Implementierung von Beyond Budgeting - Bjarte Bogsnes - E-Book

Implementierung von Beyond Budgeting E-Book

Bjarte Bogsnes

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Beschreibung

Wie Sie das Leistungspotenzial in Ihrem Unternehmen freisetzen und eine kompetitive Unternehmenskultur gestalten - leicht zu lesen, pragmatisch und umfassend - hoher Praxisbezug durch zahlreiche Best Practices aus Fallbeispielen - geeignet für alle, die sich mit den Themen Budgetierung, Controlling und Human Resources beschäftigen und moderne Methoden in ihrem Unternehmen einführen wollenBeyond Budgeting ist eine moderne Form der Budgetierung, die fernab von Kontrolle und Hierarchie funktioniert, und es einem Unternehmen ermöglicht, ohne traditionelle Budgets zu steuern und Entscheidungsprozesse zu dezentralisieren. Dieses Managementmodell wird als Alternative zum tayloristischen, bürokratisch-hierarchischen Organisationsmodell verstanden und besteht aus zwölf Leitprinzipien: sechs Führungsprinzipien, die die Unternehmenskultur und den organisatorischen Rahmen betreffen, und sechs Managementprinzipien, die sich auf den Planungs- und Steuerungsprozess selbst beziehen. Bjarte Bogsnes beschreibt in seinem Buch umfassend und praxisorientiert die Grundlagen, Methoden und Praktiken der Implementierung von Beyond Budgeting. Er verdeutlicht eine neue Sichtweise, die sich mehr mit Leadership als mit der eigentlichen Budgetierung befasst, und gibt wertvolle Ratschläge für die Gestaltung einer wettbewerbsfähigen Unternehmenskultur.

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Bjarte Bogsnes blickt auf eine lange internationale Karriere sowohl im Finanz- als auch im Personalwesen zurück. Er setzt sich seit mehr als 20 Jahren für Beyond Budgeting ein und leitete die Umsetzung bei zwei großen europäischen Unternehmen, Statoil und Borealis. Bjarte ist Vorsitzender des Beyond Budgeting Roundtable (BBRT) und ein international gefragter Speaker. Er ist Preisträger des Harvard Business Review/McKinsey Management Innovation Award.

Über das Übersetzerteam

Sohrab Salimi ist Gründer & CEO der Scrum Academy GmbH und seit fast zehn Jahren Certified Scrum Trainer® sowie Certified Agile Leadership Educator der Scrum Alliance, wo er bis Ende 2020 Mitglied des Board of Directors war. Sein Hintergrund als Unternehmensberater bei Bain & Company, die spätere Tätigkeit als Chief Innovation Officer bei SE-Consulting oder Chairman of the Board bei Venture Agile sowie sein abgeschlossenes Medizinstudium geben Sohrab eine ganzheitliche Perspektive auf Menschen und Organisationen bei der agilen Transformation.

Helen Schrader ist zertifizierter Certified Scrum Product Owner (CSPO) und Certified Agile Leader (CAL). Sie hat jahrelange Erfahrung als Product Owner und Performance Manager bei Unternehmen wie der Galeria Kaufhof GmbH und bei der OBI Digital GmbH. Bei der Scrum Academy war sie für das Performance Marketing sowie als Product Owner für die Agile Insights zuständig.

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Bjarte Bogsnes

Implementierung vonBeyond Budgeting

Mehr Business-Agilität durch innovative Führungsprinzipien und Managementprozesse

Mit einem Geleitwort von Robert S. Kaplan

Übersetzung der 2. englischen Ausgabe von Sohrab Salimi und Helen Schrader

Bjarte Bogsnes

[email protected]

Lektorat: Christa Preisendanz

Lektoratsassistenz: Julia Griebel

Übersetzung: Sohrab Salimi, [email protected], Helen Schrader

Copy-Editing: Ursula Zimpfer, Herrenberg

Satz & Layout: Birgit Bäuerlein

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print

978-3-86490-943-6

PDF

978-3-98890-064-7

ePub

978-3-98890-065-4

mobi

978-3-98890-066-1

1. Auflage 2023

Copyright für die deutschsprachige Ausgabe © 2023

dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17· 69123 Heidelberg

Translation Copyright: Scrum Academy GmbH

Autorisierte Übersetzung der englischen Originalausgabe mit dem Titel

»Implementing Beyond Budgeting: Unlocking the Performance Potential«, 2nd edition von Bjarte Bogsnes. ISBN 978-1-119-15247-7, published by John Wiley & Sons, Inc., Hoboken, New Jersey

Copyright © 2016 by Bjarte Bogsnes

Hinweis:

Dieses Buch wurde mit mineralölfreien Farben auf PEFC-zertifiziertem Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft gedruckt. Der Umwelt zuliebe verzichten wir zusätzlich auf die Einschweißfolie. Hergestellt in Deutschland.

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Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen.

Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag noch Übersetzer*innen können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Für Jeremy und Peter

Geleitwort von Robert S. Kaplan

Bjarte Bogsnes’ Buch ist ein wichtiger Beitrag zum Wandel der Finanzabteilung von einer Controlling- und Erbsenzählerei-Abteilung hin zum wertschöpfenden Bereich eines Unternehmens. Bogsnes beschreibt, wie die historische Rolle der Finanzabteilung als Ex-post-Berichterstattung und Controlling-Instrument in eine neue Rolle transformiert werden kann, die das Unternehmen in Richtung einer nachhaltigen Wertschöpfung führt. Diese Umwandlung erfordert eine erneute Überprüfung und wahrscheinlich auch die Abschaffung einiger Überbleibsel der früheren Managementkontrollinstrumente der Finanzabteilung. Mittlerweile haben einige Unternehmen in Europa und Nordamerika die Verwendung von jährlichen Budgets infrage gestellt, einem Managementinstrument, das bei General Motors vor fast einem Jahrhundert unter CEO Alfred Sloan und CFO Donaldson Brown eingeführt wurde. Obwohl das Betriebsbudget damals eine große Innovation war, hat das heutige dynamische und hoch volatile Umfeld (Stichwort VUCA-Welt1) einen jährlichen festen Betriebsplan zu einem Anachronismus gemacht. Als Gegenreaktion auf den hohen Zeit- und Kostenaufwand für die Erstellung des Jahresbudgets und die Unflexibilität angesichts der sich rasch ändernden äußeren Umstände und internen Möglichkeiten wurde die »Beyond Budgeting«-Bewegung ins Leben gerufen. Mehrere Wissenschaftler und Berater haben Artikel und Bücher darüber geschrieben und Arbeitsgruppen von Unternehmen geleitet, die sich mit der Abschaffung des festen Jahresbudgets befassen.

Das vorliegende Buch leistet einen wichtigen Beitrag zu dieser Bewegung. Im Gegensatz zu den früheren Autoren hat Bjarte Bogsnes die Sache nicht nur selbst erlebt, sondern auch umgesetzt. Und das nicht nur einmal. Bogsnes war die intellektuelle Führungspersönlichkeit und der Projektleiter bei zwei Transformationsprojekten in großen Unternehmen, Borealis und Statoil. Das Buch stützt sich auf diese reichen Erfahrungen, um praktische Ratschläge für die Einführung neuer Planungs- und Performance-Management-Systeme zu geben, die sowohl Managerinnen und Manager als auch Angestellte zu bahnbrechenden Leistungen inspirieren. Dieses Buch ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die mit dem Budgetierungsprozess ihres Unternehmens unzufrieden sind und mit neuen Systemen, die besser, schneller, billiger und flexibler funktionieren, den beabsichtigten Nutzen aus dem Budget erzielen wollen. Bogsnes hebt Beyond Budgeting auf eine neue Ebene, indem er detailliert das Managementsystem »Ambition to Action« (»Ehrgeiz zum Handeln«) beschreibt, das er mit eingeführt hat, um das Budgetsystem zu ersetzen. Dabei schildert er anhand anschaulicher Beispiele den Implementierungsprozess in den beiden großen Unternehmen, der es ihnen ermöglichte, ein stark verankertes Managementsystem aufzugeben und zu ersetzen.

Bogsnes hat eine Ausbildung im Finanzwesen absolviert und war viele Jahre in verschiedenen Finanzorganisationen tätig. Er betrachtet das Finanzwesen jedoch nicht nur durch die für die linke Gehirnhälfte typische analytische Linse. Vielmehr verdeutlicht er, wie wichtig die Einbeziehung von Konzepten der rechten Gehirnhälfte wie Vertrauen, Befähigung, Führung, Transparenz und Kommunikation bei der Entwicklung und Umsetzung eines neuen Managementsystems ist, insbesondere im Hinblick auf die heutige Belegschaft und das Wettbewerbsumfeld. Das Buch Beyond Budgeting ist eine erfrischende Zusammenführung von analytischen Konzepten der linken Gehirnhälfte, einschließlich Prozesskostenrechnung, Balanced Scorecards und Leistungszielen, mit wichtigen Sensibilitäten der rechten Gehirnhälfte in Bezug auf Motivation und Führung organisatorischer Veränderungen.

