INNER GAME STRESS - W. Timothy Gallwey - E-Book

INNER GAME STRESS E-Book

W Timothy Gallwey

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Beschreibung

Gallwey hat mit seiner Inner Game-Reihe ein Millionenpublikum erreicht. Unterstützt durch zwei hochrangige und erfahrene Ärzte zeigt er hier anschaulich und lebensnah auf, wie wir lernen, mit Stress, Erschöpfungs- und Belastungszuständen souveräner und selbstbestimmter umzugehen. Inner Game steht für die Idee, zuerst den inneren Weg zu gehen und sich von unnötigen Selbststörungen zu befreien, um so gewappnet die äußeren Lebensaufgaben leichter meistern zu können. Dazu macht Gallwey bewusst, wie negative Selbstgespräche uns glauben machen, dass wir den anstehenden Herausforderungen nicht gewachsen sind, und was es bedeutet, wenn für uns die Erwartungen anderer Menschen ausschlaggebend sind – was dazu führt, dass wir uns fremdgesteuert, hilflos und überfordert fühlen. Mit einer einzigartigen Mischung, bestehend aus Tools, Fallbeispielen und Lösungsaufgaben, ist dieses Buch ein praktischer Wegweiser aus dem Stress hinaus. Es hilft, eine neue Perspektive einzunehmen und den Zugang zu seinen natürlichen Ressourcen herzustellen. Gönnen Sie sich dieses Buch, es wird Ihnen guttun! „Tim Gallwey ist einer der größten Lehrer unserer Zeit.“ Peter Senge, Bestsellerautor

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W. TIMOTHY GALLWEY

DR. EDWARD S. HANZELIK

DR. JOHN HORTON

INNER GAME STRESS

Wie Sie größere innere Stabilität gewinnen, um die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen

© für die deutsche Ausgabe 2012:

allesimfluss-Verlag und Shop AG, Am Schießrain 37, D – 79219 Staufen

Telefon +49-7633-933480 / Fax +49-7633-9334811 www.allesimfluss-verlag.de / [email protected]

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der schriftlichen Einwilligung des Verlags.

1. Auflage Dezember 2012

Autoren: W. Timothy Gallwey, Dr. Edward S. Hanzelik und Dr. John Horton

Projektleitung: Frank Pyko

Übersetzung: Ingrid Proß-Gill

Umschlaggestaltung: Meike Herzog

Illustrationen: Nike Schenkl

Layout und Satz: Satzbüro B. Herrmann

Korrektur: TextBüro Meßmer

Druck und Bindung: fgb · freiburger graphische betriebe GmbH

Printed in Germany

Veröffentlicht in den USA 2009 von Random House, New York unter dem Originaltitel »The Inner Game of Stress«.

© 2009 by W. Timothy Gallwey, Dr. Edward S. Hanzelik und Dr. John Horton

ISBN 978-3-944414-04-1

Menschen auf der ganzen Welt gewidmet, die angesichts der Herausforderungen des Lebens nach Stabilität, Ruhe und Weisheit streben

Vorwort

Was wir von unseren Patienten gelernt haben

Einleitung

1 DAS STRESSSPIEL

Wer will Stress?

Unsere zwei Selbst

Kennen Sie Ihren Stressmacher?

Eine Alternative zu Kämpfen, Fliehen oder Erstarren

Umschalten können

2 DEN STRESS ÜBERWINDEN

ACT: Der Inner Game-Lernkode

Ihr Stabilitätsbaum

Sich einen persönlichen Schild bauen

Werden Sie der Chef in Ihrem Leben

3 DIE INNER GAME-TOOLBOX

Tool Nr. 1: Das STOP-Tool

Tool Nr. 2: Wie ein Chef denken

Tool Nr. 3: Die drei Fragen zur Kontrolle

Tool Nr. 4: Eine neue Einstellung ausprobieren

Tool Nr. 5: Der Zauberstift

Tool Nr. 6: Der Rollentausch im Kopf (Transposing)

Tool Nr. 7: Neudefinitionen

Tool Nr. 8: Das Inner Game-Dreieck

4 DAS LEBEN ERFAHREN

Eileens Geschichte

Eine Sache von Leben und Tod

Inner Game im Leben

5 ANHANG

Medizinische Erläuterungen

Medizinisches Glossar

Weiterführende Informationen

Dank

Über die Autoren

Vorwort

Was wir von unseren Patienten gelernt haben

Als Ärzte sehen wir die gesundheitlichen Auswirkungen von Stress jeden Tag. Einer Schätzung des American Institute of Stress zufolge spielt Stress bei 75 bis 90 Prozent aller Besuche bei Hausärzten eine Rolle. Für uns ist diese Zahl keine Überraschung. Forscher aus dem medizinischen Bereich finden es zwar schwierig, die Auswirkungen von Stress zu messen und zu beziffern, doch die Ärzte wissen intuitiv und aus Erfahrung, dass chronischer Stress mental und körperlich seinen Tribut fordert. Auch wenn unsere Patienten der Sache keinen Namen geben, wissen sie generell, wie schlecht Stress sich anfühlt, und die meisten sind sich ihrer eigenen Beschwerden bewusst. Bei dem einen können es Kopf- und Schulterschmerzen sein, bei einem anderen Übelkeit, Durchfall und Darmprobleme, bei einem dritten Herzrhythmusstörungen, Angst und eine Depression. Bei manchen sind die Auswirkungen subtil, bei anderen trägt Stress jedoch zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung bei.

Die meisten unserer Patienten haben erkannt, dass der Stress in ihrem Leben zu einer körperlichen Belastung geworden ist; sie sind aber oft der Ansicht, dass sie dagegen nichts tun können. Sie glauben, dass ihr Stressgrad von den äußeren Umständen abhängt und dass der Stress sich angesichts ihrer Situation nicht vermeiden lässt. Sie denken, dass sie ihn einfach akzeptieren und sich bemühen müssen, sich durch ihn hindurchzukämpfen. Oder sie haben das Gefühl festzustecken und sehen keine Chance, ihre derzeitigen Gewohnheiten, Umstände oder emotionalen Reaktionen zu verändern.

