Im Frühling des Lebens - Bettina Clausen - E-Book

Im Frühling des Lebens E-Book

Bettina Clausen

5,0

Beschreibung

Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. Christian Volkmann trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Immer wieder wanderte sein Blick zu der nahen Kirchturmuhr. Wo Petra nur blieb? Ihr Unterricht endete doch zur gleichen Zeit wie sein Unterricht. Der Vierzehnjährige bückte sich, um seine Schultasche abzustellen. Als er sich wieder aufrichtete, stand Petra vor ihm. Sie war ein Jahr jünger als er und ein paar Zentimeter kleiner. »Wartest du schon lange?« »Eine Ewigkeit.« Chris hob seine Tasche wieder auf. »Wo hast du dich herumgetrieben?« »Ich habe mich nicht herumgetrieben«, wies sie ihn lächelnd zurecht. »Ich habe nur auf der Toilette mein Haar gekämmt.« Petras lange dunkelbraune Haarflut glänzte im Sonnenlicht. Chris' freie Hand strich sacht darüber. Auch er war dunkel, noch dunkler als Petra. Fast blau-schwarz war sein Haar, seine Augen tief braun. Wer die beiden nicht kannte, konnte sie für Geschwister halten. »Nur noch ein paar Tage«

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Sophienlust Bestseller – 121 –

Im Frühling des Lebens

Bettina Clausen

Christian Volkmann trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Immer wieder wanderte sein Blick zu der nahen Kirchturmuhr. Wo Petra nur blieb? Ihr Unterricht endete doch zur gleichen Zeit wie sein Unterricht.

Der Vierzehnjährige bückte sich, um seine Schultasche abzustellen. Als er sich wieder aufrichtete, stand Petra vor ihm. Sie war ein Jahr jünger als er und ein paar Zentimeter kleiner.

»Wartest du schon lange?«

»Eine Ewigkeit.« Chris hob seine Tasche wieder auf. »Wo hast du dich herumgetrieben?«

»Ich habe mich nicht herumgetrieben«, wies sie ihn lächelnd zurecht. »Ich habe nur auf der Toilette mein Haar gekämmt.« Petras lange dunkelbraune Haarflut glänzte im Sonnenlicht. Chris’ freie Hand strich sacht darüber. Auch er war dunkel, noch dunkler als Petra. Fast blau-schwarz war sein Haar, seine Augen tief braun. Wer die beiden nicht kannte, konnte sie für Geschwister halten.

»Nur noch ein paar Tage«, sagte Petra, »dann fangen endlich die großen Ferien an.«

»Gott sei Dank!« Chris blieb stehen. »Sag mal, hast du deine Bade­sachen dabei?«

»Ja.«

»Dann lass uns gleich baden gehen, nicht erst nach Hause. Damit verlieren wir nur Zeit.«

»Einverstanden«, sagte Petra.

Die beiden machten kehrt und schlugen den Weg zum Schwimmbad ein. Da es nur eine Badeanstalt in Reinheim gab, waren das Wasserbecken und die Rasenfläche natürlich überfüllt.

»Vielleicht hätten wir doch lieber zu unserem kleinen Bach gehen sollen«, sagte Chris enttäuscht, als er die vielen Menschen sah. »Dort wären wir wenigstens allein.«

»Aber schwimmen kann man in dem kleinen Rinnsal nicht.«

»Da drin auch nicht.« Chris’ ausgestreckter Arm deutete zu dem übervollen Schwimmbecken. »Vor lauter Köpfen sieht man ja kaum noch Wasser.«

Petra musste lachen. »Du hast recht. Komm, gehen wir zu unserem Bach.«

Die beiden machten kehrt. Fünfzehn Minuten später hatten sie den Ort Reinheim, der sich jetzt Stadt nannte, durchquert. Hinter den letzten Häusern begannen Felder und Wiesen. Es war wirklich nur ein Wiesenbächlein, bei dem Chris und Petra schließlich stehen blieben.

