Im Zustand stiller Auflösung - Bora Ćosić - E-Book

Im Zustand stiller Auflösung E-Book

Bora Cosic

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Beschreibung

"Die Reise eines Schriftstellers auf den Spuren Marcel Prousts in der Normandie geht gleich zu Beginn gründlich schief, denn das befreundete französische Ehepaar will in ein bretonisches Städtchen, in dem Proust nie war. Die kleine Reisegesellschaft quartiert sich im Hotel Armor ein. Der übergriffige Portier, der vor Kraft und Klischees über "uns" und "die anderen" nur so strotzt, liefert dem kränkelnden Schriftsteller reichlich Stoff zum Nachdenken. Nachdem seine Frau zu einem Vortrag enteilt und das befreundete Ehepaar wieder in Paris ist, bleibt er allein im tristen Tréboul zurück und wertet fröhlich grummelnd Dekadenz und Langeweile um. Seine eigene Suche nach der verlorenen Zeit karikiert jedes Pathos, voller Selbstironie und Witz zerpflückt der Ich-Erzähler eine vermeintliche Selbstverständlichkeit nach der anderen, am Ende auch den eigenen Traum vom Buch über Proust.Im Zustand stiller Auflösung ist eine hochkomische Suada, wie sie schon bei Cosics großem Familienepos Die Tutoren anklang. Auch hier verbirgt sich hinter seinem geistreichen Hadern eine mutige Kritik an den Auflösungserscheinungen der europäischen Kultur."

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Seitenzahl: 125

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

[Cover]

Titel

Motto

1. Ankunft

2. Also woanders

3. Unsere Vorteile

4. Wer leitet wen?

5. Verpatzter Ausflug

6. Von den öffentlichen Liebesbezeugungen

7. Das erste Mal am Strand

8. Kleiner Traktat über Stühle

9. Warum ich ungern in den Speisesaal gehe

10. Besprechung eines Spaziergangs

11. Die Mühsal der nächsten Zukunft

12. Wer observiert wen?

13. Bel Tempo

14. Wohin mit mir?

15. Noch mehr Komplikationen

16. Der Mensch ist wandelbar

17. Kurze Abhandlung über die Lästigkeit

18. Am Ende

19. Unsere Zeitung

20. Was ich erwarte?

21. Wenn Hände Schicksal spielen

22. Ich und Verstecken

23. Jeder trägt sein Päckchen

24. Armands Credo

25. Sie sind fortgegangen

26. Armand hat noch eine Idee

27. Die Flut

28. Russischer Kurzroman

29. Letzter Strandgang oder: Versuch über Brillen

30. Alles und nichts

31. Die Ermittlung

Das Schicksal dieses Buches

Autorenporträt

Übersetzerporträt

Über das Buch

Impressum

»Der beste Beweis dafür, dass ich diese Krankheit nie gehabt habe, ist doch die Tatsache, dass ich nicht geheilt bin.«

Italo Svevo

1. Ankunft

Ich möchte nach Cabourg fahren, den Badeort in der Normandie, weil Proust dort war, über den ich eine Art Buch schreiben will, und deswegen will ich den Sand, das Meer und das Hotel sehen, die er gesehen hat. Meine Gefährten indes fahren nach Tréboul, Tréboul sei Cabourg sehr, sehr ähnlich und ich kein Schriftsteller, wenn ich nur über Dinge schriebe, die ich sähe, und nicht auch über Dinge, die ich nicht sähe. Meinem Schreiben täte es sicher gut, wenn ich Cabourg, das mich interessiere, nicht sähe und mir stattdessen angenehm zwanglos Tréboul erliefe, das mich angeblich nicht interessiere. Tréboul (das ich sehen würde) habe etwas, wodurch ich Cabourg besser würde beschreiben können, als wenn ich dort gewesen wäre, wo wir dieses Mal leider nicht hinkönnten! Ganz abgesehen von den unzähligen Ähnlichkeiten und Beinah-Übereinstimmungen zwischen Cabourg und Tréboul wäre Tréboul auf jeden Fall wesentlich bequemer als Cabourg, das wohl weniger bekömmlich sein dürfte, wofür mehrere Episoden in Prousts Leidensgeschichte der beste Beweis seien. Es läuft darauf hinaus, dass Proust, nicht anders als wir, in Tréboul besser aufgehoben gewesen wäre, dass er Cabourg, hätte er seinen Kopf nur ein bisschen mehr angestrengt, von sich aus gemieden hätte, wo er oft schlecht, ja, ausgesprochen übel dran war!