Ich habe Bjarte bei vielen Gelegenheiten sprechen hören. Der Enthusiasmus, die Leidenschaft und die Überzeugungskraft, die er persönlich ausstrahlt, kommen auch in seinen Schriften zum Ausdruck. Managerinnen und Manager, die nach neuen Wegen suchen, ihre Angestellten zu motivieren und zu bewerten, werden ihn inspirierend, erfrischend, praktisch und sogar unterhaltsam finden – Begriffe, die normalerweise nicht auf Autoren von Büchern über Managementkontrolle angewandt werden.

Robert S. KaplanHarvard Business SchoolBoston, Massachusetts

Einführung

»Ich bin vielleicht nicht dorthin gegangen, wo ich hinwollte,

aber ich glaube, ich bin dort gelandet, wo ich sein musste.«

Douglas Adams

Viele Jahre sind vergangen, seit ich mich in meiner Berghütte in Norwegen hingesetzt und begonnen habe, über Beyond Budgeting zu schreiben. Das Buch, das dabei herauskam, entstand in der Kälte und Dunkelheit des Winters, aber es wurde mit einem brennenden Glauben an einen neuen und besseren Weg geschrieben. Es erfüllt mich mit Demut und Stolz, dass das Buch seinen Weg in die akademische Lehre gefunden hat und dass Wirtschaftshochschulen auf der ganzen Welt die Fallstudien von Borealis und Statoil in ihren Vorlesungen behandeln, die im Buch vorgestellt wurden.

Viele haben mich ermutigt, ein zweites Buch zu schreiben. Und ich wusste, ich würde es tun. Beyond Budgeting hat so viele Fortschritte gemacht und ich selbst habe so viel gelernt, mehr als ich mir je hätte träumen lassen, als ich Mitte der 1990er-Jahre meine Reise begann.

Diese Fülle an neuen Erkenntnissen und Erfahrungen lässt sich jedoch nur schwer isoliert wiedergeben, ohne eine Verbindung zu dem Ort herzustellen, an dem alles bei Borealis begann und später bei Statoil fortgesetzt wurde. Ich war daher unsicher, ob ich die erste Auflage aktualisieren oder ein völlig neues Buch schreiben sollte. Mein Verleger und viele andere empfahlen zunächst eine Überarbeitung. Am Ende habe ich etwas dazwischen gefunden. Ich hoffe, dass Leser der ersten Auflage es eher als ein neues Buch empfinden werden denn als Überarbeitung.

Mein Schreiben wurde von unzähligen Stunden großartiger Musik begleitet. Ein großes Dankeschön an Neil Young, Bob Dylan, Van Morrison, Elvis Costello, Tom Waits, Warren Zevon (ich muss hier aufhören) und so viele andere tolle Künstler, die den Soundtrack zu diesen Worten geliefert haben. Viele Musiker sagen über ihre besten Alben (ja, ich benutze dieses Wort immer noch; ich bin ein Vinyl-Typ!), dass sie diese Songs zuerst auf der Straße aufgenommen haben, bevor sie ins Studio gingen. Daran kann ich anknüpfen. Alle Präsentationen und Workshops, die ich seit dem Erscheinen meines ersten »Albums« gegeben habe, haben alte Songs, die Sie vielleicht schon gehört haben, verfeinert und verbessert, aber auch eine Reihe von neuen inspiriert. Ich freue mich sehr darauf, mein neues Set mit Ihnen zu teilen!

Als ich zum ersten Mal darüber nachdachte, ein Buch über meine Reise zu Beyond Budgeting zu schreiben, war meine erste Reaktion »Nein«. Wie könnte ich 300 Seiten oder mehr über etwas schreiben, das eigentlich nichts als gesunder Menschenverstand sein sollte? Bitte haben Sie also Nachsicht mit mir, dass dieses Buch immer noch kein »dicker Ziegelstein« ist. Vielleicht macht es Ihnen nichts aus. Vielleicht gibt es ja schon genug Ziegelsteine da draußen. Aber ich danke Ihnen, dass Sie sich ein paar Stunden Zeit genommen haben für etwas, das weniger eine Geschichte über Budgets ist als vielmehr eine Geschichte über Führung und darüber, was Menschen und Organisationen leistungsfähig macht und sie zu herausragenden Leistungen bringt. Das Hauptziel ist nicht die Abschaffung von Budgets. Das Budget ist nur ein Hindernis, das beseitigt werden muss, und sicherlich nicht das einzige. Das Hauptziel ist die Befreiung von Diktatur, Mikromanagement, Zahlenverehrung, Bürokratie, Kalenderfristen, Geheimniskrämerei, Zuckerbrot und Peitsche und all den anderen Managementmythen, die angeben, was am besten geeignet ist, um in Teams und Organisationen große Leistungen zu erzielen. Dies ist das alte Regime, das wir überwinden müssen, um die Businesswelt zu einem besseren Ort zu machen. Willkommen bei der Revolution!

Ich hoffe, ich habe Sie mit diesem leicht emotionalen Ausbruch nicht verloren. Bitte bleiben Sie dran. Ich verspreche Ihnen, dass ich die Argumente mit nüchternen Beweisen und vielen praktischen Beispielen belegen werde. Viele davon werden Ihnen unangenehm vertraut sein.

Ich bin von Haus aus Finanzfachmann. Mein erster Job war in der Finanzabteilung von Statoil. Glauben Sie mir, ich kenne das Budgetspiel von innen – nicht nur von diesem Job, sondern auch von vielen späteren Aufgaben als Finanzmanager. Ich habe mein Lehrgeld bezahlt, indem ich in der Hektik der Budgetfestlegung fast in meinem Büro kampierte.

Wenn ich zurückblicke, habe ich in den ersten Tagen meiner Karriere einige unglaublich dumme Dinge getan! Hoffentlich macht das meine Kritik nicht nur glaubwürdig, sondern auch nützlich.

Ich bin immer noch bei Statoil, und zwar in der Funktion Vice President of Performance Management Development. Ich weiß, das ist ein seltsamer Titel, aber uns fiel nichts Besseres ein, als wir 2007 in aller Eile ein Organigramm erstellen mussten. Wie auch immer, es ist ein toller Job!

Für jemanden, der es gewohnt ist, alle drei Jahre den Arbeitsplatz zu wechseln (und oft auch das Land), ist es ein überraschender Segen, nun schon seit mehr als zehn Jahren am selben Arbeitsplatz und am selben Ort zu sein. Meine Frau würde angesichts meiner Reisetätigkeit wahrscheinlich nicht von »demselben Ort« sprechen. Zum Glück kann sie mich manchmal begleiten. Sie könnte wahrscheinlich jederzeit und überall für mich einspringen und sprechen!

Ich engagiere mich immer noch aktiv im Beyond Budgeting Roundtable: Später mehr über die erstaunliche Entwicklung dieses Netzwerks, das Ende der Neunzigerjahre entstand und heute stärker denn je ist.

Bei Beyond Budgeting geht es vor allem um Führung. Ich habe fast 20 Jahre lang Führungsaufgaben wahrgenommen, die meiste Zeit davon in internationalen Teams außerhalb meines Heimatlandes. Ich habe die Führungsrolle aufrichtig genossen. Es ist die anspruchsvollste und erfüllendste Aufgabe, die es nach der ultimativen Führungsrolle gibt, dem Elternsein.

Ich habe auch in der norwegischen Armee etwas über Führung gelernt, wo ich ein Jahr an einer Offiziersschule verbrachte, bevor ich in einem zweiten Jahr alles in die Praxis umsetzen konnte. Hier habe ich vor allem gelernt, wie man nicht führt, sodass ich meine Pläne einer militärischen Laufbahn aufgab und stattdessen ein Wirtschaftsstudium absolvierte. Die Armee hat sich glücklicherweise verändert, seit ich in den 1970er-Jahren eine Überdosis an »Command & Control«1 erhalten habe.

Ich gehöre zu der eher kleinen Gruppe von Finanzleuten, die auch im Personalwesen gearbeitet haben. Ich habe vier Jahre lang eine HR-Funktion innegehabt. In keinem anderen Job habe ich mehr gelernt. Diese Zeit hat mir unschätzbare Einblicke und Inspirationen für den nächsten Teil meiner Reise gegeben. Zunächst wurde mir etwas klar, das eigentlich selbstverständlich sein sollte, es aber leider für die meisten Finanz- und Personalverantwortlichen nicht ist: Performance Management2 ist ein Querschnittsthema beider Funktionen und keine von ihnen kann ohne die andere erfolgreich sein. Zweitens, die Führungsrolle wird bei Beyond Budgeting um ein Vielfaches komplexer.

