Im Rausch der rauen Nächte - Harriet Windsor - E-Book

Im Rausch der rauen Nächte E-Book

Harriet Windsor

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Beschreibung

Es ist der ganz besondere Liebesroman, der unter die Haut geht. Alles ist zugleich so unheimlich und so romantisch wie nirgendwo sonst. Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen, Vampire und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen ziehen uns wie magisch in ihren Bann. Moonlight Romance bietet wohlige Schaudergefühle mit Gänsehauteffekt, geeignet, begeisternd für alle, deren Herz für Spannung, Spuk und Liebe schlägt. Immer wieder stellt sich die bange Frage: Gibt es für diese Phänomene eine natürliche Erklärung? Oder haben wir es wirklich mit Geistern und Gespenstern zu tun? Die Antworten darauf sind von Roman zu Roman unterschiedlich, manchmal auch mehrdeutig. Eben das macht die Lektüre so fantastisch... Als er sich aufrichtete, blendete ihn die schrägstehende Sonne, aber er sah etwas Unerklärliches auf sich zukommen, so dass er sich mit einer Hand gegen die grelle Helligkeit schützte. War das eine Schneewolke, die sich von der Kirche näherte? Er erkannte darin die Formen einer schlanken Frau, die auf ihn zu glitt, und streckte unwillkürlich den Arm aus, um Regine vor ihr zu beschützen. Aber da sank sein Arm schon herab, als habe ihn alle Kraft verlassen. Denn er erkannte sie! Es war die mysteriöse Gestalt vom Vorabend, die der toten Tante Christina so ähnelte und ihm bis zur Tür des Barmhuber-Hofs gefolgt war. Als sie jetzt stehenblieb, starrten sie sich wie Fremde an, von denen keiner dem anderen über den Weg traut. Das war Christina! Wer sollte es denn sonst sein? Oder taumelte sein Blick so tief in das schillernde Blau-Grün ihrer Augen, dass er seinen Sinnen nicht mehr trauen konnte? »Na, super!« Frank Lohmann lobte sich gern. Heute war es auch angebracht, denn er hatte es trotz einiger Staus rechtzeitig von München nach Innsbruck und dort ohne Umwege zum Sommer-Sitz seines Onkels Konrad geschafft. Konrad Kehlhoff war der älteste Bruder von Franks Adoptivmutter und übte als Senior der Familie und bekannter Berliner Verleger auch einen großen Einfluss auf Frank aus. Er hatte ihn für Jahre zum Studium nach Amerika geschickt und große Hoffnungen auf ihn gesetzt. Während dieser Zeit hatte Onkel Konrad dieses Haus gekauft. Deshalb war Frank heute zum ersten Mal hier. Wie gut, dass er so früh dran war, so konnte Frank noch hinterm Steuer sitzen bleiben und das Anwesen betrachten. Inmitten der Pracht des bunten Herbstlaubs wirkte es recht idyllisch, aber verglichen mit der Berliner Residenz des Onkels schien es nahezu bescheiden. Dort hatte Frank als kleiner Junge immer herrliche Ferienzeiten verbracht und der Gedanke, dass dieses Kinderglück nun der Vergangenheit angehörte, tat weh.

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Moonlight Romance – 35 –

Im Rausch der rauen Nächte

Franks Rendezvous – mit einer Geisterfrau

Harriet Windsor

Als er sich aufrichtete, blendete ihn die schrägstehende Sonne, aber er sah etwas Unerklärliches auf sich zukommen, so dass er sich mit einer Hand gegen die grelle Helligkeit schützte. War das eine Schneewolke, die sich von der Kirche näherte? Er erkannte darin die Formen einer schlanken Frau, die auf ihn zu glitt, und streckte unwillkürlich den Arm aus, um Regine vor ihr zu beschützen. Aber da sank sein Arm schon herab, als habe ihn alle Kraft verlassen. Denn er erkannte sie! Es war die mysteriöse Gestalt vom Vorabend, die der toten Tante Christina so ähnelte und ihm bis zur Tür des Barmhuber-Hofs gefolgt war. Als sie jetzt stehenblieb, starrten sie sich wie Fremde an, von denen keiner dem anderen über den Weg traut. Das war Christina! Wer sollte es denn sonst sein? Oder taumelte sein Blick so tief in das schillernde Blau-Grün ihrer Augen, dass er seinen Sinnen nicht mehr trauen konnte?

