Im Nachhinein - Jürgen Waffner - E-Book

Im Nachhinein E-Book

Jürgen Waffner

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Beschreibung

"Im Nachhinein - Großmutter, Mutter, Tod" enthüllt die tiefen, oft verborgenen Schichten familiärer Beziehungen durch die Augen des Autors, der erst spät das Tagebuch seiner Großmutter entdeckt und dadurch ein neues Verständnis entwickelt. Das Buch ist eine berührende Reise durch die Generationen, die beginnt mit den persönlichen Erinnerungen des Autors an seine Großmutter und weiteren Familienmitgliedern, deren Leben und Tod er miterlebt hat. Zentral steht das liebevoll transkribierte Tagebuch der Großmutter, das eindrucksvoll ihre Rolle als Mutter während der tragischen Zeit des Verlustes ihrer Tochter Elsbeth zeigt. Dieses intime Porträt eröffnet nicht nur einen ungeschminkten Blick auf die Herausforderungen und den Schmerz des Mutterseins, sondern spiegelt auch die unermessliche Liebe und die Stärke wider, die es braucht, um das Unfassbare zu überstehen.

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Seitenzahl: 46

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Inhalt

Meine Erinnerungen

Franziskas Tagebuch

Der lieben kleinen Elsbeth!

Gewidmet von deiner Mutti.

Als du das Licht der Welt erblicktest da freuten sich die Deinen, du aber weintest, lebe so das wenn dein Aug sich schließt du dich freuen wirst, die Deinen aber weinen werden!

Deine Mutti.

Weihnachten 1941 im Krieg

Meine Erinnerungen

Sonntags.

Ein Sonntag im Jahr 1972 bedeutete für meinen Bruder und mich, damals fast acht Jahre alt, den üblichen Gang zur Kirche am Morgen. Dieses Ritual wiederholte sich nahezu jeden Sonntag. Sowohl der Ablauf in der Kirche als auch der Rest des Tages schienen immer gleichförmig zu verlaufen. Nach dem Gottesdienst folgte bald das Mittagessen, das traditionell mit einer Suppe begann, denn mein Vater liebte Suppen über alles. Ich erinnere mich noch genau daran, wie er sich regelmäßig eine zweite Portion schöpfte, während wir alle geduldig darauf warteten, dass der Hauptgang serviert wurde. In dieser Wartezeit verlor ich mich oft in meinen Gedanken, die wild durch meinen Kopf schwirrten. Ich sah meinen Vater an, doch mein Blick schien durch ihn hindurchzugehen, ebenso wie durch das Geschirrtuch, das er sich als Latz umgebunden hatte. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, bis die beiden Teller leer waren und das Essen endlich weiterging.

Mein Vater war, so gesehen, ein Einzelkind – streng genommen aber - der letzte Überlebende aus acht Geburten seiner Mutter. Es gab keine Tanten oder Onkel väterlicherseits in meinem Leben.

Meine Mutter räumte die Suppenteller ab, während wir Kinder manchmal unsere Teller selbst in die Küche trugen. Wir achteten stets darauf, nicht zu schnell zu gehen, um nicht noch ein weiteres Mal laufen zu müssen. Mein Vater saß derweil erwartungsvoll da und wartete auf die nächsten Schüsseln des Hauptgangs. Diese Essenspausen nutzte er oft, um uns nach unseren Erlebnissen in der Kirche zu fragen. Mein Bruder und ich gaben dann Bericht, wobei ich die Geschichten hin und wieder ausschmückte, um sie interessanter zu gestalten. Wir hatten unsere Eltern nie gefragt, warum sie so großes Interesse an unseren Kirchenbesuchen zeigten, obwohl sie selbst kaum hingingen. Mit meinen damals sieben Jahren nahm ich einfach an, dass alles, was meine Eltern sagten, seine Richtigkeit hatte und ich es lediglich noch verstehen lernen musste.

Die Anordnung der Speisen auf dem Tisch war stets dieselbe: eine große Schüssel mit Kartoffeln, die Platte mit dem Braten, die Sauciere mit brauner Soße und eine Schüssel mit Gemüse, meist Erbsen und Möhren. Es begann ein mir wohlbekanntes Ritual: Zuerst aß ich schnell aus Hunger, dann langsamer, denn nach dem Essen stand das Lernen für die Schule an. Das gleiche Prozedere wiederholte sich beim Hauptgang. Wir warteten, bis jeder fertig gegessen hatte, was in der Regel bedeutete, dass wir auf meinen Vater warteten. Sein leerer Teller war dann das Zeichen zum Abräumen und der Startschuss für den Nachtisch.

Erneut aß ich schnell, um dann nach einigen Bissen langsamer zu essen und Zeit zu schinden. Nach dem Essen waren zwei Orte von reger Aktivität geprägt: In der Küche räumte meine Mutter auf und spülte die Berge von Geschirr, während ich im Wohnzimmer neben meinem Bruder saß und für die Schule lernte. Diese sonntäglichen Lerneinheiten zogen sich durch meine gesamte Grundschulzeit und passten sich meinem Alter an. Mal gab es ein Diktat von meinem Vater, mal ein Aufsatzthema und dann wieder einige Rechenaufgaben. Es war wichtig, dass mein Bruder und ich ihren Beginn so weit wie möglich hinauszögerten. Nach einiger Zeit legte sich mein Vater zum Mittagsschlaf hin, und die Lernstunde war vorüber. Später änderte mein Vater die Lernzeit auf die Zeit nach der Kirche, so das wir den Heimweg etwas verlängerten. Diese ruhige Stunde war besonders kostbar, denn während mein Vater schlief, erholte sich meine Mutter von den Strapazen des Vormittags und mein Bruder und ich konnten spielen. Diese Ruhe war meine Sonntagsruhe, die ich schätzte, weil ich wusste, was der Nachmittag bringen würde.

Ein Sonntag bedeutete auch den obligatorischen Besuch in Bottrop-Ebel bei meinen Großeltern. Nach der Mittagspause zogen wir uns an und machten uns auf den Weg zum Bus. Auch das war ein festes Ritual: einmal umsteigen mit einer langen Wartezeit und dann weiter nach Bottrop. Die Wartezeiten beim Umsteigen schienen endlos. An der Haltestelle zu stehen und auf den Bus zu warten, wurde zur Geduldsprobe. Mein Vater stammte aus Bottrop, und seine Eltern lebten noch immer in dem Haus, in dem er aufgewachsen war. Es war für mich schwer vorstellbar, dass mein Vater auch einmal ein kleiner Junge gewesen war, der dort gespielt hatte. Sich Opa und Oma Bottrop, wie wir sie nannten, vorzustellen, als Eltern eines kleinen Jungen, der jetzt mein Vater war, war eine seltsame Vorstellung. Oma Bottrop, eigentlich Franziska, unterschied sich stark von meiner Oma Borbeck. Oma Borbeck, Maria, war warm und liebevoll, Franziska hingegen wirkte unnahbar und distanziert. Mir fehlten als Kind die Worte, um dies auszudrücken. Ich wusste jedoch, dass man nicht sagt, dass man den einen mehr mag als den anderen.

Opa und Oma begrüßten uns stets herzlich; sie freuten sich besonders darauf, uns Kinder zu sehen. Wir Kinder hofften nur, dass der Tag nicht allzu langweilig werden würde. Der Ausgang des Tages war stets derselbe. Für die Erwachsenen gab es Kaffee, dann Bier und Schnaps, und wenn meine Mutter oft genug nachgefragt hatte, wurde ein Taxi gerufen. In diesem immer