Ich erkläre meiner kleinen Reisegesellschaft, dass einem Schriftsteller der Ort lieber ist, wo es ihm in erträglichem Maß schlecht geht, als einer, an dem er sich rundum wohl fühlt, weil ihn der Aufenthalt an »guten« Orten verdammt noch mal oft genug davon abhält, auch nur ein einziges literarisches Wort niederzuschreiben! Doch der Geografieprofessor aus Paris, der mich mit seiner und meiner Frau nach Tréboul fährt, weiß besser als ich, wie und was Proust geschrieben hätte, hätte er nur etwas gründlicher überlegt, während ich nichts von der Topografie der Alpen oder den Charakteristika der Côte Fleurie und Kontinentaleuropas verstehe, über die der Professor arbeitet. Wahrscheinlich sollte ich mein Proust-Projekt begraben, noch bevor ich damit anfange, und mich stattdessen mitteleuropäischen Berggipfeln widmen; soll doch der Herr Geografieprofessor Prousts Leiden am eigenen Leben beschreiben und die Werke, in denen er dieses Leben schilderte! Vielleicht liegen die Dinge in der europäischen Literatur seit Jahrhunderten so, wie sie nun einmal liegen, weil Geografen über Geografie und Schriftsteller über Schriftsteller schreiben statt andersherum, was unvergleichlich besser wäre, für die Literatur wie für die Geografie! Die Ereignisse in unserer europäisch-miniaturhaften intellektuellen Selbstbezogenheit entwickeln sich sowieso dermaßen krumm, dass man »krumm« mit nichtkrumm und »gerade« verwechselt, woher sonst die Halsstarrigkeit, mit der unser »Reiseführer« seinen Plan durchpaukt, und der heißt Tréboul, Tréboul und noch mal Tréboul! Da muss ich mir wohl einen Proust an Trébouls reichlich dürftigem Gestade ausdenken, dem »herrlichen Sandstrand«, und keinesfalls auf dem Fußgängerweg, der heute auch noch Promenade Marcel Proust heißt – wenn schon der Weg nach dem benannt wurde, der einst darüberschritt, das müsse doch jedem normalen Schriftsteller jede Lust rauben, über den Namensgeber zu schreiben. Allein auch der »Normalschriftsteller« will gelegentlich über etwas schreiben, das gemeinhin als »total unnormal« gilt. Daher verriet ich dem Professor beim Abendessen in Douarnenez, mein Proust-Buch handele nur bedingt von Proust, eher gehe es um einen ziemlich unproustschen »Proust«, Proust in Anführungszeichen. Der schließlich ganz anders gelebt und geschrieben hätte, wären Zeitläufte, Sternbilder, Schicksal, Genom, die Chromosomen im Genom und andere unerhebliche Details anders gewesen, als sie es waren.

2. Also woanders

Kurzum, unsere Franzosen nehmen uns mit nach Tréboul zum schönsten Strand der ganzen Bretagne, wie sie meinen, wohl weil »unser Franzose« vor vielen Jahren, wie er mir ins Ohr flüstert, mit einer »bildschönen« Studentin in Tréboul weilte, während »unsere Französin« meiner Frau unter Wahrung der äußersten Diskretion anvertraut, sie sei einmal »in Begleitung« hier gewesen. Also fahren wir nicht an einen Ort, das kleine Tréboul mit seinem eher niedlichen Strand zwischen zwei felsigen Landzungen und ein paar hingewürfelten Häusern, von denen eins sogar nach Hotel aussieht, nein, wir fahren an zwei Orte, die miteinander nichts gemein haben, das Tréboul im Kopf »unseres Franzosen« und das Tréboul aus den schönsten Erinnerungen »unserer Französin«. Wobei mich einzig und allein interessiert, in welchem Verhältnis der Strand von Tréboul zu dem von Cabourg steht, weiter im Norden, wo Proust mehrere Sommer verbrachte und den er mit seinem Schreiben in einen Ort verwandelte, der sich auf keiner Landkarte findet.