»Na, super!«

Frank Lohmann lobte sich gern. Heute war es auch angebracht, denn er hatte es trotz einiger Staus rechtzeitig von München nach Innsbruck und dort ohne Umwege zum Sommer-Sitz seines Onkels Konrad geschafft.

Konrad Kehlhoff war der älteste Bruder von Franks Adoptivmutter und übte als Senior der Familie und bekannter Berliner Verleger auch einen großen Einfluss auf Frank aus. Er hatte ihn für Jahre zum Studium nach Amerika geschickt und große Hoffnungen auf ihn gesetzt. Während dieser Zeit hatte Onkel Konrad dieses Haus gekauft. Deshalb war Frank heute zum ersten Mal hier.

Wie gut, dass er so früh dran war, so konnte Frank noch hinterm Steuer sitzen bleiben und das Anwesen betrachten. Inmitten der Pracht des bunten Herbstlaubs wirkte es recht idyllisch, aber verglichen mit der Berliner Residenz des Onkels schien es nahezu bescheiden. Dort hatte Frank als kleiner Junge immer herrliche Ferienzeiten verbracht und der Gedanke, dass dieses Kinderglück nun der Vergangenheit angehörte, tat weh. Nie wieder war er so bewundert worden wie von Onkel Konrads kleiner Tochter Regine. Aber auch nie wieder hatte ihn eine Frau so fasziniert wie ihre Mutter, Konrads junge, schöne Ehefrau Christina!

Nur lebte Tante Christina nicht mehr. Die Nachricht von ihrem plötzlichen Tod hatte ihn in Amerika erreicht und so tief getroffen, dass es immer noch Momente gab, in denen er vor Schmerz erstarrte. Dann tröstete ihn der Gedanke, dass ihm ja noch Regine blieb, um der schönen Christina nah zu sein. Aber auch Regine war nicht hier, weil sie aus gesundheitlichen Gründen in Italien in der Nähe einer Spezialklinik leben musste. Und auch das tat weh. Oder schmerzte es fast noch mehr, sich die süße kleine Cousine als Patientin vorzustellen?

Weil es ihm an der Uni in Amerika sehr um seinen Erfolg gegangen war, hatte er die Trauer um die schöne Christina zu verdrängen versucht. Aber das Mitgefühl für Regine ließ sich hier wirklich nicht so einfach beiseite schieben.

Als ihn bei seiner Rückkehr aus Amerika ein Teil der weitverzweigten Kehlhoff-Familie in München begrüßte, hatte er sie ja sofort vermisst. Und … was erzählte man ihm!? Ihr Zustand habe sich im letzten Winter bedrohlich verschlechtert, so dass sie selbst Monate später nicht die Reise von Italien nach München antreten konnte. Frank war vor Schrecken erstarrt. Dass inzwischen wieder ein wenig Hoffnung auf Besserung bestehe, hatte ihn überhaupt nicht beruhigt! Fassungslos hatte er in die Gesichter der Verwandtschaft gesehen! Sollte etwa auch Regine, diese lebhafte, lustige Kindheitsgefährtin, aus seinem Leben verschwinden?!

Das ließ er nicht zu. Und deshalb war er hier. Er musste Regine unbedingt wiedersehen. Aber dazu brauchte er die Zustimmung seines Onkels. Frank stieg aus und blieb doch wieder stehen. Er war mit dem Onkel zum Tee verabredet. Ob er ihm noch mal sein Mitgefühl über Tante Christinas Tod aussprach und dabei erwähnte, wie sehr er diese schöne Frau verehrt habe? Oder war das taktlos? Beim Nachdenken wanderte sein Blick wanderte zu den altehrwürdigen Villen in den Gärten der Nachbarschaft. Nur der Bungalow schräg gegenüber passte in die heutige Zeit. Und dort schlug gerade eine Tür zu. Frank sah hinüber.

