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Die Zwillinge Jakob und Lisa besuchen die 10. Klasse ihres Gymnasiums und bilden das Klassensprechergespann ihrer Klasse. Während der Berufsfindungswoche hat Lisa ein Praktikum als Bademeisterin gemacht und dabei die junge Cellistin Celine kennengelernt. Celine ist von Geburt an blind, verfügt dafür aber über ein sehr feines musikalisches Gehör und spielt virtuos wie Mozart. Aus diesem Grund hat sie sich auch an der Musikhochschule beworben und steht kurz vor ihrer Aufnahmeprüfung. Schnell freunden sich Jakob und Lisa mit ihr an und Jakob wird von Celines Künsten richtig bezaubert. Die drei verbringen gemeinsam das Wochenende und Celine zeigt ihren neuen Freunden eine Welt, in die man nur eintauchen kann, wenn man seine Augen schließt. Wie sein Vorgängerstück soll auch dieses Theaterstück ein abendfüllendes Lehrstück sein. Es thematisiert die Wahrnehmung blinder Menschen und macht sie für sehende Menschen "sichtbar".
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Seitenzahl: 116
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Jakob und Lisa 2: Die blinde Cellistin
Stück in 14 Bildern
Personen:
Jakob
Lisa
Mutter Mona
Celines Vater
Celine
Platz an der Treppe vor der Schule. Über der Eingangstür steht der Name der Schule „SchillerGymnasium“ geschrieben.
Es war einmal eine Witwe, die hatte zwei Kinder, Zwillinge, die hießen Jakob und Lisa. Die Familie war nicht besonders wohlhabend, doch besaß eines Tages das Glück, die Villa einer reichen Großtante zu erben. Nachdem sie dort eingezogen waren, fanden sie einen Schatz im Haus, der der Familie doch ein wenig Wohlstand einbrachte. Dennoch blieb sie sehr beschieden. So trugen die Kinder auch nicht unbedingt Designer-Kleidung, sondern eher die Mode von Normalverdienern. Entsprechend lebten sie auch in einer kleinen recht günstigen Wohnung und auch die Kinder konnten zwar nicht unbedingt Designer-Kleidung tragen, sondern eher nur das, was der SecondHandShop bereitstellte. Obgleich nicht die Reichsten, waren Jakob und Lisa nicht die Dümmsten, sondern recht schlau und gebildet für ihr Alter. Die Zwillinge besuchten die 10. Klasse.
Die Schultüre öffnet sich und Jakob und Lisa hervor. Jakob trägt eine blaue Jeanshose, ein T-Shirt mit einem Bild von den Backstreet Boys und Sneaker-Schuhe. Lisa trägt ein Sommerkleid und braune Römersandalen aus mehreren Riemen, mit denen man sie auch an der Ferse festschnüren kann. Sie trägt keine Socken. Auf dem Rücken tragen beide je einen Rucksack.
Ach, Lies, ist es nicht herrlich, dass Freitag ist. Schule ist aus, Wochenende kommt. Was will man mehr?
Du sagst es, Jako.(Lisa spricht den Spitznamen „Jako“ für ihren Bruder stets wie „Dschakko“ aus) Freitag ist ein so schöner Tag. Weißt du was, nach dieser trockenen Klassensprechersitzung kann ich eine Erfrischung gebrauchen.
Jakob und Lisa kommen an einem Kiosk vorbei. Lisa geht auf den Kioskverkäufer zu.
Der Kioskverkäufer bringt die bestellten Eistees (2 Flaschen á 0,5 l) und überreicht sie Lisa.
Lisa nimmt 1,40 € aus ihrer Kleidtasche und bezahlt die Eistees.
Lisa bringt die Eistees zu ihrem Bruder und reicht ihm einen. Sie öffnen die Flaschen und gehen weiter. Lisa trinkt einen Schluck Eistee.
Du, Jako, ich weiß, es war ein längerer Freitag heute: So mit Klassensprechersitzung, insbesondere für die Vorbereitung der anstehenden Klassenfahrt, aber ich wollte einmal kurz die Berufsfindungswoche Revue passieren lassen.
