Im Regenbogenland und andere Reiseabenteuer - Peter Arndt - E-Book

Im Regenbogenland und andere Reiseabenteuer E-Book

Peter Arndt

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Beschreibung

Erlebte Abenteuerreisen stehen im Mittelpunkt aller Erzählungen. Dem Löwen auf der Spur in Südafrika, zu Gast beim Stamm der Warao-Indianer in Venezuela, auf Dschungeltour in Borneo oder Sri Lanka, sind einige Stationen auf der Suche nach dem letzten Abenteuer. Viele im Text eingeflossene Fotos wurden unmittelbar bei diesen Rundreisen aufgenommen. Sie zeigen situationsbedingte Momente voller Dramatik, kuriose Begegnungen weitab vom Massentourismus und dokumentieren den aufgezeichneten Reiseverlauf. Dieses Buch ist besonders geeignet zur Vorinformation über den Ablauf geplanter Urlaubsreisen und ein gern genutzter Erinnerungs-Pool.

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Buchautor

Aldous Huxley

Reisen ist das Entdecken,

dass alle Unrecht haben mit dem,

was sie über andere Länder denken.

Inhaltsverzeichnis

Insel der Götter

(Abenteuerrundreise durch Sri Lanka)

Im Land der Götter und Rubine

(Lyrik)

Venezuela (1999)

(Hinterm Wasserfall

)

(Die Affenbande)

Malaysia (2001-in Borneo)

(Der ewige Reinfall)

Mexiko (2003)

(Im Land der Maya)

Hallo Madeira

(2003)

Im Regenbogenland (2004)

(Große Studien- und Wanderreise quer durch Südafrika, Lesotho und Swasiland)

Die besondere Buchempfehlung

Buchgestaltung:

Peter Arndt

Fotos: Peter Arndt

Insel der Götter (1999)

Ankunft

Nach 11 langen Flugstunden landete UL – 558 planmäßig auf dem Hauptstadtairport Colombo, mitten im tropischen Urlaubsparadies Sri Lankas. Draußen tobte ein nächtliches Unwetter, zog ein Schleier über alles hinweg, soweit ich dies von hier drinnen aus einschätzen konnte. Von Sturmböen getrieben schien unser Airbus mitten hinein zu rollen in diese höllische Inszenierung.

Ein fantastischer und zugleich ein etwas beängstigender Anblick von nichtkontrollierbaren Naturgewalten. Ein gewaltiges Feuerwerk von kreuz und quer durcheinander zuckenden und aufflackernden Blitzen, tauchte den Horizont ein, in ein gespenstisches Flackern und Leuchten. Gewaltige Donnerschläge polterten draußen über alles hinweg und lieferten uns einen wahrhaft stürmischen Empfang. Regen fiel, wie aus Eimern gegossen, senkrecht nach unten und schränkte die Sichtweite stark ein. Mein trockener und warmer Logenplatz befand sich mitten im Airbus. Ich saß vor einem kleinen runden Fenster mit freier Sicht auf diese gewaltige Inszenierung, eine Show voller Dynamik.

Solch ein Tropengewitter sah ich zum ersten Mal live. Ich war tief beeindruckt von dieser nächtlichen Vorführung, registrierte und verfolgte neugierig jede Bewegung tief unter mir auf der nassen Rollbahn. Scheinwerfer und Begrenzungslichter durchdrangen Dunkelheit und Unwetter, flackerten gespenstisch auf, zerflossen in den Pfützen und verschwanden wieder. Langsam ausrollend näherte sich unser Airbus dem seitwärts vor uns liegenden Hauptgebäude, mit den flachgehaltenen und matt erleuchteten, langgezogenen Abfertigungshallen.

Vom Regen umspült und fast nicht wahrnehmbar, lotste ein voranfahrendes Fahrzeug den ihm folgenden Airbus zum Stellplatz. Der wurde zentimetergenau angesteuert. Kaum eingewiesen, sah ich unten auf dem nassen Beton mehrere Leute im Laufschritt hin und her rennen. Auch bei diesem Scheißwetter gab es keine Schonung, die anstehenden Arbeiten mussten ausgeführt werden, wie bei jeder Landung. Ihre aufleuchtenden Regenschutzanzüge sah man im flackernden Lichtschein kurzzeitig auftauchen, und genauso schnell verschwanden sie irgendwo wieder in der Dunkelheit.

Ich war am Ziel. Irgendwo da draußen, vom Unwetter überrollt, lag Colombo – geheimnisvolle, unbekannte Stadt. Ein langgehegter Wunsch ging in Erfüllung. Sri Lanka lag unter meinen Füßen. Ich schloss für wenige Augenblicke meine Augen und verinnerlichte mir diesen Augenblick, geprägt von Stolz, Neugier und unbändiger Abenteuerlust.

Genussvoll schob ich meine Füße weit von mir weg, bis sie völlig unterm Vordersitz verschwanden. Endlich – es war soweit. Die vielen zum Sitzen verurteilten Flugstunden, endeten hier. Mein auf Ruhephase eingestellter Kreislauf kam langsam in Bewegung und gleichzeitig der Airbus zum Stehen.

Gute 11 Stunden, vollgepackt mit reichlich Essen und Trinken und den ersten Eindrücken von asiatischer Höflichkeit, während des Fluges, lagen hinter mir. So weit, so gut. Doch jetzt stand ich vor einer neuen Herausforderung, ganz anderer Art.

Waren meine Englischkenntnisse ausreichend? Konnte ich mich verständlich machen? Dies war meine erste Fernreise, wo ich mein gespeichertes Wissen anwenden musste, denn es blieb mir nichts weiter übrig. Allerdings war es verdammt lange her, mein Schulabschluss im Fach Englisch.

Ich unterließ es nachzurechnen, wie viele Jahre seitdem vergangen waren. Lieber konzentrierte ich mich auf die Zusammenstellung von Fragen und Antworten, die für mich wichtig waren.

Und was kam dabei heraus? Na ja, sagen wir mal so, das Ergebnis war für mich nicht gerade berauschend. Ich musste damit leben, beschloss aber in den hier anwesenden Wochen, so wenig wie nur möglich meine deutsche Sprache anzuwenden, also ein Englischkurs im Schnelldurchlauf zu absolvieren. Zur Unterstützung hatte ich ja noch den Sprachführer mitgenommen. Und wenn alle Stränge reißen sollten, mit Händen und Füßen und der entsprechenden Mimik, kam man auch ans Ziel.

Aber soweit war es noch nicht. Meine Überlegungen wurden beendet, als das grelle Bordlicht aufflammte und der Flugkapitän begann seine Gäste zu verabschieden. Er wünschte uns allen einen angenehmen Aufenthalt in Sri Lanka, in englischer und deutscher Sprache.

Als hätte man nur darauf gewartet, wurde es überall lebendig, vor und hinter mir in den Sitzreihen. Köpfe und Arme tauchten auf. Gemeinsam versuchte man durch strecken und räkeln ihre Funktionsfähig wieder herzustellen.

Die Zwischengänge füllten sich, denn alle suchten und packten ihr Handgepäck zusammen. Alle wollten nur raus, so schnell wie möglich.

Ich ignorierte bewusst diese Aufbruchshektik, blieb einfach sitzen. Zehn Minuten ließ ich verstreichen, sah dabei zum Fenster hinaus, auf das vor mir liegende Flughafengelände. Dort verzerrte das an der Außenseite herabrinnende Wasser die aufblitzenden Scheinwerfer vorbeifahrender Fahrzeuge, welche nur kurz auftauchten und genauso schnell wieder verschwanden. Ich änderte die Uhrzeit auf meiner Armbanduhr, stellte auf die hiesige Ortszeit um. Fünf Stunden musste ich vorstellen, von 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit auf 3 Uhr hier in Sri Lanka.

Nun beschloss ich doch aufzustehen. Alles noch mal überblickend, um nichts liegen zu lassen, schob ich mich langsam zur Gangmitte durch, stand auf, zog meine Jacke über, verstaute die restlichen Sachen im Rucksack und folgte den letzten Mitreisenden nach draußen.

Beim Verlassen der Maschine landete ich in einem zeltartigen Vorbau. Von dort aus ging es auf einer Aluminiumtreppe weiter steil nach unten, eingearbeitet in einer schlauchartigen Umhüllung. Der noch immer anhaltende Regenguss prasselte auf die flatternde Zeltverkleidung und der Monsunwind zerrte an den Schlauchwänden. Ein unangenehm heißer Wind kam mir entgegen, zog von unten nach oben, plusterte die Hosenbeine auf, zog wie eine Dampfheizung durch Hose und Hemd hindurch, um am Nacken wieder zu entweichen.

Nach den angenehm kühlen Temperaturen im Innern des Airbusses war dieses heiße Monsungebläse ein Angriff auf meine gefühlten Wärmeempfindungen. Noch lagen keine 20 Stufen hinter mir, da brachen alle Dämme und der Schweiß floss in Strömen. Alle Sachen blieben am Körper kleben. Unten angekommen, war mir der Regen schon fast egal. Denn innerlich fühlte ich mich wie ein vollgesaugter Schwamm.

