Im wilden Balkan - David Urquhart - E-Book

Im wilden Balkan E-Book

David Urquhart

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Beschreibung

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlor das Osmanische Reich, in seiner Blütezeit einer der mächtigsten Staaten der Weltgeschichte, mehr und mehr an innerer Kraft. Wichtige, an den Rändern gelegene Regionen wie etwa Ägypten erklärten ihre Unabhängigkeit und insbesondere in Südosteuropa gelang es zahlreichen Volks- und Sprachgruppen immer besser, sich gegen die als bedrückend empfundene osmanische Oberherrschaft zur Wehr zu setzen. Auf ein großes allgemeines Interesse stieß dabei der mühevolle griechische Unabhängigkeitskampf, und nicht von ungefähr prägte man in Europa damals mit Blick auf den Orient das Wort vom "Kranken Mann am Bosporus". Allerdings waren sich die europäischen Nationalstaaten nicht einig darüber, wie man sich den Osmanen gegenüber nunmehr am besten zu verhalten hätte. Insbesondere England sah sich durch eine mögliche Ausdehnung der russischen Interessensgebiete bedroht, sodass man sich in London eher für den Erhalt des Reichs einsetzte, das sich unter Sultan Abdulmecid I. (1839-1861) und dessen auf das Allgemeinwohl hin ausgerichteten Reformen wieder festigen konnte. Zur besseren Beurteilung der Lage brachen wiederholt britische Gesandtschaften nach Konstantinopel auf, und auch Reisende sahen sich in den bedrohten Grenzregionen in teils offiziellem, teils inoffiziellem Auftrag nach den aktuellen politischen Gegebenheiten um. Im Jahr 1830 unternahm der Schotte David Urquhart eine solche Reise, die ihn von der Peloponnes über Mittelgriechenland und Thessaloniki nach Skutari/Skodar im heutigen Albanien führte. Der vorliegende Band hat Urquharts Erlebnisse vom Berg Olymp bis an die albanische Adriaküste zum Inhalt, eine Reise, die ihn, den begeisterten Freund und Bewunderer der türkischen Lebensweise, durch die eindrucksvollen, aber auch gefährlichen Täler und Schluchten des Balkangebirges führte.

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Dr. Lars Hoffmann, Studium der Evang. Theologie in Erlangen und Münster sowie der Byzantinistik, der Geschichte und der Gräzistik in Münster und Wien. Ab 1988 Mitarbeiter am Projekt Lexikon der Byzantinischen Gräzität der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie zusätzlich ab 1990 Mitarbeiter bei der Neuausgabe der Predigten des Gregor von Nazianz für das Corpus Christianorum. Seit 1996 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz. Seit 2001 Sekretär der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Byzantinische Studien.

Zum Buch

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlor das Osmanische Reich mehr und mehr an innerer Kraft. Wichtige, an den Rändern gelegene Regionen wie etwa Ägypten erklärten ihre Unabhängigkeit und in Südosteuropa gelang es zahlreichen Volks- und Sprachgruppen immer besser, sich gegen die osmanische Oberherrschaft zur Wehr zu setzen. Auf ein großes allgemeines Interesse stieß dabei der mühevolle griechische Unabhängigkeitskampf, und nicht von ungefähr prägte man in Europa damals mit Blick auf den Orient das Wort vom »Kranken Mann am Bosporus«. England sah sich durch eine mögliche Ausdehnung der russischen Interessensgebiete bedroht, sodass man sich in London eher für den Erhalt des Reichs einsetzte, das sich unter Sultan Abdulmecid I. und dessen Reformen wieder festigen konnte. Zur besseren Beurteilung der Lage brachen britische Gesandtschaften nach Konstantinopel auf, und auch Reisende sahen sich in den bedrohten Grenzregionen nach den aktuellen politischen Gegebenheiten um. Im Jahr 1830 unternahm der Schotte David Urquhart eine solche Reise, die ihn vom Peloponnes über Mittelgriechenland und Thessaloniki nach Skutari / Skodar im heutigen Albanien führte.

Eine der zugleich faszinierendsten wie auch zwielichtigsten Gestalten aus der großen Gruppe der europäischen Reisenden des 19. Jahrhunderts ist der Schotte David Urquhart (1805-1877). Er wurde im Jahr 1805 auf dem schottischen Braelangwell Castle unweit der Stadt Inverness geboren, das seine Familie im Jahr 1790 neu hatte errichten lassen. Die schulische Ausbildung erhielt er in der Schweiz, in Frankreich und in Spanien. Nach seiner Rückkehr in die Heimat ließ er sich zunächst zum Agronomen ausbilden, bevor er zum Studium der Altertumswissenschaften an das St. John’s College in Cambridge wechselte. Aufgrund fi nanzieller Probleme seiner verwitweten Mutter konnte er dieses jedoch nicht mehr abschließen. Wie zahlreiche seiner Zeitgenossen war auch David Urquhart vom griechischen Unabhängigkeitskampf begeistert. Deswegen ging er im Jahr 1827 mit dem in Großbritannien in Ungnade gefallenen Admiral Thomas Cochrane in den Orient, der dort eine griechische Flotte aufzubauen versuchte. Allerdings scheiterte er mit diesem Unternehmen an der Disziplinlosigkeit und den mangelnden militärischen Fähigkeiten der Griechen. David Urquhart sollte jedoch für die kommenden zehn Jahre im Orient bleiben und entwickelte in dieser Zeit seine große Sympathie für die osmanisch-türkische Kultur und Lebensweise.

ALTE ABENTEUERLICHE REISEBERICHTE

David Urquhart (1805 - 1877)

David Urquhart

IM WILDENBALKAN

Vom Berg Olymp bis zuralbanischen Adriaküste

Um 1830

Herausgegeben und eingeleitetvon Lars Martin Hoffmann

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Es ist nicht gestattet, Abbildungen und Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013Der Text basiert auf der Ausgabe Edition Erdmann, Wiesbaden 2008Korrekturen: Dr. Bruno Kern, MainzCovergestaltung: Nele Schütz Design, MünchenBildnachweis: Gemälde Café turc prè de Sarajevo von Franz RubeneBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0070-9

www.marixverlag.de

INHALT

Einleitung

Erstes Kapitel

Ritt in das Tal Tempe – Ankunft in Ambelákia

Zweites Kapitel

Aufstieg und Niedergang der Handel treibenden Ortschaft Ambelákia

Drittes Kapitel

Aufenthalt im Tal Tempe

Viertes Kapitel

Gegensätze zwischen England und der Türkei

Fünftes Kapitel

Ausflug von Salonika zur Verfolgung von Räubern

Sechstes Kapitel

Kassandra

Siebtes Kapitel

Die Helena von Kassandra

Achtes Kapitel

Altertümliche Nachforschungen in Átheto und Ólynthos – Fest der Räuber und Beraubten – Einfluss der Schulen – Manufakturen auf der Chalkidike – Pläne der Armatolis

Neuntes Kapitel

Bergbau treibende Ortschaft von Chalkidike

Zehntes Kapitel

Verhandlung mit einem Statthalter – Zur See kreuzende Bienen – Revenákia – Biwak – Gomáti – Europäische Sitten – Ein steifer Priester – Herrliche Aussicht – Ákanthos