Schon zu Beginn unserer Praxistätigkeit sahen wir, wie stark Stress unsere Patienten beeinträchtigte; das regte uns dazu an, nach Möglichkeiten zu suchen, das Grundproblem – den Stressverursacher selbst – zu beeinflussen. Wir probierten es mit Beratung, und das hatte auch tatsächlich positive Auswirkungen, doch wir brauchten mehr als bloße Worte. Unsere Patienten brachten zum Ausdruck, dass sie praktische Tools benötigten. Die große Frage war aber: Welche Tools konnten wir ihnen als Ärzte geben?

Gewöhnlich suchen Ärzte nach medizinischen Lösungen für die Probleme, die sie sehen – Tabletten, Operationen oder verschiedene Therapien. Bei Stress sind diese Strategien jedoch nicht wirksam genug, da dabei nicht berücksichtigt wird, weshalb das Stresssystem überhaupt aktiviert wird. Dieses System ist als lebensrettende biologische Reaktion auf Gefahren gedacht; bei Menschen, die unter chronischem Stress stehen, wird es aber dauerhaft aktiviert, als Reaktion auf die ganz alltäglichen Herausforderungen. Es gibt immer mehr wissenschaftliche Beweise dafür, dass ständiger Stress der Gesundheit schadet. Daher fragten wir uns, wie wir unseren Patienten helfen könnten, die wiederholte Aktivierung ihres Stresssystems zu vermeiden.

Wir waren damals schon seit einer Reihe von Jahren mit Tim Gallwey befreundet und bewunderten seinen Inner Game-Ansatz, zu dem das natürliche Lernen und die Nutzung der eigenen Ressourcen gehören. Er zeigt in seinen Inner Game-Büchern, wie man sich auch angesichts äußerer Stressoren seine Balance bewahren kann. Also sprachen wir mit Tim darüber, wie man seine Erkenntnisse zum inneren Spiel – dem, was sich gedanklich in uns abspielt – auf die uralten Probleme der praktischen Medizin anwenden könnte.

Mit Tims Hilfe begannen wir dann, unsere Patienten in die Inner Game- Tools einzuführen und ihnen zu zeigen, wie man sie benutzen kann, um chronischen Stress zu verhindern. Die phänomenalen Ergebnisse aus den letzten zwölf Jahren haben uns bewogen, dieses Buch zu schreiben. Tatsächlich haben die Leute uns nach vielen unserer Stressseminare voller Dankbarkeit angeschaut und eben das gesagt: »Darüber sollten Sie ein Buch schreiben!«

Wir haben miterlebt, dass durch die Anwendung der Inner Game-Tools bei akuten wie chronischen medizinischen und psychischen Problemen eine fundamentale Verbesserung eintrat. Wir haben entdeckt, dass unsere Patienten sogar die Kontrolle über etwas so Verheerendes und Zerstörerisches wie Stress haben – dass Stress sich verhindern lässt, wenn sie das Inner Game wirklich beherrschen.

Unsere Patienten zeigten uns auch, dass sie bei der Verhinderung von Krankheiten und der Vermeidung von Stress sehr aktiv mitarbeiten wollten. Wir lernten, dass unsere Rolle als Ärzte sich verlagern musste. Wir waren nicht mehr die Experten, die alle Fakten kannten, Rezepte ausstellten, Anweisungen erteilten und völlige Willfährigkeit verlangten. Wir mussten Coachs werden und unsere Patienten dazu anregen, ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten zu entdecken. Das ist der Punkt, an dem die Inner Game-Strategien sich so gut mit der medizinischen Praxis verbanden. Selbst Athleten von Weltklasse haben Coachs. Weshalb? Weil sie wissen, dass der Coach sie bei ihrem Lernprozess unterstützen kann, dass er ihnen helfen kann, Dinge zu sehen, die sie selbst vielleicht übersehen würden, und sie zu größeren Leistungen inspirieren kann.

Der Arzt spielt als Coach eine ganz ähnliche Rolle: Er hilft den Patienten, die Vielfalt ihrer Ressourcen zu entdecken, unterstützt sie bei ihren Bemühungen, ihre Gesundheit zu stärken, und inspiriert sie dazu, nach Möglichkeiten zur Vermeidung der schädlichen Auswirkungen von Stress zu suchen. Unsere Patienten bewiesen uns, dass sie schnell lernen konnten, das Ausmaß von Stress in ihrem Leben zu reduzieren und ihr Wohlbefinden insgesamt zu steigern. Sie haben uns durch ihr Verhalten gezeigt, dass Coaching oft die wirkungsvollste Hilfe für sie war.

Uns ist bewusst, dass es angesichts all der Herausforderungen des Lebens unvorstellbar scheinen kann, dass die Leute Stress vermeiden können. Wir staunen aber immer wieder darüber, welche Vielfalt von Ressourcen wir Menschen dafür in uns haben, unser Leben genau so zu führen.

Wir danken unseren Patienten für alles, was sie uns gelehrt haben. Sie haben uns eine Tür geöffnet, sodass wir entdecken konnten, wie wir uns an unserer ärztlichen Tätigkeit erfreuen können. Im Buch werden Sie Strategien für die Anwendung des Inner Game finden, die auf den aktuellen medizinischen Erkenntnissen und den Geschichten unserer Patienten beruhen. Wir hoffen, dass sie Ihnen helfen werden, Ihre Stressbelastung zu reduzieren und in Ihrem Leben höchste Zufriedenheit zu erreichen.

Einleitung

INNER GAME UND STRESS

Einmal kam eine Golferin von Weltklasse zu mir und bat mich, sie zu coachen. Sie erzählte mir, sie brauche Hilfe, weil sie Stress verspüre, wenn sie bei Turnieren, bei denen sie den Titel gewinnen könne, die letzten Löcher spiele. »Meine Hände fangen dann an zu zittern und ich verliere den Kontakt zum Gefühl des Schlägers«, sagte sie. Sie stand gerade besonders unter Druck – sie brauchte nur noch zwei Turniere zu gewinnen, um für die Hall of Fame des Golfs infrage zu kommen.