Wir sitzen also an der Atlantikküste und warten, bis die Ebbe das bisschen Wasser wegzieht, in dem wir mit bloßen Füßen planschen, und jeder verbindet etwas anderes mit dem Ort, auf den wir schauen. Unser Franzose, der Geograf, der seinen Studentinnen die Erdteile nahebringt, diskutiert, behandelt und kategorisiert meiner Ansicht nach weniger Phänomene, denen unser Planet seine Existenz verdankt, als Dinge jenseits seiner Lehrtätigkeit. So mancher Professor, das fiel mir früher schon auf, brüstet sich damit, wie wenig er von seinem Fach (für das er den Lehrstuhl hat) versteht und wie viel Energie er in etwas anderes steckt. Unser Professor ist ein besonders schwerer Fall von Geringschätzung des eigenen Fachgebiets, er halte es, sagt er, für die verrückteste, mutmaßlich sinnloseste aller Wissenschaften, denn wenn irgendwas ohne Wissenschaft über dies »Irgendwas« auskomme, dann Mutter Erde, die als Erde auf den dämlichen Überbau »Erdkunde« – die ihr gewidmete Wissenschaft – bestens verzichten könne. Die Geografie verdient es vielleicht wirklich nicht, dass eine Handvoll Leute gut gelaunt mit den Füßen im Atlantik am Strand sitzt und sich den Kopf zerbricht und den Spaß am Planschen nimmt, indem sie das Element Wasser zum geografischen Allgemeinwissen erklärt. Deswegen also bin ich sicher, dass »unser Franzose«, Geograf und ein, milde ausgedrückt, seltsamer Vogel (weil er hasst, womit er sich beschäftigt, und vergöttert, womit er sich aus unerfindlichen Gründen nicht beschäftigt), nein, umgekehrt: Deswegen bezweifle ich, dass er mit seinen Studentinnen über geografische Begriffe spricht, eher referiert er einzelne Kapitel aus Philosophie im Boudoir oder zumindest aus Stille Tage in Clichy.Übrigens ist Clichy ein geografischer Begriff, einer der Orte, an denen sich der alte Lustmolch aufhielt und mit denen ein wirklich exakter Geograf so manche Seite füllen könnte! Nur – wie reagieren die zwei, drei ausschließlich auf Erdkunde erpichten Studentinnen darauf, welche (angeblich) nichts vom Geschehen im Boudoir hören, sondern (dem Professor zum Trotz) die Seesternarten im Watt vor Tréboul bestimmen wollen, die sie finden, wenn sich die See wie auf Kommando zurückzieht und ihr Innenleben Tombolalosen gleich im Schlick liegen lässt? Wobei das Schicksal einer vom Meer im Stich und zurückgelassenen Molluske im Hörsaal am Boulevard Raspail ganz gewiss Eingang in eine hart an der Grenze zum Vulgären pikante Erzählung gefunden hätte. Da hört sich die eine versprengte Erdkundebegeisterte doch lieber de Sades schlüpfrige Erzählungen an, als ein derart schlüpfriges, prall mit Schleim gefülltes Geschöpf anzufassen. Und so geschah es, dass ausgerechnet Fräulein Florence, die von Papa und Mama (weil schon als Kind Brillenträgerin mit Sommersprossen im Gesicht, doch ohne die Rundungen auszubilden, die die Natur an der Vorderseite einer Frau vorsieht) zum Studium der Geografie abkommandiert worden war, dass also ausgerechnet Florence ihren Geografieprofessor, »unseren Franzosen«, am Ende eines Semesters an diesen bescheidenen Strand begleitete. Und was sie im Sinn der anti-erdkundlichen Erdkunde am Strand erfuhr und in puncto anti-erdkundliche Erdkunde lernte, davon wüsste »unser Franzose«, wenn er sich damit befassen würde (aber er befasst sich am liebsten mit nichts), vielerlei zu berichten!