Es war eine schmale, dunkel gekleidete Gestalt, die aus einer Seitentür des modernen Baus ins Freie trat. Er bemerkte den Glanz auf ihrem schwarzen Haar und auch ihren nervös flinken Blick, der unter ihrem dichten Pony hervorblitzte. Da durchzuckte es ihn. War sie das nicht? War das nicht Tante Christina, Onkel Konrads Frau und Regines Mutter?

»Tante Christina …?« Es klang zu zaghaft, um zu ihr zu dringen und so stieg sie, ohne ihn weiter zu beachten, in einen Wagen mit österreichischer Kennziffer und fuhr davon.

Frank stand wie angenagelt vor dem Grundstück seines Onkels.Was war nur in ihn gefahren, diese Fremde für Tante Christina zu halten?! Sie war seit drei Jahren tot!

»Mensch, reiß dich zusammen, Frank!«

Nahm ihm die Erinnerung an seine süßen Gefühle für die Tante etwa den Durchblick? Oder war’s sein Gewissen, weil er die Frau seines großzügigen Onkels damals schon begehrt hatte?

An der Tür der Villa empfing ihn ein Hausmädchen, geleitete ihn in einen büroähnlichen Raum und ließ ihn dort allein warten. Plötzlich empfand Frank sich doch wieder als nicht ganz dazugehöriger Verwandter. Warum ließ man ihn warten?

»Frank Lohmann!« begrüßte ihn die Frau, die plötzlich unter der Tür stand, im Kasernenhofton. »Sagte man Ihnen nicht, dass Ihr Onkel heute einige Termine hat …?!«

Das war Lulu Major, die sich neulich in München als Onkel Konrads neue Lebensgefährtin eingeführt hatte. Erst hatte sie recht sympathisch gewirkt, aber dann so viel von Tante Christinas Todesumständen gequasselt, dass es ihn abgestoßen hatte.

»… aber wir waren für heute verabredet. Zum Tee.«

»Ja, ja. Gut. Für eine Tasse Tee wird es schon reichen.«

Sie mochte Ende Dreißig sein, aber mit streng zurückgekämmten Haaren glich sie jetzt eher einer Lehrerin als der eleganten Gefährtin eines bekannten Berliner Verlegers. Unwillkürlich fragte er sich, was Onkel Konrad wohl an ihr fand. Dass sie noch jünger als Tante Christina und dazu wohl sehr tüchtig war?

Wie man in der Familie raunte, habe sie sich schon als Azubi im Verlag seit Jahren ungewöhnlich fleißig erwiesen. Deshalb sei Onkel Konrad sogar Zeit für Privates geblieben, so dass er sich mit Mitte Vierzig doch noch zur Ehe entschloss, Vater wurde und mit Frau und Kind ein harmonisches Familienleben genoss – bis der Tod der Tante und Regines rätselhafte Krankheit dieses Glück grausam zerstörte.

Auch Lulu Major bewegten zwiespältige Gedanken, während sie vor ihm durch den Flur schritt. Frank Lohmann war ihr schon immer ein Dorn im Auge. Mit seinem fast schwarzem Haar, dem dunklerem Teint und der männlichen Melanchie in seinen braunen Augen, unterschied er sich natürlich von den anderen Kehlhoffs. Weil er dazu noch groß und breitschultrig war, hinterließ er auf den ersten Blick einen tadellosen Eindruck. Das musste sie ihm lassen. Aber sein Lächeln passte ihr überhaupt nicht.