„Na Hilfe, wo bin ich denn hier hingeraten?“ Ein vor mir laufender, reichlich korpulenter Herr, brabbelte dies vor sich hin und wischte seine errötete Stirnglatze trocken. Ein zum Scheitern verurteilter Versuch, da ein nichtversiegender Nachschub dicker Schweißtropfen unaufhörlich weiter hervorquoll und den Weg nach unten suchte.

Als einer der letzten herabkommenden Passagiere, verschwand ich in einem der wartenden Zubringerbusse. Mich in den Mittelgang hineinschiebend, fand ich Halt am Griff einer Begrenzungsstange. Hinter mir schlossen polternd die Türen. Der Bus nahm Fahrt auf, folgte als Letzter den anderen Fahrzeugen Richtung Abfertigungshalle.

So langsam kam ich wieder zu mir. Meine hochgeschossene Betriebstemperatur rutschte auf Normalwert runter, und der gewaltige Temperaturschock schien überstanden. Ein erfrischender Fahrtwind zog vom offenen Fenster kommend über die erhitzten Köpfe hinweg. Alle, die vor, hinter oder neben mir standen, versuchten etwas Kühlung einzufangen, was bei dieser Busfüllung allerdings nicht immer gelang.

Da unser Fahrer ein rasantes Tempo vorlegte, in den Kurven nicht abbremste, schoben sich unsere Körper mal nach rechts, mal nach links, mal nach vorn und mal nach hinten schwingend, über- und durcheinander. Dieser gemeinsame Balanceakt endete erst in der Abfertigungshalle.

Etwas durcheinander geschüttelt verließen wir den Bus und begaben uns zur Zoll- und Passkontrolle, die problemlos passiert wurde. Mit dem obligatorischen Einreisestempel versehen traf man sich anschließend letztmalig am Transportband der Gepäckrückgabe.

Ab hier trennten sich die Wege aller ankommenden Fluggäste, denn jeder hatte ein anderes Ziel vor Augen. Für drei Wochen sollte mein Zuhause ein kleines Fischerdorf werden, in der Nähe von Negombo. Einige Hotels hatten sich dort angesiedelt, etwa 40 Kilometer entfernt von Colombo.

Um dort hinzukommen, musste ich zuerst mein Gepäck abholen. Am Transportband angelangt, postierte ich mich am Rondell und hielt Ausschau nach meinen Sachen. Auf den vorüberziehenden, langsam hin zuckelnden zwei Bändern, drehten alle möglichen Koffer, Taschen und komplette Zeltausrüstungen ihre Runden. Nur mein Gepäck konnte ich nicht entdecken.

Alles was an mir vorüberzog, fand nach und nach seinen Besitzer. Band und Halle wurde immer leerer. Langsam wurde ich ungeduldig, verfolgte die letzten herumfahrenden Koffer und Taschen mit gemischten Gefühlen. Ich lief nervös auf und ab und konnte doch nichts daran ändern, dass meine Sachen einfach nicht auftauchten.

Was war passiert? Die beiden Koffer konnten doch nicht einfach so verschwinden. Waren diese beim Umsteigen in Frankfurt etwa woanders hingeflogen? Soll ja alles schon vorgekommen sein.

Zu meinem Leidwesen würde ich heute so eine ähnliche Situation kennenlernen.

Das Knirschen und Knarren der Gleitrollen, auf denen die Bänder fortbewegt wurden, verstummte schlagartig. Es wurde ruhig in der Halle. Ich traute meinen Augen nicht, das Band stand still. Der letzte Funken Hoffnung, meine Koffer zu bekommen, löste sich in Luft auf.

Aus! Vorbei! Nichts ging mehr. Das konnte ja wohl nicht wahr sein. Warum musste denn ausgerechnet mir so etwas passieren? Jetzt nur nicht die Ruhe verlieren. Kräftig durchatmen und nachdenken, wie ich reagieren sollte.

Schließlich suchte und fand ich die zusammengehefteten Gepäckscheine in der Seitentasche meines Rucksacks. Nachdenklich betrachtete ich die darauf aufgeklebten Abgabe Bons der beiden Koffer. Na ja, wenigstens besaß ich ein Beweisstück, konnte damit meine Sachen einfordern. Jetzt musste ich handeln. Aber wie sollte das hier ablaufen?

Wäre das zu Hause passiert, würde ich einen verantwortlichen Flughafenmitarbeiter suchen, der mir hätte weiterhelfen können. Nun war ich aber in Sri Lanka, konnte nur hoffen, dass dies hier auch funktionieren würde. Grübeln war jetzt fehl am Platz, brachte nichts Greifbares. Ich musste aktiv werden, sonst konnte ich meine Koffer abschreiben.

Plötzlich schien mein Wunsch in Erfüllung zu gehen, denn ein älterer Herr, in blaugrauer Uniform, kreuzte mein Blickfeld. Wahrscheinlich ein Airport-Angestellter, der schräg durch den Hallenbereich hindurcheilte.

Den sandte mir der Himmel. Jetzt musste ich handeln, bevor er verschwand. Ich warf den Rucksack über und eilte mit langen Schritten ihm entgegen. Den Winkel verkürzend, trafen wir wenig später aufeinander. Ich trug ihm mein Anliegen vor, getragen von der Hoffnung, verstanden zu werden.

„Hello Mister! That’s most annoying. Please help me!”

Ich zog mein Gepäckschein hervor, hielt ihm diesen entgegen, deutete dabei mit der anderen Hand auf das ruhende Transportband.

„Where’s my luggage?“, wollte ich wissen. Er nahm den Zettel entgegen und betrachtete den Abschnitt ausführlich von allen Seiten. Schließlich notierte er sorgfältig die beiden Gepäcknummern im aufklappbaren Notizbuch und gab mir den Schein zurück.

„A moment please“, war seine Antwort. Sich leicht verbeugend, verschwand er unmittelbar danach hinter einer Pendeltür aus Gummi.

Donnerwetter, das hatte ja auf Anhieb funktioniert. Ein Volltreffer! Mein Schulenglisch schien er zu akzeptieren. Stolz wie Oskar ging ich zurück zum Band und wartete auf alles Weitere.

Doch nichts passierte, reinweg gar nichts. Das Band stand still, nur ich begann nervös auf und ab zu rennen. Es vergingen zehn Minuten, es vergingen zwanzig Minuten. Mein ansonsten unerschütterlicher Optimismus flog langsam von dannen. Hoffentlich fanden sich meine Koffer wieder an, blieben nicht verschwunden oder landeten irgendwo im Nirwana. Ich war in Sri Lanka, meine Sachen aber strandeten in Mombasa, oder tauchten nie wieder auf.

Wenn das der Fall sein sollte, war meine Reisekasse im höchsten Grade gefährdet. Keine schönen Aussichten für die nächsten Wochen. Ich fing schon mal an durchzurechnen, was es wohl kosten würde, all die Sachen neu anzuschaffen, als sich die Klappen der Pendeltür etwas auseinander schoben und ein brauner Wuschelkopf zum Vorschein kam.

„Hallo Mister“, rief er in meine Richtung. Mehr kam nicht über seine Lippen. Ein breites Grinsen wanderte ihm dabei von Ohr zu Ohr und versetzte mich in Erstaunen, wie weit ein Mensch den Mund auseinander ziehen konnte, ohne seine kurz aufleuchtenden weißen Zahnreihen freizulegen.

Sich an der einen Seite der Gummi Tür festklammernd, wies sein anderer Arm Richtung Gepäckband. Genau in diesem Moment setzte sich dieses mit lautstarkem Knirschen in Bewegung.

Genauso schnell, wie der Kopf in der Pendeltür auftauchte, verschwand er wieder zwischen den zusammenschlagenden Türteilen. Nicht mal bedanken konnte ich mich bei ihm, als beide Koffer hintereinander angezuckelt kamen.

„Na endlich! Gott sei Dank! Da sind ja die Vermissten“, rief ich aus und erschrak über die Lautstärke meiner Bemerkung.

Doch ich war allein in der Halle, wen hätte es stören sollen. Alle Mitreisenden waren längst nach draußen geeilt. Der letzte etwa vor einer halben Stunde. Egal! Ich hatte meine beiden Koffer wieder, alles andere war nicht so wichtig. Jetzt aber raus hier. Ich nahm erleichtert mein Gepäck auf und begab mich eiligst Richtung Ausgang.

Mitten in der Vorhalle wurde ich schon voller Ungeduld erwartet. Ein Pappschild mit Namen meines Reiseveranstalters empor streckend, kam mir ein Singhalese entgegen, etwas hellhäutiger als der hier anwesende Durchschnitt.