Ich habe mittlerweile praktische Erfahrung mit der Leitung von zwei Beyond Budgeting-Implementierungen. Borealis war damals das größte petrochemische Unternehmen Europas, während das Energieunternehmen Statoil das größte Unternehmen Skandinaviens ist. Meine Erfahrungen aus diesen beiden Unternehmen konnte ich auf Tausenden von Konferenzen und Workshops in aller Welt weitergeben, habe zahllose Manager und Fachleute getroffen und mit ihnen diskutiert. Dabei erfuhr ich überwältigende und herzerwärmende Unterstützung, aber es gab auch Zögern, Irritation und manchmal sogar offene Meinungsverschiedenheiten.

Ich war schon immer neugierig darauf, was sich hinter dem verbirgt, was wir alle an der Oberfläche beobachten und habe viel von guten Büchern über Führung und Management gelernt. In diesem Buch geht es vor allem um den Unterschied zwischen Führung und Management. Aber ich bin auch ein Praktiker. Für mich ist die Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis der richtige Ort, um anzufangen. Als ich an der Norwegian School of Economics (NHH) studierte, fiel es mir schwer, mich mit der Organisationstheorie auseinanderzusetzen, und das nicht nur, weil ich vielleicht nicht zu den häufigsten Besuchern des Hörsaals gehörte. Ich brauchte die schmerzhafte, aber lohnende Erfahrung, alles in der Praxis auszuprobieren, wo die Theorie auf die Gräben des wirklichen Lebens trifft. Dieses Buch ist eine Geschichte aus eben diesen tiefen Gräben, denn zu oft hat die Theorie versagt.

Als ich 1983 mein Studium abschloss und bei Statoil anfing, war das Unternehmen wesentlich kleiner als heute. Die meisten kleinen Unternehmen wollen jedoch wachsen. Bei der Planung dieser Wachstumsentwicklung schauen viele auf diejenigen, die bereits erfolgreich und groß geworden sind. Wie managen diese Unternehmen sich selbst? Die Entdeckung ihrer beeindruckenden Auswahl an fortschrittlichen Managementprozessen kann eine entmutigende Erfahrung sein: Szenarioplanung, Strategieentwicklung, Balanced Scorecards, Budgets, Risikomanagement, Anreizsysteme, Compliance, Audits und Kontrollen und so weiter. Die Liste ist lang. Manchmal werden Unternehmensberater zuhilfe gerufen. Das macht die Liste selten kürzer! Dann beginnt das Unternehmen, zu wachsen und die Liste abzuarbeiten. Neue Managementprozesse werden eingeführt, einer nach dem anderen.

Einigen gelingt es, nicht nur zu wachsen, sondern auch alles auf der Liste umzusetzen. Vielleicht sind sie sogar zu einem der Maßstäbe geworden, auf die kleine Unternehmen heute mit Ehrfurcht und Bewunderung blicken. Viele werden jedoch feststellen, dass sie nicht nur groß geworden sind. Sie sind auch bürokratisch, starr, unflexibel und langsam geworden, und manchmal sind sie auch ziemlich traurige Arbeitsstätten. Sie haben die Beweglichkeit und den Pioniergeist verloren, das, was sie noch hatten, als sie klein waren.

Der Wachstumsprozess von Organisationen weist viele Ähnlichkeiten mit dem Alterungsprozess von Menschen auf. Wenn wir älter werden, verlieren wir immer mehr von dem, was wir in unseren jüngeren Tagen für selbstverständlich hielten: die Beweglichkeit und Flexibilität der Jugend. Ich fange an, hier persönliche Erfahrungen zu sammeln! Wenn das Alter seinen Tribut fordert, werden manche auch lebensmüde und verlieren ihren Elan und das Funkeln in den Augen. Diese Entwicklung des menschlichen Körpers und Geistes ist unvermeidlich und unumkehrbar, zumindest was den physischen Teil betrifft. Sie kann durch eine gesunde Lebensweise hinausgezögert werden, aber am Ende holt das Alter uns alle ein. Wir haben keine Wahl als Menschen.

Organisationen haben jedoch eine Wahl. Sie sind nicht dazu bestimmt, langsam und traurig zu werden, weil sie wachsen und älter werden. Wenn dies der Fall ist, ist es meistens selbstverschuldet und kann nicht dem Schicksal oder dem Alter angelastet werden. Glücklicherweise ist der Schaden reversibel, obwohl es immer viel schwieriger sein wird, das, was in der Wachstumsphase eingeführt wurde, wieder rückgängig zu machen, als es von vornherein zu vermeiden.

Die große Frage für große Organisationen sollte daher lauten: »Wie können wir zu der Beweglichkeit und Menschlichkeit zurückfinden, die wir hatten, als wir klein waren? Wie können wir gleichzeitig groß und klein sein, alt und jung, weise und mutig?« Für kleine Organisationen, die wachsen wollen, sollte die Frage lauten: »Wie können wir vermeiden, am selben Ort zu enden wie die großen Organisationen – sprich vermeiden, unsere Beweglichkeit zu verlieren?« Die meisten Organisationen entstehen eigentlich jenseits der Budgetierung (daher der Name Beyond Budgeting). Sie werden zu etwas anderem, weil sie glauben, dass sie es müssen, um erwachsen zu werden. Natürlich kann man eine große Organisation nicht in der Art führen wie die kleine Organisation, die sie früher war. Aber könnte es Alternativen geben? Könnte es andere Wege geben, die die Vorteile des Großseins, die natürlich sowohl real als auch wichtig sind, besser mit den Vorteilen des Kleinseins in Einklang bringen?

Für Menschen bedeutet älter sein normalerweise auch weiser sein. Bei Organisationen ist dies nicht unbedingt der Fall, denn viele haben Mühe, aus der Menge an kollektiver Weisheit und Erfahrung, den sie auf ihrem Wachstumspfad erworben haben, Kapital zu schlagen. Die Lösung ist oft ein weiterer neuer Prozess: »Wissensmanagement«. Viele Mitarbeiter erleben stattdessen eher einen Trend hin zu »Dumbing-down«3, da sie beobachten, dass immer seltsamere Entscheidungen immer weiter von der eigenen Realität entfernt getroffen werden. Viele der in diesem Buch aufgeworfenen Fragen wurden bereits in der einen oder anderen Form diskutiert. Douglas McGregor zum Beispiel behandelte viele der Beyond Budgeting-Führungsfragen in seinem klassischen Buch The Human Side of Enterprise aus dem Jahr 1960. Seine »Theorie X und Y« ist genau richtig. Was sind Ihre grundlegenden Überzeugungen in Bezug auf Menschen? Sind Sie mit Theorie X einverstanden? Glauben Sie, dass Menschen im Allgemeinen Arbeit und Verantwortung nicht mögen, geringe Ambitionen haben und es vorziehen, gelenkt und kontrolliert zu werden? Oder glauben Sie eher an Theorie Y, dass Menschen sich engagieren, Verantwortung übernehmen, sich weiterentwickeln, Leistung erbringen und etwas Positives bewirken wollen? McGregors Buch ist eine zeitlose Lektüre und sehr zu empfehlen.

Das Problem ist nicht ein Mangel an Theorien. Es gibt Tausende von anderen Büchern und Artikeln, die als Quelle dienen können. Das Wissen ist dort draußen. Was wir brauchen, ist, dass all diese Theorien in die Praxis umgesetzt werden. Wir müssen all jenen Managerinnen und Managern, die glauben, ihre Ausbildung mit dem Universitätsabschluss beendet zu haben, klarmachen, dass sie Gefahr laufen, mehr fertig als ausgebildet zu sein. Wir brauchen einen radikalen Wandel in den Millionen von Organisationen und Teams, in denen tagtäglich altmodisches Management praktiziert wird. Theorie X ist so gegenwärtig, dass man denken könnte, es hätte sich in den letzten 50 Jahren nichts verändert.

Eine Bezeichnung für das, worum es in diesem Buch geht, könnte »Performance Management« sein. Ich mag diesen Begriff eigentlich nicht, obwohl er in meiner Jobbezeichnung vorkommt. »Performance« ist großartig; es ist die Kombination mit »Management«, mit der ich mich schwertue. Wie fühlen Sie sich, wenn Ihnen jemand sagt, dass er Ihre Leistung »managen« wird? Ich weiß, wie ich reagiere. Mein Abwehrsystem geht sofort in Alarmbereitschaft. Niemand wird und soll an mir herumschrauben! Niemand wird an meinen Fäden ziehen, als ob ich eine Art tanzende Marionette wäre! In der Tat glaube ich nicht, dass Leistung überhaupt »gemanagt« werden kann, zumindest nicht auf die traditionelle Art und Weise, die uns so viele Managementtheorien glauben machen wollen. Menschen sind keine Roboter, Organisationen sind keine Maschinen, und die Zukunft ist unberechenbarer denn je. Das Management kann nicht einfach im Kontrollraum sitzen, an den Fäden ziehen, Knöpfe drücken und die Leistung »managen«. Man kann eine Blume nicht zum Wachsen bringen, indem man an ihr zieht.