3. Unsere Vorteile

Wie schade, dass wir das alte Hotel Armor nicht mehr kennengelernt hätten, »damals«, sagt der Portier, weil er uns für Gäste hält, die seine »damalige« Zeit interessiert, nicht aber die »jetzige« Zeit, die offensichtlich keine Zeit, sondern null und nichtig ist! Der Nachdruck, mit dem er die Jetztzeit als »null und nichtig« bezeichnet, unterstreicht sein abgrundtiefes Bedauern der armseligen Zeit, in der wir seine Gäste sind, im Vergleich zu jener von anno dazumal. Das »Damals« erscheint jedem, selbst einem, der an der Rezeption sitzt, vertrauenswürdiger als die Gegenwart in ihrer unübersehbaren Misere. Meine Franzosen hingegen behaupten (unabhängig voneinander, versteht sich, denn ihr »Damals« meint je ein anderes Damals), das Armor sei heute ein Belvedere, ein Esplanade, verglichen mit der damaligen Bruchbude!

Es sollte also ein Witz sein, denn »er«, der Komiker in der Rolle von Inhaber, Kellner, Portier und so weiter (der obendrein auf den Schmierentheaternamen Armand hört), hält die jetzige Zeit (trotz Wetterkapriolen) für die beste aller möglichen Zeiten, um »vier waschechte Pariser«, in seiner, hm, tja, haha, bescheidenen Hütte zu empfangen! Derzeit seien außer uns nur ein »völlig durchgeknallter Amerikaner« (»aber welcher Ami ist schon normal?!«) sowie eine schwedische Familie im Haus, Vater, Mutter, Sohn, aber die seien alle drei so kurzsichtig, selbst wenn wir ihnen zufällig über den Weg liefen, versichert uns der Hotelier, sie würden uns ganz gewiss nicht bemerken!

Auch spreche die Lage am »herrlichen Sandstrand, den sehen Sie bald selbst«, für seinen Gasthof, und Douarnenez, das »die da drüben« Stadt nennen würden, sei Gottseidank auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht. Seinem Gasthof konnte gar nichts Besseres passieren, als in einiger Entfernung zu einem dermaßen hässlichen Häuserhaufen wie Douarnenez zu liegen!

Tréboul, sagt der Hotelier, sei kein Teil von Douarnenez, sondern weitgehend selbstständig, obwohl – eine Ungerechtigkeit sondergleichen in der Welt der Baedeker! – der Ort im Reiseführer nicht unter »T«, sondern unter »D« stehe.

Und das nur, weil so ein dahergelaufener Baedeker-Autor Tréboul als Wurmfortsatz von Douarnenez einschätzte, was, wie der Armor-Hausherr bei seiner Armor-Ehre schwört, absolut nicht der Fall sei. Was habe Douarnenez verglichen mit Tréboul schon zu bieten!? Nichts! Häuser. Noch dazu Häuser, in denen keiner wohne, über die »er« als Chef dieses gut eingeführten Hauses auch nur ein einziges (lobendes) Wort gehört habe. Außerdem hat Douarnenez keinen Strand! Ich halte mich normalerweise, sagt er, mit negativen Äußerungen sehr zurück, sage im Gegenteil nur Gutes, aber das dort, das ist ein einziges Geröllfeld, das ist lebensgefährlich und unfallträchtig, kein Vergleich mit unserem feinen Badestrand!, den sehen Sie bald, sobald dieser absolut untypische Nieselregen genauso plötzlich aufhört, wie er anfing.

Die Regel, nach der die Menschen in »wir« und »die« oder, schlimmer noch, in »unsere« und »denen ihre« eingeteilt werden, ist unausrottbar in die Geschichte des Hotel- und Gaststättengewerbes und vergleichbarer Dienstleistungen eingeschrieben – und dass wir zum »Wir« gezählt werden und damit gleichzeitig »gegen die« zu sein haben, das hat der Hotelier in seinem Soliloquium hinreichend betont!

4. Wer leitet wen?

Wie ich sehe, haben Sie es sich im Wintergarten gemütlich gemacht, sagt der Hausherr, gehört der übrigens Ihrer Meinung nach zum Haus oder zum Garten oder weder zum einen noch zum anderen? Für mich gehört er zum Haus.