Was mir bei ihm sofort auffiel, war seine riesige Knollennase, die etwas deplatziert zwischen Augen und Mund seinem Gesicht eine unverwechselbare Note verlieh.

„Herzlich willkommen in Sri Lanka, Herr Arndt!“ Das waren seine Begrüßungsworte. Mit langen Schritten kam er auf mich zugestürzt, ergriff meine Hand und schüttelte diese ausgiebig hin und her.

„Sie sind doch Herr Arndt? Oder?“ Fragte er nochmals nach und beendete sein überschwängliches Handschütteln.

Ich bejahte die Frage und berichtete vom Verschwinden meiner Koffer am Band der Gepäckausgabe.

„Tut mir leid Herr Arndt! So etwas sollte eigentlich nicht passieren. Zum Glück sind alle Ihre Sachen wiedergefunden wurden, wie ich sehe.“

Er begutachtete meine Koffer und fuhr fort: „Ich bin Ihr Betreuer hier in Sri Lanka. Folgen Sie mir bitte jetzt nach draußen zum Zubringerbus. Jetzt sind wir vollzählig.“

Meine Koffer schnappend, folgte ich ihm quer durch die Halle, Richtung Ausgang, den wir kurz darauf passierten. Ich war erstaunt über sein fehlerfreies Deutsch. Abgesehen vom Münchner Dialekt, der ab und zu durchschimmerte, war nichts daran auszusetzen.

Als könnte er meine Gedanken lesen, kam er meiner Frage zuvor: „Ich habe in Deutschland studiert und in München Ihre Sprache gelernt“, begann er zu erzählen.

„In dieser Zeit ----.“ Weiter kam er nicht. Er wurde unterbrochen, denn um uns herum wurde es lebendig und laut.

Mehrere Kofferträger standen hier draußen in einer Reihe hintereinander, erwarteten die ankommenden Fluggäste und hofften auf den Transport recht vieler Gepäckteile, rüber zu den Hundert Meter entfernt wartenden Zubringerfahrzeugen.

Da ich wahrscheinlich als letzter Fluggast nach draußen trat, der zwei Koffer hinter sich herzog, stand ich sofort im Fokus ihrer Begehrlichkeiten und wurde zum Streitobjekt.

Zwar verstand ich kein Wort des gestenreichen, lautstarken Geschreis um mich herum, wusste aber Bescheid, was man von mir wollte. Eigentlich eine völlig untypische Verhaltensweise hier in Sri Lanka.

Wo blieb die asiatische Höflichkeit?

„Wer laut wird und schreit verliert sein Gesicht“, lautet ein Sprichwort. Normalerweise hält man sich an diese Regel und vermeidet den Streit. Aber wie überall gab es eben auch Ausnahmen. Von den anderen Kofferträgern umringt zeigten sich zwei von ihnen besonders aggressiv und wurden immer lauter.

„Hoffentlich gehen die beiden nicht aufeinander los“. Mein singhalesischer Begleiter, mit der riesigen Knollennase, konnte nicht glauben was er da sah. Er schüttelte nur den Kopf, wollte gerade weiterlaufen, als sich die Situation völlig veränderte. Ich musste lauthals Lachen, denn damit hatte keiner gerechnet.

Vertieft in ihre Auseinandersetzung übersahen die beiden Streithälse einen dritten Kofferträger, der den günstigsten Moment abwartete und ruck zuck meine beiden Koffer schnappte, uns eiligst zum Bus folgte und die beiden verdutzten Träger einfach stehen ließ.

Ja, so konnte es einem ergehen, wenn man das Sprichwort: „Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte“, nicht beachtete. Am Zubringerbus angekommen übernahmen der Fahrer mein Gepäck und der Kofferträger mein Obolus.

„Thank you mister“, bedankte er sich höflich, ließ dabei das Geld in einer seiner zahlreichen Seitentaschen des Regenumhanges verschwinden. Zufrieden marschierte er zum Hallenbereich zurück und wurde von seinen dort wartenden Kollegen lauthals empfangen.

Ob die beiden ausgetricksten Streithähne nun endlich Ruhe gaben, konnte ich nicht mehr feststellen, da ich so schnell wie möglich, dem Reiseleiter folgend im Bus verschwand, denn das Wetter war immer noch von der übelsten Sorte. Immer noch peitschte ein heftiger Sturm den herabströmenden Regen auseinander und trieb ihn über aufgewühlte Wasserlachen hinweg. Die Außentemperatur war immer noch heiß und unangenehm schweißtreibend. Drinnen im Bus lief die Klimaanlage auf Hochtouren. Bei angenehmer Kühle konnte man wieder frei Durchatmen – einfach herrlich.

Am Fensterplatz meiner Sitzecke drosselte ich den über mir ausströmenden, kühlen Luftstrom etwas runter, um einer Erkältung vorzubeugen. Mein durchweichter Körper lechzte zwar nach Kühlung, man sollte aber da aber sehr vorsichtig sein und nicht übertreiben. Hatte man sich erst etwas eingefangen, war es zu spät.

Vorn beim Fahrer überflog unser Reisebegleiter nochmals seine vor ihm liegende Anwesenheitsliste, mit den anzufahrenden Hotels seiner Gäste. Der Kleinbus war nur zur Hälfte besetz. Genau zehn mitreisende Urlauber verteilten sich im hinteren Busbereich und warteten auf das Kommende.

Nun konnte die Hotelzufuhr beginnen. Laut Anfahrroute lag mein Wahlhotel am Ende der Strecke. Die restlichen zehn Urlauber verteilten sich auf die verschiedensten Unterkünfte, die nacheinander angefahren werden sollten. Eine Stunde würde die Fahrt bis nach Negombo dauern und von dort aus weiter, bis zu den Hotelanlagen.

Gedämpftes Licht flammte über allen Sitzplätzen auf. Gleichzeitig erlosch die grelle Vollbeleuchtung und der Bus setzte sich in Bewegung. Neugierig sah ich nach draußen. Mein Blick wurde magisch angezogen von den vorüber fliegenden Landschaften, soweit man diese im Dämmerlicht erkennen konnte.

Links und rechts am Straßenrand standen ganze Wälder von Königspalmen, eingebettet in wild wuchernde Dschungellandschaften. Vom Sturm gebeutelt, trotzten sie dem immer noch anhaltenden Unwetter so gut es ging. Ab und zu leuchteten schemenhaft ihre Umrisse flackernd auf, im grellen Schein der herabzuckenden Blitze, oder wurden im unteren Bereich vom Busscheinwerfer erfasst. Vom Sturm abgetrennte Blätter und Zweige wirbelten umher und landeten auf der Straße.

Wir kamen nur langsam voran. Der Fahrer musste höllisch aufpassen auf den herannahenden Gegenverkehr, der ebenfalls den Ästen und anderen Gegenständen auf der Straße ausweichen musste.

Und dann gab es noch etwas, womit ich mich in der gesamten Urlaubszeit nicht anfreunden konnte, dem hier herrschenden Linksverkehr. Obwohl von England bekannt, blieb es für mich äußerst gewöhnungsbedürftig, dies zu akzeptieren, ob im Auto sitzend oder als Fußgänger beim Überqueren einer Kreuzung.

Kam uns ein Fahrzeug auf der rechten Straßenseite entgegen, wurde mein Abwehrzentrum aktiviert und ein kräftiger Adrenalinschub versetzte meinen Körper in Alarmzustand. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend sah ich nach draußen. Zwanghaft versuchte ich festzustellen, ob auch wirklich genügend Platz vorhanden war, um unbeschadet vorbei zu kommen. Na ja, irgendwann wurde dieses Abwägen langweilig und ich verlor das Interesse daran, den Abstand der entgegenkommenden Fahrzeuge einzuschätzen. Da nichts weiter passieren wollte, ließ ich Autos, Autos sein und konzentrierte mich auf die endlosen Palmenwälder.

Langsam wurde es im Bus ruhig. Die noch anfänglich geführten Gespräche verebbten. Man begann vor sich hinzudösen, wurde müde und schläfrig. Das gleichbleibende Summen des Motors und der lange Flug plus Zeitunterschied waren daran maßgeblich beteiligt.

Nur noch im Unterbewusstsein registrierte ich die vorbeifliegenden Lichter an den Straßenrändern, als kleine flimmernde Farbtupfer mitten in der Nacht. Ich wusste nicht, wie lange dieser Halbschlafzustand dauerte, denn plötzlich war es vorüber mit der Ruhe. Unser Bus bremste etwas ruppig ab, kam recht unsanft zum Stehen.

„Was ist denn da los? Sieh dir das mal an.“ Ein vor mir sitzendes Ehepaar hing am Fenster und versuchte draußen in der Dunkelheit etwas zu erkennen.

„Wir sind von Militär ja vollkommen umzingelt!“ Ungläubig starrten beide auf die Szenerie vor ihrem Fenster.