Da es unmöglich war, die Umstände zu simulieren, die ihren Stress verursachten, stellte ich ihr zwei einfache Fragen:

»Was ist das Ziel beim Golf?«

»Weshalb spielen Sie Golf?«

Ihre ersten Antworten waren klar und einfach: »Das Ziel beim Golf besteht darin, jede Runde mit möglichst wenig Schlägen zu absolvieren. – Weshalb ich Golf spiele? Erstens liebe ich die Umgebung, zweitens liebe ich Wettkämpfe und drittens liebe ich es, das Talent zum Ausdruck zu bringen, das Gott mir geschenkt hat.«

Ich beobachtete sie genau, als sie antwortete, und sagte dann: »Bisher zittern Ihre Hände nicht!« Vorhersehbare Veränderungen würden keine Bedrohung für ihr Spiel sein. »Fallen Ihnen noch andere Gründe dafür ein, dass Sie sich dem Golfspiel gewidmet haben?«

Sie dachte kurz nach und rief dann: »Ja, die gibt es! Erstens schulde ich dem Golf etwas – bevor ich damit anfing, war ich ein Niemand, aber jetzt bin ich jemand. Und noch etwas: Ich schulde meinen treuen Fans etwas, die erwarten, dass ich bei jedem Turnier um den Titel mitspiele.«

Sie hielt inne, sah mich an und sagte: »Jetzt werden meine Hände zittrig, nicht?«

Ja, das stimmte. Sobald sie aufgehört hatte, über ihre Liebe zum Golf zu sprechen, und zu ihrem Gefühl im Hinblick auf die Beurteilungen und Erwartungen von anderen gewechselt hatte, war Nervosität unvermeidbar. Sie blickte bereits auf das Ende des Wegs, auf eine Zeit, in der sie die Treue ihrer Fans und ihre Identität als Profigolferin nicht mehr haben würde. Sie verfügte über phänomenale Fertigkeiten, doch ihr innerer Stress – ihre Angst davor, ihrem Selbstbild oder dem Bild, das andere auf sie projizierten, nicht zu entsprechen – erzeugte körperlichen Stress und beeinträchtigte ihre Leistung und ihre Freude am Spiel.

Als sie allmählich erkannte, was sie blockierte, erlangte sie die Fassung wieder und begann darüber zu sprechen, wie viel Mühe es erforderte, in Höchstform zu bleiben und professionell Golf spielen zu können. Es war, als würde sie ernsthaft darüber nachdenken, ob es das wert war. Und sie kam zu dem Schluss, dass es sich tatsächlich lohnte. Das nächste Turnier, das sie spielte, gewann sie zwar nicht, aber das Turnier danach. Ihre Hochstimmung war unübersehbar: Vor lauter Freude sprang sie in den Teich neben dem 18. Loch.

Diese Frau schlug sich mit einer Tatsache herum, der wir uns alle stellen müssen: Wir müssen zwischen dem, wer wir sind, und dem, was wir tun, unterscheiden. Wir spielen im Leben viele Rollen – Vater oder Mutter, Ehepartner, Golfer, Manager –, doch die äußere Realität ist nicht das, was wir wirklich sind. Es ist eine der Aufgaben im Umgang mit unserem inneren Spiel, diese Unterscheidung zu machen und es uns dann zu erlauben, uns ganz zu zeigen, ohne Behinderung durch Konzepte und Erwartungen, die nicht im Einklang mit unserem Ziel stehen. Sobald wir das machen, können wir frei von Stress sein und in Bestform spielen – auf dem Golfplatz, bei der Arbeit und auch im Leben selbst. In diesem Buch werden Sie viele Beispiele für Menschen finden, die ihre Denkgewohnheiten veränderten, die Stress auslösten und ihre Weiterentwicklung behinderten. Wir hoffen, dass diese Beispiele Sie dazu inspirieren werden, nachzudenken und sich Ihren eigenen Weg zur Freiheit von Stress zu suchen.

DER INNER GAME-ANSATZ

Ich denke, an dieser Stelle sind ein paar Worte zum Inner Game angebracht. Man kann sagen, dass jeder ein inneres Spiel spielt, ob er das nun erkennt oder nicht. Das heißt: Wir sind alle mit äußeren Spielen beschäftigt, bei denen wir Hindernisse in der äußeren Welt überwinden, um äußere Ziele zu erreichen; zugleich sehen wir uns aber inneren Hindernissen wie Angst, Selbstzweifel, Frustration, Schmerzen und Ablenkungen gegenüber, die uns daran hindern, das volle Spektrum unserer Fähigkeiten zu nutzen und uns uneingeschränkt an unserer Zeit zu erfreuen. Die Voraussetzungen des Inner Game – die Prinzipien, Methoden und Tools, durch die ich Menschen helfen möchte, sowohl bei den inneren als auch bei den äußeren Spielen zu gewinnen – sind konstant geblieben. Für Erfolg und Zufriedenheit im Leben ist eine Balance zwischen der nach außen und der nach innen gerichteten Aufmerksamkeit erforderlich.

Das Herz der Inner Game-Methode bilden drei Prinzipien:

nicht urteilende Aufmerksamkeit,Vertrauen zum eigenen Selbst,die Ausübung einer freien und bewussten Wahl.

Die Lernmethode, die sich aus diesen Prinzipien ergibt, habe ich ursprünglich beim Coachen im Sport und später in Unternehmen angewendet. Dabei habe ich festgestellt, dass die Leute lernen konnten, ihre inneren Hindernisse zu überwinden. Sie konnten ohne technische Anweisungen jede Fertigkeit verbessern, unproduktive mentale und körperliche Gewohnheiten wieder verlernen und diesen Prozess genießen. Dass ich das Tag für Tag beim Coaching von Sportlern und Führungskräften sah, brachte mich zu der tiefen Überzeugung, dass jeder auf natürliche Weise lernen und die gewünschten Veränderungen in seinem Leben vornehmen kann.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass äußere Ereignisse Stress verursachen können. Falls Sie beispielsweise befürchten, Ihre Arbeit zu verlieren, ist das ein großer Stressor. Die Frage in diesem Fall ist: Können Sie zwischen Ihrer Arbeit und dem, der Sie sind, unterscheiden? Die Fähigkeit, zwischen dem Selbst und den Umständen zu unterscheiden, lässt sich erlernen; der Lohn sind Klarheit und eine Perspektive, die den Stress lindern und Ihnen helfen wird, Ihre äußeren Ziele leichter zu erreichen.

