Insel im Irgendwo - Gudrun Leyendecker - E-Book

Insel im Irgendwo E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

"Insel im Irgendwo" von Gudrun Leyendecker ist ein Fantasyroman und handelt von Claire, die von montags bis freitags gewissenhaft und regelmäßig ihrer Arbeit nachgeht. Aber wo ist sie am Wochenende? Hat sie etwas zu verbergen? Welches Geheimnis steckt hinter ihrer rätselhaften Abwesenheit?

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Gewidmet meiner Nichte Friederike in enger Verbundenheit

Insel im Irgendwo von

Gudrun Leyendecker ist ein Fantasyroman und handelt von Claire, die von montags bis freitags gewissenhaft und regelmäßig ihrer Arbeit nachgeht. Aber wo ist sie am Wochenende?

Hat sie etwas zu verbergen?

Welches Geheimnis steckt hinter ihrer rätselhaften Abwesenheit?

Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren… Siehe Wikipedia.

Sie veröffentlichte bisher über 56 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehnte langen Tätigkeit als Lebensberaterin.

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

9. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

1. Kapitel

Ein unbekümmerter Spatz wagte sich auf den runden Tisch des Garten-Cafés und suchte einen Krümel zu erhaschen. Mit dem kleinen Schnabel pickte er geschickt das winzige Stückchen Kuchen auf und flog zurück unter den nahen Busch.

„Die sind ganz schön mutig“, fand Hanna und sah die Freundin fragend an. „Hast du schon einmal solch furchtlose Vögelchen erlebt?“

Claire nickte lächelnd. „Ja, schon. Aber noch nicht hier in Deutschland. Das war in Venedig auf der Piazza Santa Margherita. Da hüpften diese drolligen Vögel ständig auf dem Tisch herum und erwarteten, zur Mahlzeit eingeladen zu werden. Sie haben da nicht mehr die geringste Angst vor den Menschen.“

Hanna sah verträumt in die Ferne und seufzte. „Venedig! Die heitere alte Dame, die ihre Falten und ihr Alter mit Fassung und Würde zeigt! Was für ein Traum von einer Stadt! Ich wünsche mir so sehr einen Urlaub herbei, aber was machen wir beide stattdessen? Wir arbeiten auch noch am Wochenende.“

Claire strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Für dich ist das bestimmt besonders anstrengend. Tagsüber die vielen Stunden im Büro, und abends am Wochenende das Servieren im historischen Gasthof „Zur Traube“. Dann hast du nachts bestimmt ganz schön müde Füße.“

Hanna setzte die Kaffeetasse ab, aus der sie gerade einen großen Schluck getrunken hatte. „Sie sagen mir, wie viel ich am Tag gelaufen bin, ja, das kannst du mir glauben. Aber das Ehepaar Bühler ist wirklich sehr nett zu mir. Die beiden geben sich alle Mühe, mir nicht zu viel aufzuhalsen, das ist schon sehr anständig von ihnen. Sie und Nina helfen ordentlich mit, damit der Betrieb rund läuft. Aber wie sieht es denn bei dir aus? Weißt du schon etwas Näheres über deinen neuen Nebenjob am Wochenende?“

„Ich werde von meinem neuen Chef am Bahnhof abgeholt. Ich weiß noch gar nicht, wohin die Reise dieses Mal geht.“

„Deine letzte Arbeit war schon so geheimnisvoll“, erinnerte sich Hanna. „Dieser merkwürdige Herr von Rentenbaum mit den großen Geheimnissen, und nun sein Kompagnon, der dir auch noch nichts vorher verrät. Was ist das nur für eine merkwürdige Firma! Hast du mir nicht angedeutet, dass du auch mit ihm auf Reisen warst? Du wusstest doch auch vorher nie, wohin es ging. Das hast du mir doch selbst gesagt.“ „Richtig. Aber du darfst nicht vergessen, dass diese Firma im Geheimauftrag für den Gesundheitsbereich der Regierung arbeitet. Ganz oben steht da die Gesundheitsministerin. Und wenn die Politik mit im Spiel ist, müssen solche Dinge immer geheim bleiben. Diese beiden Chefs arbeiten an verschiedenen Projekten, aber trotzdem in der gleichen Abteilung. Herr Ladenberg verriet mir bisher nur, dass ich dieses Mal keine so weiten Reisen machen muss. Mein Einsatzort scheint ganz in der Nähe zu sein.“

„Na, wunderbar. Denn immerhin weiß ich, dass du beim letzten Mal auf Sizilien warst, stimmt es? Du hattest ein Foto vom Ätna auf deinem Handy, und den habe ich mit seinem rauchenden Kamin sofort erkannt. Vermutlich hast du vergessen, das Foto zu löschen. Du hast mir neulich ganz euphorisch die Fotos von deiner kleinen Nichte gezeigt, dabei ist mir dann der Ätna unter die Augen gekommen. Gib es zu, ihr habt einen Ausflug zu dem fantastischen Vulkan gemacht?!"