Chris drehte sich um. Etwa hundert Meter entfernt lagerten zwei Mütter mit ihren Kindern. »Hier gefällt es mir zehnmal besser als in dem überfüllten Bad.«

»Mir auch.« Petra hatte ihre Decke schon ausgebreitet. Jetzt streifte sie ihr dünnes Kleid ab. Darunter trug sie den Badeanzug.

»Du bist schon umgezogen?«, staunte Chris und grinste. »Deshalb warst du auf der Toilette. So weit bin ich noch nicht.« Er verschwand hinter den nächsten Büschen. In einer buntgemusterten Badehose kam er zurück.

Petra stand schon am Bachufer. Jetzt machte sie den ersten Schritt ins Wasser und warf Chris einen enttäuschten Blick zu. »Nur bis zu den Knien geht es.«

»Hineinsetzen musst du dich«, rief er lachend. »Dann reicht dir das Wasser bis zu den Schultern.« Er trat hinter Petra und gab ihr einen leichten Stoß. Auf allen vieren landete sie im Wasser.

»Na warte!« Sie spritzte ihm eine Ladung Wasser auf den trockenen, sonnenwarmen Körper, sodass er aufschrie. Im nächsten Moment balgten die beiden sich im Wasser.

»Aufhören«, rief Petra lachend.

»Erst musst du versprechen, so etwas nie wieder zu tun«, verlangte er.

Sie versprach es. Da gab er sie frei. Schwer atmend stiegen die beiden ans Ufer und legten sich in die Sonne.

»So müsste es den ganzen Sommer sein«, sagte Chris leise.

Petra seufzte. »Es kann sein, dass Papa seinen Urlaub mit mir und Melanie verbringen will.«

Melanie Müller war Petras Erzieherin und gleichzeitig die Haushälterin ihres Vaters. Ihre Mutter hatte Petra schon mit fünf Jahren verloren. Deshalb verstand sie sich so gut mit Chris, der auch keine Eltern mehr hatte. Nur noch eine Schwester.

»Weißt du schon, wohin dein Vater fahren will?«

Petra schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Momentan ist er auf Geschäftsreise.«

Petras Vater war Teilhaber eines sehr erfolgreichen mittelgroßen Unternehmens der Metallverarbeitung.

»Ob dein Vater überhaupt Zeit findet, Urlaub zu machen?«, fragte Chris. »Er ist doch so beschäftigt.

Petra dachte daran, dass sich ihr Vater seit drei Jahren keine Ferien gegönnt hatte. »Es ist leicht möglich, dass im letzten Moment wieder etwas dazwischenkommt. Wie sieht es bei euch aus?«

Chris begann Grashalme abzureißen und in den Mund zu stecken.

»Sag doch schon etwas«, drängte Petra.

Er zuckte mit den Schultern. »Meine Schwester will wieder nach Italien fahren. Du weißt doch, dass wir am Gardasee ein Ferienhaus haben. Dort verbringen wir jeden Sommer.«

Petra schluckte.

»Aber dieses Jahr habe ich gar keine Lust dazu«, fuhr Chris fort.

»Gefällt es dir dort nicht«

»Natürlich gefällt es mir.« Chris lachte ein bisschen. »Es ist ja auch toll dort. Man kann schwimmen, mit dem Boot fahren oder auf Wasserskiern fahren.«

»Warum hast du dann keine Lust?«

»Weil ich lieber mit dir beisammen sein möchte.« Chris wurde verlegen, als er das sagte.

»Ich möchte die Ferien auch lieber mit dir verbringen. Könnten wir beide nicht einfach hierbleiben?«

Chris überlegte. »Ich könnte das schon. Meine Schwester ist in dieser Hinsicht wahnsinnig großzügig. Ich fürchte bloß, dein Vater würde das nicht erlauben. Und schon gar nicht deine strenge Gouvernante.«

»Sie ist nicht meine Gouvernante.« Petra ärgerte sich immer, wenn er Melanie so nannte. Das klang nach einem Roman aus längst vergangenen Zeiten. »Sie ist Papas Haushälterin.«

»Ja. Und auch deine Aufpasserin, stimmt’s?«

Petra nickte. »Leider. Dabei kann ich sie nicht ausstehen.«

»Warum eigentlich nicht?«

»Weil sie sich weder für den Haushalt noch für mich interessiert.«

»Sondern?«

»Nur für Papa. Ich glaube, sie möchte ihn heiraten.« Mit einer verächtlichen Bewegung strich sich Petra die Haare aus dem Gesicht. Chris half ihr dabei und dachte wieder einmal,wie hübsch Petra doch ist.