Ob sich unser »Chef« jedes Mal am Servieren der »speziell für uns« zubereiteten Mahlzeiten beteiligt oder nur heute, weil wir gerade angekommen sind, das ist die Frage, denn er wäre kein guter »Gastgeber«, wenn er sich im Zuge der Verköstigung nicht auch um unser geistiges Wohl kümmerte. Er habe gehört, mit mir sei derzeit etwas »nicht in Ordnung« (aber bei wem ist schon alles in Ordnung?!), wenn dem tatsächlich so sein sollte, dann sei ich hier goldrichtig, hier werde sich mein geschätzter Geist wieder sortieren und »alles an seinen Platz rutschen«! Da zischelt mir unsere Französin ins Ohr: Jetzt schau dir an, wie sich der Kerl anstellt, der und Servieren!, dem fällt ständig was runter!, ein richtiger Schussel, einmal hat er einem Schweizer beinah einen Teller Suppe in den Schoß geschüttet!

Angeblich hat uns der komische Kauz sofort als »Seelenverwandte« erkannt, zwar sei ihm jedes menschliche Wesen wie ein Bruder, sagt er, »aber Sie, das sieht man auf den ersten Blick, Sie sind etwas Besonderes!« Ohne hohe Ansprüche gehe man leicht unter; er habe die Schwäche, sagt er, möglichst unterschiedliche Menschen kennenlernen zu wollen, daran liege ihm viel, sagt er, man kann von jedem etwas lernen! Sicher fragen Sie sich, wie ich das trotz meiner Sensibilität ertrage, wie ich mit so vielen Gästen zurechtkomme, und ja, das »frage ich mich selbst«. Um »uns«, sagt er, machen unangenehme Zeitgenossen zum Glück einen großen Bogen, aber sonst! Wie soll ein zivilisierter Mensch die Schreckensszenen dieser Welt aushalten?, und können Sie mir bitte sagen, sagt er, ob bald ein Gesetz gegen Prügeleien in der Eisenbahn und den Kneipen und Straßen unserer schönen Städte verabschiedet wird?

5. Verpatzter Ausflug

»Unsere Franzosen« versprechen uns ein Treffen mit Franzosen aus Quimper, interessante Leute, zwar könnten wir von jedem Franzosen Dinge erfahren, die wir uns nie hätten träumen lassen, aber wenn Herr und Frau Humpestelaire aus der Rue de Brest loslegten, kämen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus!

Ich hätte mir schon angehört, was »unsere Franzosen« mit »ihren Franzosen«, also den Humpestelaires, Wunderlich-Paradoxes zu reden haben, aber was, wenn »es« mich mitten in ihrem noch so denkwürdigen Gespräch wieder überfällt und ich nicht will, dass die anderen »es« mitbekommen? Natürlich könnte es sein, dass sie »es«, egal wie gut kaschiert und überspielt, mitbekommen und – gutheißen: Aha, Sie haben was, kein Problem, das finden wir gut, du meine Güte, dann ist hier endlich mal »was« los, denn in Quimper fließt das Leben gleichförmig dahin, »keiner hat was, keiner erlebt was«. Vorbei die »herrlichen Tage«, in denen berühmte Maler hier Orgien feierten und jeden Tag was los war, heute, heute ist alles tot, buchstäblich wie ausgestorben! Na dann, nur zu, leben Sie »es« nur aus, herzlichen Glückwunsch, wir können uns noch so anstrengen, wir kriegen einfach nichts, aber Sie, Sie sind ja Autor und Poet, also gehört »es« zu Ihrem Beruf, das versteht sich von selbst! Darum können wir, die Familie Humpestelaire, gewöhnliche Zeitgenossen, Sie nur beneiden! Nur, dürfen wir fragen, »was« genau Sie haben, welcher Art ist »es«, wie empfinden Sie »es« mit allen Attributen seiner »Washeit«? Klar, letztens hatten selbst »wir« den Fall eines schwedischen Skippers, der hatte sein Boot kaum in Concarneau am Kai vertäut, da fing er auch schon an, das eigene Segel zu zerreißen und sehr teuren Rum flaschenweise an Deck zu zerschlagen, bis sie ihn schließlich mit dicken Stricken auf einer Trage festbanden. Das war natürlich alles andere als »poetisch«, deswegen ja die unpopuläre Maßnahme mit dem Festbinden, aber wenn der Skipper unvermittelt so melancholisch geworden wäre wie Sie – auf uns wirken »Sie« sehr melancholisch –, hätte er vielleicht nur ein trauriges Gedicht geschrieben, hier auf dem Trockenen, und das wäre »es« dann gewesen.