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Zafiris auf den Spuren von Mord und Korruption.
Auf der Insel Ägina wird ein international anerkannter Professor für die Antike erschossen. Seine berühmte Familie will den Mord einem alten Offizier in die Schuhe schieben. Ein nicht gerade ehrenwerter Minister wird tot aufgefunden, ein Journalist ermordet. George Zafiris, Privatdetektiv aus Athen, ist gefragt. Er ermittelt oft dort, wo die Polizei das Interesse verliert ...
Ein spannender Griechenland-Krimi voller Sonne und schöner Landschaft, aber auch mit den Schattenseiten von Korruption und Vetternwirtschaft.
„Leo Kanaris führt uns in das Athen nach dem Finanzcrash mit schmerzlichen Sparmaßnahmen und rasant wachsender Korruption.“ Tribune.
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Seitenzahl: 302
Veröffentlichungsjahr: 2015
Mord im Urlaubsparadies
Auf der griechischen Insel Ägina wurde ein international anerkannter Professor für Antike erschossen. Seine berühmte Familie möchte den Mord gern einem alten Offizier in die Schuhe schieben. Ein nicht gerade ehrwerter Minister wird tot aufgefunden, ein Journalist ermordet. Für George Zafiris aus Athen, der als Privatdetektiv in Fällen ermittelt, die die Polizei links liegen lässt, wird das Leben immer gefährlicher.
Ein Griechenlandkrimi voller Sonne und schöner Landschaft, aber auch voller Korruption und Vetternwirtschaft.
»Ein kleines Juwel, perfekt für den Strand.« Tribune
Leo Kanaris
Inseltod
Ein Fall für Detektiv Zafiris
Kriminalroman
Aus dem Englischen von Bela Wohl
Inhaltsübersicht
Informationen zum Buch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Epilog
Anmerkungen
Über Leo Kanaris
Impressum
Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …
Athen, Juni 2010
Wie zahlreiche andere Häuser in den umliegenden Stadtvierteln hatte auch die Aristotelesstraße 43 schon mal bessere Tage gesehen. Die Marmortreppe, die Türen mit den Rauchglasscheiben, die Reihe der düsteren Holzbriefkästen, alles wirkte schäbig, trostlos und altmodisch. In der Eingangshalle standen zwei Pflanzkübel aus Beton. In einem davon fristete ein Jasmin, der von einer alten Dame aus dem Erdgeschoss am Leben erhalten wurde, sein kümmerliches Dasein. Der andere, direkt daneben, war leer und ausgetrocknet und nur aus Versehen noch da, eine unansehnliche Zierde, mit deren Entsorgung man niemanden behelligen konnte.
Bei seiner Rückkehr von einer kurzen Reise ins Umland spürte George Zafiris die Müdigkeit des Hauses, als wäre sie Teil seiner eigenen Erschöpfung. Die Haustür hinter ihm fiel ächzend ins Schloss. Draußen war helllichter Tag, doch hier drinnen herrschte Halbdunkel. Er drückte auf den Lichtschalter, eine einsame Energiesparlampe begann kraftlos zu glimmen; ihre weißen Röhren ragten in die Luft wie die Beine eines Insekts, das an der Wand von einem Scheinwerfer eingefangen wird. Es roch muffig: nach Feuchtigkeit, Desinfektionsmittel und abgestandener Suppe. Zafiris war kein schwermütiger Mensch, doch wie schon bei anderen Gelegenheiten schoss ihm auch jetzt der Gedanke durch den Kopf, diese Eingangshalle wäre der perfekte Schauplatz für einen Selbstmord.
George öffnete seinen Briefkasten, nahm den Inhalt heraus und sichtete die Umschläge, während er die Treppe hinaufstieg. Einer war handschriftlich adressiert, die restliche Post bestand aus Rechnungen und nutzloser Werbung.