Denn damit kam er bestimmt bei allen Frauen und erst recht bei Regine gut an. Hoffentlich verlor die sich trotz ihres hoffnungslosen Zustands nicht noch in Träumen von einer Zukunft mit ihm und sorgte am Ende dafür, dass er sich im Verlag bewährte und ihr damit zum Konkurrenten wurde!

»Es spricht für den Familiensinn Ihres Onkels, wenn er sich Zeit für ein Gespräch mit Ihnen nimmt.« Sie hielt ihm die Tür auf. »Bleiben Sie trotzdem nicht länger als nötig!«

In diesem Raum knisterte das Kaminfeuer und der Teetisch war gedeckt. Dazu drang dank des Herbstlaubs goldenes Licht in die Fenster. Frank dachte an heitere Kinderzeiten und war mit seinen Gedanken gleich wieder bei Regine.

»Bevor Regine ins Krankenhaus nach Italien gebracht werden musste, hat sie sich hier bestimmt sehr wohl gefühlt«, fiel ihm ein.

»Aber, Herr Lohmann!« entrüstete Lulu Major sich »Regine und ihr Vater sind doch nicht zum Vergnügen nach Innsbruck gezogen! Ihr Onkel und ich entschieden uns dazu, weil Regine sich in die Nähe ihrer verstorbenen Mutter sehnte und wir uns davon Besserung ihres Zustands versprachen!« betonte sie mit hoch gezogenen Augenbrauen. »Sie wissen, dass Christina Kehlhoff in ihrem Heimatdorf Almspitz begraben wurde …? Ihr Grab kann mit dem Auto von hier aus in knapp zwei Stunden erreicht werden.«

Das war Frank bekannt. »Aber die Nähe zum Grab brachte am Ende nicht viel?« Weil ihm wieder die Dame aus dem Bungalow einfiel, geriet ihm diese Frage recht naiv. Aber was war denn, wenn Tante Christina dort gar nicht begraben lag?

»Leider nein, weil sie es immer mit ihrem Vater und unter völlig falschen Voraussetzungen aufsuchte. So konnte es ja nicht zur Versöhnung kommen!«

»… Versöhnung?« Frank begriff nicht, was das bedeutete.

»Müssen Sie nicht wieder zurück nach Amerika?« kam Lulu seinen nächsten Fragen zuvor.

»Erst in zwei Wochen zu einer letzten Examensfeier. Zu Weihnachten bin ich wieder hier. Ab März arbeite ich ja in der Verwaltung einer internationalen Hilfsorganisation … in Berlin«, erklärte er stolz.

»So, so. Dabei lässt sich wohl nicht viel verdienen, wie?«

Erhoffte sich der Bursche nicht weiterhin finanzielle Hilfe seines Onkels? Schrecklich! Konrad hatte ihm doch schon das teure Studium in Amerika bezahlt!

»Für mich reichts dicke!« Frank schmunzelte und näherte sich den Sesseln am Teetisch. Dabei fiel sein Blick auf die andere Wand des Salons. Und das traf ihn wirklich wie ein Blitzschlag. Denn dort hing ein lebensgroßes Abbild der verstorbenen Christina. Frank ergriff ein Gefühl, das ihm bekannt, jetzt aber unheimlich war. Eigentlich kannte er es von der unvermeidlichen Flirterei mit amerikanischen Kommilitoninnen recht gut. Warum packte es ihn ausgerechnet hier wie ein beginnendes Fieber?

»Tante Christina!« flüsterte er. Es klang nach fassungslosem Staunen, so dass Lulu Major ihn lächelnd ansah.

»So gut gefällt sie Ihnen?«

Frank nickte. Als er noch ein Junge war und in Berlin seine Ferien verbringen durfte, war ihm die Tante faszinierend, bezaubernd, aber leider unerreichbar vorgekommen. Jetzt war er ein Mann, der schon einiges geleistet hatte. Rührte ihr Anblick deshalb sein tiefstes Inneres auf? Besonders der intensive Ausdruck ihres Blicks zog ihn in den Bann. Lag darin nicht etwas Magisches, sodass eine seltsame Vertrautheit zwischen dem Bild und ihm entstand? So musste es wohl sein.