Elftes Kapitel

Gefangennahme durch Banditen

Zwölftes Kapitel

Der Berg Athos

Dreizehntes Kapitel

Der heilige Berg und seine Bewohner

Vierzehntes Kapitel

Klephten, Piraten und Schmuggler

Fünfzehntes Kapitel

Ernährung – Fieberanfall – Rückkehr nach Salonika

Sechzehntes Kapitel

Zweiter Besuch in Albanien – Veränderte Umstände – Charakter und Wirkung der Ortsregierung – Argyrókastro – Munizipalschulden – Dragomans – Griechisches Verhalten

Siebzehntes Kapitel

Sitten und Erziehung orientalischer Kinder

Achtzehntes Kapitel

Türkische Literatur

Neunzehntes Kapitel

Tepelene – Aufnahme in Berat – Die Geghs

Zwanzigstes Kapitel

Mitternächtliche Abenteuer – Durazzo – Türkische Begriffe von Handel – Europäische Konsuln und Einwohner – Die Franzosen in Ägypten – Mehmed Ali Pascha – Nord-Albanien

Einundzwanzigstes Kapitel

Skodra

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Militärische Bewegungen – Niederlage des Paschas von Skodra

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Redschid Mehmed Pascha Sadrazem

Vierundzwanzigstes Kapitel

Einladung in einen Harem – Mein Wirt, der Imam – Islamkunde

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Das Leben im Harem

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Die Situation der Frauen – Ihr Einfluss auf häusliche Sitten und volkstümlichen Charakter – Vergleich der Sitten im Morgen- und Abendland

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Schluss

EINLEITUNG

Zweifellos ist das 19. Jahrhundert mit seinen schwerwiegenden politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen und der mit dem Jahr 1815 begonnenen Neuordnung Europas (und damit auch der Welt) ein faszinierender Zeitraum, in dem sich der Blick der Menschen mehr und mehr weitete. Den Raum, in dem man lebte, empfand man als zu eng, und nach einer dichten Abfolge von teils erfolgreichen, teils gescheiterten Revolutionen – wozu man auch die Industrialisierung und die fortschreitende Maschinisierung von bislang manuell bewältigten Arbeitsprozessen zählen muss –, verschlechterten sich im alten Europa die Bedingungen für viele Menschen. Insbesondere das Leben auf dem Land wird bei einer permanent steigenden Abgabenlast, durch Missernten und eine rasch anwachsende Bevölkerung erheblich schwieriger, und immer größere Gruppen weichen in die Städte der neu entstandenen wirtschaftlichen Ballungszentren aus. Auch die Auswanderung etwa in die Staaten der Neuen Welt oder in die überseeischen Kolonien der Großmächte veränderte das Leben nicht nur der unter Armut und sozialen Missständen leidenden Menschen, sondern auch der bislang führenden Schichten, die zu einem größeren Teil von den alten Verhältnissen abhängig waren und durch den Zusammenbruch bestehender Strukturen selbst in eine Notlage geraten konnten.

Zu letzteren gehörte der Schotte David Urquhart (Aussprache: Ö‘rqwart [beide Vokale kurz]), der im Jahr 1805 in Braelangwell nicht weit entfernt von Inverness geboren wurde. Seine Familie verfügte zwar nicht über ein grenzenloses Vermögen, doch war man wohlhabend genug, um dem Sohn eine angemessene Ausbildung zu sichern. Seinerzeit gehörte es sozusagen zum guten Ton, sein Kind in ein Schweizer Internat zu schicken, weswegen er in Lausanne oberhalb des Genfer Sees, aber auch in Frankreich und Spanien eine solide schulische Ausbildung erhalten sollte, in der alte und neue Sprachen sowie die Geschichte nicht fehlen durften. Gerade die Sprachkenntnisse, die er sich dabei aneignete, sollten Urquhart in seinem späteren Leben von großem Nutzen sein, zumal auf diese Weise auch die Fähigkeit hinreichend trainiert war, in kurzer Zeit weitere Sprachen zu erlernen. Zurückgekehrt nach England nahm er am St. John’s College in Oxford um das Jahr 1822 ein Studium der Altertumswissenschaften auf, das er jedoch recht bald schon abbrechen musste, weil sein Vater verstorben war und er sich nunmehr um den Familienbesitz zu kümmern hatte. Die wirtschaftliche Lage war jedoch keineswegs gut, weswegen man das Landgut aus den eingangs angedeuteten Gründen aufgeben musste.

Gleichwohl hinterließ bei ihm wie bei zahlreichen seiner Zeitgenossen das Studium der Altertumswissenschaften dahingehend Spuren, dass er sich von der allgemeinen Griechenland-Begeisterung seiner Zeit infizieren ließ, die insbesondere nach dem Tod seines berühmten Landsmannes Lord Byron bei Messolonghi im Jahr 1824 unter den durch den Geist der Romantik geprägten Altertumskundlern seiner Zeit vorherrschte. So schloss er sich der Mannschaft des britischen Seehelden Thomas Cochrane (1775-1860) an, der in der ersten Dekade des 19. Jahrhunderts zahlreiche glänzende Siege für England eingefahren und daraufhin eine politische Karriere begonnen hatte. Doch sollte Cochrane England im Jahr 1817 verlassen, nachdem man ihm drei Jahre zuvor wegen eines Börsenskandals, an dem er eigentlich unbeteiligt war, die Ritterschaft aberkannt hatte. Er übernahm daraufhin Seekommandos in der ganzen Welt und befehligte von 1826-1828 auf Ansuchen des späteren griechischen Ministers Aléxandros Mavorkordátos die neu gebildete griechische Flotte, deren Hauptaufgabe es war, die Piraterie im Bereich der Ägäis einzudämmen.

Urquhart gelangte 1827 nach Griechenland, wo er die letzten Ausläufer des Unabhängigkeitskampfes miterlebte. Nachdem Cochrane sein Kommando aus nicht mehr klar ermittelbaren Gründen aufgab und nach England zurückkehrte – Urquhart weist gelegentlich auf die erwiesene Unfähigkeit der griechischen Seeleute hin –, blieb unser Autor, der es bis zum Fregatten-Leutnant gebracht hatte und während des Angriffs auf Salona/Amphissa im Golf von Korinth schwer verwundet worden war, noch ein Jahr länger im Osmanischen Reich. Er reiste nach Konstantinopel, von wo er dann im Jahr 1829 nach England aufbrach und sich dort die Gunst König Williams IV. zu sichern verstand.

Das erste Londoner Protokoll vom 22. März 1829 sollte die Lage in Griechenland beruhigen. Die Großmächte hatten vereinbart, dass Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld die griechische Königskrone angetragen werden sollte, wobei ihn Urquhart als britischer Kommissar in seine neue Heimat begleiten sollte. Die Sache verlief jedoch im Sande, da Leopold, der spätere erste König von Belgien, das Angebot ablehnte. Denn nach dem Text des Protokolls dachte man an eine konstitutionelle Monarchie, wobei die europäischen Großmächte die wirkliche Souveränität über das Gebiet besaßen. Die Verhandlungen gingen weiter, und im Herbst 1831 wurde der Vicomte Stratford Canning zum britischen Sonderbeauftragten an der Hohen Pforte ernannt. Seine Aufgabe war es, strittige Grenzfragen zwischen Griechenland und dem Osmanischen Reich zu klären, die im dritten Londoner Protokoll vom 30. August 1832 Berücksichtigung finden sollten. Urquharts Kenntnisse der Region waren mittlerweile recht gut bekannt, und so verwundert es kaum, dass er von Canning damit beauftragt wurde, die fraglichen Gebiete zu bereisen.