Oben angekommen drehte er den Schlüssel im Schloss herum. Das Scheppern des zurückschnappenden Riegels hallte wie ein Echo durch das marmorne Treppenhaus. George trat ein, ließ die Tür halb offen und warf die Handzettel in den Abfalleimer. Die Wohnung wirkte verstaubt und stickig, obwohl er nur zwei Tage fort gewesen war. Er ging von Zimmer zu Zimmer, zog die Jalousien nach oben und riss die Fenster weit auf. Sonnenstrahlen fielen herein, grell und heiß.
Der Brief war noch ein richtiger Brief: mit Briefmarke und von Hand geschriebener Adresse auf hochwertigem Briefpapier. George zog eine Schublade auf, schob eine Blechdose mit Munition beiseite sowie eine Beretta 950B Jetfire, eine gerichtliche Vorladung wegen Beleidigung eines Polizisten, ein paar Notizen zum Thema mentale Relaxation, ein Mikrofon mit großer Reichweite und einen Bilderrahmen mit gesprungenem Glas, darin ein Foto von seiner Frau, das 1992 an irgendeinem Strand aufgenommen worden war. Zuunterst lag ein Schnappmesser von Bechtold& Schmidt, Modell »Predator«, ein tödliches Erinnerungsstück an eine längst abgeschlossene Ermittlung. Er verwahrte es immer noch, geschliffen und geölt, für alle Fälle. Jetzt klappte er es auf und schob die Klinge unter die Umschlaglasche.
Eine Stimme an der Wohnungstür ließ ihn aufblicken.
»Herr George?«
Dimitri, der Besitzer des Cafés im Erdgeschoss, stand im Eingang, ein Aluminiumtablett an einer dreiarmigen Hängevorrichtung in der Hand.
»Soll ich es reinbringen?«
»Ja, danke.«
George zog eine Euromünze aus der Tasche.
»Wie war die Reise?«, fragte Dimitri.
George nahm einen Schluck Kaffee. »Ich mag keine Beerdigungen«, antwortete er. »Dabei fühle ich mich immer älter als ich bin.«
Dimitri sprach die traditionelle Formel: »Ein langes Leben, um des Gefährten zu gedenken.«
George nickte. Sein Kopf war voller Bilder, sein Herz voller Verlust.
»Ich möchte meinen alten Freund wiederhaben, wenigstens noch einmal mit ihm Mittag essen. Noch einen Ouzo trinken am Meer.«
Dimitri schien seinen Kummer zu spüren. »Ich kenne das Gefühl«, sagte er, »das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt. Nur noch ein einziges Mal, mehr nicht. Aber dieser Wunsch geht nie in Erfüllung. So viel steht fest.«
George wusste, dass Dimitri an seine Frau dachte. Sie lebte noch – noch, aber ihre Uhr war fast abgelaufen.
»Wie geht’s Tasia?«, fragte er.
»Unverändert«, antwortete Dimitri.
»Nichts Neues, Gutes oder Schlechtes?«
»Man kann nur abwarten.«
»Geben Sie ihr einen Kuss von mir. Sagen Sie ihr, sie soll gesund werden.«
»Mach ich«, versprach Dimitri, ging und schloss leise die Tür.
George nahm den Umschlag erneut zur Hand. Die Adresse war in Schwarz geschrieben: eine ordentliche, gebildete Handschrift. Poststempel Ägina. Er faltete das einzelne Blatt Briefpapier auseinander.
Sehr geehrter Herr Zafiris,
ich habe Ihren Namen von einem Geschäftspartner erhalten, der Sie als zuverlässig und Ihr Honorar als maßvoll beschrieben hat. Möglicherweise habe ich Anlass, Sie zu engagieren. Ein Familienmitglied wurde ermordet. Die Polizei ist bisher nicht vorangekommen. Ich brauche jemanden, der den Fall sorgfältig und mit absoluter Diskretion untersucht. Rufen Sie mich sofort nach Empfang dieses Schreibens an.