Was wir jedoch tun können, ist, die für Wachstum und Leistung erforderlichen Bedingungen zu schaffen. Wir können ein Umfeld des Vertrauens und der Transparenz, der positiven Herausforderung und Anstrengung, der Fürsorge und Unterstützung schaffen, in dem die Menschen Leistung erbringen, weil sie es wollen, und nicht, weil es ihnen gesagt wird. Aber das ist alles, was wir tun können. Menschen sind keine Marionetten. Sie können wählen, wie sie auf diese Bedingungen reagieren wollen, aber sie können nicht gezwungen werden; sie können nicht »gemanagt« werden. Viele fühlen sich »over-managed« und »under-led«4. Sie sehnen sich nach guter Führung: Orientierung, Inspiration und Unterstützung. Gute Führungspersönlichkeiten schaffen Klarheit, vermitteln Fähigkeiten und fordern Verbindlichkeit ein: Sie geben die Richtung vor, in die es geht, und fördern die Fähigkeit und den Willen, das Ziel zu erreichen. Das ist Führung auf den Punkt gebracht, und das ist auch genau das, worum es bei Beyond Budgeting geht. Es geht uns nicht so sehr um die Budgets. Es geht vielmehr um die Denkweise und die Mythen und Überzeugungen des traditionellen Managements, die es zu bekämpfen gilt. Es ist naiv, zu glauben, dass wir, wenn wir die Zukunft nur mit genügend Nachkommastellen beschreiben, wissen, was passieren wird, um dann sicher in See stechen können. Es ist der blinde Glaube, dass es bei guter Leistung nur darum geht, die Budgetzahlen zu erreichen, und wir alles im Griff haben, solange wir bis ins kleinste Detail erklären können, warum wir uns wieder einmal geirrt haben. Es ist der Mythos, dass es nur einen Weg gibt, Menschen zu motivieren, indem man sie mit Geld belohnt. Es ist wieder die Theorie X: Wenn Menschen nicht an der kurzen Leine gehalten und streng kontrolliert werden, werden sie alle betrügen und die Situation ausnutzen.

Sie werden mich gelegentlich immer noch dabei erwischen, wie ich den Begriff »Performance Management« verwende, denn ich habe noch keinen besseren gefunden. »Organisatorisches Verhalten« könnte eine Alternative sein. Leider schalten jedoch viele von denen, die wir mit der Botschaft »Beyond Budgeting« erreichen müssen, sofort ab, wenn sie solch sanfte und nicht finanzielle Worte hören. Bis wir eine bessere Bezeichnung gefunden haben, muss leider »Performance Management« herhalten. Bitte lassen Sie mich wissen, wenn Sie einen besseren Vorschlag haben!

Es würde keine Reise geben, über die ich schreiben könnte, wenn es nicht Svein Rennemo gäbe, die vielleicht beste Führungspersönlichkeit, für die ich, neben vielen anderen großartigen Führungskräften, je gearbeitet habe. Ich war Svein unterstellt, als ich Mitte der 1990er-Jahre bei dem neu gegründeten Unternehmen Borealis die Abteilung Corporate Control (das ist ein schrecklicher Name, und ich habe ihn selbst gewählt!) leitete. Svein war der CFO und später der CEO.

»Was erwartest du von uns?« Das war die Frage, die ich ihm 1995 stellte, als Borealis ein umfassendes »Business Process Reengineering« durchführte, was in der Sprache der Berater so viel bedeutet wie »keinen Stein auf dem anderen lassen und nach einem besseren Weg suchen«. Ich wurde gebeten, den Teil dieses Projekts zu leiten, der sich »Management-Effektivität« nannte, und ich war mir ziemlich unsicher, welche Inhalte sich hinter einem solch ausgefallenen Etikett verbergen sollten. Also fragte ich Svein, was er wirklich von uns erwartete. Seine Antwort werde ich nie vergessen. Er schaute mich mit einem gütigen und freundlichen Blick an, von dem ich wusste, dass man ihn nicht mit mangelndem Willen oder Entschlossenheit verwechseln durfte: »Bjarte, ich erwarte das Unerwartete.« Das war alles. So viel Herausforderung und so viel Vertrauen in so wenigen Worten.

Ausgelöst durch diese Botschaft, hatten wir einige Monate später beschlossen, die Budgetierung bei Borealis abzuschaffen. Für mich waren diese Worte jener großen Führungspersönlichkeit der Beginn einer langen Reise. Sie werden noch viel mehr darüber erfahren, was wir getan haben und wie wir den Sprung ins Ungewisse gewagt haben, ohne zu dem Zeitpunkt zu wissen, ob andere uns das gleichtun würden.

Bevor wir zu dieser Geschichte kommen, müssen wir allerdings mit all den Problemen, die das traditionelle Management verursacht, und den Gründen für den Wandel beginnen. Dies wird in Kapitel 1 geschehen, in dem erörtert wird, wie das traditionelle Management eher ein Hindernis als eine Unterstützung für große Leistungen geworden ist. Das Budget ist eines der Probleme, aber sicher nicht das einzige. Es werden ernsthafte und oft übersehene Probleme im Zusammenhang mit Vertrauen, Kostenmanagement, Rhythmus, Zielsetzung, Leistungsbewertung, Bonus, Qualität und Effizienz diskutiert. Alle Abschnitte sind gegenüber der Darstellung dieser Probleme in der ersten Auflage des Buches überarbeitet und erweitert worden. Dadurch sind sie aber nicht kleiner geworden. Ganz im Gegenteil! Ich habe auch einen neuen Abschnitt über »Kontrolle« hinzugefügt, in dem ich einige der Illusionen hinsichtlich Kontrolle in Organisationen, an die leider so viele glauben, entlarve.

Kapitel 2 bildet den Übergang zu »Beyond Budgeting«. Zunächst erhalten Sie einen Überblick über die Philosophie und die jüngste Aktualisierung der 12 Grundsätze, bevor der »Beyond Budgeting Roundtable« vorgestellt wird. Das Kapitel wurde mit allem, was seit 2009 passiert ist, auf den neuesten Stand gebracht – und das ist eine ganze Menge. Es hat bedeutende Fortschritte gegeben, aber auch traurige und ernsthafte Rückschläge.

Anschließend wird das Konzept durch einen Blick auf das bekannte Fallbeispiel der »Handelsbanken« veranschaulicht. Diese schwedische Bank hat bereits 1970 radikale Änderungen an ihrem Managementmodell vorgenommen und ist nach wie vor eine hervorragende Referenz und Inspirationsquelle. Ich habe die Geschichte über diesen faszinierenden Pionier des Beyond Budgeting mit neuen Erkenntnissen aktualisiert.

Wir werden uns auch zwei neue Fallbeispiele ansehen. Miles ist ein erstaunliches IT-Unternehmen, ein Meister der Servant Leadership5, das ohne Budgets und Ziele auskommt. Die Reitan Group ist eines der größten norwegischen Unternehmen mit der Vision, »die am stärksten werteorientierte Organisation« zu sein. Freuen Sie sich also auf zwei wunderbare Geschichten!

Die Kapitel 3 und 4 befassen sich dann mit Borealis und Statoil. Bei Borealis handelt es sich um eine Geschichte aus den 1990er-Jahren. Wenn Sie die erste Auflage des Buches gelesen haben, können Sie dieses Kapitel überspringen, da es relativ unverändert ist. Vielleicht kann ich Sie aber auch zu den großen Fragen und entscheidenden Momenten zurückführen, die sich als so unglaublich wichtig erwiesen haben? Nehmen Sie diese einfache, aber wichtige Frage eines sehr müden Controllers bei Borealis, als wir gerade zwei Budgets in einem Jahr während einer extrem geschäftigen Unternehmensgründung 1994 fertiggestellt hatten: »Was wäre, wenn wir gar kein Budget aufstellen?« Oder die Erleichterung, als wir schließlich mit einer weiteren einfachen Frage alles geknackt haben: »Warum budgetieren wir – was ist eigentlich der Zweck dieser Zahlen?« Das waren noch Zeiten!

