Namibia - Treffpunkt Windhoek - Peter Arndt - E-Book

Namibia - Treffpunkt Windhoek E-Book

Peter Arndt

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Beschreibung

Einmalige Tierbegegnungen, spannende Safari-Touren, wunderschöne Landschaften und lebensfeindliche Wüsten waren tägliche Begleiter unserer etwa 3 000 Kilometer langen Rundreise durch Namibia. Gut informiert folgten wir den Spuren prägender Kolonialzeit. vom damaligen Deutsch Südwestafrika. Ein Geschichtsstreifzug voller Überraschungen. Alle im Text eigeflossenen Farb- und Schwarz/Weißfotos, wurden unmittelbar bei dieser Rundreise aufgenommen und dokumentieren den aufgezeichneten Reiseverlauf.

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Zen-Weisheit

Sieh alles mit deinen eigenen Augen.

Wenn du zögerst,

verpasst du dein Leben.

Großer Namibia Rundreiseverlauf (Ab/bis Windhoek)

Inhaltsverzeichnis

Von Berlin, über Frankfurt nach Windhoek

Im Safari Court Hotel

Im offenen Jeep durch die Kalahari

Keetmanshoop und der Köcherbaumwald

Der Fisch River Canyon

Region Namib Naukluft über Helmeringhausen

Die riesigen Sanddünen von Sossusvlei

Swakopmund – Das südlichste Nordseebad

In der Lagune von Walvis Bay

Omaruru/Qutjo und die San Buschmänner

Vom Tikoloshe-Kunstzentrum zum Franke-Turm

Im Etosha – Von Streifen-Gnus umzingelt

Wieder in Windhoek

Die besondere Buch-Empfehlung

Buchgestaltung:

Peter Arndt

Fotos:

Peter Arndt

Von Berlin, über Frankfurt nach Windhoek

Es zu planen und dann auch durchzuführen, füllte einen elend langen Zeitraum aus, bevor ich es endlich nach vielen Verschiebungen geschafft hatte, die nun anstehenden zwei Wochen-Namibia-Rundreise nun doch verbindlich in mein Reiseprogramm einzubauen. Schon damals im Jahre 2004, nach meiner 3-wöchigen Südafrika-Rundreise, fasste ich den unumkehrbaren Entschluss, unbedingt Namibia einen Besuch abzustatten.

Irgendwie entsprachen diese beiden Länder meinen Vorstellungen vom ursprünglichen Afrika, am Ende der Welt. Auf alle Fälle ein lohnendes Touristenziel, mit ihren pompösen Naturkulissen, einer einmaligen Tier und Pflanzen-Vielfalt, sowie den unterschiedlichsten Klimazonen zwischen dem Indischen Ozean im Osten und dem Atlantik im Westen, des Kontinents.

Nun war es endlich soweit. Um Komplikationen mit irgendwelchen ausgefallenen Zubringer-Zügen der Deutschen Bahn auszuschließen, entschloss ich mich, einen Tag vorher von Berlin nach Frankfurt anzureisen. Die vom Reiseveranstalter gewährten kostenlosen Zug zum Flug Tickets, beinhalteten die An- und Rückfahrt mit eingebautem Toleranz-Tag.

Ich beschloss, den zusätzlich gewonnenen Tag dahingehend zu nutzen, die Frankfurter Skyline zu erkunden und den Marktplatz der Altstadt einen Besuch abzustatten. Am späten Nachmittag wollte ich dann mit der S-Bahn zum Flughafen rollen und in aller Ruhe mein Check-in abzuschließen. So war es eigentlich geplant.

Kurz nach 13 Uhr würde ich also am 23. November 2019, auf dem Frankfurter Hauptbahnhof ankommen und hätte sofort mit der Suche meiner Unterkunft beginnen können. Das dafür gebuchte Zimmer im geeigneten Hotel, lag unweit vom Bahnhof, im berüchtigten Bahnhofsviertel. Als Anlaufstelle für Klein-Kriminelle, Zuhälter und Drogenumschlagplatz, war hier der Aufenthalt in den Nachtstunden bestimmt nicht zu empfehlen. Tagsüber war davon allerdings nur wenig zu spüren.

Eigentlich konnte mir die Standortlage egal sein, denn für mich war die Bahnhofsnähe entscheidend und die damit verbundene unkomplizierte, schnelle Zubringerfahrt mit der S-Bahn zum Flughafen.

Flughafen Frankfurt

Ja, so war es eigentlich geplant. Doch was nutzte mir ein Plan, wenn Air Namibia, meine in den Urlaubsunterlagen bestätigte Zubringer-Airline, etwas dagegen hatte. Zu meinem Entsetzen wurde mir auf Nachfrage beim Frankfurter Flughafenservice mitgeteilt, dass dieser Flug am darauffolgenden Abend ersatzlos gestrichen wurde.

Na prima! Jetzt stand ich da und niemand konnte mir eine Auskunft geben, warum und weshalb dieser Flug ausfallen sollte und wie es weiter ging. Man bemühe sich um eine Lösung, wurde mir immer wieder mitgeteilt.

Diese kam dann drei Tage vor Abflug und beinhaltete eine umorientierte Anreise, einen Tag früher als geplant. Die Kosten für eine zusätzliche Übernachtung in Windhoek würde Namibia-Air übernehmen, wurde uns mitgeteilt.

Na ja, ein Tag verlängerten Urlaub, hörte sich eigentlich nicht schlecht an, wurde für mich allerdings zum zusätzlichen Stressfaktor. Die veränderten Reiseunterlagen bekam ich per E-Mail zugesandt. Des Weiteren musste ich mein neues E-Ticket ausdrucken und die damit verbundene Hotelstornierung im Frankfurter Bahnhofsviertel auslösen. Erstaunlicher Weise klappte das ohne Probleme.

Nun fiel also meine Zwischenübernachtung aus und ich konnte meine Anreise am 23. November, wie ursprünglich geplant nutzen und fast übergangslos gegen 18 Uhr mein Check-In zum 10-stündigen Nacht-Flug durchführen.

Wie gewünscht, hatte ich mein Gang-Platz erhalten, richtete mich ein und konnte jetzt zufrieden erst mal durchatmen, um all den Stress der vergangenen Tage etwas abzuschütteln.

Warum der ursprüngliche Flug ersatzlos gestrichen wurde, hielt man bislang immer noch unter Verschluss. Erst viel später wurden die Ursachen so nach und nach bekannt gegeben.

Wenn man die gesamte Situation von Namibia-Air analysieren würde, käme man nur zu einem Schluss – die Airline war pleite, ohne Wenn und Aber. Zwar wurde noch der Flugbetrieb aufrechterhalten, so gut wie es ging. Die nach wie vor finanziell stark angeschlagene Fluggesellschaft Air Namibia widersprach natürlich den Pleite-Gerüchten – wieder einmal, wie schon des Öfteren.

Es kursierten Gerüchte, die staatsgeführte Namibia-Air, hätte in Verbindung mit Südafrika und Malta, anfallende Wartungskosten nicht beglichen und Schulden in Millionen-Höhe angehäuft. Um Druck auszuüben, wurde eine Maschine daraufhin beschlagnahmt. Gerücht hin und her, irgendetwas war da schon dran, trotz Dementi.

Und dann kollidierten auch noch am 16. 11. 2019, nur wenige Tage vor meiner Abreise, zwei Flugzeuge auf dem Rollfeld. Eine Boeing 777 der Korean-Air, rollte auf der Süd-Bahn Richtung Terminal. Der Pilot der nachfolgenden Air-Namibia-Maschine wollte am Flieger vorbeifahren und stieß dabei mit einer seiner Flügelspitzen an das Höhenruder der koreanischen Maschine. Beide Flugzeuge mussten abgeschleppt werden und mein gebuchter Flug am 24. Nov. wurde gestrichen und notgedrungen auf den 23. Nov. vorverlegt.

Windhoek im Anflug

Und so rollte der zusätzliche Urlaubstag über uns hinweg. Am frühen Morgen in Windhoek gelandet, versammelten wir uns erstmalig in der Flughafenvorhalle und wurden von unserer 14-tägigen Rundreisebegleiterin in Empfang genommen.

Nach den ersten Geldwechsel-Aktionen einiger Reisemitglieder, zogen alle gemeinsam nach draußen und folgten der Dame zum dort auf uns wartenden Reisebus. Dem Fahrer die Koffer übergebend, verschwanden wir nach und nach im Innern des Fahrzeuges und führten die ersten Kennen-Lern-Gespräche untereinander. Vierzehn Tage mussten wir ja nun miteinander auskommen. Der Bus wurde nicht gewechselt, blieb uns für die gesamte Zeit erhalten, war sozusagen unser rollendes Wohnzimmer.