Constantine Petrakis
Der Name ließ ihn innehalten und überlegen. Er kannte den Mann nicht persönlich, doch die Familie war aufs Engste mit der Geschichte Griechenlands verbunden. Man konnte sie durchaus als Dynastie bezeichnen. Juristen, Politiker, Intellektuelle. Davor Kriegsherren, Helden von 1821. Als das Volk zu den Waffen gerufen wurde, hatten sie ihre Gefolgsleute aus sämtlichen Dörfern und Schafställen in den Bergen des Peloponnes zusammengeholt und die verhassten Osmanen aus dem Land gejagt. Jede Stadt in Griechenland hatte ihre Petrakisstraße.
George schaute auf die Uhr. 16:30 Uhr. Mindestens zwei Stunden zu früh zum Telefonieren. Petrakis machte bestimmt ein Schläfchen. Ihn dabei zu stören wäre ein denkbar ungünstiger Auftakt. Er schob den Brief beiseite. Trotz des Kaffees war er müde, legte sich aufs Sofa und schloss die Augen.
George schlief unruhig; er kämpfte gegen ihn bedrängende Erinnerungen an: Ein Hafen auf einer Insel, die Fähre nähert sich im gleißenden Morgenlicht. Die Rampe wird heruntergelassen, ein Leichenwagen rollt an Land. Darin liegt sein langjähriger Freund Mario, 47 Jahre alt geworden. Am Pier, neben dem weißgetünchten Café, Eleni, die Frau des Toten, und ihre beiden Söhne. Sie warten, reglos wie Statuen. Ihre Gesichter sind leer, selbst als George sie begrüßt, als fehle ihnen die Kraft für die geringste Regung.
Dann der Trauerzug, der sich langsam und zögernd hügelaufwärts schiebt, auf die Kirche zu.
Um 18:00 Uhr erwachte George und fühlte sich betäubt und benommen. Er wankte unter die Dusche; der kalte Wasserguss ließ ihn schlagartig munter werden.
Ein Handtuch um die Hüfte geschlungen, schenkte er sich ein eisgekühltes Bier ein, machte es sich auf dem Sofa bequem und wählte die Nummer in Ägina.
Constantine Petrakis hatte eine nervöse, spröde Stimme, die ähnlich schrill quietschte wie eine Tür an rostigen Angeln.
»Ich kenne lediglich die nackten Tatsachen, Herr Zafiris. Mein Bruder wurde erschossen, hier auf der Insel. Sie müssen mit der Dame sprechen, die ihn gefunden hat. Da sie nicht ans Telefon geht, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sie persönlich aufzusuchen. Ihr Haus ist schwer zu finden. Ich werde es Ihnen zeigen müssen, das ist die einzige Möglichkeit. John hat bei ihr gewohnt. Er kam häufig zu Besuch. Aus welchem Grund ihn jemand erschießen sollte, ist mir unbegreiflich. Er war ein angesehener Mann von internationalem Ruf. Die Polizei ist nichts weiter als eine jämmerliche Bande von Bürokraten, die sich aufs Nichtstun spezialisiert haben. Sagen Sie, wann können Sie kommen?«
George warf einen Blick in seinen Kalender, der für die ganze Woche noch keinen Eintrag enthielt.
»Morgen früh? Um elf?«
»Perfekt. Wir treffen uns im Hotel Brown. Kennen Sie es?«
»Ich werde es finden.«
George wohnte den größten Teil des Jahres von seiner Frau getrennt. Die Regelung gefiel ihm zwar nicht, doch akzeptierte er sie als Kompromiss. Der stammte noch aus finsteren Zeiten. Sich näher damit zu befassen würde ihn ernsthaft deprimieren, so dass er sich dagegen entschied. Vom Frühlingsanfang bis spät in den Herbst hinein blieb Zoe auf Andros, im Landhaus ihres Vaters, malte, schrieb Gedichte und kümmerte sich um den Garten sowie um eine Reihe von Tanten und verschrobenen Cousinen. Unterdessen ging George in Athen seinem Broterwerb nach und besuchte die Insel gelegentlich am Wochenende und – wenn er Glück hatte – alljährlich zwei Wochen im August. Im Winter zog Zoe zu ihm in die Stadt, dann verlief ihr Eheleben in konventionelleren Bahnen. Ihr gemeinsamer Sohn Nick studierte in Newcastle Maschinenbau; ein sicherer Beruf, hofften sie, in unsicheren Zeiten.