Lulu beobachtete ihn amüsiert. »Haben Sie die lebende Christina auch so bewundert?!«

»… ich war ja noch ein Baby, als meine Eltern mit mir nach Berlin zu Onkel Konrad reisten«, wich er aus.

»Vor etwa fünfundzwanzig Jahren?! Da war sie noch gar nicht in Berlin aufgetaucht.«

»… und später in den Ferien oder auf den Familienfesten fanden wir Kinder die Erwachsenen nicht gerade spannend«, schwindelte er. »Wir waren lieber unter uns.« Er räusperte sich. »Von ihrem Tod erfuhr ich in den USA und …«

Sah es nicht aus, als sei Tante Christina auf dem Gemälde gerade einer Feuersbrunst entkommen? Das konnte am rotglühenden Hintergrund liegen, vor dem sich ihre elegante Figur im schwarzen Kleid so kontrastreich abhob. Dazu blickten ihm ihre Augen blaugrün schillernd voller Interesse entgegen.

»Regine hat ihre Mutter vergöttert«, bemerkte Lulu Major.

»Klar! Jedes Kind vergöttert eine so schöne Mutter!«

»Deshalb traf ihr Tod sie auch so schwer! Sie war gerade siebzehn! Wie sollte sie da auch mit ihrer Schuld fertig werden?!« stellte Lulu als Frage in den Raum.

»Regine …?! Schuld …?! Wieso das denn?!«

»Sie weigerte sich doch, ihre Mutter an jenem Wochenende nach Almspitz zu begleiten! Und niemals wär’ dieses Unglück geschehen, wenn sie bei ihr gewesen wäre! Die arme Christina! Zusammenbruch in der frostigen Einsamkeit … furchtbar! Es dauerte doch Tage, bis man die Tote fand.«

Frank schluckte. Würde Lulu Major jetzt wieder davon anfangen? Er wandte sich von ihr ab und wieder dem Porträt zu.

*

»Sie war die geborene Verführerin, sehr gefährlich und verhielt sich dabei doch wie ein ungestümes Kind«, glaubte sie ihn aufklären zu müssen. »Ja, wie ein Naturkind, das sich in seiner Lebensgier unweigerlich vom Berliner Nachtleben angezogen fühlte. Für die steifen Verlags-Veranstaltungen ihres Gatten war sie überhaupt nicht zu begeistern. Und wenn sie auch in Bars und Discos nicht fand, was sie voller Unruhe suchte, verschwand sie eben immer wieder gern in ihre Almspitzer Heimat.«

Sie sah ihn abwartend an. »Nur wenige der Familie Kehlhoff erfuhren, wie fade Christina das Leben an der Seite von Konrad Kehlhoff fand«, verriet sie ihm. »Und als Heimchen am Herd, wie er es gern gesehen hätte, eignete sie sich auch nicht!«

Daraufhin gefiel Frank das Porträt noch besser.

»Sie wirkt so glamourös wie eine Femme fatale, nicht wahr? So hätte sie sich auch gern als Schriftstellerin gesehen.«

»Tante Christina … war Schriftstellerin?!« Das war ihm neu.

Lulu stieß ein Geräusch aus, das an ein hämisches Lachen erinnerte und machte sie am Tee-Tisch zu schaffen.»Nun ja …, Schriftstellerin. Das ist zu hoch gegriffen«, verriet sie beiläufig. »Sie hat mal eine Novelle zu Papier gebracht, die natürlich vom Verlag abgelehnt wurde. Aber sie ließ nicht locker, bis Ihr Onkel sie persönlich empfing.« Sie lachte kurz auf. »Jung und unverdorben aus den Tiroler Bergen, aber in schicke Berliner Boutique-Klamotten gehüllt, dazu voller Bewunderung für ihn – das war eine explosive Mischung! Ihr Onkel fing schnell Feuer.«

»Das hört sich gut an!« Frank glaubte inzwischen zu wissen, wie ein gefangenes Feuer das Herz erwärmen kann.