Während wir dem Hotel in Windhoek zustrebten, wurden wir von unserer Reiseleiterin über den weiteren Ablauf der morgen früh beginnenden Rundreise informiert. Mit der zusätzlichen Übernachtung wurde der offizielle Rundreisestart gewährleistet und dem Zeitplan entsprechend angepasst.

„Nochmals herzlich willkommen in Namibia.“, begann sie ihre Durchsage, über Mikrofon und Bordlautsprecher.

„Ihr könnt mich mit „Issi“ ansprechen. Diese Kurzform merkt man sich besser. Ich werde euch mit Rat und Tat beiseite stehen und hoffe, euch in diesen 14 Tagen die herrliche Natur, eine einmalige Tierwelt und die Entwicklung der geschichtlichen Zusammenhänge meines Landes etwas näher zu bringen.

In einer knappen Stunde erreichen wir euer heutiges Hotel in Windhoek. Die zusätzliche Übernachtung wird von Air Namibia bezahlt. Wie geplant beginnt morgen Früh um 8 Uhr unsere Rundreise. Was ihr heute anstellt, müsst ihr selbst entscheiden. Die Geschäfte haben heute am Sonntag leider geschlossen. Trotzdem ist ein Stadtbummel bestimmt interessant, oder ihr entspannt euch im Hotel. Na ja, das muss jeder selbst entscheiden.

Heute werde ich nochmal zuhause schlafen, denn Windhoek ist meine Heimatstadt. Wenn ihr morgen früh um 7 Uhr zum Frühstück aufbrecht, stellt bitte die Koffer vor die Tür. Und noch etwas Wichtiges. Mit der Zimmerschlüssel-Übergabe erhaltet ihr an der Rezeption rote Kofferaufkleber. Diese sind für den Kofferträger-Service wichtig, um euer Gepäck dem richtigen Bus zuordnen zu können. So, das war erst mal das Wichtigste. Alles Weitere morgen früh.“

Kurz und präzise, laut und deutlich. So empfand ich diese über uns hinwegrauschende Erstinformation. Ein klarer, verständlicher Bordfunk war für eine Rundreise von immenser Bedeutung, ein wichtiger Informationspool für 14 Tage. Nichts war nervenaufreibender, wie eine funktionsgestörte Lautsprecheranlage.

Ihr Mikro einpackend verschwand Issis Kopf hinter ihrer hohen Sitzlehne, während draußen eine grau/braun-rötliche, ausgetrocknete, bis zum Horizont reichende, wellenförmige Steppenlandschaft vorüberzog.

Im Safari Court Hotel

Am Ziel unserer zusätzlichen Übernachtung, der luxuriösen Unterkunft „Safari Court Hotel“ angekommen, begann für uns das Abenteuer Namibia, am Rande von Windhoek.

Dieses 4-Sterne Hotel war eigentlich für den Abschluss unserer 14-tägigen Rundreise vorgesehen, mit all dem Pomp einer Nobel-Herberge. Für uns war dieser zusätzliche Tag natürlich ein willkommenes Geschenk. Der morgen früh dem Zeitplan entsprechende Beginn unserer Rundreise, verschaffte uns die Möglichkeit sich zu akklimatisieren und den strapaziösen 10-Stunden-Flug zu verarbeiten.

Nun hatte ich nur noch ein erstrebenswertes Ziel vor Augen, so schnell wie möglich im Bett zu verschwinden. Ein Ausflug nach Windhoek-City kam für mich nicht infrage, da dies am Ende unserer Rundreise ja sowieso eingeplant war. Kaum war mein Koffer im Zimmer angelangt und der Hotel-Diener mit einem Dollar Trinkgeld verschwunden, sprang ich unter die Dusche und streckte im Anschluss im himmlisch weichen Doppelbett alle Viere von mir.

Oh war das herrlich. Mein vom langen Sitzen deformierter Körper regenerierte sich nach und nach, wurde wieder aufnahmefähig und belastbar. So gegen 14 Uhr beendete ich meine eingeschobene Nachtruhe und erkundete mit frischem Elan, das wunderschöne Hotel mit all seinen Restaurants, Bars, Pools und Gartenterrassen.

Am Pool fand ich ein schattiges Plätzchen unter zwei riesigen Fächerpalmen. Mich dort niederlassend, bestellte ich beim aufmerksamen Personal ein frischgezapftes Bier. Natürlich war ich neugierig, wie mir das Getränk hier schmecken würde.

Das namibische Bier wurde heute ausschließlich nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 gebraut. Dies beinhaltete seit dem 20. Jahrhundert die Vorstellung, dass Bier nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden sollte.

Am Hoteleingang

Im Hotelgarten

Auf der Garten-Terrasse

Dabei wurde auf verschiedene, zum Teil jahrhundertealte, Regelungen und Vorschriften Bezug genommen. Dies gilt bis zum heutigen Tag.

Die 1904 existierenden vier Mikro-Brauereien wurden 1920 von den Deutschnamibiern Carl List und Hermann Ohlthaver kurz nach Ende der deutschen Kolonialzeit in Deutsch-Südwestafrika aufgekauft und zur Südwestbrauerei (heute Namibia Breweries) zusammengeführt. Heute wird namibisches Bier in viele Staaten der Erde exportiert. 2017 war es eines der Länder mit dem höchsten Bierkonsum weltweit, was ich nicht für möglich gehalten hätte.

Doch all diese Gedanken zur geschichtlichen Entwicklung des namibischen Bieres zerstoben schlagartig, als mein halber Liter eisgekühltes „Windhoek Lager“ vor mir auftauchte und der Kellner mir „Guten Appetit“ wünschte. Den Zimmer gebundenen Kassenbon zur späteren Begleichung überreichend, verschwand er gemächlichen Schrittes im benachbarten Kaffee-Garten-Durchgang.

Wie ein Geschenk Gottes betrachtete ich das vor mir stehende Glas Lager-Bier. Vom 30 Grad warmen Vorsommerwetter umlagert, glitt an der Glas-Außenseite kondensiertes Wasser nach unten und gestaltete eine sich ausbreitende Wasserpfütze auf der glattpolierten Marmorfläche des Gartentisches.

Ein kaltes Bier, was für ein Genuss! Das Glas greifend und ein kräftigen Schluck nehmend, floss das köstliche Getränk wie ein Jungbrunnen in mich hinein. Den Röhrenweg freispülend, rauschte der erste Schluck abwärts und landete klatschend im Magen. Die Geschmacksnerven freilegend steigerte sich sofort mein Wohlbefinden und ich beschloss, es nicht bei einem Glas bleiben zu lassen.

Donnerwetter, dass Bier war wirklich gut. Da gab es nichts dran zu mäkeln. Nach dem dritten halben Liter beendete ich dann doch mein Aufenthalt im Gartenbereich und verweilte im Anschluss bis 20 Uhr im Hotelzimmer. Und das hatte seinen Grund, denn 19 Uhr begannen die Heute-Nachrichten im ZDF in Deutschland. Hier eine Stunde später, bedingt durch den Zeitunterschied. Grinsend verfolgte ich den Wetterbericht und amüsierte mich über das Mistwetter in Deutschland. Null Grad und Regenschauer. Brr, pfui Teufel! Zum Glück stand ich jetzt auf der Sommerseite des Planeten, das hieß: 30 Grad im Schatten und 14 Tage urlaubsbedingten Sonnenschein.

Da ich langsam Hunger bekam, beschloss ich dann doch noch das große Büfett-Restaurant aufzusuchen. Dort erwartete mich eine exzellente, kreative Küche mit einheimischen Wild-Gerichten vom Springbock, Impala, Antilope und Kudu, sowie Langusten, Brat-, Koch- und Grillfilet von verschiedenen Fischsorten. Süße Vor- und Nachspeisen brachten dabei vor allem die guten Vorsätze kalorienbewusster Gäste ins Wanken.

„Abnehmen kann man hier bestimmt nicht. Eine ganz schön hinterhältige Versuchung“, ging mir durch den Kopf, als ich meinen dritten Nachschlag verzehrte.

