie in ihren gefährlichsten Unternehmungen. Man ließ sie ruhig weiter ziehen, wo man einen Mann gewiß nicht geduldet hätte. Ihre Mittheilungen haben daher häufig das Verdienst des tatsächlich Neuen in der Länder- und Völkerkunde, oder den Nutzen, daß sie irrige oder übertriebene Meinungen auf das richtige Maß zurückführten. Ferner kamen der Wissenschaft die reichen Sammlungen, die sie nach Europa brachte, zu gut. Allerdings wußte sie oft nicht die Größe des Werthes dessen, was sie sammelte, zu bestimmen, aber sie hat darum doch vieles Wichtige mitgebracht, und die Entomologie sowie die Conchyliologie verdanken ihr verschiedene neue Arten.
Betrachtet man die Resultate ihrer Unternehmungen mit Bezug auf Ida Pfeiffer's Verhältnisse und Mittel, so hat sie in der That Staunenswerthes geleistet. Ueber 150,000 Meilen legte sie zur See, gegen 20,000 englische Meilen zu Lande zurück und die pecuniären Mittel hierzu erwarb sie sich allein durch weise Sparsamkeit und durch die Energie, mit der sie unverrückt ihr Ziel vor Augen behielt. War ihre Reise-Lust schon bedeutend, so muß man doch ihr Reise-Talent noch höher stellen. Ohne ihrer Würde etwas zu vergeben oder aufdringlich zu sein, wußte sie die Teilnahme der Menschen in allen Welttheilen klug zu benutzen. Zuletzt war sie gewöhnt daran, daß man ihre Plane mit allem möglichen unterstützte, und wenn sie auch stets ihren Dank dafür aussprach, so nahm sie doch die guten Dienste ihr fremder Menschen als etwas, das sich gleichsam von selbst versteht, an. Sie kämpfte sogar immer einen kleinen Unmuth hinab, sobald sie fand, daß man nicht Interesse für sie und für ihre Bestrebungen zeigte. Ueberhaupt war sie in späteren Jahren sich ihres Werthes wohl bewußt und zeigte dies namentlich da, wo man ihr mit Protektions-Miene und Herablassung entgegenkam. Leute von höherem Stande konnten nicht vorsichtig und rücksichtsvoll genug mit ihr umgehen, während sie sich in Gesellschaft schlichter Menschen gewiß nie eine Härte oder Rücksichtslosigkeit zu Schulden kommen ließ. Sie haßte jedes großthuerische Wesen und prahlerische Auftreten, und wo ihr ein solches entgegentrat, da zeigte sie sich ebenso eigensinnig als schroff. Antipathie und Sympathie kamen bei ihr rasch zum Vorschein, und es war nicht leicht, sie von einer einmal erfaßten Meinung abzubringen. Selbst wenn sie nachzugeben schien, fand es sich meistens, daß sie auf einem größeren oder kleineren Umwege auf ihre ursprüngliche Anschauung zurückkam.
Vor jedem Wissen hatte sie Achtung, besonders aber vor denjenigen Leuten, die Kenntnisse in den Natur-Wissenschaften besaßen. Eine wahrhaft schwärmerische Verehrung hegte sie für Alexander von Humboldt, dessen Namen sie nie nannte, ohne dieser Verehrung Ausdruck zu geben. Es hat ihr in ihrem späteren Leben vielleicht nichts so viel Freude gemacht, als daß Humboldt ihre Bestrebungen lobte und anspornte.
Ida Pfeiffer war von kleiner, hagerer, etwas gebeugter Gestalt. Ihre Bewegungen waren gemessen, nur in ihrem Gang zeigte sie sich ungewöhnlich behende für ihre Jahre. Wenn sie von einer Reise zurückkam, mahnte ihre Hautfarbe stark an die Macht der Tropen-Sonne. Sonst ließ nichts in ihren Zügen so viele außerordentliche Erlebnisse ahnen — man konnte nicht leicht in ein ruhigeres Antlitz blicken. Wenn sie sich aber in ein lebhafteres Gespräch verwickelte und über Dinge sprach, die ihr Interesse ganz in Anspruch nahmen, dann belebte sich ihr Gesichts-Ausdruck und wurde in hohem Grade einnehmend.
Das für die Frauen so wichtige Kapitel der Toilette war bei Ida Pfeiffer auf das bescheidenste Maß zurückgeführt. Nie sah man sie Schmuck oder Geschmeide tragen und nicht Eine der freundlichen Leserinnen gegenwärtiger Zeilen dürfte in der äußeren Umhüllung ihrer Schönheit noch mehr Einfachheit und Gleichgiltigkeit gegen die Forderungen der Mode an den Tag legen, als es die „Weltreisende“ that.