Der griechische Unabhängigkeitskampf war also bis zu einem gewissen Status quo gelangt und die Staatsgründung stand unmittelbar bevor: Das heutige Nordgriechenland befand sich nicht zuletzt aufgrund der Unzuverlässigkeit der Albaner, die ihrerseits eine politische Eigenständigkeit anstrebten, unter osmanischer Oberherrschaft, während der noch neu zu etablierende griechische Staat das heutige Mittel- und Südgriechenland sowie zahlreiche Inseln umfasste. Urquharts erste Reise nach Konstantinopel führte ihn durch zahlreiche der heftig umkämpften Gebiete, die nun entvölkert und ausgeplündert waren. Eine wirtschaftliche Genesung des Landes schien ihm unmöglich zu sein, was alles in allem zu einer tiefgreifenden Revision seiner persönlichen Ansichten führte.

Bereits als Jugendlicher hatte er, der selbst vom Land stammte, massiv unter dem Wechsel der äußeren Bedingungen gelitten, denn ohne Personal und ausreichende Geldmittel konnte das elterliche Gut nicht mehr bewirtschaftet werden. Jetzt erlebte er wiederum, dass eine grundlegende Änderung der äußeren Umstände zum Schlechten führte, denn so beurteilte er nunmehr den griechischen Aufstand, der in seinen Augen einzig Vertreibungen, Raub, Tod und den wirtschaftlichen Niedergang ganzer Landschaften zur Folge hatte. Im hier vorgelegten Band deutet er jedoch an, dass er den Orient nach seiner ersten Reise noch mit einem tiefen Widerwillen gegen all das verließ, was er erlebt und gesehen hatte. Allerdings habe er zum damaligen Zeitpunkt das türkische Wesen noch nicht genügend begriffen, um zu einer angemessenen Bewertung des Gesehenen kommen zu können.

In den Jahren 1830 und 1831 hielt er sich noch zwei Mal in den umkämpften Gebieten auf, für die die europäische Diplomatie noch immer nach einer geeigneten Lösung suchte. Diese zweite und dritte Reise, über die er in dem hier vorgelegten sowie in dem ersten Band Reisen unter Osmanen und Griechen. Vom Peloponnes zum Olymp in einer ereignisreichen Zeit berichtet, finden nun in jener Übergangsphase zwischen dem Ende der großem Kämpfe und der offiziellen Gründung des Königreichs Griechenland statt. Hier tritt Urquharts Sinneswandel ganz offen zutage: Das schlechte, abzulehnende Ereignis ist der griechische Aufstand, bei dem es sich nur um ein Ränkespiel der vereinigten europäischen Diplomatie zu Lasten Englands und vor allen Dingen der Türken handeln könne. Die Osmanen hingegen werden als die guten, großherzigen Verwalter eines riesigen Reichs dargestellt, das von Konstantinopel aus unter dem leichten Los des Islam regiert worden sei. Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse werden idealisiert, erinnern ihn jedoch an die Tage seiner Kindheit auf dem Land, als sich die Welt noch in guter Ordnung befand. Die Kernaussage dabei ist, dass die Türkei trotz der gravierenden Einschnitte noch immer ein starker, lebenskräftiger Staat sei, an dem sich sogar England ein Vorbild nehmen könne. Als den eigentlichen Feind sowohl der türkischen als auch der britischen Interessen macht Urquhart nun Russland aus, das eine weltpolitische Hegemonie anstrebe und sich insbesondere in Südosteuropa sowie im Kaukasus zu Lasten des Osmanischen Reiches – und damit auch zu Lasten von dessen natürlichem Verbündeten, nämlich England, ausdehnen wolle. Doch darauf soll weiter unten noch einmal genauer eingegangen werden.

Im Jahr 1833 machte sich Urquhart neuerlich auf den Weg nach Konstantinopel, von wo er nach Tscherkessien an der Ostküste des Schwarzen Meeres reiste. Welche Ziele er dabei verfolgte, ist nicht ganz klar. Einiges spricht jedoch dafür, dass er im offiziellen Auftrag unterwegs war, um die politische Lage zu sondieren und abzuklären, inwieweit Russland zu einer Ausdehnung seiner Interessenssphären bereit wäre und den englischen Interessen ein weiterer Schaden drohe. Urquhart tarnte sich während dieser Reise als Kaufmann und vermied es peinlichst, seine wahre Existenz zu erkennen zu geben. Bald darauf kehrte er nach London zurück. Dort gründete er sein Portfolio, in dem er zwischen dem November 1835 und dem Mai 1837 in 45 Heften die wichtigsten russischen Dokumente und Akten zur sogenannten Orientalischen Frage publizierte, um damit die Alleinschuld Russlands am Niedergang des Osmanischen Reichs und der daraus folgenden internationalen Verwicklungen zu erklären. Auch in der Gründung des modernen Griechenlands müsse man das Ergebnis einer russischen Verschwörung sehen.

Allerdings blieb er nicht lange in England, und als man 1836 einen Botschaftssekretär für Konstantinopel suchte, der des Türkischen mächtig wäre, nutzte er diese Gelegenheit für eine Rückkehr in den so geliebten Orient und nahm diesen Posten gerne an. Allerdings wandelte sich Urquhart nun selbst zum Türken: Er kleidete und verhielt sich türkisch, gründete einen entsprechenden Hausstand und ließ sich David Bey nennen. Auch dem Vicomte John Ponsonby gegenüber, der die britische Gesandtschaft an der Hohen Pforte von 1832 bis 1841 leitete, verhielt er sich so schlecht, dass dieser sich nur mit weniger Nachdruck für Urquhart einsetzte, als dies notwendig gewesen wäre. Auslöser dafür dürfte unter anderem gewesen sein, dass Ponsonby zu den seinerzeit prominentesten Vertretern der sogenannten Whigs gehörte, also zu den politischen Gegnern Urquharts. Dieser stattete sozusagen als Nachtrag zu seiner Reise zu den Tscherkessen im Herbst 1836 auf eigene Kosten ein Schiff aus, das im Schwarzen Meer Handel treiben, aber auch die russische Blockade der kaukasischen Tscherkessen durchbrechen sollte. England hätte damit den die Waren verteuernden Transithandel durch Russland vermeiden können, denn der Suez-Kanal, der den Seeweg in das indische Kolonialreich so entscheidend verkürzen sollte, wurde ja erst im Jahr 1869 eröffnet. Vieles spricht dafür, dass Urquhart hier nicht ganz aus freien Stücken handelte, sondern dass er mit einer gewissen Rückendeckung aus London rechnen durfte. Oder sollte diese waghalsige Aktion gar einen russisch-englischen Krieg provozieren, bei dem die Türkei als natürlicher Verbündeter Englands hätte auftreten und sich einen neuen, stärkeren Einfluss auf die europäische Politik sichern können? Urquharts Unternehmung scheitert jedoch, da die russische Marine sein Schiff, das den bezeichnenden Namen Füchsin (engl. Vixen) trug, im Schwarzen Meer aufbrachte und festsetzte. Von London erwartete er nun eine Intervention der britischen Regierung, doch diese blieb aus, da der britische Außenminister Lord Palmerston zu diesem Zeitpunkt einem ernsteren Konflikt der beiden Großmächte aus dem Weg gehen wollte. Gleichwohl hatte die Sache für Urquhart persönliche Konsequenzen, denn wegen seines oft flegelhaften Benehmens und seiner offen gezeigten „Türkentümelei“ wurde er 1837 aus Konstantinopel abberufen, um sich dafür vor der britischen Regierung zu rechtfertigen. Auch der Tod seines königlichen Gönners in demselben Jahr, auf den die große Viktoria folgen sollte, trug dazu bei, dass unser David Bey über keine nennenswerte politische Unterstützung mehr verfügte und in offizieller Mission nicht mehr in den Orient zurückkehren durfte.