Jetzt wurde es im Bus lebendig. Mit einem Schlag waren alle munter, sprachen durcheinander und versuchten zu ergründen, was eigentlich los war. Die grelle Vollbeleuchtung im Businnern wurde angestellt und unser Reiseleiter tauchte vorn vor seiner Sitzecke auf und hangelte sich nach oben.

„Liebe Gäste, keine Panik. An dieser Straßensperre wird nur eine Personenkontrolle durchgeführt. Haltet bitte eure Pässe bereit. Es geht sofort weiter.“

Mit den Reiseunterlagen in der Hand verließ unser Begleiter das Fahrzeug und verschwand hinter einer Sichtbarriere am Straßenrand. Kurz darauf kam ein Offizier mit umgehängter Maschinenpistole zu uns ins hereingeklettert und begann die Pässe der Anwesenden zu kontrollieren. Ihm genügte nur ein kurzer Blick auf die aufgeblätterten Passseiten, um gleich danach mit einem „Sorry!“ auf den Lippen den Bus wieder zu verlassen.

Während er in dunkler Nacht verschwand, kam unser Reiseleiter wieder zum Vorschein, bestieg den Bus und gab mit den Worten: „Alles okay, Freunde. Es geht weiter.“, das Abfahrtsignal.

Das grelle Licht erlosch. Langsam umfuhren wir in Schlangenlinie drei hintereinander liegende Sperrzäune.

Nur schwach beleuchtet entdeckten wir hinter aufgestapelten Sandsackbarrikaden mehrere Soldaten. Mit der Maschinenpistole im Anschlag, verfolgte uns ihr Blick, bis die nächtliche Dunkelheit alles verschluckte.

Das Jahr 1999 war fast vorüber und die Jahrtausendwende stand bevor, auch hier in Sri Lanka. Das ich in ein Land kommen würde, wo immer noch ein blutiger Bürgerkrieg tobte, war mir bewusst. Ich hoffte, dass es wenigstens dort ruhig bleiben würde, wo ich unterwegs sein wollte.

Seit 1983, als das Land erstmals in die Schlagzeilen der Weltpresse geriet, als Auseinandersetzungen zwischen Tamilen und Singhalesen viele Opfer forderten, kam es immer wieder zu gewaltsamen Kampfhandlungen.

Erst 1991 beruhigte sich im weitaus größten Teil des Landes die Lage soweit, dass man Touren auf eigener Faust wieder völlig problemlos durchführen konnte. An den Stränden der West- und Südküste, wo mein Hotel lag, waren die Urlauber sowieso weit ab von den Problemen dieser Insel. Nur die Ostküste und die von Tamilen bewohnte Jaffna - Halbinsel, musste ich aus meinen Reiseplänen ausklammern.

Da ich selbst keinen Tamilen von einem Singhalesen unterscheiden konnte, war für mich diese Grausamkeit nicht nachvollziehbar, mit der sich die beiden Bevölkerungsgruppen seit jeher bekämpften.

Die Geschichte der Insel war eine höchst wechselvolle, bei denen die heutigen Konflikte Jahrhunderte zurückreichten. Sie war immer eine Geschichte des Kampfes zwischen Singhalesen und Tamilen, seit über 2000 Jahren.

Etwa 74 % der rund 16 Millionen Einwohner Sri Lankas gehörten der Bevölkerungsgruppe der Singhalesen an. Sie verstanden sich als das Staatsvolk auf der Insel. Bis auf einige christliche Gruppen, besonders unter den Fischern bei Negombo, waren die Singhalesen Buddhisten. Genau neben so einem kleinen Fischerdorf, wo wir jetzt hinfuhren, lag mein Hotel.

Die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe, etwa 17 %, waren hinduistische Tamilen. Sie stammten ursprünglich aus Südindien, größtenteils Angehörige niedriger Kasten. Schon in der Antike hatten sie von ihrem ursprünglichen Herkunftsland Südindien aus häufige Versuche unternommen, sich die Insel Sri Lanka zu unterwerfen. Fuß fassen konnten sie allerdings nur im kargen Norden auf der Jaffna – Halbinsel. Seither beobachteten die alteingesessenen, etwas hellhäutigeren Singhalesen misstrauisch den nahen Subkontinent.

Etwa um 1500 herum tauchten die Portugiesen auf und übernahmen schon nach einigen Jahren die Kontrolle über Sri Lanka. Etwa 150 Jahre später war es mit der Herrlichkeit der Portugiesen vorbei. Neue Kolonialherren wurden die Holländer, die sich wohlweislich zuvor mit dem König von Kandy verbündet hatten. Dadurch blieb das Königreich von Kandy, also weite landeinwärts gelegene Gebiete, davon unberührt. Erst die Engländer besetzten mit Beginn des 19. Jh. die ganze Insel. Sie blieben bis zum 4. 2. 1948 im Land.

Sie verstanden es ausgezeichnet den Zwist der Bevölkerungsgruppen auszunutzen. Mit List und Tücke wurden in diesem Teil der Welt zwei Gruppen gegeneinander ausgespielt.

In der Verwaltung wurden die Tamilen bevorzugt, die sie für intelligenter und wendiger hielten, als die Singhalesen. Diese Maßnahme brannte sich tief im Bewusstsein ein. Folglich drehten jene nach der Unabhängigkeit den Spieß um, da sie sich schon immer für das bessere, nämlich das eigentliche Staatsvolk gehalten hatten. Die Singhalesen unterdrückten nun Kultur und Sprache der Tamilen. Diese flüchteten erst in den politischen, und später dann in den bewaffneten Widerstand, der sich momentan in mehrere Terrorgruppen aufteilte. Neuerdings ohne Rückhalt in Indien und mit immer geringerer Unterstützung der eigenen Bevölkerung auf der Jaffna – Halbinsel.

Bislang fielen dem Krieg etwa 70 000 Menschen zum Opfer. Was für ein Irrsinn! All das mittendrinnen im Märchenland der Tropen. Nur sieben Grad lagen zwischen dem Paradies und dem Äquator.

Rums.....! Ein mächtiger Stoß erschütterte den Bus, riss mich heraus aus allen Betrachtungen über Sri Lanka und den Tamilenkonflikt. Ein Schlenker nach rechts, ein Schlenker nach links und schon war die Ruhephase beendet.

„Was war das denn schon wieder?“, hörte ich jemand hinter mir aufstöhnen. Ärgerlich schob er seinen Koffer zurück aufs Abstellregal. Der hatte den Stoß nicht verkraftet, war mitten im Gang gelandet.

„Das sind verdammt tiefe Schlaglöcher“, kam eine Antwort von vorn.

Und schon folgten das nächste Loch und der nächste Stoß. Die Realität hatte uns wieder eingefangen. Die Straßenschäden zu beheben, dafür war kein Geld vorhanden. Der ewige Bürgerkrieg schien alles zu verschlingen.

Und es wurde noch schlimmer. Die Straße schien nur noch ein befestigter Schotterweg zu sein. Mühevoll versuchte unser Fahrer den heimtückischen Löchern auszuweichen, was allerdings nicht immer gelang. Sturm und Regen verschlechterten die Situation noch erheblich. Der Fahrer konnte einem leidtun, denn er hatte schlechte Karten bei diesem Mistwetter. Die Sichtweite betrug höchstens 30 Meter und die Schlaglöcher waren voller Wasser. Herumfliegende Äste und andere Gegenstände auf der Fahrbahn zwangen zur höchsten Konzentration.

Für mich war so ein Tropengewitter mit all seinen Auswirkungen etwas Neues, Unbekanntes - für alle Einheimischen etwas Alltägliches, womit man Leben musste.

Ich begann mich an diese Ausweichmanöver mit den darauf folgenden Schlenker Attacken zu gewöhnen. Ich ignorierte die Schlaglöcher, soweit es ging, zumal der Fahrer fast alle Hindernisse souverän meisterte. Ändern konnte ich daran sowieso nichts. Ich konzentrierte mich wieder auf die draußen vorüberziehenden Landschaften, obwohl die Sichtweite nur wenige Meter über den Straßenrand hinaus reichte.

Nach und nach schien das Tropengewitter langsam seine Kräfte zu verlieren, denn die aufflackernden Blitze wurden seltener und verloren ihre Intensität. Die vordem im Bus wahrnehmbaren Donnerschläge wurden leiser und verschwanden endgültig mitsamt allen elektrischen Entladungen irgendwo weit vor uns hinterm Horizont.

Nur der Regen blieb uns erhalten. Er prasselte weiter auf Dach und Scheiben, rann wasserfallartig nach unten, wurde vom Sturm und Sog erfasst, nach hinten weggerissen und von der nächtlichen Dunstglocke verschluckt.

Nach einer halbstündigen Ruhephase im dunklen Businnern flammten plötzlich vorn beim Fahrer beide Deckenleuchten auf, und ein Kopf mit riesiger Knollennase kam langsam zum Vorschein. Im Zeitlupentempo nach oben räkelnd schob sich unser Reiseleiter in den Mittelgang, sicherte dabei seine Standfestigkeit im hin und her schwankenden Bus.