Schlicht, gesinnungstüchtig, eifrig im Wollen und Handeln, welterfahren wie wenige ihres Geschlechtes, zählte Ida Pfeiffer zu jenen Charakteren, welche den Mangel an blendenden äußeren Gaben durch die Bedeutung, Energie und merkwürdige Zusammensetzung ihres inneren Wesens reichlich aufwiegen.
Seit Jahren lebte der Wunsch in mir, eine Reise in das heilige Land zu machen. Jahre gehören auch dazu, um mit dem Gedanken eines so gewagten Unternehmens vertraut zu werden. Als daher meine häuslichen Verhältnisse sich so gestaltet hatten, daß ich mich wenigstens auf ein Jahr entfernen konnte, hatte ich nichts eifriger zu thun, als mich zu dieser Reise vorzubereiten. Ich las manche Werke darüber, und war auch so glücklich, mit einem Herrn bekannt zu werden, der einige Jahre früher jene Länder bereist hatte. Ich konnte mündlich manche Belehrung und manchen Rath über das Fortkommen und Verhalten auf dieser gefahrvollen Wanderung erhalten.
Vergebens suchten meine Verwandten und Freunde mich von diesem Vorsatze abzubringen. Höchst lebhaft stellte man mir all' die Gefahren und Beschwerden vor, die den Reisenden dort erwarten. ,,Männer hätten Ursache zu bedenken, ob ihr Körper die Mühen aushalten könne, und ob ihr Geist den Muth habe, dem Klima, der Pest, den Plagen der Insekten, der schlechten Nahrung u.s.w. kühn die Stirne zu bieten. Und dann erst eine Frau! So ganz allein, ohne alle Stütze hinaus zu wandern in die weite Welt, über Berg und Thal und Meer, ach, das wäre unmöglich." Dieß war die Meinung meiner Freunde.
Ich konnte nichts, als meinen festen unabänderlichen Willen entgegensetzen. Mein inneres Vertrauen auf Gott gab mir Ruhe und Kraft, meine irdischen Angelegenheiten mit voller Besonnenheit zu ordnen. Ich machte mein Testament, bestellte alles der Art, daß im Falle des Todes, worauf ichmehr gefaßt seyn mußte, als auf eine glückliche Rückkehr, die Meinigen Alles in bester Ordnung fänden.
Und somit trat ich am 22. März 1842 meine Wanderung von Wien an.
Ich fuhr um 1 Uhr Mittags zu den Kaiser-Mühlen, dem Platze, von welchem die Dampfschiffe nach Pesth u.s.w. abgehen. Freudig überraschte mich am Ufer die Anwesenheit einiger Verwandten und Freunde, die mir nochmals Lebewohl sagen wollten. Die Trennung war freilich wieder recht hart, denn unwillkührlich erfaßte uns der Gedanke, ob wir uns in dieser Welt wohl noch sehen würden. —
Ein lebhafter Streit am Bord des Schiffes zerstreute ein Bischen unsern trüben Sinn. Ein Reisender mußte auf Ansuchen eines Herrn, statt mit Sack und Pack nach Ungarn zu flüchten, mit der Polizei in die Stadt zurückkehren. Ersterer schuldete letzterem 1300 fl., und glücklicher Weise wurde er noch vor der Abfahrt des Schiffes eingeholt. — Kaum war dieß geordnet, so gab die Glocke das Zeichen der Abfahrt, die Räder begannen ihre Bewegung und entzogen mich für dießmahl meinen Lieben nur zu schnell.
Reisende gab es noch Wenige. Die Witterung war zwar schön und mild, aber die Jahreszeit noch zu früh, um andere Reisende, als Geschäftsleute, oder solche mit so umfassenden Plänen, wie ich im Kopfe hatte, in die Welt zu führen. Die Meisten gingen nach Preßburg oder höchstens nach Pesth. Bald hörte man vom Schiffskapitän, daß eine Frau auf dem Schiffe sei, die bis Konstantinopel zu reisen gedenke, — und nun betrachtete man mich von allen Seiten. Einer der Herren, der dieselbe Reise machte, sprach mich an, und bot mir seine Dienste an, wenn ich deren benöthigen sollte, und wirklich stand er mir überall schützend zur Seite.
Die schöne milde Witterung wechselte bald mit Wind und Kälte, als wir hinaus in die große Donau kamen. Ich schlug mich in meinen Mantel ein und blieb auf dem Verdecke, um die Umgebung zu sehen, die von Wien bis Preßburg wohl recht lieblich seyn mag, wenn sie im Frühlingsschmucke prangt, jetzt aber nur kahle Bäume, nackten Boden — ein unfreundliches Bild des Winters darbot.
Hainburg mit dem alten Schlosse auf dem Bergrücken, Theben mit seiner merkwürdigen Veste, und noch weiter hinab die bedeutende königliche Freistadt Preßburg nehmen sich recht artig aus.