Das hast du doch schon, Lies, als du diese Rede gehalten hast.
Ja, ich weiß, aber ich wollte dir noch jemanden vorstellen, den ich in der Berufsfindungswoche kennengelernt habe.
Sie heißt Celine und war regelmäßig im Freibad, aber nicht allein, sondern in Begleitung eines unbeschreiblichen Wohlklangs. Ich habe sie allerdings erst Freitag mit dem Wohlklang in der Damenumkleide angetroffen, nachdem ich den Wohlklang dort wiedergehört habe. Dann bin ich ihm gefolgt und habe mit ihr gesprochen und ich muss echt sagen, das Mädchen ist eine ganz nette. Ich habe ihr erzählt, dass ich allerdings nur Bademeister-Praktikantin war und an diesem Freitag aufhörte. Aber sie sagte, dass macht ja nichts. Dann fragte ich sie, ob wir uns auch gerne wiedersehen könnten, doch dann sagte sie zu mir, dass „Wiedersehen“ nicht das richtige Wort wäre, aber sie hat nichts dagegen, wenn wir uns wieder treffen könnten. Dann nahm ich meinen Notizblock und sagte ihr, ich schreibe ihr meine Adresse auf, doch sie sagte: „Warte, lass uns das erste Mal bei mir treffen. Ich gebe dir meine Adresse.“ Das machte sie und wir haben uns dann für heute Nachmittag verabredet. Und genau dort gehen wir beide jetzt auch hin.
Jakob und Lisa erreichen ein blaues Haus mit Vorgartentörchen. An der Haustür und dem Vorgartentörchen stehen die Nummer 33, sowie der Name „Schneider“.
Lisa öffnet das Vorgartentörchen und geht auf die Haustür zu.
Du, Lies, du hast gesagt, du hättest im Freibad den Wohlklang ein zweites Mal gehört. Wo hast du sie denn das erst Mal mit ihrem Wohlklang gehört?
Nun ja, Jako, eigentlich an einem eher düsteren Ort mit düsterem Anlass. Es war nämlich am Donnerstagvormittag, als ich schweren Herzens von Franzi Abschied genommen habe. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie nicht mehr ist. Ihre Beerdigung war der schlimmste Tag in meinem kurzen Leben. Ich habe so viele Erinnerungen an sie als gute Freundin und…Sie seufzt. Aber was hilfst darüber zu philosophieren. Das Leben muss irgendwie auch ohne die gute Freundin weitergehen. Aber gut, ich erzähle weiter. Als ich in der Kapelle saß und der Pfarrer die Rede hielt, kam Celine nach vorne und hat mit ihrem Cello ein Abschiedsstück für Franzi gespielt und das war ein so herzzerreißendes Stück in AMoll, dass jedem die Tränen in die Augen traten. Und ich muss echt sagen, so schön, wie Celine das Cello gespielt hat, habe ich bisher noch niemanden spielen hören und als ich das Cello einen Tag später im Freibad hörte, wusste ich, dass ist das Mädchen, was am Vortag auf Franzis Beerdigung gespielt hat. Und als ich sie darauf ansprach, hat sie mir das bestätigt.
Lies, deine Geschichte ist so schön und so traurig zugleich.
Guten Tag, ich bin Lisa und das ist mein Bruder Jakob. Ich habe Celine letzte Woche im Freibad kennen gelernt und wir beiden sind verabredet.
Stimmt, das hat mir meine Tochter erzählt. Kommt herein. Sie wohnt oben, direkt gegenüber der Treppe. Zieht aber bitte eure Schuhe aus.
Jakob und Lisa betreten das Haus. An der Türe ziehen sie ihre Schuhe aus. So geht Jakob in seinen weißen Socken und Lisa barfuß weiter und die Treppe hinauf.
In Celines Zimmer. Celine trägt eine Bluse, einen Rock und Socken und sitzt auf einem Stuhl, zu ihrer Rechten ein kleines Tischchen, und hält ihr Cello in der Hand und spielt. Es klopft an der Tür.
Ich bin es, Lisa. Das Mädchen, was du im Freibad getroffen hast. Erinnerst du dich, wir waren heute verabredet?