Uns zuwendend begann er seine Ansprache mit: „Liebe Gäste!“

Mehrmals dabei ans Mikrofon pochend, regulierte er Lautstärke und Klang, überflog seine Reiseunterlagen und fuhr fort: „Ich bin Ihr Ansprechpartner für die gesamte Zeit Ihres Aufenthaltes hier in Sri Lanka. Mein Name ist Malcolm Senanayake, den Sie sich bestimmt nicht merken werden und auch nicht brauchen. Malcolm reicht aus, okay?“

Innerlich musste ich Grinsen, denn einen zutreffenden Namen hatte ich ihm schon verpasst. Bezug nehmend auf seine riesige Nase war er für mich einfach „Knolle“. Na ja, rufen konnte ich ihn damit natürlich nicht, aber daran denken musste ich jedes Mal, wenn er bei uns auftauchte.

„Jeder von Ihnen erhält jetzt eine Mappe mit allen wichtigen Informationen, die Sie für Ihren Aufenthalt hier benötigen.“

Während „Knolle“ die Unterlagen im Bus verteilte, verstummten alle Gespräche. Nur das monotone Brummen des Motors überlagerte alle anderen Geräusche, unterbrochen von gelegentlichem Stoß- und Rums Gepolter durchfahrener Schlaglöcher.

Ich ließ die Mappe in einer Seitentasche des Rucksacks verschwinden und konzentrierte mich auf seine weiteren Mitteilungen. Sich wieder in Positur schiebend, begann er mit einem mehrmaligen Räuspern seine Begrüßungsansprache fort zusetzen.

„Liebe Freunde, Sie sind hier hergekommen, um Ihre schönste Jahreszeit bei uns zu verbringen, Ihren Urlaub. Glauben Sie mir, ich kann Ihnen garantieren, Sie werden hier in Sri Lanka wunderschöne Wochen erleben, die Ihnen ewig in Erinnerung bleiben. Nur eines möchte ich Ihnen noch ans Herz legen und Sie bitten, dies mit einzubeziehen. Denken Sie immer daran, dass Sie aus einem sehr reichen Land kommen, zumindest wird es hier von den Leuten so wahrgenommen.

Sie können sich daheim fast alle Wünsche erfüllen. Ihr soziales Umfeld ist bei Ihnen in Deutschland völlig anders gelagert, als dass, was Sie hier erwartet. Sri Lanka ist ein wunderschönes, aber sehr armes Land. Die Leute leben hier sehr bescheiden und anspruchslos. Trotz aller Schwierigkeiten sind sie zufrieden und immer freundlich, allen Besuchern gegenüber.

Streifen Sie bitte alle Ihre in ihrer Heimat geltenden, eingefahrenen Lebensgewohnheiten ab, versuchen Sie es zumindest.

Nehmen Sie die ausgestreckten Hände wahr, lassen Sie sich vertrauensvoll führen und tauchen Sie ein in unsere Welt. Werden Sie nicht ungeduldig, wenn einer ihrer Wünsche nicht gleich realisiert wird. Lächeln Sie einfach, auch wenn es Ihnen eventuell schwer fallen sollte. Sie werden bald herausfinden, dass Sie damit Berge versetzen können. Die Leute werden alles in Bewegung bringen, um Ihre Wünsche zu erfüllen. Man wird Sie nicht verstehen, wenn Sie ärgerlich reagieren, oder gar voller Ungeduld mit Schreien anfangen sollten. Sie kennen ja das Sprichwort, wer laut wird, verliert sein Gesicht.

Beherzigen Sie diese einfache Regel, werden Sie schnell Freunde finden und erstaunt sein, was mit einem Lächeln alles erreicht werden kann. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in Sri Lanka. Lassen Sie sich einfach verzaubern von dieser wunderschönen Insel und ihren liebenswerten Menschen.“

Diese rundum gelungene Ansprache verfehlte nicht ihr Ziel und zeigte Wirkung. Hinten im Bus fing einer an zu Klatschen und alle fielen ein. Mit einer tiefen Verbeugung bedankte sich „Knolle“ bei den Insassen und verschwand hinter der Lehne seines Beifahrersitzes.

Wir kamen dem Ziel immer näher, denn die für diese Strecke benötigte eine Stunde Fahrzeit war längst überschritten. Und dann war es so weit. Wie aus dem Nichts tauchte vor uns, im immer noch herabströmenden Regen, die Lichterkette Negombos auf. Kurz vor dem Ort bogen wir allerdings links ab und folgten einer unbefestigten Straße, die sich in Schlangenlinien windend am Küstenstreifen entlang zog.

Nun ging es Schlag auf Schlag. Schon am ersten Hotel, das zwischen den Palmenhainen auftauchte, verließen einige Urlauber, von „Knolle“ verabschiedet, den Zubringer. Und so leerte sich der Bus nach und nach, bis ich zum Schluss als Einziger übrig blieb.

„Scheiß Wetter!“ Es regnete immer noch, zwar nicht mehr so gussartig, aber Regen blieb Regen. Endlich am Wunschhotel angekommen, schleppte ich so schnell wie es ging meine Sachen zur Rezeption rüber. Die lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Ich nahm Abschied von „Knolle“. Der blieb am Bus stehen um nach Colombo zurückzufahren.

„Wir sehen uns übermorgen gegen 14 Uhr hier im Hotel“, rief er mir zu, und kletterte zurück ins Businnere. Während die Rücklichter des Fahrzeuges langsam in der Nacht verschwanden, betrat ich mit all meinem Gepäck eine kleine säulenbestückte Vorhalle meines Hotels und marschierte zur ausgeschilderten Rezeption rüber.

Ungläubig wurde ich von einer dort sitzenden Empfangsdame gemustert, die mit einem Check-in zu solch früher Morgenstunde sicherlich nicht gerechnet hatte.

„Good morning“, rief ich ihr entgegen und begann meine Reiseunterlagen hervorzukramen. Ihr diese überreichend, wurde es plötzlich um mich herum lebendig. Eine Verbindungstür, im hinteren Bereich des Tresens öffnete sich vorsichtig und zwei Hotelangestellte kamen zum Vorschein.

Noch etwas „Schlaftrunken“ blieben sie neben der Rezeptionsdame stehen, ließen ein „Good morning, Mister“ hören, und warteten auf weitere Anweisungen. Als man feststellte, dass ich der einzige ankommende Gast war, verschwand der ältere der beiden wieder hinter der Verbindungstür und überließ dem jüngeren Kollegen den Kofferservice.

Nach dem Ausfüllen des Anmeldeformulars wurde mir mein Zimmerschlüssel mit einem freundlich lächelndem: „Please Mister“, überreicht.

Ich bedankte mich bei der etwas übermüdeten Dame und überreichte ihr einen Begrüßungsdollar, ein Obolus der besonders geschätzten Art.

Der wartende Hoteldiener nahm meine beiden Koffer auf und deutete mit einer Kopfbewegung an, ihm zu folgen. Den Innenhof überquerend, umrundeten wir die Poolanlage, überwanden zwei Etagentreppen und standen dann endlich vor meiner Unterkunft.

Die übliche Zimmereinweisung durchführend, schritt der Hoteldiener voran, überprüfte alles auf seine Funktionsfähigkeit, nahm dankend sein Trinkgeld entgegen und verschwand zufrieden hinter der zugezogenen Tür.

Ich war angekommen. Mitten im nett eingerichteten Zimmer stehend, hatte ich nur noch einen Wunsch, so schnell wie möglich im weichen Bett zu verschwinden und meinem Ruhebedürfnis nachzugeben.

Der lange Flug plus Zeitverschiebung war doch etwas anstrengender ausgefallen, als gedacht und forderte nun seinen Tribut. Nur die nötigsten Sachen auspackend, schob ich das restliche Gepäck zur Seite und begann mein Bett herzurichten. Dabei fiel mein Blick auf den im Wandschrank eingearbeiteten Kühlschrank, den ich natürlich erst mal auf seinen Inhalt untersuchen musste.

Und was fand ich dort? Jede Menge Bierfaschen, übereinandergestapelt. Dies war natürlich ganz nach meinem Geschmack.

Wurden hier alle Kühlschränke mit Bierflaschen so vollgestopft? Bestimmt war mein Vorgänger kein Kostverächter. Eigentlich sollte mir das egal sein, denn so ein Willkommenstrunk war eine nette Überraschung. Nun hatte ich schon so lange auf mein Bett warten müssen, da kam es auf zehn Minuten Verzögerung auch nicht mehr an.

„Tiger-Beer“ stand auf dem Etikett Ich griff mir eine Flasche, suchte den Öffner, konnte aber keinen entdecken. Mir blieb nichts anderes übrig, als mit einer zweiten Flasche das Problem zu lösen.

Zischend flog der Verschluss zur Seite. Der erste Schluck fand den Weg nach unten und meine Geschmacksnerven reagierten positiv auf das flüssige Grundnahrungsmittel.