Das Statoil-Fallbeispiel ist ein Erfahrungsbericht von einer Reise, die auch während des Schreibens dieser Zeilen noch andauert und die immer wieder großartige Erkenntnisse liefert. Ein Großteil des Kapitels wurde neu geschrieben und auch erweitert, da sich seit der Veröffentlichung der ersten Auflage im Jahr 2009 bei Statoil so viel getan hat. Das Buch wurde anfänglich in einer aufregenden Zeit geschrieben, als Statoil mit dem Öl- und Gasgeschäft des Mitbewerbers Hydro fusionierte. Diese zweite Auflage habe ich ebenfalls unter besonderen Umständen geschrieben. Der Ölpreis brach wieder einmal ein. Diesmal hat die gesamte Branche, einschließlich Statoil, tiefgreifende und grundlegende Veränderungen eingeleitet, und zwar nicht nur in Bezug auf das Aktivitätsniveau, sondern auch auf die Betriebsmodelle. Der Preisverfall, der erneut alle überraschte, zeigte deutlich die Notwendigkeit einer flexiblen Beyond Budgeting-Strategie, setzte aber auch das Modell unter Druck, da einige (zu Unrecht!) davon ausgegangen waren, dass die Kosten nicht wichtig seien. Die Skeptiker kamen aus ihrem Versteck hervor und witterten eine Gelegenheit, zu den einfacheren Tagen des traditionellen Managements zurückzukehren. Ich verspreche, dass ich darauf zurückkommen werde, wie sich das abspielte.

Kapitel 5, »Beyond Budgeting und Agile«, ist neu. Die Agile Community zu entdecken war eine wunderbare Erfahrung, und das nicht nur, weil beide Ansätze so viele Gemeinsamkeiten haben. Es gibt so viele herzliche und kluge Menschen in dieser erstaunlich lebendigen Gemeinschaft. Leider haben die meisten Organisationen, in denen die IT keine Kernfunktion besitzt, noch nicht entdeckt und erfahren, wie agile Vorgehensweisen die Art und Weise, wie großartige Software entwickelt wird, revolutioniert hat und dies auch andere Bereiche revolutionieren kann.

Kapitel 6, das sich mit der Implementierung befasst, wurde deutlich erweitert und um neue Erkenntnisse, sowohl von innerhalb als auch außerhalb von Statoil, ergänzt. Heute gibt es so viele Unternehmen, die sich auf der Beyond Budgeting-Reise befinden und dabei immer wieder neue Wege und Routen entdecken. Sie werden jedoch bereits in den Kapiteln über Borealis und Statoil eine Fülle von Einblicken in die Implementierung finden.

Außerdem gibt es eine Reihe neuer Illustrationen, insbesondere im Kapitel über Statoil.

Bevor wir fortfahren, muss ich eine Warnung aussprechen. In diesem Buch werden Sie mich oft schimpfen hören. Wahrscheinlich werden Sie das Gefühl haben, dass ich die Dinge gelegentlich ziemlich schwarz-weiß darstelle, wenn ich zum Beispiel das Budget und die damit verbundenen Schäden kritisiere. Ich tue das absichtlich und ohne schlechtes Gewissen, weil ich davon überzeugt bin, dass an dieser Herangehensweise etwas grundlegend falsch ist. Dieser Ausgangspunkt ist nicht verhandelbar. Ich möchte nur sicherstellen, dass zumindest einige meiner Sorgen und Warnungen bezüglich des traditionelle Managements durchkommen. Wenn es mir gelingt, möchte ich auch Unterstützung und einen Ausweg aus der Misere anbieten. Zumindest möchte ich Sie mit dem Gefühl zurücklassen, dass vielleicht doch etwas dran ist. Ich habe allerdings große Hoffnungen. Ich glaube, die überwiegende Mehrzahl von Ihnen wird dem zustimmen, was ich zu sagen habe, denn es ist nichts anderes als gesunder Menschenverstand.

Wenn Sie bereits die erste Auflage des Buches gelesen haben, heiße ich Sie herzlich willkommen. Schön, Sie wiederzusehen! Wenn Sie sich neu mit der Thematik beschäftigen, heiße ich Sie ebenso herzlich willkommen in der faszinierenden Welt von Beyond Budgeting!

Danksagungen

Es heißt, wenn du schnell reisen willst, reise allein. Wenn du weit reisen willst, reise gemeinsam. Ich möchte allen meinen Mitreisenden auf dieser Reise danken.

Bei Statoil geht ein besonderes Dankeschön an:

Eldar Sætre, der den Grundstein gelegt hat, grünes Licht gab und seitdem felsenfest dahintersteht. Torgrim Reitan, für all das Vertrauen und die Unterstützung.

Arvid Hollevik, Stian Flørenæs, Jone Solberg und Toralf Rugland, für all unsere großartigen Diskussionen und dafür, dass sie alles mit einem wunderbaren System unterstützt haben.

Meine anderen Kollegen aus dem Finanzbereich und Ihnen allen, die Sie draußen im Tagesgeschäft sind und diese Aufgabe in Ihren Bereichen übernommen haben. Ich wage es nicht, Namen zu nennen, weil es so viele von Ihnen gibt. Sie wissen, wer Sie sind!

Meine Kollegen aus der Personalabteilung. Gemeinsam sind wir so viel stärker! Ein besonderes Dankeschön an die weise und wunderbare Siri Bentsen.

Meine neuen Freunde in der IT. Agile und Beyond Budgeting passen perfekt zusammen.

Ich bin all meinen Freunden vom Beyond Budgeting Roundtable zu großem Dank verpflichtet: Jeremy Hope (RIP), Peter Bunce (RIP), Robin Fraser, Steve Player, Steve Morlidge, Franz Röösli, Anders Olesen und Dag Larsson.

Vielen Dank an Thomas Boesen bei Borealis für seine großartige Arbeit im Finanzbereich, nachdem ich in die Personalabteilung gewechselt war, und an alle anderen im Finanzteam, insbesondere Gunnar Nielsen, Asbjørn Holte und Anders Frøberg.

Ich bin auch sehr dankbar für die Unterstützung und Geduld meiner Kollegen aus der Personalabteilung.

Ein besonderes Dankeschön geht an Bob Kaplan für das Geleitwort und für all die Unterstützung, seit wir uns vor fast 20 Jahren zum ersten Mal getroffen haben.

Ein großes Lob verdienen Katarina Kaarbøe und Trond Bjørnenak von der Norwegian School of Economics, NHH, und ihre Kollegen für die Einführung von Beyond Budgeting im akademischen Bereich. Andere werden folgen, aber sie waren früh dran!

Und zu guter Letzt, aber auch als Erstes ist Svein Rennemo zu nennen: Vielen Dank für die Herausforderung und für all dein Vertrauen und deine Unterstützung. Nicht jeder wagt es, nach dem Unerwarteten zu fragen. Du hast es getan.

Bjarte Bogsnes

Vorwort des Übersetzerteams

Die heutige Zeit verlangt von Individuen und Unternehmen eine schnelle Anpassung. Wie Bjarte Bogsnes in seinem Buch eindrucksvoll darlegt, erfordert eine Welt voller Unsicherheit und Komplexität neue Wege, um mit diesen beiden Faktoren umzugehen.

Bjarte ist ein geschätzter Kollege und Gesprächspartner für uns, und die Diskussionen mit ihm haben uns viele Einblicke in die praktische Anwendung von Beyond Budgeting sowie in die Anwendung agiler Methoden in Unternehmensbereichen außerhalb der IT gegeben. Die unkonventionelle, aber zugängliche Art von Bjarte, seine Fähigkeit, komplexe Sachverhalte einfach darzustellen, sowie seine langjährige Erfahrung und sein Wissen als einer der Begründer von Beyond Budgeting haben uns schließlich dazu bewogen, sein Buch »Beyond Budgeting« ins Deutsche zu übersetzen, um es einer neuen Leserschaft vorzustellen.

Besonders gefreut hat uns bei der Übersetzung das für die deutsche Ausgabe aktualisierte und erweiterte Kapitel 5, in dem Bjarte die Verbindung zwischen Agile und Beyond Budgeting hervorhebt. Wir hoffen, dass Agile und Beyond Budgeting in weiteren Unternehmen Anwendung finden.

Gemeinsam mit dem dpunkt.verlag und unseren Kolleginnen Janet Blume und Tabea Plonski, die uns bei der Übersetzung tatkräftig unterstützt haben, sind wir stolz, dieses wichtige Thema nun in aktualisierter Form dem deutschsprachigen Markt zur Verfügung stellen zu können.

Sohrab Salimi und Helen SchraderJanuar 2023

Inhaltsverzeichnis

1Probleme mit dem traditionellen Management

1.1Einleitung

1.2Welchen Weg geht man in einem neuen Geschäftsumfeld?