Plötzlich richtete er sich auf. »Ich hab eine Idee!«

»Eine gute?«

»Und ob!« Er kniete sich ins Gras. »Du kommst einfach mit mir und Bettina zum Gardasee.«

»Aber das geht doch nicht.«

»Warum nicht? Ich werde meine Schwester bitten, dich einzuladen.«

»Wird sie es tun?«, fragte Petra zweifelnd.

»Klar! Bettina ist einfach Klasse. Sie tut alles, worum ich sie bitte. Natürlich nur, wenn es halbwegs vernünftig ist.«

»Wie alt genau ist deine Schwester?«

»Fünfundzwanzig«, sagte Chris.

»Dann wird es Papa bestimmt erlauben. Schließlich ist deine Schwester ja schon erwachsen.« Petra legte sich zurück, schloss die Augen und begann zu träumen. »Das wäre einfach toll«, flüsterte sie. »Erzähle mir noch mehr von eurem Haus.«

»Es liegt am Südufer des Sees«, begann Chris. »Meine Eltern haben es vor zehn Jahren bauen lassen. Deshalb will Bettina es auch behalten.«

»Deine Schwester ist richtig nett.« Petra kannte Bettina Volkmann. »Ich wünschte, ich hätte jemanden, mit dem ich mich so gut verstehe, wie du dich mit ihr verstehst.«

»Ich denke, dein Vater versteht dich?«

»Schon, aber er ist ja nie zu Hause. Deshalb hat er auch Melanie eingestellt, und die ist ein Ekel.«

Chris begann mit Petras langem Haar zu spielen. »Wenn du mit zum Gardasee kommst, bist du sie für zwei Monate los.«

»Das wäre eine Wucht.« Petra sprang auf. »Ich kann nicht länger warten. Lass uns nach Hause gehen, damit du deine Schwester gleich fragen kannst.«

Chris war einverstanden. »Ich rufe dich an, sobald ich es weiß«, versprach er, bevor er sich von Petra trennte.

Fünf Minuten später war Petra zu Hause. Der Bungalow ihres Vaters stand auf einem ausgedehnten Grundstück, eingeschlossen von hohen alten Tannen und Kiefern. Auf der Terrasse hinter dem Haus, in einem Korbstuhl, saß Melanie Müller – neunundzwanzig Jahre alt, gut aussehend und elegant angezogen.

»Wo in aller Welt hast du dich so lange herumgetrieben?«, explodierte sie, als Petra die Terrasse betrat.

»Ich habe mich nicht herumgetrieben, ich war baden.«

»Dann hättest du vorher nach Hause kommen und mir Bescheid geben sollen«, tadelte Melanie.

»Entschuldigen Sie, daran habe ich nicht gedacht.«

Gnädig nahm Melanie die Entschuldigung hin. »Das Essen steht in der Küche.«

»Ich habe keinen Hunger«, rief Petra zurück.

»Willst du noch schlanker werden?«

»Nein, ich habe einfach keinen Hunger.« Petra betrat ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Jetzt ist Chris zu Hause und spricht mit seiner Schwester, dachte sie. In spätestens einer halben Stunde müsste er mich anrufen. Unruhig begann sie auf und ab zugehen.

Endlich klingelte das Telefon. Petra spurtete zum Apparat. Atemlos meldete sie sich. Es war Chris.

»Alles okay«, hörte sie ihn sagen und konnte es noch nicht glauben.

»Es ist wahr«, bestätigte er noch einmal. »Du bist eingeladen, den Urlaub mit uns am Gardasee zu verbringen. Meine Schwester wird es dir gleich selbst sagen.«

»Hallo, Petra. Hier spricht Bettina. Selbstverständlich bist du herzlich eingeladen, uns zu begleiten. Ich freue mich, wenn du mitkommst.«

Wie lieb ihre Stimme klingt, dachte Petra. »Danke«, sagte sie laut. Dass Melanie hinter ihr stand, bemerkte sie erst in diesem Moment. »Ich gebe Ihnen mal Frau Müller«, sagte sie hastig zu Bettina und reichte Melanie den Hörer. Dann trat sie zum Fenster.