Das mache ich, ich komme allerdings mit Begleitung.
Lisa öffnet die Tür und betritt barfuß in ihrem Sommerkleid, aber mit dem Rucksack auf dem Rücken Celines Zimmer. Jakob folgt ihr. Jakob trägt Jeanshose, T-Shirt und weiße Socken. Jakob schließt die Tür hinter sich. Lisa geht auf Celine zu.
Celine, darf ich dir meinen Zwillingsbruder Jakob vorstellen?
Jakob reicht Celine die Hand. Sie will erwidern, doch muss ein wenig mit der Hand durch die Luft wedeln, bis sie Jakobs Hand erreicht.
Celine erreicht Jakobs Hand und fasst diese fest an und schüttelt sie ihm.
Danke, nett, dich auch kennenzulernen. Jakob, richtig?
Ja, genau. Ich heiße Jakob und bin Lies‘ Bruder. Sie nennt mich allerdings „Jako“. Das kannst du auch gerne tun.
Danke. Du kannst ruhig näherkommen. Ich beiße bestimmt nicht.
Jakob kommt Celine ein wenig näher. Sie streicht daraufhin mit ihrer rechten Hand über sein T-Shirt und seine Jeans.
Ah, du trägst ein T-Shirt und eine Blue-Jeans. Sehr schön.
Das kann ich dir jetzt nicht genau sagen, weil ich es ja nicht erkenne.
Nicht erkennen? Also das ist ein cooles T-Shirt mit den Backstreet Boys drauf. Es ist zwar aus dem Second-Hand-Shop, aber es ist wirklich in einem sehr guten Zustand. Das sieht man doch eigentlich, oder?
Zu Jakob: Äh, Jako, sei jetzt nicht unhöflich zu deiner Gastgeberin. Zu Celine: Ich möchte mich für das Verhalten meines Bruders entschuldigen, sonst ist er nicht so unhöflich. Aber ich habe auch eine längere Weile gebraucht, um zu verstehen, warum du mich zwar gerne wiedertreffen, aber nicht gerne wiedersehen möchtest.
Ja, das ist richtig, Lisa. Jakob, ich glaube, Lisa hat dir wohl noch nicht erzählt, dass ich blind bin.
Ja, ich kann nichts sehen. Schon seit meiner Geburt nicht.
Ach so schlimm ist das nicht, Jakob. Ich komme gut damit zurecht. Es ist nur für die Sehenden unter euch sehr gewöhnungsbedürftig.
OK. Entschuldige noch mal meine Reaktion wegen dem T-Shirt.
Reden wir nicht mehr drüber, Jakob. Du konntest es ja nicht wissen.
Sehen kann Celine zwar nicht, dafür aber wohl umso besser hören, oder?
Und ob. Und auch gut riechen und fühlen. So finde ich, dass dein Bruder, Lisa, echt gut riecht.
Bitte. Jakob war doch der Name deines Bruders, oder?
Lisa hat einen Bruder namens Jakob. Sie hat einen Bruder Jakob. Da fällt mir glatt etwas zu ein.
Celine spielt auf ihrem Cello das Lied „Bruder Jakob.“
Das klingt so schön. Kannst du es noch einmal spielen?
Celine spielt noch einmal auf ihrem Cello das Lied „Bruder Jakob“.
Klasse, einfach klasse wie du das machst.
Ja, wirklich, Celine. Da bin auch ich zu Tränen gerührt.
Vielen Dank. Jeder, der mich Cello spielen hört, sagt zu mir, ich könnte das wie der junge Mozart. Auch meine Sandkastenfreundin Jenny. Wir haben gerade unsere AbiPrüfungen hinter uns und ich habe mich schon an der Musikhochschule beworben, um dort Cello zu studieren. Da freue ich mich schon drauf.
Ah schön. Das ist auch bestimmt das richtige für dich. Jenny wie Jenny Sömmerda?