„Ach was, hör nicht auf diese Zumutung. Was soll der Quatsch! Ich hab Urlaub und genieße einfach alle einheimischen Spezialitäten, solang wie es mir schmeckt. Ich gehöre doch nicht zu den Fleisch-Verweigern, oder den nur zu bedauernden Kalorien-Zählern, die jeden Löffel Suppe aufrechnen und sich allen Köstlichkeiten verweigern“

Zufrieden über meine rechtfertigenden Gedankenspiele beendete ich mein Abendessen, bezahlte beim Kellner mein Essen, plus der drei halben Liter Bier vom Poolbesuch. Ohne lange herumzutrödeln, verstaute ich oben im Zimmer all meine Sachen im Koffer und Rucksack.

Soweit war meinerseits nun alles erledigt. Morgen früh nur noch den mit dem roten Aufkleber versehenen Koffer vor die Tür stellen, 7 Uhr zum Frühstück gehen und gegen 8 Uhr mit allen anderen gemeinsam den Rundreisebeginn starten.

Im offenen Jeep durch die Kalahari

Pünktlich gegen 8 Uhr rollte unser Bus vom Hotelparkplatz. Reiseleiterin Issi stand schon vor dem Frühstück auf der Matte und half später bei der Sitzplatzverteilung. War eigentlich kein Problem, aber bei einer Rundreise erwachten so einige Begehrlichkeiten bei der Sitzauswahl. Die vorderen Plätze waren natürlich sofort von Ersteinsteigern belegt und die nachfolgenden Personen mussten sich, ob sie nun wollten oder nicht, weiter nach hinten orientieren.

„Oh je, das hatte ich kommen sehen. Immer das gleiche Problem bei einer Rundreise.“, analysierte ich den verbissenen, lautlosen Kampf um die besten Plätze. Nun gab es aber auch nicht allzu viele Möglichkeiten sich bei vier freien Plätzen allein auf einem Zweier-Platz einzurichten.

Grinsend beobachtete ich die Szenerie von der Rückbank aus. Genau dort wollte ich hin. Das war mein Platzwunsch, den ich beide Wochen in Beschlag nahm. Mit acht anderen Urlaubern teilten wir uns die hinteren Plätze im Bus, bis zum Tourende.

Prima, wir hier hinten waren versorgt. Aber im vorderen Busbereich nagte der Sitzplatz-Neid bei einigen Mitreisenden doch ganz schön am Nervenkostüm. Unsere arme Issi musste nun alles ausbaden, wurde mit Nachfragen bombardiert.

„Bleiben wir zwei Wochen auf diesen Plätzen? Warum rotieren wir nicht im Kreise? Warum rutschen wir nicht jeden Tag eine Platzreihe auf der einen Bus-Seite nach vorn und auf der anderen nach hinten?“

Irgendwann wurde es der armen Issi dann doch zu viel und sie griff leicht irritiert zum Mikrofon.

„Na gut, dann klären wir das jetzt in aller Ruhe. Teilweise habt ihr euch ja schon geeinigt, wie ich mitbekommen habe. Die hinteren Sitzreihen bleiben wo sie sind, wollen nicht rotieren. Alle anderen, ab Reihe vier rotieren und wechseln täglich im Uhrzeiger-Rhythmus ihre Sitzplätze. Seid ihr damit einverstanden?“

Unser Reisebus

Graubraune Sand- und Steppenlandschaft

Sich nach oben schiebend tauchte Issi im Mittelgang auf und registrierte ihr Umfrage-Ergebnis leicht schmunzelnd und fuhr fort:

„Na prima, ihr seid alle einer Meinung. Das gilt dann ab morgen früh. Merkt euch euren heutigen Platz, dann dürfte eigentlich nichts schief laufen.“

Zufrieden zog sich Sissi zurück und verschwand dabei vollkommen hinter ihrer Sitzbanklehne auf der Beifahrer-Seite und fuhr fort:

„So, das wäre erledigt. Jetzt können wir uns um den heutigen Tag kümmern.“

Langsam kehrte wieder Ruhe ein im Bus. Die organisierte Sitzplatzverteilung, fand zumindest fürs erste, die allgemeine Zustimmung. Während draußen die Stadtgrenzen von Windhoek sich langsam verabschiedeten, eroberte nach und nach eine graubraune Steppenlandschaft die vorüber ziehende Umgebung.

„Könnt ihr mich alle verstehen?“ Nochmals erschien Issis Kopf im Mittelgang, registrierte zufrieden ein allgemeines Kopf nicken und begann sogleich mit ihren Infos zum weiteren Tagesablauf.

„Wie ihr sicherlich schon mitbekommen habt, hat sich draußen die Landschaft verändert. Unser heutiges Tagesziel ist die „Kalahari Anib Lodge.“ Wie der Name schon verrät, fahren wir heute in die Ausläufer der Kalahari. Diese Wüste erstreckt sich von Südafrika, über Namibia bis nach Botswana und Angola. Wegen ihrer porösen und sandigen Bodenbeschaffenheit, die keine Wasserresorption ermöglicht, wird die Kalahari allgemein als Wüste bezeichnet.

In Wirklichkeit ist sie aber eine durchaus belebte Wildnis. Auf ihren spärlich bewachsenen Grasebenen weiden riesige Herden von Antilopen und anderen Tieren.

Gegen Mittag treffen wir in der Lodge ein. Da von euch alle das zusätzliche Ausflugspaket schon bezahlt und in eure Buchung mit eingeflossen ist, starten wir zusammen am Nachmittag eine Wüstenfahrt im offenen Gelände-Wagen. Hier bekommt ihr die Gelegenheit, die Faszination Kalahari hautnah zu erleben und die endlose Weite dieser beeindruckenden Landschaft zu erforschen.

So, das Wichtigste habe ich euch erst mal mitgeteilt, ohne ins Detail zu gehen. Das kann jetzt jeder selbst nachlesen. Ihr erhaltet alle von mir einen Flyer mit ausführlichen Infos über die Kalahari, mit all ihren Bewohnern und den spezifischen Besonderheiten. Reicht die Flyer bitte weiter nach hinten durch.“

„Das war eine gute Idee.“ Zollte ich ihr Beifall.

„Jetzt kann jeder selbst entscheiden, ob, wann und was er lesen möchte. Auch schlafen wäre eine Option.“

Schnell wanderten die Flyer von Hand zu Hand. Das letzte Exemplar erhaltend, blätterte ich sofort im kleinen Büchlein herum und begann mein spärliches Wissen über die Kalahari aufzufrischen. Doch wurde mein Wissensdrang nach Informationen durch Issis wiederholter Wortmeldung unterbrochen.

„Doch bevor ihr euch in den Flyer vertieft, mochte ich euch, einen groben Überblick geben, über Namibia und dessen Bevölkerungsstruktur, im Fokus der geschichtlichen Zusammenhänge. Uns intensiver mit einigen Dingen zu beschäftigen, werden wir während unserer Rundreise angehen.“

Nun gut. Ich schloss mein Flyer-Büchlein und betrachtete die Zusatzinformation als vorbereitende Einleitung zum noch zu lesenden Kalahari-Flyer und lauschte Issis Vortrag.

„Namibia ist zweimal so groß wie Deutschland. Mit knapp 2,2 Millionen Einwohnern zählt es zu den dünnsten besiedelten Regionen der Welt. Im Durchschnitt kommen hier auf einen Quadratkilometer 2,2 Menschen. Wie auch Südafrika ist Namibia eine sogenannte „Regenbogennation“ und wie viele afrikanische Staaten ein Land mit großer kultureller Vielfalt. Zwölf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen leben in Namibia zusammen, mit unterschiedlichen kulturellen, sprachlichen und historischen Traditionen. Diese sind teilweise in den letzten Jahrhunderten ins Land eingewandert, manche leben aber schon seit Anbeginn im heutigen Namibia.

Die weiße Bevölkerung macht gerade mal 6% der Gesamtbevölkerung aus. Sie stammen ab von Buren, Engländern, Portugiesen oder Deutschen. Etwa zwei Drittel der Namibier mit europäischer Abstammung sprechen Afrikaans, ein Viertel Deutsch und der Rest meist Englisch und ein wenig Portugiesisch.

Die damalige koloniale Aufteilung Afrikas unter den europäischen Kolonialmächten und die internationale Legitimierung der Kolonien, wurden durch die Berliner Kongokonferenz (1884-1885) verabschiedet. In der Vertragslaufzeit handelte Deutschland mit den Portugiesen den genauen Grenzverlauf zu deren im Norden liegenden Kolonie Angola aus. Im Helgoland-Sansibar Vertrag mit England konnte die Kolonie Deutsch-Südwest um den Caprivi-Zipfel erweitert werden und erhielt dadurch einen Zugang zum Sambesi. England wurde hierfür Helgoland überschrieben.