In drei Stunden erreichten wir Letztere und landeten in der Nähe des Krönungsberges, einer künstlichen Erhöhung am Ufer der Donau, wohin der König nach der Krönung im feierlichen Ornate, mit dem Schwerte in der Hand reiten, und dasselbe gegen Osten, Westen, Süden und Norden schwingen muß, zum Zeichen, daß er das Königreich gegen alle Feinde, woher sie immer kommen mögen, vertheidigen wolle. — Unweit von diesem Hügel ist der schöne Gasthof ,,zu den drei grünen Bäumen" wo es so theuer, ja noch theurer, wie in Wien ist. Stromabwärts darf man bis unter Pesth nicht auf dem Schiffe übernachten.
Heute fuhren wir um 6 Uhr Morgens ab. Gleich unterhalb Preßburg theilt sich die Donau in zwei Arme und bildet die sehr fruchtbare Insel Schütt, welche 10 Meilen lang und 6 Meilen breit ist. Die Gegend bis Gran ist ziemlich einförmig, dann aber wird sie hübscher. Schöne Hügel und mehrere Berge umschließen dieselbe, und bringen Abwechslung ins Gemälde.
Gegen 7 Uhr Abends kamen wir in Pesth an. Schade daß es schon ganz finster war. Die wunderschönen Häuser, man könnte sagen Palläste, welche das linke Ufer der Donau zieren, so wie gegenüber die alterthümliche und berühmte Festung und Stadt Ofen gewähren einen herrlichen Anblick und verdienen einen längeren Aufenthalt. Ich blieb nur über Nacht, weil ich schon einige Jahre früher mehrere Tage in Pesth zugebracht hatte.
Da hier das Dampfschiff gewechselt wird, muß man bei dem Landen vorzüglich auf jenes Gepäck Acht haben, welches man zu Wien nicht im Bureau übergeben hat.
Ich stieg im Gasthofe »zum Jägerhorn" ab. Es ist ein höchst eleganter Ort, aber unverschämt theuer. Ein kleines Stübchen im Hofe kostete über Nacht 54 kr. C. M.
Schon diesen ganzen Tag war mir sehr unwohl. Heftige Kopfschmerzen, Fieberschauer und wiederholtes Erbrechen ließen mich eine Krankheit und Unterbrechung meiner Reise befürchten. Wahrscheinlich waren diese Übelkeiten eine Folge des schmerzlichen Abschiedes von geliebten Freunden und der Veränderung der Luft. Ich konnte nur mühsam mein bescheidenes Kämmerchen erreichen, und legte mich gleich zu Bette. Doch glücklich besiegte meine gute Natur all' diese Feinde der Gesundheit, und ziemlich erholt begab ich mich des folgenden Tages am
24. März 1842,
auf unser neues Dampfschiff, die „Galatha" von 60 Pferdekraft, welche mir aber nicht so nett und niedlich vorkam, wie die „Marianne," die uns von Wien nach Pesth geführt hatte. Unsere Reise ging schnell von Statten, denn schon um 10 Uhr Morgens waren wir bei Földvár, welches sich von ferne groß und schön ausnimmt, in der Nähe aber gleich einer Seifenblase in nichts zerfließt. Um 2 Uhr kamen wir nach Paks (Paksch). Hier und an allen wichtigen Orten wird ein Viertelstündchen Halt gemacht. Ein Kahn rudert vom Lande her, bringt und holt Menschen mit einer solchen bewunderns'würdigen Schnelligkeit, daß man kaum die an den Nachbar gerichtete Rede vollenden kann. Man hat nicht Zeit, sich Lebewohl zu sagen.
Um 8 Uhr Abends erreichten wir den, durch 2 Schlachten berühmten Marktflecken Mohács. Die Festung daselbst wird als Gefängniß für Verbrecher benützt. Wir sahen weder Festung noch Ortschaft. Es war finstere Nacht, als wir ankamen, und um 2 Uhr Morgens, den
25 März 1842,
lichteten wir schon wieder die Anker. Man versicherte mich, daß ich dadurch nichts verloren hätte.
Nach einigen Stunden bekam unser Schiff plötzlich einen so gewaltigen Stoß, daß Alles auf das Verdeck eilte, um nach der Ursache zu sehen. Unser Steuermann hatte vermuthlich mehr Schlaf als Sehkraft im Auge, gab dem Schiffe eine ungeschickte Wendung, und ein Rad blieb nach dem Verluste mehrerer Schaufeln an vorstehenden, über das Wasser ragenden Baumpflöcken hängen. Schnell eilten die Matrosen in die Böte, das Schiff wurde rückwärts geleitet, und so gelang es mit vieler Mühe, uns wieder flott zu machen.