1.3Das Problem von Vertrauen und Transparenz

1.4Das Problem des Kostenmanagements

1.5Das Problem der Kontrolle

1.6Das Zielsetzungsproblem

1.7Das Problem der Leistungsbewertung

1.8Das Bonusproblem

1.9Das Rhythmusproblem

1.10Das Qualitätsproblem

1.11Das Effizienzproblem

2Beyond Budgeting

2.1Die Philosophie

2.2Der Beyond Budgeting Roundtable

2.3Die Beyond Budgeting-Prinzipien

Führungsprinzipien

Managementprozesse

2.4Handelsbanken – Der Pionier

2.5Miles – ein Meister des Servant Leadership

2.6Die Reitan Group – Werte im Mittelpunkt

3Das Fallbeispiel Borealis

3.1Einführung

3.2Die Gründung von Borealis

3.3Die Reise beginnt

3.4Das Borealis-Modell

Rollierende Fünf-Quartals-Prognosen

Die Balanced Scorecard

Von der absoluten zur relativen Leistung

Trendberichte

Leistungsrechnung

Investitionsmanagement

Beurteilungen und Belohnungen

3.5Erfahrungen mit der Implementierung und Lessons Learned

3.6Borealis heute

4Das Fallbeispiel Statoil

4.1Einführung

4.2Die Grundlage schaffen

4.3Die Anfänge

4.4Das Statoil-Modell

Einführung

Trennung der Budgetzwecke

Ambition to Action (Ehrgeiz zum Handeln)

Der Prozess von Ambition to Action

Strategieumsetzung und Zielsetzung

Planung: Maßnahmen und Prognosen

People@Statoil – meine oder unsere Leistungsziele

Dynamische Ressourcenzuweisung

Geschäftsnachverfolgung

Leistungsbewertung und Belohnungen

4.5Eine dynamische Ambition to Action

4.6Was könnte der nächste Schritt sein?

Finanzen und HR: Zeit für eine neue Partnerschaft?

4.7Das Beyond Budgeting-Forschungsprogramm

4.8Wie machen wir uns?

4.9Ein neuer Beginn für Statoil?

5Beyond Budgeting und Agile

6Den Wandel vollziehen: Ratschläge zur Umsetzung

6.1Begründen Sie den Wandel

6.2Mit Widerständen umgehen

6.3Entwerfen Sie zu 80 Prozent und wagen Sie den Schritt ins Ungewisse

6.4Behalten Sie die Kosten im Blick

6.5Beginnen Sie nicht nur mit rollierenden Prognosen

6.6Beziehen Sie die Personalabteilung und die agilen IT-Teams mit ein

6.7Sie können Command & Control nicht durch Command & Control loswerden

6.8Werden Sie nicht zum Fundamentalisten

6.9Die Fallstricke der Balanced Scorecard

Eine neue Kiste auf alten Kisten

Es dreht sich alles um KPIs

Nur ein weiteres Command & Control-Instrument

Nur eine Scorecard an der Spitze

Ein lähmendes Gleichgewicht

Es ist eine Sache der Finanzen

Es ist eine manuelle Angelegenheit

6.10Revolution oder Evolution?

7Schlussbemerkung

Index

1Probleme mit dem traditionellen Management

»Das meiste, was wir als Führung bezeichnen, besteht darin, den Mitarbeitern die Arbeit zu erschweren.«

Peter Drucker

1.1Einleitung

In diesem Kapitel befassen wir uns näher mit den Problemen des traditionellen Managements, die ich bisher nur angedeutet habe. Hier müssen wir ansetzen. Wenn es keine Probleme gibt, warum sollten wir uns dann die Mühe machen, etwas zu ändern? Warum etwas reparieren, das nicht kaputt ist? Es muss einen Grund für eine Veränderung geben. Einige der Probleme, die wir erörtern werden, stehen in direktem Zusammenhang mit dem Budget und der Budgetierung. Andere hängen eher indirekt damit zusammen, haben aber oft ihre Wurzeln in der Budgetierungsmentalität von »Command & Control«.

Lassen Sie uns mit dem Budget beginnen. Es ist nicht das einzige Problem, aber immer noch ein großes. In den letzten 20 Jahren habe ich Tausende von Managerinnen und Managern auf der ganzen Welt (und auch viele Mitarbeitende) gefragt, was sie vom Budgetierungsprozess halten. Alle haben eine Meinung. Die große Mehrheit denkt sehr kritisch, und viele extrem negativ darüber. Dies sind die Probleme mit dem Budget, die sie normalerweise ansprechen:

Schwache Verbindungen zur Strategie

Die Strategie und das Budget werden in isolierten Prozessen entwickelt, die von verschiedenen Funktionen ohne gegenseitigen Respekt und Kontakt erstellt werden.

Ein sehr zeitaufwendiger Prozess

Die Budgetierung verschlingt erschreckend viel Zeit und Energie, sowohl bei der Erstellung als auch bei der Nachbereitung.

Stimuliert unethische Verhaltensweisen

Spielereien, Unterbietungen und versteckte Absichten, die normalerweise nicht akzeptiert werden würden, werden als normal und unvermeidlich in einem Budgetierungsprozess angesehen.

Annahmen sind schnell überholt

Viele und manchmal sogar die meisten der Budgetannahmen erweisen sich als falsch.

Illusionen über die Kontrolle

Die meisten Kontrollen, die das Budget bietet, sind nichts anderes als Illusionen von Kontrolle.

Entscheidungen werden zu früh getroffen

Entscheidungen über Aktivitäten, Projekte und Ausgaben werden in der Regel zu früh getroffen, ohne dass genügend Informationen vorliegen, um die richtige Entscheidung treffen zu können.

Entscheidungen werden zu weit oben getroffen

Der Mangel an Autonomie erzwingt Entscheidungen von oben, was sie oft nicht besser, sondern schlechter macht.

Verhindert oft, dass die richtigen Dinge getan werden

»Ich kann das Offensichtliche nicht tun, weil es nicht in meinem Budget ist!«

Führt oft dazu, dass die falschen Dinge getan werden

Die Kehrseite ist, dass die Leute tun, was sie nicht tun sollten, weil es im Budget steht: »Gib es aus oder verlier es!«

Die Welt endet am 31. Dezember

Das Haushaltsjahr schafft Kurzsichtigkeit und einen aus betriebswirtschaftlicher Sicht oft künstlichen Start-Stopp-Rhythmus.

Ein für die Leistungsbewertung ungeeignetes Vokabular

Das »Im-Budget-Bleiben« ist eine eng gefasste und oft nichtssagende Art, Leistung zu definieren.

Das ist eine ziemlich lange Liste von Problemen, die ein hohes Maß an Frustration darstellt. Was ich jedoch ebenso problematisch finde, ist, dass die große Mehrheit der Organisationen Jahr für Jahr mit der Budgetierung fortfährt, während sich so viele beschweren. Wenn so viele kritisch sind, warum haben nicht mehr etwas dagegen unternommen? Wo bleibt die Revolution, wenn doch so viel Unzufriedenheit unter den Menschen brodelt?

Ich habe lange und intensiv darüber nachgedacht und komme nur auf zwei mögliche Gründe. Vielleicht sieht das Management keine Alternative: »Was sollen wir denn stattdessen tun?« Sie haben noch nie etwas von Beyond Budgeting gehört. Glücklicherweise wird diese Gruppe kleiner, da Beyond Budgeting endlich Eingang in das globale Managementvokabular gefunden hat.

Diejenigen, die schon von Beyond Budgeting gehört haben, halten diese Probleme vielleicht nicht für groß genug, um den langen und harten Weg der Veränderung zu rechtfertigen, der erforderlich ist. Sie werden eher als lästigen Juckreiz denn als Symptome einer ernsthaften Krankheit angesehen.

Damit liegen sie aber völlig falsch. Diese Probleme sind viel mehr als nur ein lästiges Jucken. Sie sind Symptome für etwas viel Umfassenderes und Elementares. Die Managementtechnologie »Budgetierung« wurde vor hundert Jahren mit den besten Absichten erfunden, um Organisationen zu besseren Leistungen zu verhelfen. Wahrscheinlich hat es damals gut funktioniert, vielleicht sogar noch vor 50 Jahren. Heute leben wir jedoch in ganz anderen Zeiten. Unser Geschäftsumfeld ist nicht nur viel dynamischer und unvorhersehbarer geworden, sondern es geht auch immer mehr um Menschen: die Geburt des Wissensarbeiters sowie der Niedergang von Organisationen als gehorsame Maschinen. In diesem Umfeld ist die Budgetierung eher ein Hindernis als eine Unterstützung für großartige Leistungen geworden. Etwas, das verhindert, dass Organisationen ihr volles Potenzial ausschöpfen können.

Dieses schwerwiegende Problem wird nicht dadurch behoben, indem man sich nur mit der Budgetierung befasst. Das Ziel von Beyond Budgeting besteht daher nicht nur oder nicht unbedingt darin, die Budgets abzuschaffen. Es geht vielmehr darum, Organisationen zu schaffen, die beweglicher und menschlicher sind, denn das ist gut und notwendig, um heutzutage hervorragende Leistungen zu erbringen. Dies erfordert einen radikalen Wandel im traditionellen Management. Im Zentrum dieser Art von Management stehen der Budgetierungsprozess und die Budgetierungsmentalität, die nur selten unangetastet und unverändert bleiben können.