„Schmeckt ja hervorragend“. Das Bier war wirklich gut, was nicht in allen Fällen so sein musste.

In einigen Ländern war ich auf Bier gestoßen, das man zumindest so bezeichnete. Schon beim ersten Probeschluck schoss mir der gesamte Mageninhalt rebellisch durcheinander. Die Speiseröhre schien sich zu verknoten, blockierte jeden weiteren Zutritt. Da half nur ein Mittel, so schnell wie möglich nach etwas anderem greifen. Na ja, diesmal war es nicht nötig.

Das Tiger Beer in meiner Hand war von bester Qualität, gebraut nach europäischem Reinheitsgebot. Gelernt hatte man die Kunst der Bierherstellung während der niederländischen- und der späteren englischen Kolonialzeit. Die damals errichteten Brauereien wurden nach der Unabhängigkeit Sri Lankas übernommen und weitergeführt. Gott sei Dank, konnte ich da nur sagen, denn das Resultat genoss ich in diesem Moment.

Regnete es noch? Ich ging zur breiten Balkontür rüber, schob die bis zum Boden reichenden Übergardinen beiseite. Den Durchgang öffnend, betrat ich einen breiten, terrassenartigen Balkon, bestückt mit einer Sitzecke.

Die Regenwand war verschwunden, im wahrsten Sinne des Wortes hinweggeblasen, denn ein heftiger Wind zottelte an allem herum. Vom Ozean kommend zog er über Strand und Hotelanlage hinweg und vertrieb die letzten noch sichtbaren Wolkenballen.

Dies war ein Rhythmus der sich täglich während der Monsunzeit wiederholen sollte, zumindest zu 90 Prozent. Tagsüber wurden wir mit Sonnenschein und blauem Himmel verwöhnt, doch nachts öffneten sich alle Schleusen und es goss in Strömen. Ganz selten passierte dies am Tage, und wenn, dann war es in einer Stunde ausgestanden und alle eingeweichten Wege begannen unter der Sonneneinwirkung zu dampfen und auszutrocknen. Dieser Rhythmus war eigentlich gar nicht so schlecht, da er mir tagsüber schönes Wetter garantierte und nachts war ich ja meistens im Hotel, wo mir der Regen egal sein konnte.

Einen kräftigen Schluck „Tiger Beer“ nehmend trat ich an die Balkonumrandung heran und überflog das vor mir liegende Gelände mit neugierigem Blick.

Die Zeit war vorangeschritten und die nächtliche Dunkelheit wich langsam dem heraufziehenden Morgen. Hier, nur wenige Grad vom Äquator entfernt, ging das sehr flott vonstatten. Einen stundenlangen Dämmerzustand wie in Mitteleuropa zwischen der Tag- und Nachtzeit gab es hier nicht. Innerhalb einer halben Stunde wurde es hell oder dunkel. Daran musste man sich auch erst einmal gewöhnen.

Der schwülwarme Monsunwind zottelte an meinen Sachen herum. Heftig blies er über alles hinweg, schob mich halb vom Balkon herunter. Unbeeindruckt harrte ich aus, ließ mich nicht vertreiben.

Was ich hier draußen erblickte, verschlug mir fast den Atem. Eine Postkartenidylle lag vor mir, heftig attackiert vom Sturm, der darüber hinwegfegte.

Was für ein fantastischer Standort. Mein Hotel lag unmittelbar am kilometerlangen weißen Sandstrand des Indischen Ozeans, inmitten ausgelichteter Palmenhaine. Die kleinen zweistöckigen Gebäude lagen in einer weitläufigen Gartenanlage verteilt. Ihre roten Ziegeldächer blinkten durch das satte Grün der Parkanlage hindurch. Es entstand der Eindruck, man wohne inmitten eines Dorfes und nicht in einer Hotelanlage, weil kein Bauwerk die Höhe der Bäume überragen durfte.

Ich fand das in Ordnung, denn eine 10-stöckige Bettenburg wäre hier fehl am Platze und die Harmonie dieses zauberhaften Strandabschnittes ginge verloren.

Keine 100 Meter vom Balkonstandort entfernt begann der Strand, den ich im Grau des anbrechenden Tages nur schemenhaft erkennen konnte. Während ich mein Bier genoss, peitschten heftige Windstöße den brodelnden Ozean durcheinander. Die Schaumkronen aufgewühlter Wellen, flogen als alles durchdringende Gischt Wolken weit über den Uferstreifen hinaus.

Die sorgfältig gepflegte Parkanlage fiel sanft ab, zum Strand hinunter. Alle mit Naturhölzern ausgebauten Verbindungswege endeten am Ufer des weitläufigen Areals, irgendwo zwischen Strandkörben und den zurzeit zusammengerafften Sonnenschirmen. Vom Wind attackiert ächzten die hohen Königspalmen unter dem Druck des Sturmes, der deren Blätter zerzauste und einige der sicherlich ausgereiften Kokosnüsse abwarf, die krachend unten aufschlugen und wie Bowlingkugeln durcheinander rollten.

Sich dort unterzustellen war bestimmt lebensgefährlich. Ich beschloss bei diesem Anblick, mich niemals unter einer Königspalme niederzulassen. Wenn aber doch, dann nur mit vorheriger Sichtung, ob oben nicht noch irgendwo so eine schädelbrechende Nuss hing, die abfallen könnte.

Tief in Gedanken versunken stand ich mit meiner Flasche Bier am Balkonrand und genoss den Anblick der entfesselten Naturgewalten. Wie lange ich so ausharrte, alles auf mich einwirken ließ, war für mich ohne Bedeutung. Es war einfach nur schön, gewaltig, einprägend - nicht wirklich beschreibbar, dafür fand ich nicht die richtigen Worte.

Es könnten fünf oder zehn Minuten gewesen sein, oder auch mehr. Ich wusste es nicht. War eigentlich auch egal, denn ein lauter Knall hinterm Rücken, beendeten schlagartig meine Betrachtungen.

Die beim hinaustreten nur angelehnte Balkontür wurde von einer Sturmbö erfasst und nach innen aufgestoßen. Der Wind fegte ungebremst durchs Zimmer. Meine über den Stuhl gehängte Jacke wirkte wie ein aufgeblähtes Segel, riss polternd den Stuhl nach hinten weg und landete umgestürzt mitten im Raum. Die langen Übergardinen zottelten wie wild an den Aufhänge Vorrichtungen herum, flatterten Richtung Decke und alle abgelegten Sachen auf Schreib- und Zimmertisch wurden regelrecht weggefegt, lagen nun ringsum verstreut in irgendeiner Zimmerecke.

Fluchtartig verließ ich den Balkon, trat zurück ins Zimmer und verschloss die Durchgangstür von innen. Das also war das Ende meiner Ankunft.

Ich trank mein Bier aus und stellte die leere Flasche zurück in den Kühlschrank. Anschließend räumte ich etwas auf, verdunkelte mit den Übergardinen mein Zimmer und ging zu Bett.

Immer noch heulte draußen der Wind, rüttelte an den Scheiben. Inzwischen war ein neuer Tag angebrochen und die Helligkeit kroch unter den fast lichtundurchlässigen Vorhängen hindurch. Bewusst nahm ich dies allerdings nicht mehr wahr, denn Schlafentzug plus Zeitverschiebung verlangte unerbittlich nur noch nach Ruhe. Etwas aufgekratzt von den ersten Eindrücken, zogen die Bilder meiner Ankunft nochmals an mir vorüber.

Doch schon bald verblassten die Erinnerungen mehr und mehr. Alle Geräusche außerhalb des Zimmers wurden leiser und leiser. Gevatter Schlaf nahm mich mit auf eine lange Reise, mitten hinein in ein wunderschönes Land, das man Sri Lanka nannte.

Galle

Das monotone Summen des Motors überlagerte alle Geräusche im Innenraum. Draußen zogen palmengesäumte Landschaften vorüber. Wir, die 15 Insassen, beobachteten voller Spannung unseren Busfahrer, der verzweifelt versuchte den verschiedensten Schlaglöchern auszuweichen, was allerdings beim besten Willen nicht immer gelang.

Heute war Tag Eins meiner Sri Lanka Rundreise. Alle Teilnehmer wurden aus den verschiedensten Hotels abgeholt. Ich hatte das Vergnügen eine zusätzliche Rundfahrt mitzumachen, da der Bus mein Hotel zuerst ansteuerte. Es dauerte über zwei Stunden bis zur Vollzähligkeit. Mir war es egal. Ich war zufrieden, denn ich hatte freie Wahl, mir meinen Sitzplatz auszusuchen, den mir keiner mehr nehmen konnte. Gleich vorn, hinterm Fahrer hatte ich freie Panoramasicht nach allen Seiten. Ein Privileg das während der Fahrt schöne Fotoaufnahmen garantierte.