Georges Arbeitstage waren, wie die aller Einwohner Athens, reich an Komplikationen. Ermittlungen wurden begonnen, weiterverfolgt, behindert, unterbrochen. Neue kamen hinzu. Klienten verstummten oder verschwanden. Manchmal mussten ihretwegen dann wiederum Nachforschungen angestellt werden. Entweder war ihnen das Geld ausgegangen oder sie hatten sich selbst in Schwierigkeiten verstrickt. Die nationale Krise machte es nicht besser. Unternehmen gingen pleite, Gehälter und Pensionen schrumpften mit erschreckender Geschwindigkeit. Die Menschen wurden krank oder verrückt oder wollten so nicht weiterleben.
»Ade na vris ákri.« Dieser Satz war in aller Munde. »Man weiß nicht, wo man anfangen soll.«
George hatte Glück. Bei ihm wurden keine Kredite fällig, niemand schuldete ihm Geld. Zumindest keine nennenswerten Summen. Doch die Auftragslage war miserabel. Nur die Reichen konnten sich die Ausgaben noch leisten, und selbst sie übten sich heutzutage in Zurückhaltung. Er übernahm jeden Fall, der ihm angeboten wurde.
Petrakis’ Stimme hatte ihn misstrauisch gemacht. Nicht was er sagte, sondern wie er es sagte. Nach einigen teuer bezahlten Fehlern hatte George einen Instinkt für schwierige Persönlichkeiten entwickelt. Vor Petrakis musste man auf der Hut sein.
George stand an Deck der Agios Nektarios in Piräus und genoss den Fahrtwind und die stetig breiter werdende Wasserrinne zwischen sich und der Stadt. Langsam, aber sicher fielen die zahllosen, wirr durcheinanderschwirrenden Eindrücke des Großstadtlebens von ihm ab. Am Horizont ragten Berge auf, deren scharfe Umrisse sich gegen den silbrig-blauen Himmel abhoben wie Metallschablonen. Möwen folgten im Windschatten des Schiffes, ohne die Flügel zu bewegen; nur ihre Köpfe drehten sich auf der Suche nach Nahrung von einer Seite zur anderen.
Die Fähre durchquerte eine gespenstische Meereslandschaft aus aufliegenden Tankern und Frachtschiffen. Sinnbilder einer zum Stillstand gekommenen Wirtschaft, ohne Fahrtziel. Sie warteten. Gelegentlich brauste ein Rennboot vorbei und durchschnitt die blaue Wasseroberfläche mit seiner strahlend weißen Schaumspur. Am Steuer ein Mann in den besten Jahren – mit fetter Wampe, Sonnenbrille, Goldkettchen und -armband –, in seiner Begleitung unweigerlich ein Bikini-Mädchen, halb so alt wie er und höchstwahrscheinlich aus Osteuropa stammend. Auf der Rückbank ein gelangweilter Schäferhund. Selbst nach dem Börsenkrach vor zwei Jahren erlebten Luxusgüter – diese skurrile Art von Luxus, die man aus der Zigarettenwerbung der sechziger Jahre kannte – nach wie vor eine Blütezeit. Genau wie die Cafés in der Athener Innenstadt, die immer brechend voll waren und in denen die Gäste unglaubliche Preise für einen Eiskaffee zahlten und im gleichen Atemzug über die Krise jammerten.
Nach einer Stunde erreichten sie Ägina. Die Ankerketten rasselten, in einer Wolke aus Dieselabgasen legte die Fähre rückwärts am Pier an. Eine Stimme aus der Lautsprecheranlage drängte die Passagiere schroff, unverzüglich von Bord zu gehen: »Das Schiff fährt gleich wieder ab.«
Das Hotel Brown lag wenige hundert Meter entfernt, am anderen Ende der Hafenmauer. George schlenderte an Fischerbooten vorbei, an Obstständen, Cafés und einem Kiosk, der mit Hochglanzzeitschriften und Plastikspielzeug vollgehängt war. Da ihm noch zehn Minuten Zeit blieben, setzte er sich in einen staubigen Kirchgarten; hier stand in einem Kreis aus Palmen eine Büste von Ioannis Kapodistrias – dem ersten Staatsoberhaupt Griechenlands, im Alter von fünfundfünfzig Jahren von einem politischen Gegner erschossen – und schaute hinaus aufs Meer.