Claire lächelte. „Ja, nachdem ich die Arbeit mit Herrn Rentenbaum abgeschlossen habe, kann ich dir so viel verraten. Wir sind tatsächlich nach Catania geflogen und auf dem Ätna herumspaziert. Leider habe ich nicht allzu viel von dieser wunderschönen alten Stadt sehen können. Aber die Aussicht vom Berg auf das Meer war natürlich grandios.“

„Jetzt kannst du mir doch ein bisschen mehr darüber erzählen. Habt ihr da Fotos gemacht, oder seid ihr da einfach nur spazieren gegangen und habt die Windstärke und die Sonnenstrahlen gemessen?“

„Ich nehme an, dass das Projekt inzwischen abgeschlossen ist“, überlegte Claire. „Vielleicht darf ich dir doch jetzt etwas darüber erzählen. Ich wüsste auch gar nicht, wem ich damit schaden könnte. Solange ich nichts über das neue Projekt verrate, kann doch da nichts schief gehen.“ „Außerdem weißt du, dass ich total verschwiegen bin“, versuchte Hanna die Freundin zu motivieren. „Ich spreche mit niemandem darüber. Schließlich möchte ich dich nicht in Gefahr bringen. Ich will doch nicht, dass du diesen guten Job verlierst. Schließlich verdienst du dabei mehr als in deinem Hauptberuf.“ „Das ist wahr, vielleicht auch wegen der vielen Spesen. Und mal eben nach Sizilien zu fliegen, ist ja schließlich auch keine Kleinigkeit. Also gut, ich will es dir verraten: Wir haben dort Vulkangestein gesammelt." Hanna hob die Augenbrauen. „Vulkangestein? Das gibt es doch hier in Deutschland auch zur Genüge. Da gibt es zum Beispiel in der Eifel die großen

mit Wasser angefüllten erloschenen Vulkane, die Maare. Dort habe ich früher schon einmal mit meinen Eltern Urlaub gemacht und einiges an Vulkangestein gesammelt. Warum musste es denn gerade so weit im Süden sein?“

„Ich glaube, jeder Berg hat da seine eigenen Qualitäten. Es sollte unbedingt die Zusammensetzung des Lavagesteins vom Ätna sein.“ „Kannst du mir auch verraten, was die dann mit dem Gestein gemacht haben? Als Anhänger um den Hals getragen? Ich wüsste nicht, welche Bedeutung Lavagestein im Bereich der Gesundheit haben kann? Höchstens dass man davon warme Füße bekommt, wenn man auf dem Berg steht“, scherzte sie.

„Hast du schon einmal etwas von Zeolith gehört? Das ist zum Beispiel ein Vulkangestein, das Menschen in Pulverform einnehmen. Es soll eine gesundheitsfördernde Wirkung haben und Menschen von Gift befreien. Es wird auch zum Beispiel bei einer Diät zum Entschlacken eingenommen.“ „Zeolith? Als Medizin? Nein, davon habe ich wirklich noch nichts gehört. Gibt es davon noch mehr?“ „Sicherlich. Es ist auch irgendwo logisch. Denke doch mal an die anderen Mineralien, wie Eisen oder Zink zum Beispiel. Die kommen doch auch alle in der Erde, in den Gesteinen vor, und wir brauchen sie in unserem Körper. Herr Rentenbaum hat mir auch nicht alle Geheimnisse verraten. Ich durfte nur einfach sammeln und sortieren. Aber was die Gesundheitsbehörde genau damit machen will, das hat er mir nie gesagt.“ „Warum hat er dich dann überhaupt mitgenommen. Du musstest einfach nur sammeln und sortieren? Dafür konnte er doch jeden mitnehmen“, überlegte Hanna.