Ja, Jenny wie Jenny Sömmerda. Wir kennen uns seit dem Sandkasten und waren auch zusammen im Kindergarten und schon damals habe ich Cello spielen gelernt. Ich habe sie zur Beerdigung ihrer jüngeren Schwester Franziska begleitet. Schrecklich, dass ein Mädchen so jung sterben musste. Jenny hat mich gefragt, ob ich nicht ein Abschiedsstück für Franziska spielen könnte und ich habe das dann auch gemacht. Ich habe die Töne einfach aus dem Stegreif erweckt und dann in A-Moll ihr kurzes Leben Revue passieren lassen.
Ich weiß, dein Stück war wirklich herzzerreißend. Da kamen mir die Tränen. Sie erinnerten mich daran, was Franzi für eine tolle Freundin war. Franzi ging mit Jako und mir in eine Klasse, bis sie ihren Unfall hatte.
Unfall? Also ich hörte, sie ist von einer Brücke gesprungen.
Ja, das war sie auch, aber nachdem sie sich so sehr mit Drogen vollgestopft hatte, dass sie glaubte, sie könnte fliegen.
Eine falsche Schmalzlocke von Klassensprecher und Casanova namens Patrick Stahlmüller, der meint, er wäre als Sohn des Bausenators etwas Besseres als die anderen und könnte sich jedes hübsche Mädchen krallen, das ihm über den Weg läuft, insbesondere seine Klassensprecherkollegin Lisa Werner. Aber da hat er sich gewaltig in den Finger geschnittengetäuscht. Als ich ihm klargemacht habe, dass ich ihn nicht liebe, hat er zugegeben, dass er mit den Drogen gedealt hatte und, dass er gesehen hat, wie Franzi im Rausch von der Brücke sprang.
Ja, so war das und ich muss echt sagen, es ist sehr gut, dass diese falsche Schlange nun im Gefängnis sitzt.
Richtig, Jako, und weißt du, was noch viel besser ist?
Dass er nicht mehr mein Klassensprecherkollege ist, sondern stattdessen nun mein lieber Zwillingsbruder Jako.
Er reicht seiner Schwester die Hand zum Einschlagen.
Aber Hundertpro.Sie schlägt bei ihm ein.
Du, Celine, waren Jenny und du eigentlich hinterher auch in einer Klasse?
Nein, aber wir haben nach dem Kindergarten weiterhin Kontakt gehalten. Während Jenny als Sehende auf eine normale Schule gehen konnte, besuchte ich eine spezielle Blindenschule. Das hinderte uns aber nicht daran uns außerhalb des Unterrichtes in der Freizeit treffen zu können.
Wie wäre es damit?Celine spielt den Anfang der kleinen Nachtmusik von Wolfgang Amadeus Mozart.
Klar. Für die Aufnahmeprüfung muss ich eine Suite von Johann Sebastian Bach spielen. Ich habe die Noten, glaube ich, auf dem Schreibtisch liegen.
Lisa geht zum Schreibtisch, der sich neben dem Fenster im Raum befindet. Sie findet ein zusammengebundenes kleines Heft aus weißen Blättern.
Lisa nimmt das kleine Heft aus weißen Blättern und bringt sie Celine und liegt sie ihre auf den Schoß. Celine streicht mit den Fingern fühlend über die Blätter.
Ja, hier steht es drauf geschrieben: Suite für Cello von Johann Sebastian Bach. Ja, genau das wollte ich vorspielen. Gebt mir eben etwas Zeit, ich muss die Noten memorieren.
Celine fühlt über das Blatt Papier. Jakob und Lisa stehen ihr gegenüber zwischen Celine und der Tür. Nach einer Weile legt sie die Noten beiseite auf das kleine Tischchen zu ihrer Rechten. Dann nimmt sie den Cello-Bogen in die Hand und spielt die Noten auf ihrem Cello nach. Jakob und Lisa schließen ihre Augen, während Celine spielt und öffnen sie erst wieder, als Celine ihr Spiel auf dem Cello beendet.
Ja, da kann ich Jako nur zustimmen. Celine, du spielst einfach himmlisch Cello.
Du, Celine, willst du nicht auch unsere Adresse haben. Dann kannst du ja auch mich besuchen.
Gerne. Auf dem Schreibtisch steht meine Schreibmaschine. Kannst du mich eben dorthin führen?
Das mache ich gerne. Jako, nimmst du eben Celines Cello.