1885 wurde für Südwest-Afrika die Deutsche Kolonialgesellschaft gegründet und begann sofort mit ihrer Arbeit. Deutsche Siedler wurden ins Land geholt, denen man große Farmländereien verpachtete. 1891 wurde Windhoek, das ehemalige Stammeszentrum der Orlam, zum offiziellen Sitz des deutschen Kommissariats ernannt. Da die Landnahme ohne Rücksicht auf die traditionellen Stammesgrenzen vorgenommen wurde, führte dies unweigerlich zu Spannungen und Auseinandersetzungen, welche durch die ins Land gebrachten Deutschen Schutztruppen kontrolliert und niedergeschlagen werden sollten.

Zwar bestand ein Schutzvertrag mit den im Norden lebenden Herero, welchem sich die Nama entzogen. Jedoch rissen die Auseinandersetzungen zwischen beiden Ethnien nicht ab, was die geringe Zahl an stationierten Soldaten stark überforderte und sie den versprochenen Schutz der Herero nicht weiter gewährleisten konnten.

In der Folgezeit nachdem die Schutzverträge aufgekündigt wurden, kam es zu vielen Übergriffen von sowohl Herero, als auch von Nama auf deutsche Siedler und Händler. Die Schutztruppen mussten wiederholt verstärkt und die deutsche Herrschaft konnte nur mit militärischer Gewalt durchgesetzt werden.

Im Januar 1904 begann der folgenschwere Aufstand der Herero unter ihrem Häuptling Samuel Maherero und versetzte das Deutsche Reich in den Kriegszustand. Trauriger Höhepunkt, sowie das Ende des Aufstandes, war die Schlacht am Waterberg. Hier wurde der Herero-Aufstand blutig niedergeschlagen. Von ehemals 80 000 Herero überlebten die Vertreibung nur etwa 15 000.

Doch der Guerillakampf ging bis 1907 weiter. Erst nach dessen Niederschlagung meldete der damalige Gouverneur Deutsch-Südwestafrikas nach Deutschland, dass der Kriegszustand aufgehoben werden könne und das Land unter Kontrolle sei.

Insgesamt kosteten die Aufstände etwa 70 000 indigenen Männern, Frauen und Kindern das Leben, woraus sich für die Besatzungsmacht ein neues Problem ergab. Wie kann ohne billige Arbeitskraft die Kolonie profitreich ausgebeutet werden?

Hierzu führte man ein verbindliches Passsystem ein, welches die Besitzer zwang, für die weißen Herrscher zu arbeiten. Das war eine frühe Form der später in Südafrika vollzogenen Apartheidpolitik.

Als 1908 bei Lüderitz Diamanten entdeckt wurden und ein gewaltiger Diamantenboom ausgelöst wurde, bescherte dies Deutsch-Südwestafrika und dem gesamten Reich einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung.

Jedoch konnte sich nur kurz an diesem neuen Reichtum erfreut werden, denn mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges marschierten am 13. September 1914 südafrikanische Truppen unter der Führung von Louis Botha in Deutsch-Südwestafrika ein und zwang Deutschland zur Kapitulation. Diese wurde am 9. Juli 1915 unter dem letzten Kommandeur der Deutschen Schutztruppe Victor Franke erzwungen.

Die Geschichte der Einwanderer ist sehr unterschiedlich. Seit der Unabhängigkeit von Angola 1975, zog es viele Portugiesen aus deren ehemaligen Kolonie nach Namibia, während heute Buren und Deutsche schon in der vierten Generation in Namibia leben. Viele Deutsche blieben nach dem Verlust ihrer Kolonie im Land, oder kamen nach ihrer Internierung während der beiden Weltkriege aus Südafrika zurück.

Aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg zog es einige wenige Deutsche nach Namibia; Ein Grund hierfür war die Arbeitsmigration. Briten und Buren kamen aus Südafrika nach Namibia. Die südafrikanische Mandatsmacht unterstützte damals diese Siedler finanziell, indem ihnen Farmland in Südwest angeboten wurde. Südafrika stärkte damit ihren Einfluss auf die zukünftige Vorherrschaft über das Gebiet.

Trotz ihres Minderheitenstatus gehört den Weißen der Großteil des Farmlandes Namibias. Nur 12% der Fläche wird von schwarzen Namibiern bewirtschaftet.

Wie das Farmland, ist auch das Wirtschafts- und Geschäftsleben größtenteils in der Hand weniger Weißer, insbesondere die Tourismusindustrie. Auch gehören ihnen die gesamten Schürfrechte im Land, welche zum Teil von Europa und Amerika aus kontrolliert werden.

Ja, so ist die momentane Situation in Namibia, auf keinen Fall zufriedenstellend! Man sollte aber auch nie die Hoffnung aufgeben.“, fügte sie am Ende hinzu.

„Oh je, das war mal wieder etwas zu viel auf einmal. Na ja, man muss sich ja nicht alles merken“, ging mir durch den Kopf. So ein Flyer war da viel Nachhaltiger. Wieder zum Büchlein greifend, startete ich zum zweiten Mal, meine Wissenslücken aufzufrischen.

„Die Kalahari ist eine Dornstrauchsavanne und teilweise auch eine Trockensavanne, wird aber gelegentlich wegen des vorherrschenden Sandes als Wüste bezeichnet. Sie erstreckt sich beidseitig des südlichen Wendekreises von der südafrikanischen Provinz Nordkap durch Namibia und Botswana über eine Fläche von einer Million Quadratkilometern. Sie ist Teil des etwa doppelt so großen Kalahari-Beckens, das sich bis nach Angola und Sambia hinein erstreckt.

Die Herkunft des Namens ist noch unklar. Eine Deutung besagt, dass Kalahari eine Falschschreibung der Kolonialherren für das verbreiterte Bantusprachen-Wort Khalagadi (groß/weit) sei. Eine andere Deutung bei Robert Moffat, ein schottischer evangelischer Missionar und Bibelübersetzer aus Südafrika. Er behauptet, dass sie nach einem Eingeborenen-Stamm namens Makgalagadi benannt wurde, der in der Khalagari lebte, was trockener oder wasserloser Platz bedeutete.

Geographisch gesehen liegt der größte Teil der Kalahari in Botswana und Namibia. Südwestlich liegt die Namib-Wüste, die deutlich arider als die Kalahari ist - (geringere Niederschläge, als die mögliche Verdunstung). Die Kalahari liegt überwiegend auf 800 bis 1 200 Metern über dem Meeresspiegel. Einziger ganzjährig wasserführender Fluss ist der 1 700 Kilometer lange Okavango. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt im Süden und Westen rund 150 bis 250 mm, während sie im Norden und Osten bis über 500 mm ansteigt.

In der Kalahari herrschen Sandböden vor, die im Süden und Westen rot und in den anderen Gebieten gelb bis grau sind. Die Mächtigkeit der Sandschichten beträgt bis zu 200 Meter, entstanden durch Erosion von Sandsteinen. Erst in der jüngsten Erdgeschichte, vor etwa 10. 000 bis 20.000 Jahren, wurden die Dünen durch Pflanzenwuchs stabilisiert, so dass heute eine Trockensavanne die Landschaft prägt. Es herrschen Gräser, Dornensträucher und Akazienbäume vor, die die langen Trockenperioden von rund zehn Monaten im Jahr überstehen können. Sie gelangen mit ihren langen Wurzeln an die zwar tiefliegenden, aber reichlich vorhandenen Wasseradern.“

Völlig im Flyer vertieft, wurde ich plötzlich aus meiner Lektüre gerissen, als unser Bus die bislang so einigermaßen erschütterungsfreie Asphaltstraße verließ und auf eine wegführende Seitenstraße einbog. Ratternd, auf und abspringend, wurden wir etwa 50 Meter gnadenlos durcheinander geschüttelt, bis die wellenförmige Schlaglochpiste von einer einigermaßen intakten Landstraße abgelöst wurde.

„Mein Gott, was war das denn?“

Ich schloss mein Kalahari-Büchlein und lauschte auf Issis Durchsage, deren Kopf im Mittelgang auftauchte.

„Na, alle schön durchgerüttelt? Zumindest sind jetzt alle munter geworden. Sicherlich habt ihr euch im Vorfeld eurer Namibia-Tour schon damit beschäftigt. Ich meine den Zustand der Straßen. Diese sind in Namibia nicht mit dem europäischen Standard vergleichbar. Einige Straßen sind reparaturbedürftig und nicht geteert. Ein großer Teil unserer Fahrt führt über Schotterpisten. Na ja, ihr werdet es schon überleben.“

Kurz darauf bogen wir in eine Seitenstraße ab, eine Art Sackgasse, die auf einem Rondell artigen Parkplatz endete. Ein kurzer Stopp vor einer namibischen Kuriosität, dem südlichen Wendekreis. 23° 26‘ – Tropic of Capricorn.