Eigentlich hätte Urquhart mit der politischen Entwicklung jener Jahre zufrieden sein können, denn Palmerston, den man wegen seiner rigiden Politik in England auch Lord Bimsstein oder Lord Brandstifter nannte, schlug seinen Kabinettskollegen immer wieder eine finanzielle und militärische Unterstützung der Türkei vor. Insbesondere die türkisch-russische Annäherung, die in den Vertrag von Hünkar Iskelesi mündete (1833) und die die Passage der Dardanellen und des Bosporus für Kriegsschiffe fremder Nationen erheblich einschränkte, betrachtete er mit großem Misstrauen – etwas, was in jener Zeit übrigens auch schon für Urquhart selbst galt. Dessen Abenteuer mit der Vixen könnte man vor diesem Hintergrund vielleicht auch als einen britischen Versuch bewerten, den Vertrag von Hünkar Iskelesi auf mögliche russische Reaktionen zu testen. Bis zum Ende der 30er-Jahre des 19. Jahrhunderts konnte Palmerston jedoch seine Kabinettskollegen nicht wirklich von der Notwendigkeit solcher Maßnahmen überzeugen.

Erst die großen militärischen Erfolge Mehmed Ali Paschas von Ägypten, der nach dem Tod des Sultans Mahmud II. im Jahr 1839 schon im Folgejahr Syrien quasi im Handstreich einnahm und nach Konstantinopel vorzudringen drohte, führten zu einer gemeinsamen europäischen Reaktion zugunsten des Osmanischen Reichs, bei der nur Frankreich auf Mehmed Alis Seite verblieb. Diese Intervention führte nun dazu, dass Mehmed Syrien wieder räumen musste, auch wenn er Ägypten als erbliches Vizekönigtum, das nur formell unter der Oberherrschaft des Padischahs stand, behalten durfte. Abdülmecid I. (1839–1861), dem Sohn und Nachfolger Mahmuds, gelang es, das von seinem Vater eingeleitete Reformwerk fortzusetzen und das Osmanische Reich mit Hilfe seines Urquhart verhassten Großwesirs Chosrew Pascha vor dem drohenden Untergang zu bewahren. Den politischen Status quo sicherte einstweilen die Londoner Konvention vom 13. Juni 1841. Übrigens hatte Mahmud II. den preußischen Generalstabsoffizier Helmuth von Moltke (1800–1891) in sein Land geholt und diesen mit der Reform seines Heeres betraut. Moltke war es auch, der die stehende Wendung vom Kranken Mann am Bosporus prägte. Die von ihm eingeleiteten Maßnahmen, die etwa zur Einrichtung eines größeren stehenden Heeres, zu einer modernen militärischen Sicherung der Grenzen, aber auch zu einem Wechsel des äußeren Erscheinungsbildes führen sollten – statt der traditionellen Gewänder trug man nun preußisch-blaue Uniformen –, kommentiert Urquhart dabei in seinen Reiseberichten mit Abscheu und fragt sich, wo denn die gute alte Zeit geblieben sei, in der Soldaten noch Helden gewesen wären.

Damit ist eigentlich auch Urquharts weiteres Geschick schon angedeutet, denn er lebte in dem, was war, und nichts lehnte er so sehr ab wie politische und soziale Neuerungen. Was seine weitere Laufbahn betraf, fuhr er sich auf diese Weise selbst auf ein Abstellgleis, und Russland wurde für ihn mehr und mehr zum Prinzip des Bösen, das für jede schlechte Entwicklung in Europa verantwortlich gemacht wurde. Diese Ansichten vertrat er mit einem echt britischen Starrsinn bis zu seinem Tod, und es verwundert kaum, dass man ihn im Großen und Ganzen nicht weiter ernst nahm. Auch politisch verlor er seine Freunde, da er sich sozusagen mit Haut und Haaren zu dem streng konservativen Flügel der Tories bekannte, der britischen Hofpartei – er sagte einmal über sich selbst, er sei ein Tory im reinsten Sinn des Wortes, ein Tory wie zu Zeiten von Anne Stuart –, die sich unter anderem für einen weitgehenden wirtschaftlichen Liberalismus und für eine Beschneidung der Macht der Parlamente einsetzte. Als es Ende der 50er-Jahre des 19. Jahrhunderts zu einer politischen Annäherung zwischen den liberalen Teilen der Tories und den Whigs kam und man im Jahr 1859 die Liberale Partei gründete, lehnte Urquhart all dies entschieden ab.

Zwischenzeitlich sollte er jedoch noch einmal in geheimer Mission auf Reisen gehen, denn es ist gewiss kein Zufall, dass er Spanien (und Marokko) ausgerechnet in jener Zeit besuchte, als der sogenannte erste Carlistenkrieg (1833–1840) zu Ende ging. Nach dem Tod des spanischen Königs Ferdinand VII. war es 1833 zu Thronstreitigkeiten zwischen Maria Cristina von Neapel-Sizilien und dem Prätendenten Karl V. gekommen, die in einen langjährigen Bürgerkrieg münden sollten. Offenbar lag es nun in Palmerstons Interesse, doch etwas mehr über die Lage auf der Iberischen Halbinsel zu erfahren, und ob wirklich mit einer nachhaltigen Befriedung der Region zu rechnen sei. Denn mit Gibraltar, das seit 1830 britische Kronkolonie war, galt es auch englische Interessen in der Region zu wahren. Über diese Reise hat Urquhart einen Bericht hinterlassen, der im Ton und in der allgemeinen Bewertung der Dinge und der menschlichen Natur durchaus mit den orientalischen Reiseberichten übereinstimmt. Welche Nachrichten Urquhart nun an seinen Chef, den Außenminister Palmerston übermittelte, geht aus dem vorliegenden Text natürlich nicht hervor.