In Sri Lanka war ich nun schon eine volle Woche. Die Zeit verging wie im Fluge. Mein Körper hatte sich etwas an das schwülwarme Klima gewöhnt. Schweißausbrüche waren nicht mehr so heftig wie in den ersten Tagen, hielten sich in Grenzen und gestatteten immer öfter erweiterte Aktivitäten auch tagsüber bei vollem Sonnenschein.

Die monsunbedingten heftigen Regengüsse kamen allesamt nachts herunter, bescherten uns dadurch strahlenden Sonnenschein am Tage, was uns natürlich sehr entgegen kam.

Ein Bad im 28 Grad warmen Indischen Ozean, noch vor dem Frühstück am frühen Morgen, war das Geilste was man sich so vorstellen konnte. Einfach fantastisch.

Glasklares Wasser, rauschende Palmen und einen kilometerlangen feinen Sandstrand vor Augen, wurde das ausgedehnte Frühstück zur Seelenmassage im Open Air Restaurant, direkt am Strand. Essen und Trinken gab es hier rund um die Uhr.

Ein besonders gern besuchter Ort war die Beach - Bar mit einem weit in den Indischen Ozean hineinreichenden Flaniersteg, genutzt zum Relaxen, Angeln oder als Absprungbasis für Schwimmausflüge.

Höchst amüsant fand ich immer wieder die frechen, zutraulichen Streifenhörnchen, bei allen Restaurantbesuchen. Mit ihren wuscheligen langen Schwänzen ähnelten sie unseren Eichhörnchen. Immer anwesend, hofften sie etwas zu ergattern, wie Brotkrümel, Kuchenecken, Salat- oder Obststückchen.

Was den Urlaubern viel Freude bereitete, diese flinken Tierchen zu füttern, war dem Restaurantpersonal gar nicht recht. Wo man es schaffte, wurden sie verscheucht, allerdings mit sehr bescheidenem Erfolg. Kaum war die Bedienung verschwunden, saßen die possierlichen Gesellen sofort wieder mitten auf den Tischen und ließen sich bedienen. Zum Gaudi aller Anwesenden benutzten sie die sich anbietenden Köpfe oder Schultern, der im offenen Bereich sitzenden Gäste, als Flucht- oder Ausgangsbasis ihrer Futterbeschaffung.

Noch wesentlich intelligenter verhielten sich die schwarzen Krähenvögel bei ihren „Raubzügen“. Ihre bevorzugten Landeplätze waren die neu eingedeckten Frühstückstische im Open Air Bereich.

Aufmerksam verfolgte man den Tischservice aus sicherer Entfernung. Alles stand unter ihrer Beobachtung. Kaum war das Personal verschwunden, stießen die Vögel von ihren Aussichtsplätzen herunter, landeten zielsicher auf den neu eingedeckten Tischen und griffen sich Zucker- und Milchpulvertütchen, soviel sie fassen konnten. Mit drei oder vier dieser Packungen im Schnabel verschwand man blitzschnell, bevor ein Kellner eingreifen konnte. Es war ein immer wiederkehrendes, amüsantes Katz- und Mausspiel mit großen Gewinnchancen der intelligenten Vögel.

So verging die erste Woche wie im Fluge, mit viel Spaß, langen Wanderungen, Schwimmen und Angeln im Ozean und abendfüllenden Ausflügen in ein nahe gelegenes Fischerdorf. Langeweile war hier ein Fremdwort, konnte gar nicht aufkommen, da es immer etwas Neues zu sehen oder zu entdecken gab. Jeder Tag war ein Geschenk, so empfand ich es zumindest.

Gleich am ersten Morgen meiner Ankunft hatte ich ein lustiges Erlebnis. Wie schon berichtet verschwand ich beim Sonnenaufgang übermüdet im Bett, gestresst vom langen Flug, dem Schlafentzug und der aufgelaufenen Zeitverschiebung.

Es war so gegen 12 Uhr mittags, als ich unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde. Mit leichtem Schwung hatte jemand meine Zimmertür aufgestoßen und erwischte dabei den Mülleimer im Eingangsbereich. Laut scheppernd flog dessen Deckel herunter, rollte mitten durchs Zimmer, bis hin zur verschlossenen Balkontür, wo sein Ausflug schließlich endete.

Erschrocken fuhr ich hoch als es krachte. Wo war ich überhaupt? Was war hier los? Es dauerte zwei oder drei Sekunden, bis ich meine Gedanken wieder beisammen hatte.

Ich riss meine immer noch verschlossenen Augen ruckartig auf um zu erkunden, wer oder was hier solch ein Spektakel verursachte. Was ich dort allerdings zu sehen bekam, schien eine Fata Morgana oder so etwas Ähnliches zu sein. Mit allem hatte ich gerechnet aber hier verschlug es mir glattweg die Sprache.

Vor meinem Bett stand ein zur Salzsäule erstarrter schwarzer Zimmerboy mit weitaufgerissenen Augen und starrte erschrocken in meine Richtung.

„Sorry, sorry“, stammelte er verdattert vor sich hin. Bevor ich irgendetwas antworten konnte, verschwand er fluchtartig nach draußen, die Tür hinter sich zuziehend.

„Was war denn das?“ Stieß ich lachend hervor.

Ich stand auf und stellte den mit Deckel wiedervereinigten Mülleimer ins Bad zurück. Wie ich später vom Zimmerboy erfuhr, hatte man ihm meine Ankunft nicht mitgeteilt. Ahnungslos war er herein gekommen, die tägliche Reinigung vorzunehmen, aufzuräumen und die Bar mit Getränken aufzufüllen. Dabei war ihm ein furchtbarer Schreck in alle Glieder gefahren, als dieses von ihm verursachte Getöse ausbrach, und er dann noch unerwartet jemand im Bett vorfand, wo seiner Meinung nach keiner hätte sein dürfen. Das gab ihm den Rest.

Vom Schicksal inszeniert war solch kleiner Zusammenstoß oftmals der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft, der unter anderen Umständen so nie zustande gekommen wäre. Marco, so hieß der dunkelhäutige Zimmerboy singhalesischer Herkunft, war angestellt im Hotel als Servicemitarbeiter. Er lebte zusammen mit seiner Familie in einer unweit der Küstenstraße angrenzenden Siedlung, etwa 2 km von hier entfernt. Das erfuhr ich allerdings erst nach Abschluss meiner Rundreise.

Der bei der Ankunft in Colombo anwesende Empfangsbegleiter, dem ich den Namen „Knolle“ verpasste, war auch für die gebuchte 1-wöchige Tour unser Reiseleiter.

Wie verabredet erschien er am zweiten Tag im Hotel, kurz nach dem Mittagessen, so gegen 14 Uhr. Er erläuterte mir den weiteren Ablauf, der sich etwas geändert hatte.

Die anstehende Rundreise wurde um eine Woche verschoben, da man die erforderliche Anzahl von 15 Teilnehmern nicht erreichte, obwohl diese aus verschiedenen Hotels zusammengefügt wurden. Im Nachhinein fand ich es sogar viel besser, erst in der zweiten Woche zu starten. Jetzt hatte ich die nötige Zeit, konnte mich etwas akklimatisieren und an die tropischen Temperaturen gewöhnen.

Das lag nun alles hinter mir. Die Eingewöhnungswoche war vorüber und der Rundreisestart vollzogen.

Wir, die 15 Teilnehmer waren gespannt auf alles, was uns die nächsten Tage so bringen würden. Während wir damit beschäftigt waren, das draußen vorüberziehende tropische Paradies zu beobachten, kämpfte unser Busfahrer mit den Tücken einer schlaglochreichen Straßendecke. Wie ich feststellen konnte war dies ein fast aussichtsloser Kampf. Jedes noch so geschickte Ausweichmanöver, rechts oder links an den Löchern vorüber, endete garantiert in einem anderen dazwischen.

„Sind denn die Straßen hier alle so schlecht?“ Wollte ein von dieser Achterbahnfahrt genervter älterer Herr wissen, sich an den Reiseleiter wendend.

„Nein, auf keinen Fall“, antwortete dieser sofort. Sich das Mikrofon greifend tauchte Knolle im Mittelgang auf und beruhigte die Mitreisenden, auf die Schüttelfahrt eingehend.

„Gleich erreichen wir Negombo. Dort endet der Schotterweg und die nachfolgenden Straßen sind asphaltiert“, begann er seine kurze Mitteilung über den weiteren Tagesablauf.

„Negombo lassen wir links liegen, fahren unmittelbar weiter nach Sri Lankas Hauptstadt Colombo. Nach einer kurzen Stadtrundfahrt endet diese am Bahnhof. Dort verlassen wir alle den Bus und fahren mit der alten Kolonialbahn weiter nach Galle, immer an der Küste entlang. Euer Gepäck kann im Bus bleiben, da uns dieser in Galle erwartet. In etwa einer Stunde erreichen wir Colombo. Alles weitere dann dort“.