Wenn Sie Ihr inneres Spiel beherrschen, können Sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen, ohne durch chronischen Stress krank zu werden. Das Geheimnis liegt in dem Wissen, dass Sie selbst entscheiden können, wie Sie die äußeren Ereignisse betrachten, wie Sie sie definieren, welche Bedeutung Sie ihnen beimessen und wie Sie mental und emotional auf sie reagieren können. Zu den fundamentalen Überzeugungen beim Inner Game gehört, dass jeder von uns ein tieferes inneres Verstehen in sich trägt, um die Frustrationen und die Ängste zu umgehen, die ihn in den negativen Stresskreislauf ziehen. Ein Beispiel: Als ich Tennisspielern half zu lernen, wie sie ihre Rückhand, ihre Vorhand und ihren Aufschlag verbessern konnten, half ich ihnen im Grunde zu lernen, wie sie in ihrem Inneren bessere Leistungen erbringen konnten. Zu lernen, wie man lernt, war wichtiger, als den Ball auf dem Platz gut zu treffen; zu lernen, wie man Angst überwinden kann, war wichtiger als der Sieg bei irgendeinem Spiel. Das Erlernen der Kunst der entspannten Konzentration lässt sich auf alle Unterfangen auf dem Tennisplatz oder außerhalb von ihm anwenden. Die Lektionen aus dem Sport sind auch auf das ganze Leben anwendbar. Wenn das innere und das äußere Spiel synchron liefen, nahm der Stress ab, die Leistung verbesserte sich, das Lernen erfolgte auf natürliche Weise und die Freude an der Aktivität war besonders groß. Manche Sportler nennen das »in der Zone spielen« oder »ganz im Fluss sein«. Beim Inner Game geht es auch darum zu lernen, immer öfter in diesem Zustand zu sein.

Ein weiterer einzigartiger Wert des Inner Game-Modells und der entsprechenden Tools ist, dass sie unser natürliches Vermögen anzapfen, essenzielle Bedürfnisse zu erfüllen. Die menschliche Gabe zu lernen kann das ganze Leben lang anhalten. Kinder lernen aus Freude und Neugier, zu laufen, zu sprechen und zu spielen. Diese Prozesse werden als natürlich und positiv erlebt. Zu lernen, wie wir eine Balance zwischen einem höheren Gang angesichts einer Herausforderung und einem niedrigeren Gang für Ruhe und Entspannung herstellen können, kann ebenfalls einfach und leicht sein. Wir besitzen alle die natürliche Fähigkeit, mitten in den täglichen äußeren Kämpfen überlegt und ruhig zu bleiben. Wir müssen nur den Zugang zu unseren Ressourcen finden. Unter den Lebensumständen, mit denen wir konfrontiert sind, lohnt es sich besonders, diese Fähigkeit zu entwickeln.

IM TEAM MIT DEN ÄRZTEN

In den 1970er-Jahren, als ich Tennis – das innere Spiel (The Inner Game of Tennis) schrieb, freundete ich mich mit zwei bemerkenswerten Ärzten an: Dr. John Horton und Dr. Edd Hanzelik. Wir unterhielten uns oft über unsere jeweilige Arbeit und stellten fest, dass bei unseren Denkweisen große Übereinstimmung bestand. John und Edd hatten sich einer anderen Art von Medizin verschrieben; sie legten den Fokus darauf, die ganze Person zu behandeln und die Patienten zur vollen Beteiligung an ihrer Behandlung und zum Vertrauen in das angeborene Heilvermögen des Körpers anzuregen. Die beiden Ärzte lernten von ihren Patienten, dass chronischer Stress die Ursache vieler Krankheiten war. Sie suchten nach Möglichkeiten, ihnen zu helfen, Stress nicht nur durch Medikamente zu bekämpfen. Und sie stellten fest, dass die Prinzipien und Tools des Inner Game für die Bedürfnisse ihrer Patienten von bemerkenswerter Relevanz waren.

Als ich begann, mit Edd und John darüber zu sprechen, ob wir nicht gemeinsam an einem Stressseminar arbeiten könnten, erkannte ich, dass Stress längst nicht nur eine Barriere für die Leistung von Sportlern und Führungskräften war, sondern etwas viel Ernsteres. Und dass er in einem engeren Zusammenhang mit medizinischen Problemen steht, als ich bis dahin begriffen hatte. In Wirklichkeit öffnet er Krankheiten Tür und Tor – er ist ein kritischer Faktor bei einem großen Prozentsatz der Patienten, die Ärzte aufsuchen.

Als ich darüber nachdachte, ob ich mit den beiden Ärzten zusammenarbeiten sollte, erinnerte ich mich daran, dass ich einmal einem Augenarzt geholfen hatte, ein Trainingsprogramm für eine spezifische und komplexe Form der Augenchirurgie zu entwickeln. Die Tatsache, dass es hier nicht um Tennisbälle oder Egos ging, sondern um Augäpfel, hatte mich damals ernüchtert. Als ich mit den Ärzten über Stress sprach, verspürte ich das gleiche Gefühl der Ernüchterung. Hier standen die Gesundheit und die Lebensqualität auf dem Spiel. Hier konnten wir bei Menschen etwas bewirken, was weit über die Leistung hinausging. Wenn ich mich auf diese Aufgabe einließ, würde ich das Inner Game noch viel besser verstehen.

Mir halfen mehrere andere Fakten im Hinblick auf Stress, mich für die Zusammenarbeit mit den beiden Ärzten zu entscheiden. Ich erfuhr, dass chronischer Stress viel verbreiteter und schädlicher war, als ich gewusst hatte. Er schien größtenteils dadurch verursacht zu werden, wie die Leute die Ereignisse und Umstände in ihrem Leben wahrnahmen, nicht durch die Realität selbst.

Ich lernte, dass die Mittel gegen chronischen Stress, die die Mediziner anbieten konnten, oft auf Medikamenten beruhten und dass die Ursachen für den Stress dabei gewöhnlich außer Acht gelassen wurden. Standardverfahren wie sportliche Betätigung, gesunde Ernährung und Ruhe waren zwar an sich gut, gingen die Ursachen jedoch nicht an. Schließlich machten John und Edd mir bewusst, dass die neueste medizinische Forschung die fundamentalen Prinzipien und Methoden stützte, die beim Inner Game benutzt werden. Sie halfen mir auch zu verstehen, dass die Patienten Zugang zu geistigen Fähigkeiten bekommen können, die tiefer liegen als die körperliche und intellektuelle Koordination.