In den folgenden zehn Jahren sollte Urquhart jedoch noch einmal eine gewisse politische Karriere machen. Im Jahr 1847 zog er nämlich für die Stadt Stafford in das britische Unterhaus ein und behielt dieses Mandat bis 1852. In dieser Zeit steigerte sich sein Hass auf Russland ins Pathologische, was ihn und seine Anhänger schließlich die politische Glaubwürdigkeit kosten sollte. Insbesondere nach dem Ausbruch des Krim-Krieges (1853–1856) betrieb er eine heftige Opposition gegen die Regierung, der er eine Verharmlosung der russischen Gefahr zu Lasten der britischen Interessen vorwarf. Auch lehnte er als überzeugter Tory die Einmischung Englands in den Krieg ab und wies vehement darauf hin, die Türkei sei stark genug, um sich selbst zu verteidigen und ihre Interessen zu wahren. Alles andere sei eine Beleidigung dieses Landes. Seine nach wie vor bestehenden Verbindungen zu den Tscherkessen nutzte er dahingehend, dass er im Mai 1854 ein allgemeines Schreiben an zahlreiche Stammeshäuptlinge verfasste, in dem er ausdrücklich vor der Hilfe Englands warnte – mit dem Erfolg, dass die entsprechenden Hilfsangebote tatsächlich auch allesamt abgelehnt wurden. Damit hatte Urquhart jedoch den Bogen eindeutig überspannt, und bei der einen Monat später anstehenden Neuwahl zum Unterhaus erhielt er keine einzige Stimme. Um seinen Forderungen einen gewissen Nachdruck zu verleihen, hatte Urquhart eine Reihe von außenpolitischen Komitees gegründet und eine Schar von Aktivisten um sich versammelt, die in England recht bald schon den Namen der Urquhartisten (engl. Urquhartites) erhielt. All diese Gruppen standen der konservativen Partei nahe, auch wenn sie sich zum Teil gegen diese Bezeichnung zur Wehr setzten, da eine zu große Nähe zum Namensgeber sämtliche Bemühungen in Misskredit zu bringen drohte. Dennoch war die Furcht vor Russland auch in den folgenden Jahren kein unbekanntes Thema: Palmerston, der es von 1855–1858 noch als Whig und von 1858–1865 als Liberaler zum britischen Premierminister brachte, wurde von Seiten der Urquhartisten offen als russischer Agent bezeichnet, und Urquhart selbst lieferte 1866 mit seinen Materials for the True Story of Lord Palmerston die scheinbar unwiderlegbaren Belege für diese These. Auch die europäischen 48er-Revolutionen hätte allein Russland initiiert, der amerikanische Bürgerkrieg galt dort als ein Machwerk russischer Geheimagenten und noch Benjamin Disraeli sollte nach Urquharts Tod in England die russophobischen Gefühle schüren.

Urquhart selbst hatte nach seinem Scheitern bei der Wahl zum Unterhaus im Jahr 1854 die alte Idee seines Portfolios wieder aufgegriffen und zur Verbreitung seiner politischen Ideen die Free Press gegründet, die nach 14 Jahrgängen 1866 den Titel Diplomatic Review erhielt. Zu den Autoren und Beziehern der Free Press gehörte übrigens auch Karl Marx, und im Februar 1854 trafen sich die beiden in London – äußerlich vereint in ihrer fundamentalen Kritik an Russland sowie in der strikt ablehnenden Haltung gegenüber Lord Palmerston. Aber während Marx in Russland eher den übelsten Hort einer politisch und gesellschaftlich reaktionären Gesinnung sah, ging es Urquhart nur darum, den russischen Großmachtbestrebungen ein Ende zu setzen, damit der Rest der Welt in Ruhe und Frieden leben könne. Karl Marx erkannte dies recht bald, hatte er doch bereits 1853 in der New Yorker Zeitung Die Reform Urquharts Buch Das Vordringen Russlands im Westen, Norden und Süden kritisiert und dabei auf die fixen Ideen des Autors hingewiesen, der dieselben skurrilen Thesen nunmehr schon seit 20 Jahren propagiere. Und auch das persönliche Treffen führte dazu, dass man sich zwar recht höflich unterhielt und Urquhart ernsthaft glaubte, einen neuen Mitstreiter gefunden zu haben – dass sich Karl Marx nachher jedoch über die krankhaft verteidigten und immer wieder neu untermauerten alten Thesen seines Gegenübers zur Weltpolitik amüsierte. Der Einstieg in das Gespräch unterstreicht dies auf eine sehr plastische Art und Weise: Urquhart begrüßte Karl Marx mit hoher persönlicher Anteilnahme, doch die als großes Lob gemeinte Bemerkung, er schreibe wie ein Türke, fasste Marx eher als Beleidigung auf, und entgegnete seinerseits, er sei Revolutionär und nichts anderes. Allerdings gab es noch einen weiteren Verbindungspunkt zwischen beiden, denn Urquharts grundsätzliche Kritik an der Geldwirtschaft, die von einem imaginären Eigenwert des Goldes ausgehe, obwohl zur Umsetzung dieses Wertes doch ein bestimmtes, beliebig manipulierbares Maß von außen angelegt werden müsse, fand Einzug in das Kapital, also in die nach wie vor bekannteste Schrift von Karl Marx. Mehr Gemeinsamkeiten lassen sich jedoch beim besten Willen nicht feststellen, denn Urquharts Bestrebungen zielten auf alles andere ab als auf eine grundsätzliche Umwälzung der Gesellschaft.

Aus dem Osmanischen Reich hatte Urquhart jedoch eine andere Idee mitgebracht, von der auch im hier vorliegenden Band ausführlich die Rede ist: Seine Begeisterung für das türkische Bad. Ein befreundeter Arzt aus Irland nahm diese Idee gerne auf und lieferte die entsprechende medizinische Begründung dafür, dass man auch in England solche Einrichtungen bauen solle. Seit dem Jahr 1854 verfolgte Urquhart diese Idee und suchte erfolgreich Gönner und Investoren, die das nötige Geld zum Bau dieser Anlagen bereitstellen sollten. So wurden ab etwa 1860 in London und verschiedenen anderen englischen Städten eine Vielzahl von türkischen Hamams errichtet, von denen einige auch heute noch in Betrieb sind. Unter den hygienischen Bedingungen des 19. Jahrhunderts stellten solche Einrichtungen mit Sicherheit einen großen Fortschritt dar, und wenn Urquhart in seinem Reisebericht auf den ausgeprägten Sinn für Sauberkeit bei den Türken verweist und dem die triste Realität insbesondere in London gegenüberstellt, weist er ganz dezidiert auf das durch nichts zu überbietende Gefühl hin, das sich nach dem Besuch des Hamams einstelle, wenn man wirklich sauber und entspannt ist – ein Gefühl, das der Durchschnittseuropäer nicht kenne und das er nur wird erleben können, wenn er vom Orient zu lernen bereit sei. Dieser Überzeugung gibt er 1856 noch einmal Ausdruck, indem er aus dem 1848 veröffentlichten Bericht über seine oben bereits erwähnte Reise durch Spanien – bei dem es sich in größeren Teilen auch um eine politische Abrechnung mit Russland handelt – eine längeres Kapitel über das türkische Bad neu publiziert. Urquharts Frau, die 20 Jahre jüngere Harriet Angelina Fortescue, die er im Jahr 1854 geheiratet und mit der er zwei Töchter sowie den im Alter von 13 Monaten verstorbenen Sohn William hatte, unterstützte ihren Mann übrigens nicht nur bei seinen politischen Bestrebungen, sondern beteiligte sich auch an dessen Bemühungen um den Bau und den Erhalt der Bäder.

Leider jedoch wuchsen sich Urquharts Aktivitäten selbst in dieser Sache zur Manie aus, und so entstand eine Anekdote, die man sich in den Straßen von London erzählte und die sogar Karl Marx in einem Brief an Friedrich Engels aufgriff: Der Schotte sei so verrückt, dass er seinen kleinen Sohn in ein türkisches Bad mitgenommen habe – was dieser natürlich nicht überlebte. Dieser Vorfall hatte tatsächlich stattgefunden, und nur mit großer Mühe und juristischem Beistand konnte das Ehepaar Urquhart daraufhin eine Anklage wegen Mordes verhindern, sodass es in der Sache bei kriminalistischen Voruntersuchungen blieb. Marx wollte mit dieser Geschichte nur Urquharts Charakter beschreiben, und in Wahrheit dürfte es so gewesen sein, dass jener oder sein Arzt in einer Schwitzkur die letzte Möglichkeit dazu sahen, etwas für den unter einer schweren Infektionskrankheit leidenden kleinen William zu tun. Gleichwohl sind Bau und Förderung der türkischen Bäder in England bis heute einer jener Punkte, den man allgemein mit dem Namen David Urquhart verbindet.