Petrakis war schlank, präzise und siebzig Jahre alt. Seine hellgrünen Augen flackerten nervös. Schuhe, Hose und Hemd sahen teuer und elegant aus, seine Armbanduhr war ein grundsolides Schweizer Modell. Der Handschlag, mit dem er George begrüßte, wirkte hastig und geschäftsmäßig.
»Wir setzen uns in den Garten.«
Petrakis führte ihn zu einem Tisch unter einer Japanischen Mispel und fegte gereizt drei abgefallene Blätter von seinem Stuhl, bevor er Platz nahm. Einen Augenblick lang musterte er seinen Besucher schweigend.
»Zunächst möchte ich Ihnen einige Informationen über meinen Bruder geben. Danach werde ich Sie zu Madame Corneille begleiten. In ihrer Wohnung hat sich die Tragödie abgespielt.«
»Ich habe mir den ganzen Tag freigehalten«, sagte George.
»So lang werden wir nicht brauchen. Die Fakten sind eindeutig. Mein Bruder war ein klassischer Gelehrter. Er unterrichtete in Stanford, Princeton und zuletzt am King’s College London. Er war ein Mann mit unverblümten und durchaus umstrittenen Ansichten. Seine frühen Arbeiten beschäftigten sich mit Platon, doch am bekanntesten wurde er durch seine Veröffentlichungen über die weniger ehrenwerten Aspekte des Lebens im antiken Griechenland. Über das, was er als ›Dunkel hinter dem Licht‹ bezeichnete: Sklaverei, Prostitution, Verbrechen und Bestrafung, Pädophilie, Homosexualität und sogar, so ungern ich das erwähne, Kinderopfer, obwohl diese Annahme lediglich auf Indizien beruht. Sie können sich vorstellen, wie seine Arbeit hier aufgenommen wurde, besonders in patriotischen Kreisen.«
George nickte.
»John stand gerade im Begriff, bei der Historischen Gesellschaft von Ägina einen Vortrag über dieses total unappetitliche Thema zu halten. Madame Corneille hatte das gemeinsam mit einigen hiesigen Freunden arrangiert, und zwar für den 25.März um 21:00 Uhr.«
Petrakis machte eine Pause und wartete auf eine Reaktion.
»Erzählen Sie weiter«, bat George.
»Ich gehe davon aus, dass Ihnen die Bedeutung dieses Datums klar ist.«
»Vielleicht hat es eine Bedeutung, vielleicht auch nicht.«
»Selbstverständlich hat es eine Bedeutung!«
»Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
Petrakis schien verärgert. »Wie Sie wünschen, Herr Zafiris. Ich bitte Sie lediglich, zur Kenntnis zu nehmen, dass mein Bruder genau an dem Tag erschossen wurde, an dem wir unsere nationale Unabhängigkeit feiern.«
»Ich halte diese Tatsache fest«, antwortete George. Ruhig erwiderte er den aufgeregten Blick seines Gegenübers. »Fahren Sie fort.«
»Gegen 19:00 Uhr ging John zum Duschen ins Bad. Er kam nicht mehr heraus. Eine halbe Stunde später klopfte Madame Corneille an die Tür, erhielt keine Antwort, trat ein und fand ihn. Jemand hatte ihn in den Kopf geschossen. Sie rief unverzüglich die Polizei, und seitdem, muss ich bedauerlicherweise feststellen, stagniert die Angelegenheit.«
George dachte nach, während der Kellner den Kaffee servierte.