„Nein, es musste jemand sein, der verschwiegen ist. Und die ganze Expedition sollte nicht auffallen. Es sollte so aussehen, als würde der ältere Chef mit seiner Sekretärin oder irgendeiner anderen Angestellten eine Expedition auf den Ätna machen. Mein Beisein sollte die ganze Sache verharmlosen. Es sollte aussehen wie eine kleine Reise, die der Chef seiner Angestellten spendiert.“

„Ich hoffe, du musstest nicht auch noch besonders nett zu ihm sein, oder?"

„Um Himmelswillen, nein. Dieser Service war nicht inbegriffen. Es ging alles sehr seriös ab. Herr Rentenbaum hat sich ganz einwandfrei verhalten.“

„Ist er verheiratet? Hat er nicht einmal mit dir geflirtet?“ staunte Hanna.

„Verheiratet ist er nicht. Aber er hat eine feste Freundin, die sehr attraktiv ist. Ich habe sie einmal gesehen, als sie ihn vom Flughafen abholte. Sie ist sehr elegant und nur wenige Jahre jünger als er. Also nicht das übliche Klischee des alternden Chefs und der jugendlichen Geliebten.“

Hanna lächelte. „Dann ist es die große Liebe.“ Mit einem Mal huschte ein Schatten über ihr Gesicht. „Und bei Jonas funkt es immer noch nicht. Dabei sitzen wir den ganzen Tag im selben Büro. Es ist wirklich ein Trauerspiel.“

„Möglicherweise ist es gerade das gemeinsame Büro, das ihn daran hindert, dich zu entdecken. Habt ihr denn nicht einmal ein Firmenfest, bei dem ihr euch etwas näherkommen könnt?“

Hanna seufzte. „Ja, doch. Aber das dauert noch eine Ewigkeit. In der nächsten Zeit steht nichts an. Und ich kann ihn einfach nicht so zu einem Kaffee einladen.“

Auf Claires hübschen Gesicht zogen sich die Stirnfalten zusammen. „Da müssen wir uns etwas überlegen. Bestimmt fällt uns noch etwas Besseres ein. Auf jeden Fall darfst du nicht aufgeben, wenn du wirklich glaubst, dass er dein Herz erobert hat.“

„Du hast recht, ich werde nicht aufgeben. Und wie sieht es aus mit dir? Kannst du immer noch diesem Bernhard widerstehen, der es immer wieder versucht, dich in seinen Bann zu ziehen?“

Die Freundin seufzte. „Er ist wirklich ein sehr lieber Mensch. Und ich weiß auch, dass er einen ganz großartigen Charakter hat. Ich finde ihn sehr sympathisch und schätze ihn als guten Freund. Aber ich bin einfach nicht verliebt in ihn. Da kann man doch nichts machen. Wir kennen uns jetzt schon mehrere Jahre, aber es tut sich einfach nichts bei mir.“

„Kommt mir doch irgendwie bekannt vor. So schwirre ich nun auch schon seit langer Zeit um Jonas herum. Dabei habe ich mich schon mit all seinen Themen beschäftigt, mit all dem, was für ihn wichtig und interessant ist. Ich bin informiert, was sich in der Öffentlichkeit beim Handball tut, ich kenne alle Berge in der Schweiz und kann in der Theorie die ungiftigen Pilze von den giftigen unterscheiden. Was soll ich noch mehr tun, um unsere Gesprächsthemen anzukurbeln?“

„Vielleicht interessierst du ihn mal für deine Themen“, schlug Claire vor. „Das könnte ihm doch nützlich sein. Es könnte ihn vielseitiger machen und lässt ihn bei Frauen bestimmt mehr Anklang finden.“

„Nein, nein! Nur keine schlafenden Hunde wecken! Die anderen Frauen sollen ruhig glauben, dass er ein einsamer, Pilze sammelnder Bücherwurm ist, der sich nicht für Frauenthemen interessiert. Nein, nein! Bloß nicht diesen schlafenden Dornröschen-Prinz wecken! Ach, da fällt mir gerade ein, ich muss mich noch informieren, wie das A-Team von Wittentine gestern Abend gespielt hat. Ich war mit meiner Cousine im Kino und konnte das Spiel nicht im Regional-Fernsehen verfolgen.“

„Und das interessiert dich wirklich?“ staunte Claire.