Nach dem Tod des Sohnes sowie der Erfahrung, dass seine russophobischen Aktivitäten wenigstens zu seinen Lebzeiten kaum Resonanz zeigen sollten, zog sich Urquhart mehr und mehr von der gesellschaftlichen Bühne zurück und konzentrierte sich auf die Veröffentlichung seiner Zeitschrift sowie weiterer Bücher, von denen hier nur einige genannt werden können. So erschien etwa im Jahr 1860 ein als Reisetagebuch ausgegebenes Werk über den Libanon und Syrien, im Jahr 1868 eine Abhandlung über den Krieg in Abessinien oder 1869 ein französisches Werk über die angebliche Nähe zwischen dem Islam und dem Protestantismus, worüber er sich auch in dem hier vorliegenden Band äußerte. Daneben wurden natürlich auch viele seiner Reden veröffentlicht, die er immer wieder vor seinen Freunden und Parteigängern hielt.

Ab der Mitte der 60er-Jahre des 19. Jahrhunderts bereitete Urquhart seine Gesundheit immer größere Schwierigkeiten, weswegen er England verließ und die meiste Zeit in Frankreich oder auch in Italien verbrachte. Die internationalen Beziehungen und das zwischenstaatliche Recht standen während dieser Zeit im Mittelpunkt seiner Bemühungen. Urquhart verstarb am 16. Mai 1877 während einer Reise in Neapel. Seine Frau, die auch selbst unter dem Pseudonym Caritas in der Diplomatic Review geschrieben hatte, sollte sich noch Zeit ihres Lebens um das Werk ihres Mannes bekümmern. Sicherlich hat er durch sein Wesen und sein Verhalten seine Mitmenschen polarisiert, und über die Jahre hinweg wurde seine Anhängerschaft immer kleiner. Dennoch muss er eine charismatische Persönlichkeit gewesen sein, der es immer wieder gelang, andere in ihren Bann zu ziehen. In besonderer Weise galt dies natürlich für seine Parteigänger, die ihrem David Bey, wie ihn seine engeren Freunde zu nennen pflegten, wie einen Helden verehrten. In gleicher Weise hing seine Familie an ihm, und von seinen beiden Töchtern wird gesagt, dass sie ihren Vater richtiggehend verehrten und ihn ganz nah an Jesus Christus setzten. Letzteres mag vielleicht wieder in den Bereich der Anekdoten gehören, die über David Urquhart im Umlauf waren, aber es mag um so mehr verdeutlichen, dass er trotz seines Starrsinns, seines bisweilen sehr schroffen Umgangs mit seinen Mitmenschen, seiner übertriebenen Russophobie und seiner bisweilen schrulligen Türkenfreundschaft doch ein besonderer Mensch gewesen ist, von dem man nicht nur in seiner eigenen Zeit Kenntnis nahm.

Hier wird nun der zweite Teil seines Reisetagebuchs vorgelegt, das im englischen Original den Titel The Spirit of the East, also Der Geist des Orients trug. Nach dem Ende der langjährigen Kämpfe um die griechische Unabhängigkeit und vor allem auch nach dem für das Osmanische Reich so ungünstigen Ausgang des Russisch-Türkischen Kriegs von 1828–1829, bei dem der aus Niederschlesien stammende General Hans-Karl von Diebitsch das russische Heer sozusagen bis vor die Tore Konstantinopels geführt hatte, sollte die Region allmählich zur Ruhe kommen. Noch waren die endgültigen Grenzen des neuen Staates nicht gezogen, und – wie oben bereits angedeutet – auch die Fragen der Regierungsform Griechenlands sowie die Entscheidung, wer gegebenenfalls die Herrschaft übernehmen sollte, waren noch nicht gelöst. Urquhart befand sich im Jahr 1829 schon auf der Rückreise nach London, als er vom britischen Gesandten in Konstantinopel eine Depesche des Inhalts erhielt, er solle nach Mittel- und Nordgriechenland gehen, Gebiete, die zum größten Teil beim Osmanischen Reich verbleiben sollten, da in Epiros und Albanien allem Anschein nach neuerliche Aufstände drohten. Er sollte nun die Lage erkunden und möglicherweise drohende Gefahren nach London melden. Der erste Teil dieser Reise führte Urquhart von Nafplion aus, der ersten Hauptstadt des neuen griechischen Staates, an Mykene vorbei und am Golf von Korinth entlang bis nach Patras. Dort setzte er auf das mittelgriechische Festland über und besuchte eine Reihe von Kampfplätzen des Unabhängigkeitskrieges. Von Preveza am Ionischen Meer aus brachte ihn sein Weg in das moderne Ioannina, von wo aus er im Pindos-Gebirge mit zwei Anführern der bevorstehenden albanischen Rebellion in Kontakt trat, die danach wohl aufgrund seiner Informationen vom osmanischen Heer überrannt werden konnten. Dann überquerte er das schwer zugängliche Gebirge über die Via Egnatía, jene alte Militärstraße aus römischer Zeit, besuchte die berühmten Meteora-Klöster und bestieg den Berg Olymp, bevor er das neue Griechenland verließ und in das osmanische Territorium überwechselte.1 Nach einigen weiteren Abenteuern in Thessalien, also im heutigen Mittelgriechenland, war Thessaloniki sein nächstes Ziel, wo er sich als Gast des osmanischen Statthalters aufhielt. Dort nun schloss sich Urquhart einer Gruppe von Soldaten an, um die näheren Umstände eines möglichen Piratenüberfalls zu klären, der sich im Bereich der Halbinsel Chalkidike zugetragen haben sollte und bei dem einem Gerücht zufolge auch ein englischer Offizier als Geisel genommen worden wäre. Seinerzeit waren solche Ereignisse durchaus an der Tagesordnung, weswegen die osmanische Verwaltung ein reges Interesse daran haben musste, diesen Berichten nachzugehen. Urquhart nutzte die Gelegenheit, um neue Kontakte zu knüpfen, wobei er – wie schon im ersten Teil der Reise – in erster Linie Verbindungen zur einheimischen griechischsprachigen Bevölkerung und deren Repräsentanten suchte, während er die neuen türkischen Verwaltungsbeamten eher mied.

Neben antiken Überresten auf der Chalkidike, die er auch jeweils kurz beschreibt und beispielsweise eine griechische Inschrift aus hellenistischer Zeit wiedergibt, war für ihn der Berg Athos das wichtigste Ziel dieses längeren Ausflugs, der für ihn durchaus hätte tödlich enden können. Denn kurz bevor er den Heiligen Berg betrat, geriet Urquhart in die Gewalt von Räubern, die ihm als Briten alles andere als wohl gesonnen waren. Allem Anschein nach war es nur sein selbstsicheres Auftreten, das ihn und seinen Diener Hadschi vor dem Tod bewahrte. Auf dem Athos besuchte er einige Klöster, wundert sich gehörig über einen russischen Einsiedler, der dort zu seinem größten Unverständnis als Heiliger galt, bevor er offensichtlich all seinen vorbeugenden Maßnahmen zum Trotz an der Malaria erkrankte und Hals über Kopf nach Thessaloniki zurückkehren musste – was sein Gesundheitszustand indes nicht erlaubte. Nach erfolgter Genesung führte ihn sein Weg jedoch wieder in die Hauptstadt Makedoniens, von wo aus er mit dem Schiff nach Euböa fuhr und von dort aus nach England zurückkehrte – jedoch nicht ohne dem osmanischen Statthalter in Thessaloniki seine wichtigsten Beobachtungen mitgeteilt zu haben.