»Erzählen Sie mir mehr über Ihren Bruder.«
»Mehr fällt mir dazu nicht ein.«
»Das kann nicht sein.«
»Ich wüsste nichts, was hier weiterhilft.«
»Ich brauche Informationen über sein Privatleben.«
»Da gibt es nichts zu verbergen.«
»Mag sein, aber ich benötige die Informationen.«
Wieder wirkte Petrakis verärgert. »Was genau möchten Sie denn wissen?«
»Zuallererst etwas über seine Beziehung zu Madame Corneille.«
»Sie ist über jeden Verdacht erhaben!«
»Andere Personen hier auf der Insel?«
»Ein paar Freunde. Vertrauenswürdige Leute.«
»Ich brauche ihre Namen.«
»Unwichtig.«
»Es könnte ausgesprochen wichtig sein.«
»Ich kann Ihnen versichern, dass dem nicht so ist.«
»Ich werde mir dazu selbst eine Meinung bilden.«
»Ich versuche nur, Ihnen Zeit zu sparen. Und mir Geld. Ich gehe übrigens davon aus, dass Sie auf Stundenbasis abrechnen, so wie Rechtsanwälte?«
»Richtig, allerdings nehme ich nicht annähernd deren Stundensatz.«
Petrakis warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Wie hoch ist denn Ihr Honorar, wenn ich fragen darf?«
»Der Grundbetrag liegt bei fünfzig pro Stunde, zuzüglich Spesen.«
»Wie lange brauchen Sie normalerweise für so einen Auftrag?«
»Kann ich unmöglich sagen.«
»Warum?«
»Manchmal geht es schnell, manchmal dauert es Monate.«
»Ich möchte, dass es in diesem Fall schnell geht.«
»Ich auch.«
Petrakis verzog das Gesicht. Er nippte an seinem Kaffee, als könnte jemand Gift hineingemischt haben.
»Was müssen Sie noch wissen, Herr Zafiris?«
»Das sagte ich bereits. Etwas über sein Privatleben. Dort findet man normalerweise die Antworten.«
»In seinem Fall bezweifle ich das.«
»Wie Sie wünschen.« George leerte seine Tasse. »Ich schicke Ihnen die Rechnung für mein Gastspiel heute Vormittag.«
»Wir müssen noch Madame Corneille aufsuchen!«
George erhob sich. »Gehen Sie zu ihr. Ich verschwende hier nur meine Zeit.«
Petrakis erwiderte ruhig: »Sie sind ausgesprochen ungeduldig.«
»Ich habe andere Fälle, um die ich mich kümmern muss.«
»Sie sagten, Sie hätten den ganzen Tag Zeit.«
»Zum Arbeiten. Nicht zum Herumsitzen.«
»Beruhigen Sie sich, Herr Zafiris!«
»Ich bin vollkommen ruhig. Entweder Sie geben mir mehr Informationen, oder ich gehe.«
»Na schön.« Petrakis hob beide Hände von der Tischplatte. »Mein Bruder war homosexuell. Ist es das, was Sie interessiert?«
George antwortete kalt: »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich brauche noch weitere Einzelheiten.«
»Ich verstehe nicht, wozu!«
»Hat er sich eventuell mit Leuten eingelassen, die gewisse Dienstleistungen anbieten oder bestimmte Vorlieben befriedigen, möglicherweise unappetitliche, um auf Ihre Wortwahl zurückzugreifen?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Würgen, Ersticken, Bondage? Da kann schon mal was schiefgehen. Unfälle, geisteskranke Partner, Kriminelle …«
»Ich kann Ihnen versichern, dass er mit so etwas nichts zu tun hatte.«
»Wissen Sie das ganz genau?«
»Er hat nie etwas Derartiges erwähnt!«
»Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?«
»Niemals!«
»Also gut«, sagte George. »Beginnen wir noch mal von vorn. Woher wissen Sie, dass er schwul war?«
»Er hatte einen ›Partner‹, so nennt man das doch«, sagte Petrakis voller Abscheu.