»Ja …!! Sie sagen es, Herr Lohmann!« Sie schien ganz seiner Meinung. »Und deshalb wissen alle, die Ihren Onkel kennen und schätzen, wie selbstlos ich ihm und Regine beim Überwinden ihres Todes zur Seite stand.«

Frank wusste es nicht. Und wenn schon. Gerade stellte er fest, dass nur zwei Gedecke vorbereitet waren. Er würde also mit seinem Onkel allein sein.Das war erfreulich.

»Es war doch unerträglich bitter, dass Regine ausgerechnet dieses Mal ihre Mutter nicht nach Almspitz begleitete!« fuhr Lulu fort. »Wie junge Mädchen eben so sind … oberflächlich, lebensgierig, egoistisch …! Partys sind denen lieber als langweilige Wochenenden in öden Bergdörfern.«

»… so ist Regine doch gar

nicht …!«

»So …? Sind Sie davon nach Ihrer langen Zeit in den USA wirklich so überzeugt?! Ich habe es doch miterlebt! Ich sehe Christina noch vor mir, nachdem Regine sich geweigert hatte, sie nach Almspitz zu begleiten – der Ausdruck bitterster Enttäuschung lag auf ihrem Gesicht!Deshalb flehte ich Regine am nächsten Morgen an, sich doch noch von mir zu ihrer Mutter nach Almspitz fahren zu lassen …«

»Sie …?!« War Lulu Major auch der Familien-Chauffeur?

»Wer denn sonst?! Regine hatte keinen Führerschein, Konrad war auf einem Kongress.« Sie zog die Schultern hoch. »Außerdem war ich immer bereit, alles für den Zusammenhalt dieser Familie zu tun!«

Was sollte das nun wieder?

»Da staunst du, wie? Familiärer Zusammenhalt ist eben wichtig!« Das war die sonore Stimme des Onkels. Frank fuhr herum und sah ihn an. Konrad Kehlhoff war geräuschlos eingetreten. Hatte er etwas von Lulus Gerede mitbekommen?

»Nimm’s nicht zu ernst, Frank.« Er zog ihn schmunzelnd an sich. »Lulu bringt seit Jahren jedes Opfer für den Verlag und … mich.« Sein Blick ruhte voller Heiterkeit auf ihm und schon glaubte Frank, seinem Ziel, dem Besuch bei Regine in Italien, ganz nah zu sein.

Aber als sie allein zusammensaßen und einige Erinnerungen an ihr Wiedersehen in München ausgetauscht hatten, wurde der Onkel sehr ernst. »Regine hat mir schon verraten, dass sie dich am Garda-See erwartet. Aber …«

»… ich verspreche dir, in jeder Minute Rücksicht auf ihren Zustand zu nehmen!!« ratterte Frank gut vorbereitet herunter.

Konrad Kehlhoff stellte seine Tasse ab und lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück. »Regine ist das Einzige, was meinem Leben nach Christinas Tod noch einen Sinn verleiht. Das weißt du.« Er schluckte und reckte sich dann wie ein Mann, der sich keinesfalls eine Schwäche eingestehen will. »Und sie wünscht sich so, dich endlich wiederzusehen. Aber Wünsche, die sie in Gefahr bringen, erfülle ich ihr ungern. Ich habe schon zu viel falsch gemacht.«

»Du …Onkel Konrad?! Du hast doch nichts falsch gemacht. Du doch nicht …! Oder glaubst du etwa auch, sie … sie hat Schuld am Tod von Tante Christina?« Er hatte die letzte Silbe noch nicht beendet, da hätte er sich schon die Zunge abbeißen mögen! Was brachte ihn nur dazu, so eine taktlose Frage zu stellen! Regine war an gar nichts schuld! Sie war jung und liebenswert!