»Kommt ja gar nicht infrage«, hörte sie Melanie sagen, sodass sie erschrocken herumfuhr.

»Auf keinen Fall«, wiederholte die Haushälterin. »Das kann ich nicht erlauben. Schließlich bin ich für Petra verantwortlich.« Sie legte auf.

Sprachlos stand Petra vor Melanie, einen dicken Kloß in der Kehle. »Aber warum nicht?«, fragte sie schließlich flüsternd und nahm sich sehr zusammen, um nicht loszuheulen. »Warum wollen Sie mich nicht mitfahren lassen?«

»Weil es sein kann, dass dein Vater mit dir in Urlaub fahren will.«

»Aber dann …, dann fragen Sie ihn doch einfach.«

»Das werde ich auch tun«, sagte Melanie in ihrem etwas überheblichen Ton. »Er ruft morgen Abend an.«

»Und wenn er nicht vorhat, mit mir in Urlaub zu fahren?«, fragte Petra, wobei ein Hoffnungsschimmer in ihren Augen aufleuchtete.

»Dann wirst du trotzdem hierbleiben.«

»Warum?« Nun konnte Petra die Tränen nicht mehr zurückhalten. »Ich möchte wissen, warum!«

»Weil ich es sage.«

»Das ist ungerecht«, rief Petra störrisch. »Das machen Sie nur, um mich zu schikanieren. Sie haben kein Recht, mich so zu behandeln.«

Doch Melanie ließ Petra einfach stehen. Sie ging hinaus, ohne etwas zu erwidern.

Petra heulte los und flüchtete in ihr Zimmer. Dort warf sie sich aufs Bett und wühlte das Gesicht ins Kopfkissen.

Melanie kümmerte sich nicht weiter um das ihr anvertraute Mädchen. Natürlich hatte sie einen Grund für die Absage. Dieser Grund hieß Ralf König. Petras Vater war in ihren Augen der ideale Ehemann, und sie hatte sich vorgenommen, seine Frau zu werden. Um das zu erreichen, wollte sie gemeinsam mit ihm in Urlaub fahren. Dazu wiederum brauchte sie Petra. Denn nur wenn Ralf König mit seiner Tochter Urlaub machte, bestand die Möglichkeit, dass er auch Petras Erzieherin mitnahm. Allein aus diesem Grund hatte sie Bettina Volkmanns Einladung abgelehnt. Sie wollte über das Mädchen an den Vater herankommen, und dazu war ihr jedes Mittel recht.

»Komm endlich heraus.« Melanie klopfte an Petras Zimmertür. Als sie die Klinke herunterdrückte, stellte sie fest, dass die Tür verschlossen war. »Mach sofort auf, Petra«

Petra reagierte nicht. Auch nicht, als Melanie an der Klinke rüttelte.

»Ich werde dir Hausarrest geben, wenn du dich so ungezogen benimmst«, drohte Melanie. Als auch das nicht half, ließ sie Petra allein und ging in die Küche.

Petra blieb den ganzen Abend in ihrem Zimmer. Sie verzichtete auf Essen und Trinken, nur um Melanie nicht sehen zu müssen.

*

Der Unterricht am nächsten Vormittag verging viel zu langsam. Endlich war die letzte Stunde vorüber. Petra stürmte als Erste aus dem Klassenzimmer.

Chris wartete schon. Sein Unterricht hatte eine Stunde früher aufgehört. Er las in einem Kriminalroman, den er zuklappte, als er Petra sah. »Hallo, da bist du ja.«

Petra legte ihre Schulmappe auf die Bank. »Was sollen wir jetzt machen?«, fragte sie statt einer Begrüßung.

»Sie will dich also wirklich nicht mitfahren lassen? Oder hat sie ihre Meinung inzwischen geändert?«

»Keine Spur.« Petra winkte ab.