„Das hätte ich auch selbst nie für möglich gehalten. Am Anfang habe ich gedacht, es würde mich zu Tode langweilen. Aber mittlerweile kenne ich auch jeden Spieler mit Namen und kann dir fast jede Biografie der Teammitglieder erzählen. Es ist kurzweiliger, als ich mir das vorgestellt habe. Schau mal, da ist er wieder, unser munterer Spatz! Wir sollten uns ein Beispiel an ihm nehmen. Er nimmt sich einfach das, was er möchte.“

Claire lächelte. „Ich futtere nun mal nicht so gerne von den Tellern der anderen. Und jetzt bin ich erst einmal sehr gespannt, was mein neuer Job bringt. Eins weiß ich auf jeden Fall: Diesmal hat es nichts mit Gesteinen zu tun. Natürlich habe ich auch versucht, schon etwas mehr herauszubekommen. Erst gestern beim Abschied habe ich Herrn Rentenbaum einmal auf die Probe gestellt und gefragt, was er mir über die neuen Themen sagen könnte. Da lächelte er ganz geheimnisvoll und meinte, dass es sich selbstverständlich wieder um den Oberbegriff „Gesundheit“ handele. Und statt mit Gesteinen habe es mit der Flora zu tun.“

Hanna grinste. „Etwa mit seiner netten attraktiven Freundin?“

Claire lachte und leerte die Kaffeetasse. „Ich denke, dass es sich nicht um eine schöne Frau handelt, sondern um den Begriff der Pflanzenwelt. Das passt für mich schon eher zum Begriff der Gesundheit. Gibt es doch eine ganze Reihe von Arzneimitteln, die aus Pflanzenteilen hergestellt werden.“

Die Freundin überlegte. „Das klingt nicht ganz so aufregend wie eine Reise zum Ätna. Vielleicht geht es dann in die Provence, in der die wundervollen, duftenden Blumen großgezogen werden. Da habe ich schon viel von Heilung durch Dürfte gelesen.“

Claire schüttelte den Kopf. „Nein. Solche weiten Reisen gibt es diesmal nicht, das hat mir Rentenbaum schon versichert. Ich bin schon sehr neugierig, aber lange muss ich mich ja nicht mehr gedulden.“

Hanna krauste die Nase. „Alles sehr mysteriös. Du musst mir nach dem Wochenende unbedingt etwas darüber berichten. Nicht, dass du denkst, das sage ich jetzt aus Neugier. Nein, schließlich muss doch einer wissen, wo du dich aufhältst. Stell dir vor, bei diesem Geheimauftrag würde dir etwas passieren, ich weiß dann doch gar nicht, wo ich dich suchen soll.“

„Ein bisschen musst du dich noch gedulden. Aber Sorgen musst du dir wirklich keine machen! Ich arbeite im Auftrag der Regierung, das ist doch alles sehr seriös. Da gibt es doch keine Verschwörer oder Feinde.“

Hanna schüttelte den Kopf und empörte sich. „Wie kannst du denn nur so naiv sein?! Wenn es um geheime Dinge geht, dann ist die Spionage nicht mehr weit. Stell dir nur vor, wenn es um ganz großartige Entdeckungen und neue Forschungsergebnisse geht! Da ist doch dann die ganze pharmazeutische Industrie hinterher, und zwar nicht nur aus diesem Land, sondern aus der ganzen Welt. Da scheinst du dich wirklich nicht auszukennen. In der Forschung gibt es oft große Wettkämpfe, und jeder will der erste sein.“

Claire lächelte nachsichtig. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Was kann man schon mit etwas Pulver aus Vulkangestein anstellen? Und demnächst habe ich vielleicht mit ein paar duftenden Rosen zu tun. Das ist bestimmt noch viel harmloser.“

2. Kapitel

„Gott sei Dank, dass du wieder gesund zurück bist“, freute sich Hanna, als sie Claire nach dem Wochenende am Eingang des Parks wiedertraf. „Ich hatte mir schon einige Sorgen um dich gemacht, weil ich nichts von dir gehört habe. Konntest du denn nicht mal anrufen?“

„Nein, auf der Insel sind keine Handys erlaubt. Das musste ich leider zu Hause lassen.“

„Du warst auf einer Insel?“ erkundigte sich Hanna erstaunt. „Auf welcher denn? Hier bei Sankt Augustine gibt es doch nur den Fluss, und auf dem gibt es, soweit ich weiß, keine einzige Insel. Jedenfalls nicht hier in unserer Nähe.“