Schon bald darauf war es in Albanien zu heftigen Aufständen der dortigen Bevölkerung gegen die türkische Herrschaft gekommen. Das Reich schien nach dem Verlust des südlichen Griechenlands tatsächlich auseinanderzufallen: Nordafrika und Ägypten gingen eigene Wege, im Kaukasus und in Persien kam es zu Unruhen, und insbesondere in Südosteuropa gab es, natürlich nach westeuropäischem Vorbild, starke Tendenzen, die türkische Herrschaft abzuschütteln und eigene Nationalstaaten zu gründen. Gerade das überwiegend moslemische Albanien galt bislang immer als ein sicheres Reservoir für das osmanische Heer, und sollte auch in diesem Territorium ein eigener Staat entstehen, hätte der Zerfall des ehemaligen Großreichs nicht mehr aufgehalten werden können. Mit inneren Reformen wehrten sich die beiden Sultane Mahmud II. und Abdülmecid I. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegen dieses drohende Schicksal, das im Grunde nur dadurch aufgehalten werden konnte, dass die europäischen Großmächte inklusive Russlands kein Interesse an einem möglichen Machtvakuum in der Region hatten und eher dafür sorgten, dass der Kranke Mann am Bosporus wieder zu Kräften kam. Diese Unterstützung, aber auch die Boden- und die Heeresreform zeigten recht bald schon ihre Wirkung, und dies für die europäische Türkei umso mehr, nachdem die Albaneraufstände um 1830 in sich zusammenbrachen.

Urquhart erhielt daraufhin den Auftrag, sich von der tatsächlichen Lage der Dinge ein Bild zu machen. Er brach also auf dem Landweg nach Italien auf, setzte bei Otranto nach Korfu über, das damals unter britischer Herrschaft stand, um in einer Nacht- und Nebelaktion und unter Vermeidung der offiziellen Fährpassagen die albanische Küste zu erreichen. Den türkischen Statthalter von Hagía Saránda, dem modernen Sarandë in Südalbanien, der ihn den allgemeinen Vorschriften gemäß unter Quarantäne stellen wollte, ignorierte Urquhart, um sich möglichst rasch auf den Weg nach Skutari/Skodra im heutigen Nordalbanien zu begeben, das ein übergeordneter Verwaltungssitz und zugleich das Zentrum des albanischen Aufstands gewesen war. Urquhart beschreibt dabei die Städte, durch die er kam, berichtet von den großen Schwierigkeiten, die ihm überall begegneten, bestand so manches Abenteuer, doch auch die Schilderungen von eindrucksvollen Landschaften und auffälligen geologischen Formationen kommen nicht zu kurz. Dasselbe gilt für die größeren historischen Zusammenhänge, die er – natürlich aus seiner Sicht als ausgewiesener Türkenfreund – nicht verschweigt. Schließlich trifft er zu jenem Zeitpunkt in Skutari ein, als die Aufständischen kapituliert hatten und die das Land und die Städte bislang so sehr prägenden albanischen Festungen dem abgeschlossenen Friedensvertrag gemäß bereits geschliffen wurden.

Die Reise sollte Urquhart noch bis nach Konstantinopel führen, doch bricht er den Bericht in Skutari ab. Die Gründe, die er dafür angibt, sind nicht unbedingt plausibel, denn nach drei langen Kapiteln mit Überlegungen zu türkischen Institutionen und zur türkischen Lebensweise, die auch anderswo ihren Platz hätten finden können und die spätere Aufenthalte im Osmanischen Reich voraussetzen, endet der Band. Die Seitenzahl, die ihm sein Verleger zugebilligt hätte, sei ausgefüllt, und die weiteren Ereignisse und Stationen der Reise könne er allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt zu Papier bringen. Eher wird man jedoch davon ausgehen können, dass ab Skutari der offizielle Teil seiner diplomatischen Mission begann, die den Fragen der Grenzregulierungen gewidmet war und die in die bereits oben erwähnte zweite Londoner Konvention einflossen, also Themenkreise, die nicht unbedingt einem größeren Publikum offen gelegt werden durften. Zerstreuen konnte Urquhart jedenfalls die Befürchtungen der europäischen Großmächte, dass nach dem Erfolg der Griechen in Albanien ein neuer Krisenherd entstanden sei, der sich zu einer großen Gefahr für den Fortbestand des Osmanischen Reichs hätte entwickeln können. Andererseits war es für ihn jedoch kaum einsehbar, warum die europäische Politik den Griechen die Unabhängigkeit zugestanden hatte, während man dasselbe den Albanern verweigerte, die nun ihrerseits ganz ähnliche Ansprüche erhoben hatten. Urquhart erwähnt diesen Widerspruch sehr wohl, wenn er auch der Meinung ist, dass nicht das Vorgehen gegen die Albaner, sondern die Zugeständnisse an die Griechen der entscheidende Fehler in der internationalen Politik gewesen sei.

Als überzeugter Tory ist er der Ansicht, dass man an den bestehenden Verhältnissen nicht allzu viel verändern solle – und wenn, dann nur ganz behutsam. Auch dürfe sich der Staat nicht über Gebühr in die Lebensverhältnisse seiner Bürger einmischen – wie sehr hätte er da wohl unter der allgemeinen Reglementierungswut unserer Tage zu leiden! –, und gerade in dieser Hinsicht wäre die Lebensweise der Türken für ganz Europa vorbildlich. Er argumentiert dabei so, dass der Familienverband und in Abhängigkeit davon eine gemeinschaftlich organisierte ländliche Verwaltungsstruktur die Keimzelle eines jeden funktionierenden Staatswesens darstellen müsse. Denn Ruhe und Zufriedenheit im kleineren Bereich seien auf Dauer die einzigen Garanten dafür, dass ein Staat aus sich heraus existieren und diese Verhältnisse in seinem Territorium sichern könne. Urquharts Landschaftsschilderungen zielen daher auch meist darauf ab, die Vorzüge einer bestimmten Gegend herauszustellen und darauf hinzuweisen, dass ein Dorf oder eine ganze Region aufgrund der vorhandenen Ressourcen sehr gut lebensfähig wären – man müsse die Menschen eben nur gewähren lassen und dürfe sie vor allem nicht zur politischen Agitation verführen. Die Ergebnisse wären in Griechenland wie in Albanien die gleichen: Zerstörte Landschaften, brachliegende und verwilderte Felder, Entvölkerung, eine hohe Kriminalität und Verfall der allgemeinen Sitten. Und es bedürfte großer Anstrengungen mit ungewissem Ausgang, die einmal verlorenen Strukturen wieder aufzubauen. Der geordnete Hausstand mit intakten Regeln ist für Urquhart diejenige Institution, die über dem Recht des Staates auf den Einzelnen stehen muss, und nach seiner Überzeugung traf gerade dies im sogenannten Konzert der Großmächte nur auf das Osmanische Reich zu.

Mit solchen Überzeugungen gab sich Urquhart natürlich als Sozialromantiker und damit auch wieder als ein typischer Vertreter seiner Zeit zu erkennen. Dem kann man auch entnehmen, warum er sich beim besten Willen nicht mit Karl Marx verstehen konnte. Denn diesem schwebte nach einer Zerschlagung der bestehenden Verhältnisse ein allumfassendes System vor, das zwar gut gemeint gewesen sein mochte, das aber mit seinem weltumspannenden Anspruch alle Menschen in die engsten aller nur denkbaren Fesseln gelegt hätte. Urquhart stellte dagegen die Freiheit des Individuums in den Mittelpunkt seiner Interessen, auch wenn dies gerade in seinem Fall zu allerlei skurrilen Ausprägungen führen sollte.