Sie werden vielleicht zögern, sich an diesem massiven Angriff auf das traditionelle Management und die Budgets ohne entsprechende Beweise zu beteiligen. Wenn Sie skeptisch sind, hoffe ich, dass wir uns zumindest darauf einigen können, dass jeder Prozess von Zeit zu Zeit überprüft und auf Herz und Nieren getestet werden sollte. Es gibt immer einen besseren Weg. Wenn Sie also jetzt wachsam sind, bitte ich Sie nur darum, sich auf die nächsten Seiten einzulassen, auf denen genauer untersucht wird, ob ein Problem vorliegt. Ich verspreche handfeste Beweise zu liefern. Vielleicht werden Sie nicht überzeugt sein. Nun gut. Aber bitte geben Sie mir eine Chance!

1.2Welchen Weg geht man in einem neuen Geschäftsumfeld?

Was treibt Unternehmen wirklich zu Höchstleistungen an? Was bringt Menschen dazu, morgens aufzustehen, zur Arbeit zu gehen und ihr Bestes zu geben? Wie können wir Kreativität und Innovation freisetzen? Wie können wir schneller als die Konkurrenz Dinge erkennen und darauf reagieren? Warum sollten Menschen für uns, unser Unternehmen arbeiten und nicht für jemand anderen?

Diese Fragen werden wahrscheinlich schon seit den Anfängen von Organisationen und Führung gestellt. Die Fragen sind dieselben geblieben. Es sind die Antworten, die sich geändert haben. Die alten Antworten waren recht simpel und beinhalteten eine starke Dosis an hierarchischer Führung und Kontrolle. Vieles davon hat in der Vergangenheit wahrscheinlich gut funktioniert. Heute gibt es so viel mehr VUCA in der Welt: Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität. Darüber hinaus sind auch die Erwartungen von Beschäftigten, Kunden, Aktionären und der Gesellschaft dramatisch gestiegen. Und auch die Transparenz im Geschäftsleben hat zugenommen. Es gibt nur noch wenige Orte, an denen man sich verstecken kann.

Es ist fast so, als hätten wir eine »globale Erwärmung« des gesamten Geschäftsklimas erlebt. Die »Klimaveränderungen« sind schneller, unvorhersehbarer und heftiger als in den verlässlichen Sommern und Wintern, an die wir uns vielleicht noch aus unserer Kindheit erinnern. Sehen Sie sich nur die Volatilität der Ölpreise an. Für viele Unternehmen, nicht nur für Ölgesellschaften, ist der Ölpreis eine Schlüsselvariable für ihre Geschäftsentwicklung. Sie versuchen, kurz- und langfristige Prognosen zu erstellen, und scheitern immer wieder kläglich, wie der Kurssturz 2014 wieder einmal gezeigt hat. Sehen Sie sich das Tempo der technologischen Innovation an. Die Erstellung eines Fünf-Jahres-Businessplans für eine Plattenfirma muss heute ein Alptraum sein, verglichen mit den Tagen vor digitalen Formaten, Downloads und Streaming. Und warum sollte es hier aufhören?

Die tatsächliche globale Erwärmung hat immer noch ihre Skeptiker, aber niemand scheint dieses Thema zu bestreiten. Die Beweise für den Wandel sind überall zu finden. Wir werden von der Ungewissheit fast erdrückt. Nur eines ist sicherer geworden, nämlich dass unsere Vorhersagen über das, was vor uns liegt, höchstwahrscheinlich falsch sind. »Die Zukunft ist nicht mehr das, was sie einmal war«, wie es der amerikanische Baseballspieler Yogi Berra einmal ausdrückte.

Gleichzeitig hat sich auch das Leben innerhalb von Unternehmen dramatisch verändert. Der massive Unterschied zwischen Markt- und Buchwert der meisten Unternehmen ist ein greifbarer Beweis dafür, dass sich etwas getan hat. Der Wert des Humankapitals – Innovation, Kreativität, Leidenschaft und der Wunsch der Menschen, einen Beitrag zu leisten und etwas zu bewirken – ist oft der einzige Wert, der existiert, und er kann jeden Tag buchstäblich aus der Tür hinaus spazieren. Dies passiert auch genau genommen jeden Nachmittag und wird oft noch wertvoller, weil viele dann zusätzliche Talente mobilisieren und zum Vorschein bringen.

Die Beschäftigten sehen sich selbst nicht als »Arbeiter« in diesen Organisationen, und sie können auch nicht als »Arbeiter« geführt werden. Sie haben andere und höhere Erwartungen als frühere Generationen. Traditionelles Management hat es schwer, wenn Menschen Führung als etwas betrachten, das man sich verdienen muss und nicht durch Sterne und Streifen zugewiesen bekommt. Diese Lektion habe ich während meiner kurzen Militärkarriere auf die harte Tour gelernt.

Die Unternehmen sind nicht taub und blind. Die meisten reagieren darauf, aber auf sehr unterschiedliche Weise. Einige glauben, die Antwort liege in »noch mehr von dem, was wir bereits tun«. Sie reagieren darauf, indem sie die vorhandenen Managementhebel härter und stärker anziehen. Sie entscheiden sich für längere Budgetprozesse, mehr Analysen, mehr Zahlen, strengere Ziele, strengere Nachverfolgung und höhere Boni. Die Strategie ist einfach: mehr von den alten Antworten, um wieder die »Kontrolle« zu erlangen, die sie in der Vergangenheit hatten oder zu haben glaubten.

Dies ist eine verlockende Strategie. Sie stellt aber auch ein großes Paradoxon dar. Je mehr VUCA da draußen ist und je dringender die Notwendigkeit besteht, mit der Vergangenheit zu brechen und radikale Managementinnovationen anzustreben, desto größer ist die Angst, loszulassen und das zu verlassen, was als sicherer und ruhiger Hafen in stürmischem Wetter wahrgenommen wird, nämlich die vertrauten und bewährten Managementpraktiken, einschließlich des guten alten Budgets.

Einige erkennen, dass es Probleme mit dem alten Weg gibt, aber es fehlt ihnen die Einsicht oder der Mut dazu, dies anzugehen. Sie entscheiden sich nur für eine symbolische Veränderung. Das bedeutet in der Regel keine wirkliche Veränderung, sondern nur ein bisschen Singen und Tanzen; die Beauftragung von Beratern, um die neueste Musik in den Charts einzuführen; die Vereinfachung des Budgetprozesses, indem man etwas weniger verlangt als im letzten Jahr; oder vielleicht die Einführung einer rollierenden Prognose zusätzlich zu der unvermeidlichen Umgestaltung des Organigramms.

Aber nicht jeder reagiert auf diese Weise. Eine wachsende Zahl von Organisationen erkennt, dass die Antwort weder in der Erhöhung der Dosis der aktuellen Medikamente noch in symbolischen Veränderungen liegt. Sie erkennen, dass die Krankheit ernst und potenziell tödlich ist und einen radikal anderen Lebensstil erfordert. Sie glauben, dass die Menschen in diesem neuen Geschäftsklima mehr und nicht weniger Bewegungsspielraum brauchen. Sie verstehen die Notwendigkeit einer breiteren und intelligenteren Leistungsbewertung. Sie sind sich darüber bewusst, dass nicht alle Weisheit sich an der Spitze befindet. Sie erkennen, dass das Geschäft kontinuierlich abläuft, mit individuellen Rhythmen, die nur selten mit dem Kalenderjahr übereinstimmen. Diese Unternehmen verstehen, dass ihre Führungs- und Managementmodelle auf und nicht gegen die menschliche Natur ausgerichtet sein müssen.

In den folgenden Abschnitten werde ich Ihnen mitteilen, welche tieferen Probleme diese Unternehmen erkannt und verstanden haben und warum sie rebellieren. Viele dieser Probleme gehen weit über die Budgetierungsprobleme hinaus, die wir bereits erörtert haben, da sie das viel umfassendere Problem des traditionellen Managements ansprechen. Bei diesen Problemen geht es um:

Vertrauen und Transparenz

Kostenmanagement

Kontrolle

Zielsetzung

Leistungsbewertung

Bonus

Rhythmus

Qualität

Effizienz

1.3Das Problem von Vertrauen und Transparenz

Unternehmen, die in diese entgegengesetzte Richtung gehen, haben allesamt Vertrauen als Schlüsselelement in ihrer Führungsphilosophie und ihren Managementprozessen. Vertrauen ist vielleicht das wichtigste Wort im Vokabular von Beyond Budgeting. Niemand sollte in Erwägung ziehen, bestehende Praktiken aufzugeben, bevor er sich nicht darüber im Klaren ist, wo er hier steht. Wo stehen Sie?

Glauben Sie, dass die Organisation ohne strenge Kontrollen und kurze Zügel, ohne detaillierte Budgets und scharfe Anweisungen in die Anarchie abdriftet, in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle möglichen unsinnigen Dinge tun und Geld ausgeben wie betrunkene Matrosen? Wenn Sie das glauben, dann haben Sie ein sehr ernstes Problem, aber wahrscheinlich nicht mit Ihrer Organisation. Wenn Sie kaum jemandem vertrauen und glauben, dass Sie die einzige verantwortungsvolle Person sind, dann liegt Ihr Problem vielleicht eher bei Ihnen selbst als bei anderen. Übrigens, wer hat eigentlich all diese Leute eingestellt, denen man nicht trauen kann? Da muss jemand bei der Einstellung ziemlich schlechte Arbeit geleistet haben! Wenn sie andererseits erst nach ihrem Eintritt in das Unternehmen so unzuverlässig wurden, dann ist das auch etwas, worüber man nachdenken sollte.