Ich begann zu sehen, dass man durch Inner Game die wahrnehmungsbedingten Ursachen von Angst, Frustration und Schmerzen angehen und den Menschen nachhaltig helfen konnte, durch einen erfreulichen Prozess der Selbstentdeckung zu lernen. Dieser Prozess zielte weniger darauf ab, den Stress zu beseitigen, sondern hatte das positivere Ziel, eine dynamische innere Stabilität aufzubauen – und das hat für alle Menschen einen bedeutenden Wert an sich, nicht nur, wenn sie sich im Stresszustand befinden.

WAS SIE IM BUCH ERWARTET

Die Hauptstrategie bei unseren Stressseminaren hat darin bestanden, den Teilnehmern zu helfen, einen inneren Zustand aufzubauen, der so stabil ist, dass er den unvermeidbaren äußeren Stressoren widerstehen kann. In diesem Buch präsentieren wir Ihnen die Ergebnisse unserer Entdeckungen und unsere Erkenntnisse, wie man diese Stabilität – und damit die Hoffnung auf ein Leben ohne die schädlichen Auswirkungen von chronischem Stress – erreichen kann.

Auf den folgenden Seiten werden John, Edd und ich Sie auf eine Reise mitnehmen, auf der Sie zum Lernen und Selbstentdecken eingeladen werden. Dabei werden meine Arbeit mit Sportlern und Führungskräften und die Geschichten und Erkenntnisse der Patienten der beiden Ärzte ineinandergreifen.

In Teil 1 beschreiben wir die Prinzipien des Inner Game im Zusammenhang mit Stress und helfen Ihnen, ein Gefühl für Ihren eigenen Stressgrad zu bekommen. Sie werden merken, dass schon das eine Veränderung bei Ihrer Reaktion auf Stress hervorrufen kann. Das ist die besondere Wirkung des Selbstentdeckens und Lernens über die eigenen Erfahrungen. Es handelt sich dabei nicht um einen abstrakten Vorgang, sondern um eine reale Veränderung der Weise, wie Sie auf die Welt sehen und auf sie reagieren.

In Teil 2 helfen wir Ihnen, die Wurzeln Ihrer Stabilität zu ermitteln. Hier liegt der Schwerpunkt auf den angeborenen Ressourcen, die Sie besitzen und die Ihnen angesichts von Stress Sicherheit verleihen. Oder, wie ein Teilnehmer an unserem Stressseminar es ausgedrückt hat: »Wenn die Scheiße auf den Ventilator trifft, brauchen Sie sie nicht auch noch abzubekommen.« Wir werden Ihnen zeigen, wie wichtig es ist, Stabilitätswurzeln wachsen zu lassen, die Sie auf lange Sicht standfest halten werden, sowie sich einen Schild als Schutz zu bauen, damit die Stressoren des Lebens Sie gar nicht treffen können.

In Teil 3 geht es dann um die Toolbox für das Inner Game. Wir stellen Ihnen dort acht praktische und effektive Tools vor, durch die Sie Ihre Stabilität erhöhen und die täglichen Stressoren bekämpfen können. Ich bringe den Umgang mit diesen Tools seit vielen Jahren Sportlern und Führungskräften bei und wir verwenden sie auch in unseren Stressseminaren. Sie können sie auswählen, wenn Sie vor einer schwierigen Herausforderung stehen, oder sie einfach trainieren, um jeden Tag stärker zu werden. Suchen Sie sich bitte diejenigen Tools aus, die Ihnen für Ihre Situation geeignet scheinen. Schon das Wissen, dass Sie über so wirkungsvolles Werkzeug verfügen, kann Ihnen mehr Zutrauen und Sicherheit verleihen. Sie werden dann die Veränderungen vornehmen können, die Sie in Ihrem Leben wirklich machen wollen.

Im Buch werden Sie immer wieder Aufgaben finden, die Sie auf Ihre eigene Lebenssituation beziehen und anwenden können. Überlegen Sie sich bitte, wie Sie sie benutzen wollen. Sie könnten einen Teil gleich machen und andere für eine spätere Bearbeitung markieren. Sie können Ihre Antworten in ein Notizbuch schreiben, während Sie das Buch lesen. Sie können sich aber auch dafür entscheiden, die Aufgaben einfach zu lesen und über sie nachzudenken. Wir hoffen, dass Sie eine passende Methode finden werden, das Material auf Ihre persönlichen Erfahrungen hin anzuwenden.

Ich habe vor einiger Zeit gehört, wie der Vater von Tiger Woods – einem der besten Golfer der Welt – seinen Sohn darin coachte, beim Golfspielen mit Stress umzugehen. Er sagte zu Tiger, er dürfe auf dem Golfplatz jedes Gefühl verspüren, allerdings höchstens zehn Schritte lang. Mir kommt da ein Bild in den Sinn: Tiger Woods, der das Fairway entlangschlendert, gelassen und zuversichtlich. Er scheint die Zuschauer gar nicht wahrzunehmen, sondern ganz in sein eigenes Reich des Wohlbefindens eingetaucht zu sein, von ruhiger Energie und Konzentration durchdrungen. Es ist keineswegs so, dass er sich der Zuschauer nicht bewusst oder von ihnen abgeschnitten wäre. Nein, es ist eine Frage der Fähigkeit, in seiner eigenen Mitte zu bleiben und sich nicht selbst im Weg zu stehen – was etwas ist, was wir alle in uns tragen.

1 DAS STRESSSPIEL

Wer will Stress?

»Ich stehe so unter Stress!« Das hören wir jeden Tag Dutzende von Malen. Es wird in den verschiedenen Sprachen auf der ganzen Welt auf unterschiedliche Weise gesagt. Hier in Kalifornien, wo ich lebe, ist Stress eine Lebensweise. Wir machen uns Sorgen wegen der Brände, die unsere schöne Natur verschlingen, oder wegen der Erdbeben und der Überschwemmungen, deren Fluten Häuser zerstören. Wir machen uns Sorgen wegen des Benzinpreises, der unsere Autofahrerkultur im Würgegriff hält, wegen unseres wirtschaftlichen Überlebens, den Entlassungen, eines Krieges und des Gesundheitswesens. Wer sich Sorgen machen will, ist hier richtig!