„Sie ist auch nicht hier in der Nähe“, erklärte die Freundin. „Ich hatte eigentlich gedacht, dass wir mit dem Zug fahren. Aber mein neuer Chef, Rolf Ladenberg hat mich mit dem Wagen vom Bahnhof abgeholt. Danach musste ich mir eine dunkle Brille aufsetzen, durch die ich absolut nichts sehen konnte, und wir sind eine ganze Weile mit dem Auto gefahren.“

„Wie aufregend! Hattest du da keine Angst? Ich hoffe, du hast dir vorher alle Ausweise von diesem Mann zeigen lassen.“

„Ja, natürlich. Schon vorher, als ich die Verträge unterschrieben habe. Sollen wir uns dort hinten auf die weiße Bank am Brunnen setzen?“

Hanna schüttelte den Kopf. „Nein, zum Sitzen bin ich jetzt viel zu aufgeregt. Lass uns ein bisschen zwischen den Birken da drüben auf und ab gehen. Da haben wir Licht und Schatten zusammen, eine gute Kombination bei dem heißen Wetter. Jetzt musst du mir aber etwas über diese Insel erzählen! Oder gehört das alles zu den Geheimnissen?“

„Nein, die Insel, und alles, was bisher darauf geschah, ist noch kein Geheimnis. Ich werde also deine Neugier schon ein bisschen befriedigen können.“

Hanna atmete auf. „Da bin ich aber froh. Ich habe mir nämlich wirklich schon ernsthaft Sorgen um dich und deine geheimnisvolle Arbeit gemacht. Das ganze Wochenende war ich sehr unruhig, ich konnte nachts nicht einmal richtig schlafen.“

„Das tut mir sehr leid dich“, bedauerte Claire. „Ich hatte nämlich ein wunderschönes Wochenende. Ein traumhaft schönes Wochenende. Und Rolf, der mich hingefahren und auch wieder abgeholt hat, ist wirklich ein Mann zum Verlieben. So habe ich mir immer meinen Traummann vorgestellt: groß, dunkelhaarig, mit einem sympathischen Gesicht und ausdrucksvollen dunklen Augen.“

„Das klingt ja fast so, als hättest du dich verliebt. Jetzt sag nicht, er ist verheiratet!“

„Dann sagen wir es einmal so, ich bemühe mich, mich nicht in ihn zu verlieben, denn ich weiß natürlich gar nichts über ihn. Er hat kein Wort über sich gesprochen, sondern mir lediglich seinen Namen genannt und einige Anweisungen gegeben. Stattdessen hat er mich ganz intensiv ausgefragt über das, was mich anbelangt. Ich glaube, er hat meine ganze Biografie aus mir herausgequetscht.“

„Das klingt aber doch nach Interesse seinerseits“, vermutete Hanna.

„Ach, nein. Er muss das nur alles fragen wegen dieses Jobs. Schließlich müssen sie ganz sicher gehen, dass ich eine Vertrauensperson bin.“

„Also erzähle mal! Wie ist er?“ forderte Hanna die Freundin auf.

„Er hat eine so ruhige und sanfte Stimme“, schwärmte Claire. „Das hat mich auf der ganzen Fahrt sehr beruhigt, denn ich fand es zuerst auch gar nicht gut, dass ich gefahren wurde, ohne auf die Straße sehen zu können. Weißt du, ich bin so ein Kontrollfreak und fahre nicht gern mit anderen Menschen im Wagen. Da habe ich dann immer einen Fuß auf der nicht vorhandenen Bremse. Aber Rolf, der mir sofort das Du angeboten hat, schien sehr vorsichtig zu fahren. Der Motor summte leise und gleichmäßig.“

Hanna lächelte. „Ein Grund mehr, sich in ihn zu verlieben. Und er hat dir gar nichts über sich selbst erzählt?“

„Nein. Nur, dass es ihm sehr daran gelegen ist, das Projekt zu einem guten Ende zu bringen. Er sagte, es hinge sehr viel davon ab, und ich sei bei der ganzen Angelegenheit eine sehr wichtige Person. Von mir hinge tatsächlich eine weltbewegende Entwicklung ab. Kannst du dir das vorstellen?“

„Absolut gar nicht. Ich habe mir nämlich mal ein paar Informationen über das Vulkangestein eingeholt. Das wird tatsächlich in der Medizin eingesetzt, dieses Zeolith. Es entgiftet den Körper angeblich von Schwermetallen, und das kann schließlich in bestimmten Fällen von Vorteil sein. Aber welche Bedeutung schöne Blumen im großen Weltgefüge haben sollen, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“