Vor diesem Hintergrund haben auch die eher theoretischen Abschlusskapitel durchaus ihre Berechtigung, denn gerade darin lässt sich der Autor darüber aus, was für ihn den osmanischen Staat ausmachte: Ausführlich beschreibt er das türkische Familienleben, äußert sich über den Harem, über den in Europa seiner Überzeugung nach nur krankhafte Phantasien im Umlauf waren, schreibt ausführlich über die häusliche und schulische Erziehung, aber auch über die Stellung der türkischen Frau, die erheblich mehr Rechte besaß als eine Westeuropäerin jener Tage, und die in Wirklichkeit an der Spitze der Familienverbände gestanden habe. Gerade diese Ausführungen Urquharts verleihen dem Band auch in unserer Zeit eine sehr große Aktualität, in der allenthalben über die Integrationswilligkeit oder -fähigkeit ausländischer Bevölkerungsgruppen räsonniert wird. Denn viele jener Merkmale, die er als wesentlich für den türkischen Charakter beschreibt, treffen wirklich zu und verdeutlichen die grundsätzlichen Unterschiede zwischen der westeuropäischen und der türkisch-orientalischen Wesensart. Somit erschließt es sich einem Leser sehr rasch, dass zwar ein Miteinander, jedoch keine Integration möglich ist. Und will man letztere erzwingen, führt dies notwendigerweise zu Spannungen und Konflikten, weil beide Seiten verlieren: Auch dafür nennt Urquhart in seinem Buch einige Beispiele.

Übrigens gab es einen deutschen Autor, der Urquharts orientalische Bücher allesamt kannte und in seinen eigenen Werken verarbeitete: der aus Radebeul bei Dresden stammende Karl May. Urqhuarts Reisen durch den Orient waren für ihn das Vorbild für die so lange Reise seines Kara ben Nemsi durch das unermesslich große Reich des Padischahs. Zahlreiche Motive wie etwa bestimmte Überfälle fanden sich schon bei Urquhart, und dass Karl Mays skurriler britischer Reisegefährte den Vornamen David trug, ist kein Zufall. Sogar Karas treuer Diener Hadschi tritt bereits in der literarischen Vorlage auf.

Den Text schrieb Urquhart in einem gefälligen, wenn auch nicht ganz einfachen Englisch mit oftmals sehr langen Sätzen, die man in der deutschen Syntax und Grammatik meist nicht übernehmen kann. In der 1838 erschienen Übersetzung wurde diese Satzstruktur jedoch in der Regel nachgeahmt, was den Text an vielen Stellen unverständlich macht und nicht selten sogar zu Sinnentstellungen führt. Diese Mängel wurden in der vorliegenden Ausgabe weitestgehend behoben. Darüber hinaus wurde die bisweilen sehr schwerfällige Sprache des 19. Jahrhunderts an den modernen Sprachgebrauch angepasst. Dies gilt umso mehr für Worte und Formulierungen, die man heute nicht mehr ohne weiteres versteht. Dennoch sollte ganz bewusst keine Übertragung in ein modernes Deutsch erfolgen, weil dies dem zugrunde liegenden, für uns heute oft komplizierten Englisch keinesfalls entsprochen hätte. Sicherlich hätte man den gesamten Text noch viel weiter glätten können, aber damit hätte man ihn auch aus seiner Entstehungszeit gerissen. Da aber Inhalt und sprachliche Form eine Einheit bilden sollen, rechtfertigt dies eine eher behutsame Umwandlung in ein Deutsch, das einerseits mögliche Missverständnisse vermeidet, das sich andererseits aber auch als Sprache des 19. Jahrhunderts zu erkennen gibt. Solche Texte noch mehr zu schönen und an den jeweils herrschenden Zeitgeschmack anzupassen, wäre mehr als nur unseriös. Zum Zeitpunkt der Entstehung der ersten Übersetzung war man in Sachen der Orthographie ja noch relativ frei, das heißt, es gab noch keine allgemein verbindlichen Rechtschreiberegeln. In dieser Hinsicht wurde der Text jedoch im Wesentlichen an die heutigen Lesegewohnheiten angepasst, auch wenn Inhalt und Sprachgebrauch eine strikte Anwendung der neuen deutschen Rechtschreibung nicht zulassen. Somit bestand bisweilen die Notwendigkeit zu Kompromissen, aber die Bemühungen zielten auf ein insgesamt einheitliches Bild der verwendeten Orthographie ab.

Weiterhin wurden in den Text einige Bilder zur Illustration eingefügt, die es weder im englischen Original noch in der zeitnahen deutschen Übersetzung gab. Die alten Stiche und Aufnahmen wurden indes nicht zufällig gewählt. Vielmehr stehen sie in einem direkten Zusammenhang mit Personen, Orten und Gegenständen, die im Text erwähnt werden und können daher als eine anschauliche Hilfe zu einem leichteren Verständnis dienen.

Zuletzt finden sich unter dem Text eine ganze Reihe von Erläuterungen. Einige davon hatte bereits der Autor selbst eingefügt, und ein paar wenige stammen von dem frühen Übersetzer und wurden auch entsprechend gekennzeichnet. Daraus gehen zu einem großen Teil auch die literarischen Quellen und Vorbilder hervor, die Urquhart nutzte, etwa jene grandiose Geschichte des Osmanischen Reichs, die Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall verfasst hatte. Dennoch gibt es eine Vielzahl von Namen, Sachen und Begriffen, die zur Zeit der Entstehung des Textes womöglich noch in aller Munde waren, die einem modernen Leser jedoch nicht mehr allzu viel sagen werden. Solche Erläuterungen hat nun der Herausgeber des Bandes hinzugefügt, der abschließend den Lektoren sowie den Verlegern seinen herzlichen Dank für die erhaltene Hilfe und Unterstützung ausdrucken möchte.

Erster Teil der Reise:

Reisen unter Osmanen und Griechen. Vom Peloponnes zum Olymp in einer ereignisreichen Zeit. Wiesbaden 2008 (Edition Erdmann).

Weiterführende Literatur:

Helmuth VON MOLTKE, Unter dem Halbmond. Erlebnisse in der alten Türkei (1835–1839). Hrg. von H. ARNDT. Wiesbaden 2008 (Edition Erdmann).

K. KREISER u. Christoph K. NEUMANN (Hrg.), Eine kleine Geschichte der Türkei. Stuttgart 2003.

D. BREWER, The Flame of Freedom. The Greek war of Independence 1821–1833. London 2001.

P. BARTL, Albanien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1995 Th. C. PROUSIS, Russian Society and Greek Revolution. DeKalb, Ill. 1994.

G. Robinson, David Urquhart. Some Chapters in the Life of the Victorian Knight-errant of Justice and Liberty. Boston 1920 (Neudruck Oxford 1970).

1 Die Erlebnisse dieses Teils der Reise sind in dem Band D. Urquhart, Reisen unter Griechen und Osmanen. Vom Peloponnes bis zum Olymp in einer ereignisreichen Zeit. Wiesbaden 2008 (Edition Erdmann) erschienen.

ERSTES KAPITEL

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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