Nur wenige würden zugeben, so zu denken. Tatsächlich glaube ich, dass die meisten Managerinnen und Manager den meisten ihrer Mitarbeitenden vertrauen. Der Ausgangspunkt mag also der richtige sein und auch der einzige, den Sie haben können. Aber es nützt nichts, Führungsvisionen nach Theorie Y zu haben, wenn es Managementprozesse nach Theorie X gibt. All die schönen Worte klingen hohl, wenn die Managementprozesse genau das Gegenteil aussagen und so eine gefährliche Kluft zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was getan wird, entsteht. Es genügt nicht, wenn man davon spricht, dass fantastische Personen das Rückgrat der Organisation sind: »Ihr seid alle so großartig und wir vertrauen euch sehr« (aber nicht so sehr) oder: »Natürlich brauchen wir detaillierte Reisebudgets, wenn nicht …«

Leider gibt es solche Kluften in den meisten Organisationen. Ein Grund dafür ist die mangelnde Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Finanz- und Personalabteilung. Die Personalabteilung predigt vielleicht Theorie Y als Führungsansatz, während die Finanzabteilung Theorie X des Managements vorantreibt. Die beiden sind sich dieser Unstimmigkeit selten bewusst, da sie wenig miteinander sprechen, obwohl sie viel übereinander reden. Ich weiß das, denn ich habe in beiden Bereichen gearbeitet! Draußen in der Organisation sind diese Diskrepanzen jedoch sichtbarer, da die Teams an der Basis immer wieder mit widersprüchlichen Botschaften konfrontiert werden.

Ähnlich interessante Diskrepanzen gibt es auch zwischen Gesellschaft und Wirtschaft, zwischen dem Selbstverständnis der Menschen als Bürger oder Politiker in einer freien Gesellschaft im Vergleich zu dem, woran sie als Angestellte oder Manager glauben.

Die meisten von uns würden die Demokratie als den besten Weg loben, eine Gesellschaft gerecht und effektiv zu organisieren und zu führen. Wir halten es für selbstverständlich, dass wir unsere eigenen Politiker wählen, dass alle eine Stimme haben, dass uns unterschiedliche Ansichten voranbringen, dass Informationen offen und frei geäußert werden können, dass wichtige Entscheidungen in Volksabstimmungen getroffen werden und dass es bei öffentlichen Ausgaben und Finanzen volle Transparenz geben sollte. Wir lächeln über die hoffnungslose sozialistische Idee, zentralisierte und detaillierte Fünfjahrespläne zu erstellen, anstatt die Dinge vom Markt regeln zu lassen. Es liegt auf der Hand, dass es kein Monopol geben darf, sondern eine Auswahl an Kapitalquellen, die das ganze Jahr über verfügbar sind, um neue Ideen und Unternehmensgründungen zu finanzieren. Das ist es, was wir als Mitglieder einer freien und marktwirtschaftlichen Gesellschaft predigen und praktizieren.

Wenn wir jedoch zur Arbeit gehen, wird all dies plötzlich undenkbar. Jetzt scheinen unsere Überzeugungen und Inspirationen von ganz anderen Richtungen zu kommen, von ganz entgegengesetzten Ideologien. Das traditionelle Management hat mehr mit der Art und Weise gemein, wie die Sowjetunion geführt wurde, als mit den Prinzipien und Überzeugungen einer echten Demokratie.

Was ist mit unserem Privatleben? Hier stehen die meisten von uns im Laufe der Jahre vor einer Reihe von wichtigen Entscheidungen, die zu treffen sind. Welche Ausbildung? Für wen sollen wir arbeiten? Wen sollen wir heiraten? Ein Haus kaufen? Eine Familie gründen? Wir wollen und erwarten nicht, dass jemand anderes diese Entscheidungen trifft und uns diese Verantwortung abnimmt.

Aber was passiert, wenn wir diesen anderen Hut aufsetzen? Wenn wir zu Führungspersonen oder Angestellten werden, scheint das alles nicht mehr selbstverständlich zu sein. Im Gegenteil, wir scheinen alle unsere Überzeugungen und Werte als Bürger hinter uns zu lassen oder an der Pforte des Unternehmens aufzugeben, und zwar ganz freiwillig.

Warum ist das so? Warum geben wir das, was wir als Bürger und in unserem Privatleben für selbstverständlich halten, so leicht auf? Viele scheinen auf Autopilot zu sein, festgefahren in denselben traditionellen Managementmustern wie ihre Manager. Einigen gefällt das nicht, aber sie akzeptieren es als unvermeidlich. In vielen Gesellschaften hat die Demokratie eine kurze Geschichte. In den alten Regimen war dieses Paradoxon vielleicht weniger ausgeprägt, denn die Situation war auf beiden Seiten der Unternehmenstore weitgehend gleich.

Das alles ändert sich, und zwar nicht nur in den politischen Systemen auf der ganzen Welt. Junge Menschen, die den alten Weg infrage stellen, stimmen jetzt mit den Füßen ab, denn sie fühlen sich zu Unternehmen hingezogen, die es wagen, die Vergangenheit zu hinterfragen, die die Mauer zwischen der Art und Weise, wie Gesellschaft und Wirtschaft geführt werden, niederreißen wollen.

Was ist mit Führungspersönlichkeiten? Viele von ihnen sind ebenfalls in Traditionen und alten Gewohnheiten verhaftet. Einige haben vielleicht sogar ihre Karriere auf der Beherrschung des traditionellen Managements aufgebaut. Sie werden in ihren Überzeugungen auch durch das Verhalten einiger Personen im Unternehmen bestärkt. Es gibt immer Menschen, die entweder zu klug oder zu töricht sind, um Vertrauen und Autonomie zu verdienen oder damit umzugehen. Die gibt es auch in Ihrer Organisation. Ich bin sicher, Sie können sogar einige nennen. Obwohl wir wissen, dass es in der Regel nur wenige sind, und selbst wenn wir der großen Mehrheit vertrauen, lassen wir uns viel zu oft von dieser kleinen Minderheit bei der Gestaltung unserer Managementmodelle leiten. Die Strategie scheint die präventive Kontrolle für alle zu sein anstatt die Schadensbegrenzung für einige wenige.

So kann es nicht bleiben. Wenn wir den meisten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertrauen, muss diese große Mehrheit die Gestaltung unserer Managementmodelle bestimmen und nicht die kleine Minderheit. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht naiv sein. Die Minderheit ist eine Realität, der man sich stellen muss und die man nicht ignorieren darf. Wir müssen uns über unsere Werte und Leistungsstandards im Klaren sein und wir müssen entschlossen handeln, wenn Vertrauen ausgenutzt wird. Und ich meine wenn, nicht falls, denn es wird passieren.

Unsere Reaktion darf jedoch kein Rückzug auf den alten Weg sein, weil »Vertrauen nicht funktioniert«. Der Druck wird von den Befürwortern der Theorie X kommen, die sich nach den einfacheren Tagen von Command & Control sehnen: »Wir haben Sie gewarnt! Diese Vertrauenssache funktioniert nicht!« Lassen Sie sich von ihnen nicht unter Druck setzen. Gehen Sie entschlossen und zügig mit Zwischenfällen um, aber lassen Sie sich nicht zurückdrängen.

Ausnahmen dürfen nicht verallgemeinert werden. In einer Demokratie verhaften wir nicht jeden als potenziellen Kriminellen, nur weil jemand etwas falsch gemacht hat. Innerhalb bestimmter Grenzen sind wir alle freie Bürger, aber das Überschreiten dieser Grenze hat Konsequenzen.

Wenn das gesamte Managementmodell nach Misstrauen und Kontrollmechanismen riecht, könnte das Ergebnis tatsächlich mehr und nicht weniger von dem sein, was wir zu verhindern versuchen. Je stärker Menschen als Kriminelle behandelt werden, desto größer ist die Gefahr, dass sie sich auch so verhalten.

Diejenigen, die immer noch auf den auf Misstrauen basierenden Kontrollansatz beharren, begeben sich in eine Auseinandersetzung ohne Ende. Die Menschen werden immer wieder Wege finden, zu betrügen, wenn sie es wirklich wollen. Jedes Kontrollsystem kann ausgetrickst werden. Die Menschen sind schlau. Ihre Motivation, dies zu tun, wird durch neue Kontrollen angeheizt. Es ist ein Teufelskreis und ein Spiel, bei dem man nur verlieren kann.