Am südlichen Wendekreis „TROPIC OF CAPRICORN“

Unser rollendes Hotel für 14 Tage

Namibia war eines von lediglich elf Ländern der Welt, durch die der südliche Wendekreis verlief. Jeweils am 20/21 Juni und 21/22 Dezember erreichte die Sonne auf der Nord- und Südhemisphäre über den Wendekreisen ihren Höchststand. Die Sonne stand damit am höchstmöglichen Punkt über der Erdoberfläche. Ein senkrecht im Boden steckender Pfahl warf dann keinen Schatten. Das dort aufgestellte Wendekreis-Schild wurde natürlich Ziel vieler Aufnahmen. Überprüfen konnten wir den fehlenden Schatten leider nicht, das lag allerdings nicht am Wendekreis, sondern an der fehlenden Sonneneinstrahlung, denn diese verbarg sich hinter einer durchgängigen Wolkenschicht.

„Ja, das funktioniert ohne Sonne leider nicht.“, kommentierte Issi kurz nach dem Einstieg die Situation und fuhr fort:

„Nun aber zu etwas anderem. In einer viertel Stunde erreichen wir unsere Unterkunft, die „Kalahari Anib Lodge“. Den weiteren Ablauf hatten wir ja schon besprochen. 15 Uhr beginnt unsere zusätzlich gebuchte mehrstündige Wüstenfahrt. Beim anschließenden Picknick auf einer Sanddüne mit Sekt und Snacks erwartet uns ein Sonnenuntergang, der die umliegenden Sanddünen in allen Rot-Schattierungen aufleuchten lässt. Abendessen gibt es so gegen 21 Uhr in der Lodge, unabhängig davon, wann wir zurückkommen.“

„Das wird bestimmt ein interessanter Ausflug“, kommentierte mein Nachbar Issis Info und begann seine verstreut herumliegenden Sachen im Rucksack zu verstauen, denn in diesem Moment rollte unser Bus auf das 10.000 ha große Farmgelände der Anib Lodge.

Das Wort „Anib“ bezeichnete den männlichen Vogel in der Sprache der Nama. Hier erschien uns, inmitten der im Osten Namibias liegenden roten Dünen, die Kalahari Anib Lodge wie eine leuchtend grüne Oase.

Eigentlich sah man im Südosten Namibias irgendwann nur noch rot, bedingt durch die Dornbuschsavanne der Kalahari. Selbst der Okavango, der es nach 1 700 Kilometern bis hierher geschafft hatte, gab auf und versickerte spurlos im leuchtend roten Sand der Wüste. Eine fantastische Landschaft, bizarr, fesselnd und im Licht der tiefstehenden Sonne von malerischer Schönheit.

Da sich hier das Wetter schnell zu verändern schien, war der am Wendekreis vorherrschende Wolkenteppich fast unbemerkt verschwunden und gleißender Sonnenschein überflutete wieder die uns umgebende Landschaft. Der Sand begann zu schimmern wie gespeist von einem inneren Feuer. In solch einprägsamen Momenten schien die Welt für einen Augenblick still zu stehen und in den Kameldornbäumen kehrte die Ruhe ein.

Wir waren angekommen in der Kalahari Anib Lodge, eine Oase der Verwöhnung. Wer sich von uns unter den Begriffen Wüste und Oase eine kärgliche, versandete Karawanserei vorstellte, wollte seinen Augen nicht trauen. Um einen türkisgrünen Pool im schattigen Innenhof, flankiert von üppigen Bäumen, gruppierten sich 18 Bungalows, unsere zum Einzug bereitstehenden Doppelzimmer.

Zügig erfolgte die Zimmerzuweisung. Zusammen mit einer mitreisenden Dame aus Bayern, belegten wir zwei aneinander grenzende Bungalowhälften im inneren Kreis der Lodge.

In der Kalahari Anib Lodge erfolgte die Kofferverteilung mit der Schubkarre

Ein hängender Schaukelkorb auf meiner Lodge – Terrasse

Im Bungalow-Garten der Kalahari Anib Lodge

Im offenen Gartenrestaurant endet oder beginnt die uns umgebende Kalahari – Landschaft nur wenige Meter von uns entfernt

Schattenspendende Baumkronen und angelegte Wasserlöcher gleich hinter der Lodge

Rustikal ausgestattet, mit Doppelbett, Bad und Klimaanlage, standen die Bungalowhäuschen in freier Natur, ohne eine Abgrenzung zur offenen Kalahari. Vom Doppelbett aus hatte ich einen traumhaften Blick durchs rückseitige Fenster, auf die dort beginnende, bis zum Horizont reichende, rotschimmernde und mit einzelnen Kameldornbäumen bestückte Wüstenlandschaft.

Noch war ich beschäftigt mir ein Einrichtungsüberblick zu verschaffen, als unsere Koffer auf unserer gemeinsamen Terrasse abgestellt wurden. Mich frisch machend, entnahm ich nur das Notwendigste, mein Waschbeutel und etwas zum Überziehen für den kommenden Abend. 15 Uhr begann ja unser erster Wüstenausflug, der gegen 21 Uhr enden sollte, zum gemeinsamen Abendessen auf der unter Baumkronen verzweigten Restaurant-Terrasse.

Um die Abfahrtszeit bis 15-Uhr zu überbrücken, beschloss ich, mir ein kühles Getränk am Bar-Tresen zu organisieren. Heraustretend, wurde ich von meiner bayerischen Nachbarin angesprochen:

„Ist das hier schön!“, begann sie zu schwärmen. Sich vorsichtig im hängenden Schaukelkorb niederlassend, fuhr sie fort:

„Sogar Erdmännchen konnte ich beobachten, hinten, durchs rückwärtige Fenster.“

„Das stimmt. Ein idealer Ausblick.“, antwortete ich und betrachtete dabei neugierig ihren sich drehenden und schwingenden Sitzuntersatz der an einem festverankerten Deckenhaken herabbaumelte.

„Im Übrigen bin ich unterwegs zum Bartresen, mir ein kühles Getränk besorgen. Möchten sie auch etwas trinken? Wenn ich schon mal unterwegs bin, kann ich ihnen das ja gleich mitbringen.“

„Ein Cocktail mit Eis wäre nicht schlecht.“, beantwortete sie meine Frage und fuhr fort:

„Doch etwas stört an dem Ganzen, das „Sie“! Lassen wir doch die steife Anrede einfach weg. Wir sind 14 Tage mehr oder weniger auf uns angewiesen, eine große Rundreise-Familie. Kurz und gut, ich bin Ulla! Das kann man sich doch merken, oder?“

Doch etwas überrascht vom Du-Angebot, ergriff ich ihre mir entgegengestreckte Hand und begrüßte ihren Vorschlag mit:

„Und ich heiße Peter! Das kann man sich sicherlich auch merken. Ulla, und jetzt hol ich etwas zum Trinken.“

Langsam den Innenhof durchquerend, wurde ich schon vom Barmann erwartet, der die Wünsche der neu ankommenden Gäste sicherlich vorausahnend entgegennehmen wollte. Schnell wurden wir uns einig. Ich bestellte zwei „Rock-Shandy“, ein Klassiker im südlichen Afrika, besonders in Namibia. Von Issi, der Reiseleiterin empfohlen, nutzte ich die vorhandene Gelegenheit aus, das Getränk zu testen.

Das namibische Nationalgetränk war fast ohne Alkohol und wunderbar erfrischend und durstlöschend. Das populäre Mixgetränk wurde bereits in kolonialer Zeit quasi im gesamten östlichen und südlichen Afrika eingeführt und war bislang, aufgrund der einfachen Zubereitung quasi überall verfügbar. Man sollte es unbedingt probieren, bevor man am Abend weiter zu Bier und Wein überging.

Die Zubereitung war denkbar einfach. Nach Belieben Eiswürfel und eine Zitronenscheibe in ein größeres Glas geben, ein halben Anteil Zitronenlimonade oder Tonicwater, einen halben Anteil Mineralwasser oder Soda und einen Schuss Angostura-Bitter, je nach Geschmack hinzufügen. Fertig! Rock Shandy wurde dann mit einem Strohhalm serviert.