Mit diesen Worten verschwand Knolle in seiner Sitzecke und schob das Mikrofon in die dafür vorgesehene Halterung.

Ich folgte seinem Beispiel, verschob die Rückenlehne in eine Schräglage und beobachtete in aller Ruhe die draußen vorüberziehenden Postkartenlandschaften. Da die Straße dem Küstenverlauf folgte, zogen Szenen an mir vorüber, ausgewählt aus dem tropischen Bilderbuch der Natur. Menschenleer und endlos wirkten die mit Palmen gesäumten weißen Sandstrände und ihren weit auslagernden Buchten.

Je näher wir Negombo kamen, umso enger rückten die anfangs noch auseinandergezogenen Küstendörfer zusammen. Einwohner dieser Ansiedlungen standen, saßen oder bewegten sich im gemäßigten Tempo vor ihren Gärten, Hütten oder den weiß gestrichenen, in der Sonne leuchtenden Villen auf und ab. Jeder war mit irgendetwas anderem beschäftigt.

Einzelne heruntergekommene und reparaturbedürftige Kolonialbauten ließen uns den Glanz vergangener Tage ahnen. Ab und zu kreuzte ein Ochsenkarren den Weg, beladen mit Nüssen oder Faserstricken aus den umliegenden Kokosplantagen der Nachbarschaft. Im gemächlichen Tempo vorüberzuckelnd, bremste er alle Fahrzeuge aus, brachte den gesamten Verkehr auf beiden Straßenseiten zum Erliegen.

Niemand schien sich darüber aufzuregen. Kaum war die Straße frei, fuhren alle kommentarlos weiter. Dabei an Deutschland denkend, musste ich unwillkürlich grinsen. Sich über alles aufzuregen war eine typisch deutsche Mentalität. Was dort ablaufen würde, käme man in solch eine Situation, konnte ich mir lebhaft vorstellen. In den Ortszentren standen die Frauen schwatzend beisammen, oder saßen verteilt auf bankähnlich ausgeformten Brunnenrändern und zeigten uns lachend ihre weißen Zähne beim gemeinsamen Zurückwinken, wenn man unsern Besuchergruß rechtzeitig bemerkte.

Blick und Gedanken nach innen gerichtet, wanderten Mönche im Schatten der Palmen am Straßenrand entlang, auffallend eingehüllt in ihren farblich abgestimmten Safrankleidern. Aber auch ein Mönch musste sein irdisches Dasein den Gegebenheiten anpassen, denn der alle Regeln missachtende Verkehr auf den schmalen Straßen zwang alle Fußgänger zur äußersten Vorsicht und Aufmerksamkeit.

Oftmals wurden sie an den Straßenrand gedrückt, konnten sich nur durch einen beherzten Seitensprung in Sicherheit bringen, weil einige Fahrer unzähliger privater Minibusse, neuen Geschwindigkeitsrekorden auf der Küstenstraße nachjagten.

Gashebel und Hupe waren die meistgesuchten und benutzten Teile ihrer Fahrzeuge. In all diesem wirren Durcheinander versuchten die schon erwähnten Ochsenkarren, Scharen von Radfahrern und natürlich die Fußgängern sich zu behaupten. Der Verkehr wurde immer chaotischer – ich empfand es jedenfalls so.

Am Ortseingang, wenn man es so bezeichnen konnte, wurde der Schotterweg breiter und die Schlaglochpiste endete endlich auf einer asphaltierten Stadtstraße.

„Wir sind angekommen in Negombo“, schallte Knolles Mitteilung aus allen Bordlautsprechern tönend, über uns hinweg, sich dabei etwas umständlich in den Mittelgang hangelnd.

„Nur ein paar Worte zum Ort, den Ihr unbedingt nach unserer Rundreise mal besuchen müsst. Alle Eure Hotels liegen ja in der Nähe. Ihr seid schnell dort und es lohnt sich auf jeden Fall.

Vor Ausbruch der schweren Unruhen von 1983 galt dieser Fischer- und Badeort, knapp 40 Kilometer von Colombo entfernt, schon fast als Massenziel, ähnlich wie Hikaduwa im Süden. Doch alle Touristen verschwanden als der Bürgerkrieg begann. Der Ort verödete langsam, weil alle Einnahmen wegbrachen. Diese prekäre Situation hat sich inzwischen wieder entspannt. Heutzutage ist der Fischfang immer noch die Haupteinnahmequelle in diesem vorwiegend christlich geprägten, fast 80 000 Einwohner zählenden Ort.

Ein relativ großer Fischmarkt sorgt jeden Morgen für ein lebhaftes Treiben, südlich der Laguneneinfahrt. Was ebenfalls Euer Interesse wecken dürfte, sind die sich am Vormittag nähernden, traditionellen Fischerboote, die Oruwas. Mit ihren geblähten Segeln laufen sie dort am flachen Sandstrand ein. Für alle Besucher wurde diese Einfahrt zum beliebten Fotomotiv. Schaut Euch das ruhig mal an.

Etwas ungewöhnlich mag es zwar sein, aber hier in dieser Gegend gibt es mehrere große und kleine Kirchen. Die Portugiesen verzeichneten damals große Missionserfolge, errichteten Gotteshäuser und organisierten Massentaufen.“ Abrupt wurden Knolles Ausführungen durch eine Vollbremsung unterbrochen.

Stadtrundgang in Negombo

Kühe vor dem Hotel

Leicht schlingernd kam unser Bus zum Stehen. Knolle, der im Gang stand, konnte sich gerade noch festklammern um einen situationsbedingten Sturz zu vermeiden. Wir alle starrten nach vorn und konnten nicht glauben, was wir dort sahen.

„Da kommt ja ein Elefant“, stieß eine Frau mehr ängstlich als neugierig klingend hervor, und bekam große Augen. Ich selbst konnte alles bestens beobachten, da ich ja vorn mein Sitzplatz hatte, wie auf dem Präsentierteller in erster Reihe.

Irgendwie faszinierte mich der Anblick dort draußen. Keine 5 Meter vom stehenden Bus entfernt, kam ein Elefant, geführt von einem dunkelhäutigen Begleiter, langsam aus einem mit hohen Mauern eingegrenzten Gehöft hervorgetrabt. Beide überquerten ohne Eile und Hast, in aller Ruhe die Fahrbahn.

Ohne auf den ausgebremsten Verkehr auf beiden Straßenseiten zu reagieren, folgte der große Elefantenbulle seinem Führer, wie ein wohlerzogenes Kind seinem Vater. An einem der etwa 1 Meter langen Stoßzähne hing ein angebundener, wohlgefüllter Beutel, den der Bulle dem voranschreitenden Mann hinterher trug.

Wir alle im Bus griffen zur Kamera, um diesen etwas ungewohnten Aufzug mitten in Negombo festzuhalten. Leider gelang nicht allen eine zufriedenstellende Aufnahme, da die Beiden auf der anderen Straßenseite genauso schnell verschwanden, wie sie auftauchten.

„Die laufen zur Küste“, kommentierte Knolle den Aufzug, ohne nochmals auf die unterbrochenen Negombo - Informationen einzugehen.

„Der Besitzer des Elefanten verdient dort sein Geld“, fuhr er fort.

„Am Strand können Touristen den Elefanten für ein paar Rupien mieten. Oben auf dem Rücken sitzend läuft man eine Runde hin und her und lässt sich fotografieren. Beide leben von diesen Einnahmen. So eine Partnerschaft hält ein Leben lang und beginnt so früh wie möglich. Schon als Kind wird diese Partnerschaft besiegelt und der Knabe mit einem jungen Tier zusammengeführt. Gemeinsam wachsen beide auf, bilden eine Einheit. Nur der Tod trennt am Ende diese feste Bindung.

Symbolisch verehrt man in Sri Lanka alle Elefanten. Sie stehen für Kraft und Weisheit. Noch knapp 3 000 Tiere leben in freier Wildnis in unseren Nationalparks. 1948, als Sri Lanka unabhängig wurde, war es mehr als zehnmal so viel.

Zurzeit helfen etwa 500 Arbeitselefanten beim Holztransport und beim Straßenbau. Als besonders segensreiche Tat gilt für alle Besitzer, den Klöstern besonders kräftige Elefanten für die großen Prozessionen zu leihen, oder zu schenken.“

„Solch kleine Insel, und so viele frei lebende Tiere, geht das denn gut“, wurde Knolle von jemand unterbrochen.

„Bei abgerichteten Elefanten kann ich mir das ja vorstellen, aber bei allen anderen? Die bleiben doch bestimmt nicht immer in ihrem Park.“

„Das stimmt allerdings“, fuhr er fort.

„Normalerweise bleiben die Tiere in den abgetrennten Nationalparks, respektieren die Zäune oder die vorhandenen natürlichen Grenzen, wie unpassierbare Berghänge oder Schluchten. Dort wandern sie in großen oder kleineren Gruppen kreuz und quer durchs Gelände.