„Ich auch nicht. Und bis jetzt ist mir da auch nichts Besonderes aufgefallen. Also, ich berichte dir weiter. Die Fahrt war also sehr angenehm. Ich habe es genossen, Rolfs Stimme neben mir zu hören und war fast ein bisschen traurig, als wir das Ziel erreicht hatten. Dort auf einem Parkplatz an einem mir unbekannten See, nahm mir Rolf die Brille von den Augen, und ich erblickte eine traumhaft schöne Landschaft. Ein idyllischer See lag vor uns, und hinter ihm erhoben sich kleinere Berge, die mir wie ein Vorläufer eines größeren Gebirges aussahen. Rolf nahm mein Gepäck und führte mich zu einem kleinen Ruderboot, das versteckt in einer Bucht lag. Er ruderte mich bis zu einer baumreichen Insel, die er mir als „Insel im Irgendwo“ vorstellte.“

„Das klingt nach einem richtigen Abenteuer“, fand Hanna. „In der Zwischenzeit habe ich gekellnert und einige Euro für mein Venedig-Sparbuch weglegen können.“

„Das ist auch gut“, freute sich Claire. „Wenn mein Job vorüber ist, so werde ich dir sicherlich ein paar Euro für deine Venedig-Tour als Taschengeld spendieren können.“

Hanna protestierte. „Soweit kommt es noch! Diese Reise wird mir nur Spaß machen, wenn ich sie komplett selbst erarbeitet habe. Dann kann ich sie wirklich genießen, sozusagen als Belohnung für meine Dienste an den Gästen. Aber erzähl weiter!“

„„Also, er hat mich dann da auf die Insel gebracht und dort einer nicht mehr jungen Frau vorgestellt, die sich Luisa nennt. Ich denke einmal, sie ist im Alter zwischen meiner Mutter und meiner Großmutter, und sie begrüßte mich sehr freundlich. Ihr scheint diese ganze Insel zu gehören, auf der es große Gartenanlagen, Blumenbeete und Gewächshäuser gibt, aber auch einige Labore in einem alten Haus, das wie ein alter Gutshof aussieht, auf jeden Fall ist es sehr gemütlich. Wenn man dort ankommt, hat man den Eindruck, dass man sich zu „Ferien auf dem Bauernhof“ begibt, aber dieser Schein trügt natürlich, denn Luisa arbeitet ungeheuer viel mit Blumen, wie ich feststellen konnte.“

„Und sie arbeitet dort ganz allein?“ wunderte sich Hanna.

„Die hat nur ab und zu Hilfskräfte wie mich, aber momentan hat sie Besuch von ihrer Nichte Rike, die gerade bei ihr Urlaub macht.“

„Und dort auf der Insel konntest du dir also deinen neuen Chef etwas näher anschauen?“ erkundigte sich die Freundin.

„Leider nicht. Nachdem er mir Luisa vorgestellt hatte, verabschiedete er sich von mir, wünschte mir viel Glück und Erfolg und teilte mir mit, dass er mich am Sonntagabend wieder abholen würde. Kaum hatte er mir die Hand zum Abschied gereicht, wandte er sich auch schon zum Gehen. Das hat mir natürlich sehr leidgetan, und als er ging, hatte ich schon den Eindruck, als ob mir etwas fehlte.“

„Du bist wirklich verliebt“, stellte Hanna fest.

Claire seufzte. „Oh weh! Das kann mich noch in Schwierigkeiten bringen. Aber ich werde erst einmal weitererzählen, noch gibt es keine Geheimnisse, die ich vor dir verbergen muss. Luisa führte mich, nachdem sie das Gepäck in den Flur gestellt hatte, über große Teile der Insel. Wir spazierten durch die angelegten Gärten bis hin zu einem Wäldchen, in dessen Mitte eine Lichtung mit Naturrasen bedeckt war. Was sage ich! Es kein Rasen, es war eine naturbelassene Wiese, mit allen Wiesenblumen, die man sich nur vorstellen kann. Dort summte es von den verschiedensten Insekten, Schmetterlinge flogen schwebend von einer leuchtenden Blüte zur anderen. Am liebsten hätte ich da jetzt mit meinem Handy ein Foto gemacht, und ich bedauerte sehr, dass ich es hatte abgeben müssen.“

„Ja, das ist wirklich verrückt“, fand Hanna. „Das alles, was du mir da berichtest, klingt