Vom Barmann gemixt, ließ er es sich nicht nehmen es selbst zum Bungalow zu bringen und es mit einem deutschen „Guten Appetit“ zu servieren. Zufrieden mit dem erhaltenen Trinkgeld, begann nun sein Rundlauf von Bungalow zu Bungalow, um wunschgemäß weitere Bestellungen entgegenzunehmen.

Den Rock Shandy schlürfend zog Ulla neugierig am Strohhalm und kommentierte den ersten Versuch mit einem:

Unser Getränkestützpunkt auf dem Lodge-Gelände. --- 15 Uhr beginnt unsere erste Safaritour im offenen Geländewagen

Große Webervögel – Nestkolonien in den Baumkronen, die unter der Last fast zusammenbrechen.

„Peter, das schmeckt einfach köstlich. Dieses Getränk werde ich mir merken und des Öfteren bestellen.“

Nun zog auch ich mich in meine Bungalow-Hälfte zurück, das eiskalte Getränk dabei vorsichtig in der Hand haltend.

Mit den Worten: „Bis dann, Ulla!“, verschwand ich im Zimmerbereich. Den Sessel ans hintere Fenster schiebend, beobachtete ich die draußen herumtollenden Erdmännchen und amüsierte mich köstlich über ihre herumwirbelnden Aktivitäten im roten Sand der endlosen Kalahari.

Voller Vorfreude auf den ersten Safari-Ausflug im offenen Allrad-Wagen, entdeckte ich am Horizont einige auf und abtauchende Giraffenhälse, die nach wenigen Minuten wieder verschwanden. Auf einer etwa 400 Meter entfernten, vom Hotel angelegten Wasserstation, lagen im Schatten einiger auslagernder Kameldornbäume, zwei Streifengnuss, umringt von mehreren Kuhantilopen.

Diese tiefen Bohrungen bis zum Grundwasser, wurden für die Tiere angelegt, auf Grund einer immensen Wasserknappheit in der Region. Mit kleinen Windrädern erzeugter Strom sorgte für den Betrieb der Pumpanlage und einen nicht zu versiegenden Wasserzulauf.

Nicht nur für die durstleidenden Tiere war dieses Wasserbecken eine lebenswichtige Anlaufstelle, denn auch die Kalahari-Anib-Lodge profitierte indirekt vom großen Tierzulauf. Für alle hier eincheckenden Touristen waren diese ersten Tierbegegnungen sicherlich der Beginn vieler Safari-Touren in Namibias Kalahari.

Ich zumindest war vom ersten Eindruck der Tiersichtung auf meiner Bungalowrückseite begeistert. Vom Charme der herumtollenden Erdmännchen eingefangen, verstrich die Zeit wie im Fluge. Vom plötzlichen Klopfen an der Tür aufgeschreckt, vernahm ich Ullas mahnende Stimme.

„Peter, wir müssen los. Es ist schon kurz vor der Abfahrt. Die meisten von uns sind schon bei mir vorbei gelaufen.“

„Bin schon unterwegs.“, antwortete ich hochfahrend, mein gepackten Rucksack greifend, aufgefüllt mit Strickjacke, Wasserflasche, Sonnenschutz und Fotoapparat und trat nach draußen.

„Ulla wir können starten.“

Den Bungalow abschließend, folgte ich ihr im Eilschritt, die schon vorauseilend am Gartenrestaurant anlangte und die vier für uns bereitstehenden Gelände-Wagen zustrebte. Von Issi verteilt fand jeder sein Platz auf den offenen, überdachten Allradfahrzeugen, zur anstehenden Kalahari-Schnupper-Tour.

Die ersten Kilometer folgten wir einer asphaltierten Landstraße, die schnurgeradeaus führend, irgendwo weit vor uns vom Horizont eingefangen wurde. Linksaußen, ganz hinten sitzend, genoss ich den freien, unverstellten Blick auf die vorüber ziehenden gelbrot bis dunkelrot aufleuchtenden Sandflächen der bis zum Horizont reichenden Wüstenlandschaft, bewachsen mit den vorherrschenden Wüsten- und Dünengräsern, Dornensträuchern und vereinzelt stehenden Akazienbäumen, deren Wurzeln soweit ins Erdinnere reichten, dass sie immer noch auf Wasser stoßen konnten.

Solange wir Asphalt unter uns hatten, fuhren die vier Geländewagen hintereinander, ohne auf eventuelle Abstandsregeln achten zu müssen. Doch das änderte sich am Ende der asphaltierten Straße, beim Abbiegen in einen markierten Wüstenweg. Nun folgten wir den ausgefahrenen, tief in den Sandboden eingedrückten Radspuren anderer Geländewagen.

Schon nach kurzer Zeit wurden wir gezwungen unsere Vier-Fahrzeug-Gemeinschaft aufzulösen. Eine alles überlagernde Sandstaubwolke wirbelte jeder Geländewagen hinter sich her und nahm den nachfolgenden Fahrzeugen die Luft zum Atmen. Wie immer in solchen Fällen, wurden nun vier verschiedene, schon sicherlich vorher bestimmte Wüstenpfade angefahren und das Problem der Staubwolken löste sich dabei von selbst. Da nun jeder Geländewagen seiner eigenen Route folgte, verloren wir uns bald aus den Augen. Eine gute Problemlösung, die uns allen zugutekam.

Windräder versorgen Wasserpumpstationen mit Strom, um die angelegten Wasserlöcher aufzufüllen.

Zwei Giraffen auf dem Weg zur Wasserstelle.

Zwei Giraffen kreuzen unseren Weg. laufen an uns rechts und links vorüber und begutachten uns von beiden Seiten,

um danach in aller Ruhe hinter einer hohen Sanddüne Zu verschwinden.

Jedes Fahrzeug hatte einen deutsch und englisch sprechenden Ranger an Bord, der alle Fragen fachmännisch beantworten konnte. Bei Tierbegegnungen wurden die nötigen Abstände eingehalten und im Stopp und Go Verfahren die besten Sichtplätze für gelungene Foto-Aufnahmen eingenommen, im ständigen Vor- und Rückwärtsgang.

Die ersten Springböcke, Gnus und einige Warzenschweine kreuzten unseren Wüstenpfad und verursachten ein aufgeregtes hin und her auf den Hochsitzen unseres Allradfahrzeuges, bei mir und allen anderen. Für uns eine situationsbedingte Anspannung, immer sprungbereit nach dem originellsten Foto, der schönsten Tieraufnahme und dem Glück einer sich bietenden Momentaufnahme.

„Leute, schaut mal nach vorn.“, meldete sich unser Ranger ganz aufgeregt und deutete die Richtung mit seiner Wasserflasche an, aus der er gerade etwas getrunken hatte.

„Dort kommen uns zwei Giraffen entgegen, genau auf unseren ausgefahrenen Reifenspuren.“

Sofort orientierten wir uns alle in diese Richtung und entdeckten zwei lange Hälse zwischen hohen Dornensträuchern. Uns beäugend, standen sie mitten auf unserer Sandpiste. Etwa fünfzig Meter fuhren wir langsam weiter und blieben dann stehen. Plötzlich setzten sich die Giraffen wieder in Bewegung und liefen langsam auf uns zu. Ohne Scheu ignorierten sie unsere Anwesenheit und trabten, sich teilend, rechts und links am Geländefahrzeug vorüberziehend, als wollten sie Fotofreunde auf beiden Sitzseiten eine Gelegenheit bieten, ihr persönliches Foto zu schießen, unverstellt und aus aller Nähe.

Kaum waren die Giraffen hinter uns verschwunden, platzte bei einigen die Freude über diese Begegnung nur so heraus.

„Ich glaub es nicht!“, schallte es über uns hinweg.

„Man war das geil. Kann es noch gar nicht fassen, dass wir gleich am ersten Tag solch eine Tiershow erleben. So kann es weiter gehen.“, stieß ein älterer Herr hervor und betrachtete aufgeregt den Film seiner Video-Aufnahme mit immer noch ungläubigen Augen.

Und so ging es auch mehr oder weniger weiter. Nicht nur Tierbegegnungen, die uns begeisterten, sondern auch die an uns vorüber ziehende Landschaft war von beeindruckender Schönheit. Freie Sicht auf eine endlose Weite, einer in allen Rot-Schattierungen aufleuchtenden Kalahari, einer wüstenähnlichen Trockensavanne.

Irgendwie, fast unbemerkt veränderten sich bei unserer mehrstündigen Kalahari-Tour so nach und nach die Landschaftsformen. Aus einer endlosen Ebene wurden wellenförmige Sanddünen und aus einer flachen, geradeaus führenden Straßenführung, eine Berg und Talfahrt. In teilweise von Dornensträuchern, Wüsten- und Dünengräsern überzogenen Sandfläche, ragten vereinzelte Akazienbäume nach oben, wie Wächter in einer überlebensfeindlichen Umgebung.