Für die meisten von uns ist offensichtlich, dass wir sowohl von globalen als auch von alltäglichen Stressoren bedrängt werden. Der Sturzbach der Nachrichten in den Medien, der auf uns niederprasselt, ist wie ein Angriff – Zusammenbruch der Wirtschaft, Zwangsversteigerung von Häusern, Terrorismus, Kriege, Verlust der Ersparnisse, Hunger, Bankrotte, Naturkatastrophen, Gesundheitssysteme, die versagen … Diese Nachrichten verschärfen die Anspannung, unter der wir durch die alltäglichen Stressoren stehen, wie Streit mit unserem Ehepartner, Schwierigkeiten bei der Erziehung unserer Kinder, berufliche Überlastung, der Kampf darum, die Rechnungen bezahlen zu können, gesundheitliche Probleme usw.

Unglücklicherweise erzeugt Stress weiteren Stress. Je gestresster wir sind, desto leichter lassen wir uns durch die kleinen Dinge in Aufregung versetzen. Wenn wir beunruhigt sind, beeinträchtigt das unsere Fähigkeit, klar zu denken und produktiv zu funktionieren, und das bringt uns noch mehr Stress. Wir sind sogar so daran gewöhnt, unter Stress zu stehen, dass er uns wie ein natürlicher Bestandteil unseres Lebens vorkommt.

Stress ist aber nicht normal! Es handelt sich dabei um ein Ungleichgewicht, das wir im Körper verspüren, wenn unser Stresssystem ständig aktiviert ist. Die Stressoren können innere oder äußere Faktoren sein, doch eins ist klar: Der Stress, den wir verspüren, beeinträchtigt unsere Funktionsfähigkeit und zehrt an unserer körperlichen Gesundheit.

Einer von Edd Hanzeliks Patienten verkündete mal: »Ich glaube, frei von Stress zu sein, würde sich sehr merkwürdig anfühlen!« Ein Lebensstil mit viel Stress kann tatsächlich eine verführerische Seite aufweisen. Manche Leute glauben sogar, Stress sei gut für uns – er motiviere uns und verschaffe uns einen Wettbewerbsvorteil. Wenn ich Geschäftsleute coache, sehe ich diese Einstellung ständig: »Wer Erfolg haben will, muss aggressiver sein als die Konkurrenz. Man muss sich antreiben. Man muss die Einstellung eines Kriegers haben.« Unsere Gesellschaft bewundert Menschen sogar, die auf Adrenalin leben, mit ihren summenden BlackBerrys und Arbeitstagen von 18 Stunden. Wir betrachten es als ehrenvoll, wenn jemand mit vier oder fünf Stunden Schlaf pro Nacht auskommt.

Wir sind darauf konditioniert, Stress als notwendig und unvermeidbar zu betrachten, doch in Wirklichkeit trifft das Gegenteil zu. Unsere Körper streben nach Homöostase, nach Balance, nach Gleichgewicht. Das ist das Natürliche – und das, was uns nachhaltig am Leben hält Auch unser Kopf muss sich im Gleichgewicht befinden, nicht in Aufruhr. Die Prioritäten müssen klar sein, und dazu gehört auch unser eigenes Wohl. Dass wir Stress brauchen, um besonders gute Leistungen zu erzielen, ist ein Märchen. Studien zeigen im Gegenteil, dass chronischer Stress unserer Gesundheit schadet, zu schweren Krankheiten führt und unseren beruflichen Erfolg behindert.

Wenn wir tatsächlich Menschen sehen, die es auch angesichts von großen Herausforderungen schaffen, die Nerven zu behalten, sind wir beeindruckt. Während des Wahlkampfes wurde Barack Obama von den Medien auf »No Drama Obama« getauft; seine Gelassenheit gab Menschen auf der ganzen Welt wieder mehr Hoffnung. Ein anderes herausragendes Beispiel ist Nelson Mandela. Nach 27 Jahren in einem südafrikanischen Gefängnis bildete er eine Regierung mit den Leuten, die ihn hineingesteckt hatten. Später sagte er über diese Zeit: »Bei den politischen Häftlingen überwanden Entschlossenheit und Klugheit die Angst und die menschliche Schwachheit.«

In gewisser Weise sind wir alle die Gefangenen der Bedrohungen um uns herum oder unserer persönlichen Situation. Für manche ist eine Krankheit ein Gefängnis, für andere werden Trauer, Armut oder Auseinandersetzungen in der Familie lähmende Realitäten. Die Frage ist dann: Wie können wir Zugang zu unserer eigenen Willensstärke und Klugheit erlangen, statt uns von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit überwältigen zu lassen? Stress erzeugt ja mehr Stress – Hoffnung und Klugheit führen zu Stabilität und Wohlergehen, was auch von außen auf uns zukommen mag.

DER UNTERSCHIED ZWISCHEN DRUCK UND HERAUSFORDERUNGEN

Als Erstes sollten wir zugeben, welche Rolle wir selbst bei der Erzeugung von Stress spielen. Ich erinnere mich sehr gut an ein Interview mit einem damals noch relativ unbekannten brasilianischen Tennisspieler, Gustavo Kuerten, der später dreimal das Grand-Slam-Turnier in Paris gewann. Die Reporter wunderten sich darüber, dass er in der Rangliste höher platzierte Spieler schlug, und fragten ihn: »Wie gehen Sie mit dem ganzen Druck um?« Seine Antwort lautete: »Mit was für einem Druck? Ich bin gar nicht mit dem Druck umgegangen – ich habe überhaupt keinen Druck verspürt.« Diese Antwort schien niemand zu verstehen. Die Journalisten fragten ihn immer wieder: »Wie konnten Sie unter diesen Umständen keinen Druck verspüren?« Er sagte: »Für mich war das eine tolle Zeit. Es hat mir Freude gemacht, gegen diese Leute zu spielen. Es hat mir Freude gemacht, gut zu spielen. Ich verstehe das nicht – was soll das mit diesem Druck?«

Für die Reporter war »Druck« offensichtlich etwas Reales, das auf höheren Wettkampfebenen existierte. Für Kuerten hingegen war er keine Realität. Für ihn war real, dass er die Gelegenheit gehabt hatte, sich mit den besten Spielern der Welt zu messen und sich darüber zu freuen, dass er gut spielte. Er spielte in einem mentalen Zustand, der die Freude und ein hohes Leistungsniveau verstärkte. In diesem Zustand gibt es kaum Platz für Stress.