»Was für eine Art Partner?«
Ein langer, gequälter Blick. »Nicht der Typ Mann, den man bei einem Professor für Alte Geschichte erwarten würde.«
»Also?«
»Er ist Handwerker auf dem Bau. Und Raumgestalter. So was in der Art.«
»Wo war dieser Partner, als John ermordet wurde?«
»Auf dem Rückflug nach London.«
»Ich muss mit ihm sprechen.«
Erneut machte Petrakis seinem Ärger Luft. »Falls auch nur ein Wort davon an die Presse durchsickert, werde ich persönlich …«
»Das wird nicht geschehen.«
Petrakis schwieg eine Weile. »Na schön. Ich gebe Ihnen Bills Telefonnummer, sobald ich zurück in Athen bin.«
»Danke. Jetzt erzählen Sie mir etwas über Johns Beziehung zu Madame Corneille. Und halten Sie sich bitte an Tatsachen.«
»Sie war bloß eine Freundin und Verehrerin.«
»Das klingt ziemlich nichtssagend.«
»Sie ist eine Exzentrikerin. Ein Medium. Eine spirituelle Heilerin.«
»Hat John ihre beruflichen Fähigkeiten in Anspruch genommen?«
»Keine Ahnung.«
»Was hat er über sie gesagt?«
»Nicht viel. Sie war einfach eine Freundin.«
»Hatte er Feinde?«
»Hunderte! Seine Bücher haben viel Unmut ausgelöst.«
»In welcher Form?«
»Briefe, Zeitungsartikel, Angriffe gegen ihn in Rundfunk und Fernsehen. Glücklicherweise wusste keiner seiner Gegner über sein Privatleben Bescheid, sonst hätte er keine ruhige Minute mehr gehabt.«
»Gibt es jemanden hier in Ägina, der sich ganz besonders über seine Schriften aufregte?«
»Da könnte ich ein, zwei Namen nennen.«
»Gut. Ich werde der Sache nachgehen. Kommen wir jetzt auf die Polizei zu sprechen: Mit wem haben Sie geredet? Mit jemandem von hier oder aus Athen?«
»Von hier, soweit ich weiß. Ein gewisser Inspektor Bagatzounis scheint für die Ermittlungen zuständig zu sein. Ein lächerlicher Typ!«
»Was hat er gemacht?«
»Nichts! Das ist ja das Problem! Dieser Kerl hat nicht das Geringste unternommen!«
George hörte diese Klage nicht zum ersten Mal. »Bei allem Respekt, Herr Petrakis, sogar hier in Griechenland kann ein Polizist nicht untätig bleiben, wenn es um Mord geht.«
Petrakis zischte: »Natürlich hat er das Nötigste getan! Das, was ein Bürokrat eben für nötig hält. Er hat Zeugenaussagen und Fotos aufgenommen, ist durch die Wohnung stolziert, hat aus dem Fenster geschaut, hat die absolut naheliegenden Fragen gestellt. Vielleicht hat er sogar einen Bericht verfasst. Aber im Grunde hat er nichts unternommen!«
»Wurde GADA hinzugezogen?«
»GADA?«
»Das Polizeipräsidium in Athen.«
»Das weiß ich nicht. Die geben keine Informationen raus. Mir schon gar nicht. Sämtlichen Nachfragen begegnen sie mit leeren Floskeln und Ausflüchten. Unglaublich, mit welcher Verachtung sie uns Bürger behandeln. Und das in einer modernen Demokratie!«
George sagte nichts. Die Worte dieses Mannes klangen für ihn wie hohle Phrasen.
Petrakis schaute auf seine Uhr. »Wir müssen jetzt zu Madame Corneille. Sie wartet schon. Sind Sie so weit?«
Sie liefen durch eine Gasse mit niedrigen Häuschen aus dem neunzehnten Jahrhundert, die von Feigenbäumen überragt wurden. Der Gehsteig war ein schmaler Asphaltstreifen voller Risse, auf dem überall Mülleimer, Paletten mit Ziegelsteinen und schlecht geparkte Motorroller den Weg versperrten. Sie mussten auf die Fahrbahn ausweichen und sich jedes Mal, wenn ein Auto vorbeifuhr und die Gasse in eine Abgaswolke hüllte, gegen eine Hauswand pressen.
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