Und genau unter solch einer Baumansammlung wurde angehalten und wir vom Ranger gebeten auszusteigen.

„Schaut mal nach oben!“, begann er uns auf etwas aufmerksam zu machen.

„Hier oben in den Baumkronen könnt ihr euch über eine große Ansammlung von Webervögeln freuen. Weltweit findet ihr hier die größten Gemeinschaftsnester – meist bis zu drei Meter Durchmesser – in denen zusammen gelebt und gebrütet wird.“

Von den Webervögeln mit ihren besonderen Brutbedingungen hatte ich zwar schon gehört, aber hier genau unter einem solch gewaltigen Gemeinschaftsnest zu stehen, war dann doch etwas ganz anderes.

Da es viele verschiedene Sorten von Webervögeln gab wurde unser Ranger daraufhin angesprochen. Hier waren es Siedelweber, eine weitverbreitete Art, beschränkt auf Zentralnamibia und die Zentralkalahari. Siedelweber waren sperlingsähnliche, bis zu 14 Zentimeter große Webervögel. Sie waren lebhafte und lautstarke Koloniebrüter, deren Gemeinschaftsnester aus Gräsern bestanden und in Bäumen oder bei mangelnder Möglichkeit, diese auch an Telefonmasten aufbauten.

Der Nestbau wurde von einigen Vögeln durch den Bau des Daches, an einem kräftigen Ast begonnen. Danach begannen die an der Kolonie beteiligten Paare, ihre Einzelnester mit den Eingängen nach unten hängend, anzubauen. Die Nester wurden jahrelang genutzt und mit der Zeit immer größer. Oft brachen die Äste unter der Last des Nestes zusammen und die ganze Gemeinschaftsbehausung oder Teile davon, fielen zu Boden. Es gab Bauwerke mit über vier Metern in der Breite, mit weit über hundert Nestern.

Ganz so groß waren unsere Weber-Nester zwar nicht, aber der über zwei Meter Breite Anblick war schon gewaltig.

„Eine Kommune, wie in einem Hochhaus!“, kommentierte eine Dame ganz aufgeregt und versuchte so nah wie möglich an das Bauwerk heranzukommen.

„Ich würde da drunter nicht stehen bleiben“, klärte unser Ranger die Dame lachend auf.

„Die Vögel misten ständig aus und werfen ihren Kot nach unten.“

„Oh je, das wäre nicht gut.“, kommentierte sie den Ratschlag und trat sogleich ein Meter nach hinten weg.

Trotz der Warnung fotografierten wir alle diesen Prachtbau, gänzlich Kot frei von allen Seiten, um kurz darauf wieder im offenen Geländewagen zu verschwinden und den vom Ranger angekündigten Treffpunkt aller vier Fahrzeuge anzusteuern.

Jetzt wurden die Dünen immer größer, die Hänge steiler und die Fahrrinnen tiefer. Oft blieben wir am Hang stecken, rollten wieder rückwärts und wühlten uns beim zweiten Anlauf mit aufheulendem Motor nach oben. Ohne Allrad-Antrieb wären wir hier sicherlich aufgeschmissen.

„So Leute, wir sind gleich am Ziel.“, verkündete unser Ranger lautstark, den Motorlärm übertönend.

„Vor uns liegt die letzte Auffahrt, aber auch die Steilste. Oben auf der Düne ist unser Treffpunkt. Sichert eure Sachen vor dem herausfallen und haltet euch fest.“, fügte er hinzu und musterte dabei skeptisch die vor uns auftauchende Dünenwand.

Am Ziel angekommen, wollten wir oben bei einem Dünen-Picknick den Sonnenuntergang genießen. Wir waren dort nicht die einzigen, auch mehrere Giraffen hatten sich dort eingefunden.

Kurz vor dem Sonnenuntergang wurden die Schatten immer länger und die Düne verfärbte sich feuerrot.

Fast in den ausgefahrenen Fahrrillen verschwindend, zog unser Geländewagen ruckartig an und nagelte uns förmlich an die Rückenlehne. Im schrägen Anstiegs-Winkel schossen wir die ersten zehn Meter nach oben. Im Slalomkurs der ausgefahrenen Radspuren, wurden wir dabei hoch und runter und beidseitig hin und her geschleudert.

Trotz Anfangstempo wurde unser Fahrzeug immer langsamer. Doch diesmal hatten wir Glück und mussten nicht noch einmal zurückrollen und neu starten. Mit Vollgas und durchdrehenden Rädern erklommen wir den Dünengipfel mit viel Geschick und Können des routinierten Fahrers. Eine Sandstaubwolke zurücklassend, rollten wir auf der Dünenebene langsam aus.

Die anderen drei Fahrzeuge standen schon in Reih und Glied aufgereiht zwischen mehreren Akazienbaumkronen. Alle Insassen scharten sich um Issi, die uns erwartete. Aus unserem Hochsitz herauskletternd, gesellten wir uns zu den anderen und warteten auf Issis Info zum heutigen Abend.

„Das kann doch nicht wahr sein!“, vernahmen wir den Schreckensruf einer älteren Dame, die den kleinen Rucksack ihres Mannes in den Händen haltend. darin herumkramte.

„Die sind alle kaputt. Völlig zerdrückt, die schönen Eier.“, fuhr sie fort und hielt dabei ihrem Mann eine Plastiktüte mit den darin befindlichen, völlig zerdrückten Eiern vor die Nase.

„Die habe ich dir beim Frühstück eingetütet und in den Rucksack gesteckt. Hast du dich da drauf gesetzt?“

„Ja meine Liebe, dann musst du mir beim nächsten Mal Bescheid sagen, wenn du wieder etwas einpacken solltest.“, antwortete ihr Mann lachend.

„Die wurden bei der Dünenauffahrt bestimmt zerdrückt, denn den Rucksack habe ich umbehalten.“

„Ist alles halb so wild.“, meldete sich Issi zu Wort.

„Den Tüteninhalt könnt ihr hier entsorgen. Ist für Käfer und Vögel ein Festtagsfressen.

Und nun zu uns. In einer halben Stunde beginnt der Sonnenuntergang. Den wollen wir uns anschauen. Ein spektakulärer Abendausklang, hoch oben auf einer roten Kalahari-Sanddüne. Das ist doch ein Erlebnis, oder?“

Sich umdrehend und zu den Fahrzeugen weisend, fuhr sie fort:

„Sicherlich habt ihr schon mitbekommen, unsere Fahrer und Ranger sind dabei, ein Büfett aufzubauen. Damit euch der Magen nicht knurrt, denn Abendessen gibt es in der Lodge erst nach unserer Rückkehr gegen 20 Uhr. Hier gibt es ein Snack-Angebot mit ausreichendem Getränkenachschub. Das heißt, kalte Limonaden, Flaschenbier, Gin-Tonic und reichlich Sekt zum Anstoßen beim Sonnenuntergang.“

Fantastisch! Ich konnte es kaum glauben mit welcher Geschwindigkeit und Routine unsere Fahrer und Ranger das soeben von Sissi erwähnte Wüsten-Büfett errichteten. Die großgeräumigen, an den Rückseiten der Geländewagen befestigten Transportbehälter, enthielten alles, was dafür benötigt wurde. Vier zusammengestellte, ausklappbare Tische wurden ruckzuck zum vier Meter langen Versorgungsstützpunkt eingedeckt und mit Snacks und den verschiedensten Getränken bestückt.

Nicht umsonst beeilte man sich so beim Aufbau, denn die Dämmerungsphase war schon weit fortgeschritten und beim einsetzenden Sonnenuntergang sollte jeder sein Glas Sekt, oder was auch immer, in der Hand halten und den Augenblick der einsetzenden glutroten Sonneneinstrahlung genießen.

Und dann war es soweit. Feuerrot leuchtete der Sand unter unseren Füßen. Als der Sonnenball, der Dünenrand und der Horizont auf einer Linie lagen, warf jeder Strauch und jede kleine Unebenheit auf dem Dünenplateau lange Schatten und alle Gespräche verstummten.

Ein Feuerwerk der Farben überzog die Düne mit all ihren Schattierungen. Was für ein Naturschauspiel. Tief beeindruckt von der Schönheit dieses Augenblicks, stand ich nachdenklich zwischen all den anderen Anwesenden und verfolgte den weiteren Ablauf.