Wort für Wort schilderte sie ihm ihr Gespräch mit Melanie.

»Frag doch heute Abend einfach deinen Vater«, schlug Chris vor. »Wenn er ja sagt, kann sie es dir nicht verbieten.«

»Da kennst du Melanie schlecht. Sie macht, was sie will.«

»Und was sagt dein Vater dazu?«

Petra zuckte mit den Schultern. »Meistens lässt er sich von ihr einwickeln. Wenn sie etwas erreichen will, dann erklärt sie es ihm so, dass er ja sagt. Schon öfters habe ich das erlebt. Aber ich werde Papa heute Abend trotzdem fragen.«

»Tu das«, riet Chris ihr und griff nach ihrer Schulmappe, um sie zu tragen. »Hast du deine Badesachen dabei?«

Petra nickte und ging mit ihm, obwohl Melanie ihr befohlen hatte, sofort nach der Schule nach Hause zu kommen.

Chris erriet ihre Bedenken. »Oder bekommst du Krach mit deiner Gouvernante, wenn du nicht gleich nach Hause kommst?«

»Ganz bestimmt macht sie ein Theater. Aber daran bin ich schon gewöhnt. Irgendeinen Grund findet sie immer.« Petra winkte ab. »Es ist so heiß. Lass uns baden gehen.«

Schweigend durchquerten sie die Stadt, die an diesem glühend heißen Tag ein bisschen an südliche Gegenden erinnerte. Jalousien waren heruntergelassen, Hunde dösten in der Sonne und Haustüren standen offen, um ein bisschen Durchzug zu schaffen.

»Hoffentlich bleibt es so warm«, meinte Chris.

Petra schaute ihn an. »Dir kann das doch egal sein. Du fährst schließlich nach Italien.«

»Wenn du nicht mitkommst, fahre ich auch nicht.«

Petra blieb stehen. »Ist das dein Ernst?«

»Klar. Meinst, ich lasse dich allein hier? Allein mit deiner zickigen Gouvernante?«

Petra musste lachen. Über seine Ausdrucksweise, aber auch, weil sie sich freute. Sie freute sich über seinen Entschluss, bei ihr zu bleiben. »Heute Abend rede ich mit Papa«, sagte sie noch einmal. Dann sprachen sie nicht mehr über Italien.

Die Zeit verging schnell an diesem Nachmittag. Als Petra und Chris aufbrachen, war es schon nach fünf Uhr.

Erst kurz vor sechs kam Petra nach Hause.

»Solltest du nicht gleich nach der Schule nach Hause kommen?«, fragte Melanie drohend.

»Ja«, sagte Petra kleinlaut und zupfte an ihrer Unterlippe. »Aber warum eigentlich?« Fragend schaute sie Melanie an. »Ich habe keine Schulaufgaben mehr zu machen. Warum soll ich dann den ganzen Nachmittag hier im Haus sitzen?«

»Weil ich es so will.«

»Das ist für mich kein Grund«, erwiderte Petra ruhig. »Ich bin kein kleines Kind mehr, und Sie sollten mich auch nicht so behandeln. Mit mir kann man sich vernünftig unterhalten. Würden Sie mir einen Grund nennen, warum ich hier sitzen soll, dann würde ich das noch einsehen…«

»Hör auf, die Supergescheite zu mimen«, fuhr Melanie dazwischen. »Ich bin für dich verantwortlich, und deshalb bestimme ich, was du zu tun hast.«

»Das schließt doch nicht aus, dass Sie mir Ihre Gründe erklären«, rief Petra. »Das, was Sie hier praktizieren, ist ja autoritäre Erziehung.«

»Rede nicht so supergescheit daher. Damit kannst du dich nicht entschuldigen.«

»Wofür muss ich mich denn entschuldigen?«, fragte Petra verwirrt.

Melanie antwortete nicht, sondern sprach ein Verbot aus. »Ab sofort wirst du diesen Bengel nicht mehr treffen.«

»Chris? Aber warum denn nicht? Sie kennen ihn doch überhaupt nicht! Chris ist ein anständiger Junge.«