Ich sollte wohl noch sagen, dass auch Kuerten nach seinem ersten Sieg bei den French Open im Jahre 1997 nicht stressfrei blieb. Seine wachsende Popularität in Brasilien und die großen Erwartungen anderer lösten tatsächlich etwas aus, was er als Druck wahrnahm, und darunter litt sein Spiel mehrere Jahre lang; die French Open gewann er erst wieder im Jahre 2000.

Die Vorstellung, dass wir Druck brauchen, um Erfolg haben zu können, wird uns schon in der Kindheit eingeimpft. Der Druck beginnt, wenn wir etwa drei Jahre alt sind – geh schneller, rede mehr, mach es besser … Dieses Thema begleitet uns durch unser ganzes Leben. Das hört nie auf! Meiner Erfahrung nach können wir jedoch mehr Erfolg haben, wenn wir aufhören, selbst Druck auf uns auszuüben. Uns allen ist etwas angeboren, das will, dass wir besser werden. Wenn ich Führungskräfte coache, fällt es ihnen jedoch schwer, das zu begreifen. Der Chef denkt: »Wenn ich keinen Druck ausübe, wird die Aufgabe nicht erledigt.« Und die Mitarbeiter sagen: »Wenn es nicht so aussieht, als würde ich an meine Grenzen gehen, wird der Chef denken, dass ich nicht hart arbeite.« Das ist ein unproduktiver Kreislauf.

Es ist wichtig, an dieser Stelle zwischen Druck und Herausforderung zu unterscheiden. Wenn ich das Gefühl habe, vor einer Herausforderung zu stehen, die ich als etwas akzeptiere, was ich möglichst gut machen will, empfinde ich gewöhnlich keinen Stress, kann mich dieser Sache aber trotzdem gewachsen zeigen. Ich bin frisch und meine Fähigkeiten sind mir zugänglich. Druck erleben wir zwar innerlich, doch es fühlt sich an, als würde uns jemand von außen antreiben. Unsere eigene Motivation, uns wirklich auszuzeichnen, wird dann dadurch ersetzt, dass wir die Erwartungen anderer Leute erfüllen sollen. Mit dem Druck kommen die Angst vor dem Versagen und innere Konflikte. Eine Herausforderung, die wir akzeptiert haben, bringt uns dagegen entspannte Konzentration, Klarheit über die Absicht und die Fähigkeit, unser Bestes zu tun. Beides versetzt uns in einen Zustand größerer Aufmerksamkeit. Eine von uns akzeptierte Herausforderung kann zwar am Ende zu Müdigkeit führen, doch sie ist nicht mit den schädlichen körperlichen und mentalen Nebenprodukten von Stress verbunden.

Ich habe mal die Verkaufsgruppen eines gehobenen Beratungsunternehmens von der amerikanischen Ostküste gecoacht. Ich erklärte allen Gruppen, dass die Leistung beim Verkauf nicht das einzige »Spiel« ist, das zählt. Zu den anderen Herausforderungen gehörten das, was sie beim Verkaufsprozess lernten, und das Ausmaß der Freude, die sie empfanden. Das seien die drei stabilen Komponenten der Arbeit: Leistung, Lernen und Freude.

Ich riet den Führungskräften, sich zu bemühen, diese drei Arbeitsziele in eine Balance zu bringen, da das sowohl den Erfolg ihres Unternehmens als auch ihren persönlichen Erfolg steigern würde. Ich wusste allerdings nicht, dass die Leute aus der an letzter Stelle stehenden Gruppe sich das zu Herzen nahmen und zu dem Schluss kamen, dass sie sich so unter Druck gesetzt fühlten, dass sie keine sehr guten Leistungen erbrachten. Der Leiter war entschlossen, das Ungleichgewicht zu beheben. Er sagte:

»Ich möchte, dass Sie im nächsten Monat losziehen und die Sache genießen und möglichst viel über den Kunden und seine Meinung von unserem Produkt und dem Produkt der Konkurrenz lernen.« Seine Grundbotschaft im Hinblick auf die Herstellung einer besseren Balance war: »Seien Sie neugierig und freuen Sie sich!«

Das erfuhr ich erst im nächsten Monat, als sich herausstellte, dass diese Gruppe bei den Verkaufszahlen nicht mehr auf dem letzten Platz lag, sondern auf dem ersten. Als die Leute keinen Leistungsdruck mehr verspürten, blieb die Herausforderung, gute Leistungen zu erbringen, offensichtlich bestehen – das zeigten ihre Ergebnisse. Damals erkannten sie möglicherweise noch nicht, dass die Energie, die sie in diese neue, von jedem Druck freie Vorgehensweise gesteckt hatten, sich immer wieder erzeugen lässt, ohne dass es zu einem Burn-out käme.

Die drei Komponenten der Arbeit sind interdependent, miteinander verflochten. Wird im Streben nach guten Leistungen die Lernkomponente ignoriert, wird die Leistung unvermeidbar sinken oder auf einem niedrigen Niveau bleiben. Und wenn die Freude in der Gleichung für die Arbeit fehlt, werden sowohl das Lernen als auch die Leistung leiden. Das gilt für alle menschlichen Aktivitäten.

AUS EINER PATIENTENAKTE

von Dr. Edd Hanzelik

Die Verführungskraft von Stress

Der 52-jährige Sam war ein gutes Beispiel für jemanden, der sich auf Stress verließ – doch das brachte ihn allmählich um. Auf Drängen seiner Frau und seiner Freunde hatte er sich widerstrebend einen Termin bei uns geben lassen. Er hatte eine Vielzahl körperlicher Symptome, beispielsweise Kopfschmerzen, Übelkeit, Bauchschmerzen und ein inneres Zittern; hin und wieder musste er sich auch übergeben. Einen Arzt wollte er nicht aufsuchen, weil er große Angst davor hatte, dass man bei ihm Krebs oder sogar einen Hirntumor diagnostizieren würde. Ich führte bei ihm eine ganze Reihe von Tests und körperlichen Untersuchungen durch, fand aber keine einzige körperliche Anomalie.