Es war schon etwas Besonderes, an einem Picknick, mitten in der Kalahari, beim Sonnenuntergang dabei zu sein. Mit einem Glas Sekt, einem Gin Tonic oder was auch immer in der Hand haltend, auf einer glutroten Sanddüne zu sitzen, war schon ein erhebendes Erlebnis.

Mir ein neues Glas Sekt holend, fotografierte ich die sich ständig verändernde Farbgestaltung der Dünenlandschaft mit ihren wenigen Kameldornakazien und Dornenbüschen zwischen halbvertrockneten Dünengräsern.

Alle waren jetzt auseinandergelaufen, belagerten das Büfett, fotografierten sich gegenseitig in dieser unwirklich aufleuchtenden Dünenumgebung oder saßen mitten im Sand und beobachteten die immer länger werdenden Schatten in ihrer Umgebung.

Mich zu Ulla setzend, die hinter den vier Geländewagen mit Snackteller und einer Flasche Bier, mitten im Sand ihren Platz gefunden hatte, wurde ich auf eine Gruppe Giraffen aufmerksam, die zwischen den Kameldornakazien auftauchten.

„Schau mal Ulla, wir bekommen Besuch.“, machte ich auf die vier Giraffen aufmerksam.

„Das gibt’s doch nicht.“, murmelte sie aufstehend vor sich hin und griff nach ihrem Fotoapparat.

„Ulla, wir haben einfach Glück. Und das alles am ersten Tag unserer Rundreise.“, antwortete ich und konnte es selbst kaum glauben. Alle anderen wurden jetzt auch darauf aufmerksam und zückten ihre Kameras. Für einen Augenblick standen die Giraffen im Fokus der Tierfreunde und nicht der Sonnenuntergang.

Solch ein Zusammentreffen konnte man natürlich nicht vorausahnen, war nicht planbar. Schließlich waren wir in der Kalahari und nicht im Zoo. Auch die Giraffen schienen von unserer Anwesenheit etwas überrascht zu sein, denn im ersten Augenblick standen sie in einer Reihe aufgereiht nebeneinander und begutachteten misstrauisch die dort anwesenden Zweibeiner. Doch das währte nicht allzu lange. Der Mindestabstand schien vorhanden zu sein und man ignorierte einfach die gegenseitige Anwesenheit.

Es war schon etwas Besonderes, an einem Picknick, mitten in der Kalahari beim Sonnenuntergang dabei zu sein.

Mit einem Glas Sekt, einem Gin-Tonic oder was auch immer in der Hand haltend, auf einer glutroten Sanddüne zu sitzen, war schon ein erhebendes Erlebnis.

Picknick auf der Sanddüne.

Schade! Viel zu schnell verging der schöne Abend, der uns für immer im Gedächtnis bleiben wird.

Für uns natürlich ein Idealzustand, den wir ausgiebig nutzten und dabei viele Fotos schießen konnten. Und das alles beim Sonnenuntergang, inmitten einer glutrot aufleuchtenden Sanddüne, deren Unebenheiten immer länger werdende Schatten warfen.

Alle Sinne auf Aufnahme gestimmt, verfolgte ich schweigend den Moment, als die Sonne nun endgültig hinterm Horizont abtauchte und die rot aufflammenden Sanddünen langsam ihr leuchten verloren und mit der plötzlich einsetzenden Dämmerung verblassten.

Kaum war die Sonne verschwunden, wurde es merklich kühler. Leichter Wind säuselte durch die Kameldornakazien, hinter denen immer noch die auf- und ab wippenden Hälse der weiterziehenden Giraffen sich zeigten. Meine Strickjacke überziehend, beobachtete ich unsere Fahrer beim Büfettabbau, die Gläser, Teller, Schüsseln und Tische in ihren Transportbehältern verstauten und Issi schon nach wenigen Minuten den Vollzug melden konnten.

„Na habe ich euch zu viel versprochen?“, meldete sie sich daraufhin zu Wort und drängte zum Aufbruch.

„Leute wir müssen langsam los. Die Dämmerung dauert hier nicht allzu lange. In zwanzig Minuten ist es stockdunkel. Außerdem dauert unsere Rückfahrt zur Lodge noch eine gute Stunde.“

Mehr oder weniger hatten alle darauf gewartet, denn der aufkommende Wind war ein unangenehmer Begleiter, ließ alle fröstelnd nach Pullover und Jacken greifen, denn der Temperaturunterschied in der Kalahari, zwischen heißen Tages- und kühlen Nachttemperaturen war immens.

Keine zehn Minuten später saßen wir alle auf unseren schon bei der Anfahrt genutzten Plätzen. Hintereinander fahrend rollten die vier Geländewagen langsam von der im Dämmerlicht liegenden, einst glutroten Sanddüne. Auf den abenteuerlichen Anfahrtsweg mit Schüttel- und Schleudereffekten, wurde verzichtet und eine einigermaßen glatte Ersatzstrecke genutzt.

Kurz vor zwanzig Uhr endete unsere Rückfahrt am Eingang der Kalahari Anib Lodge.

„Hört mal her Leute.“, meldete sich Issi zu Wort.

„Euer Büfett zum Abendessen ist vorbereitet. Wir sitzen draußen auf der Gartenterrasse. Getränke müsst ihr selbst zahlen. Frühstück gibt’s morgen früh um sieben und um acht Uhr starten wir zur Weiterfahrt nach Keetmanshoop. Alles Weitere morgen im Bus.“

An diesem Abend saßen wir bis 23 Uhr beisammen. Irgendwie wollte keiner gehen. Bei mehreren Grillgerichten von Antilope, Kudu oder Steak vom Strauß, mehreren Suppen und Süßspeisen als Nachtisch, wurde kräftig zugelangt und mit kühlem Bier, oder einer Flasche Wein aus Südafrika herunter gespült.

Ein auf Leinwand projektierter Sonnenuntergang auf offener Kalahari-Seite, verzauberte den Ort und stand mit dem flackernden Kerzenlicht auf allen Tischen im Wettstreit, um die Gunst aller Anwesenden. Und noch etwas blieb mir im Gedächtnis haften, ein so noch nie gesehener Sternenhimmel. Dank der sauberen Luftschichten über uns, glitzerten unzählige Sterne und Himmelskörper durch die über uns hinwegreichenden Baumkronen, in einer Intensität, die ich so noch nie gesehen hatte.

Später, als ich im Bungalow mein Nachtlager einnahm, lag ich noch lange wach und betrachtete vom Bett aus, durchs rückwärtige Fenster blickend, die endlos vor mir liegende Kalahari und den klaren Sternenhimmel, die beide am Horizont zusammenflossen. Einfach nur schön.

Keetmanshoop und der Köcherbaumwald

Pünktlich acht Uhr zuckelte unser Bus in behäbigem Tempo vom Parkplatz der Kalahari Anib Lodge und ordnete sich ein, als alleiniger Verkehrsteilnehmer in die etwa ein Kilometer entfernt liegende Zubringerstraße Richtung Keetmanshoop. Die schrägen Strahlen der aufgehenden Sonne tauchten die im Kreis angeordneten Bungalows der Anib Lodge, samt ihren Verwaltungsgebäuden in ein gleißendes Licht. Die langen Schatten werfenden Gebäude standen im Kontrast mit der bis zum Horizont reichenden und in den verschiedensten rötlichen Farben aufleuchtenden Umgebung.

Tief in Gedanken versunken betrachtete ich diesen Anblick mit etwas Wehmut. Der gestrige Eingewöhnungstag in Namibias Wüstenklima, verbunden mit den ersten Erlebnissen bei unserer Safari-Tour, zahlreichen Tierbegegnungen und den nächtlicher Sternenhimmel in einer so noch nie gesehenen Intensität, waren fest in mir verankert.

Doch Wehmut hin und Wehmut her, vor uns lag ein neues Ziel, das etwa 280 Kilometer entfernt liegende Keetmanshoop, mit zwei Übernachtungen im dort am Ortsrand liegenden Hotel „Central Lodge“. Während unser Bus auf der einigermaßen glatten Fahrbahn voranrollte, verfolgte ich am Fenster die vorüberziehenden Landschaften mit mehr oder weniger Interesse, da dort außer Gras-, Sand- und Buschflächen nichts Aufregendes zu erspähen gab.

So etwa nach halbstündiger Fahrt wurden wir aus unserer gemeinsamen Trägheit gerissen, als Issi uns über den weiteren Ablauf informierte und uns auf etwas aufmerksam machte, unser Bus stoppte und langsam am linken Straßenrand ausrollte.