»Wie ist es möglich, dass die Ergebnisse bei allen Tests normal sind, obwohl ich mich so schlecht fühle?«, fragte Sam. Als ich die Vermutung äußerte, dass die Wurzel seiner Beschwerden Stress sein könnte, war er überrascht und ein bisschen abwehrend. Wie so viele engagierte Geschäftsleute betrachtete er Stress als notwendigen Bestandteil seines Berufslebens – als etwas, mit dem er umgehen konnte. Seine Arbeit – er lieferte der Flugzeugbranche Dienstleistungen – war anspruchsvoll und beinhaltete lange Arbeitstage und viele Höhen und Tiefen, doch so verdiente er sich nun mal seinen Lebensunterhalt. In gewissem Sinne hatte er mehr Angst davor, den Stress als Wettbewerbsvorteil zu verlieren, als vor den Symptomen an sich. Das hatte ich schon öfters gehört. Manche unserer Patienten bezeichnen sich sogar als Adrenalin-Junkies und sagen, ohne ein mit Stress zusammenhängendes Problem würden die Leute annehmen, man arbeite nicht hart genug.

Der menschliche Körper ist jedoch nicht dafür ausgerüstet, mit chronischem Stress fertigzuwerden. Unser Stresssystem ist eine eingebaute, lebensrettende Reaktion für Notfälle, bei denen es ums Überleben geht. Es ist nicht als Dauerzustand gedacht. Wenn dieses System in einen höheren Gang geschaltet wird, erzeugt es ein chemisches Ungleichgewicht; wird die Homöostase – das Gleichgewicht der physiologischen, also die Lebensvorgänge im Organismus betreffenden, Körperfunktionen – nicht wiederhergestellt, werden das körperliche, mentale, emotionale und soziale Wohlergehen stark beeinträchtigt.

Sam ließ sich dann coachen und entdeckte, dass sein Stress ihm keineswegs einen Wettbewerbsvorteil verschaffte – und dass das Gegenteil von Stress nicht ist, entspannt zu sein. Das Gegenteil von Stress ist vielmehr, angesichts des ganzen Aufruhrs im Leben und bei der Arbeit stabil zu bleiben. Im Laufe der Zeit akzeptierte Sam, dass der Stress erhebliche negative Auswirkungen auf seine Fähigkeit zu funktionieren hatte. Er wurde offener dafür zu lernen, wie er ein Gefühl des Wohlbefindens aufrechterhalten konnte, was auch immer in der Welt um ihn herum geschah. Er erklärte: »Ich habe entdeckt, dass ich manchmal Nein sagen muss! Ich habe aufgehört, mich selbst anzugreifen, weil ich keine besseren Leistungen bringe, und mir ist jetzt bewusst, dass meine Arbeit keinen Sinn ergibt, wenn ich mich dabei nicht gut fühlen kann.« Das war für Sam ein bedeutsamer Durchbruch und hatte große Auswirkungen auf seinen Gesundheitszustand.

Wir haben in unserer Praxis gelernt, dass der häufigste Stresstyp – das Bemühen, sich auf unvernünftigen Druck von außen einzustellen, während man die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt – oft der schlimmste ist. Diese Anpassung kann belanglos und ganz normal wirken, doch es ist klar, dass sie im Laufe der Zeit zu Erschöpfung und diese wiederum zu Krankheiten führt. Deshalb wollen wir von neuen Patienten früh wissen, wie angespannt sie sind. Für mich war es keine Überraschung, dass Sams Beschwerden nachließen, nachdem er seine Ängste und seinen Stress reduziert hatte. Schon die Erkenntnis, wie die Situation ist, kann dramatischere Auswirkungen haben, als den meisten Menschen bewusst ist. Akzeptanz war jedoch nur der erste Schritt. Wenn wir den Stress hinter uns lassen wollen, ist eine ernsthafte innere Verpflichtung erforderlich, und die Entscheidung darüber, ob er sie eingehen wollte, lag bei Sam.

>> Eine Aufgabe: Ihre Stresstemperatur

Ich möchte, dass Sie jetzt ein bisschen Zeit darauf verwenden, Ihre Stresstemperatur zu messen. Das Erleben von Stress ist keine Abstraktion, sondern wird real erlebt. Das hier ist kein Buch über irgendeine allgemeine Sache, die als Stress bezeichnet wird. Nein, Stress ist konkret und persönlich, und Ihre Haltung gegenüber dem Rest des Buchs wird davon abhängen, auf welche Weise Sie Ihren eigenen Stressgrad erleben und wie Sie damit umgehen. Stress schadet Ihrer Gesundheit, sodass Ihre Temperatur Ihnen zeigen wird, ob Sie »Stressfieber« haben und wie gefährlich dieses Fieber ist.

Beantworten Sie bitte auf einem Blatt Papier die folgenden Fragen:

Schreiben Sie, ohne groß darüber nachzudenken, eine Zahl zwischen 1 und 10 auf, die wiedergibt, wie gestresst Sie sich in der letzten Zeit gefühlt haben.Schreiben Sie jetzt alle Stressoren auf, die möglicherweise zu diesem Stress beitragen. Dann beurteilen Sie durch eine Zahl zwischen 1 und 10, wie viel Stress sie jeweils in Ihnen hervorrufen. Zum Beispiel:Ihr Chef setzt einen unrealistischen Termin. (7)Streit mit Ihrem Sohn, einem Teenager. (5)Die Stromrechnung nicht bezahlen können. (9)Ihre Mutter oder Ihr Vater (beide schon älter) muss ins Krankenhaus. (8)Zeit, ein Hochzeitsgeschenk für einen Freund zu kaufen. (3)Ihre Liste kann lang oder kurz sein. Auch kleine Dinge können Stressoren sein – beispielsweise die Entdeckung, dass keine Milch mehr da ist, wenn Ihre Kinder lautstark ihr Frühstücksmüsli verlangen. Auf täglicher Basis können uns all diese kleinen Stressoren wirklich fertigmachen.Schreiben Sie auf, wie Sie sich angesichts dieser Stressoren fühlen. Wie sehen Ihre körperlichen, mentalen, emotionalen und sozialen Symptome aus? Zum Beispiel:Körperliche Symptome: schweißige Handflächen; Kopfschmerzen; BauchschmerzenEmotionale Symptome: am Rande eines Tränenausbruchs stehen; sich fühlen, als würden Sie auf eine Wand einhämmernMentale Symptome: benebelter Kopf; sich nicht konzentrieren können Soziale Symptome: