James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine - Biedenkapp, Georg - kostenlos E-Book

James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine E-Book

Georg, Biedenkapp

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The Project Gutenberg EBook of James Watt und die Erfindung derDampfmaschine, by Georg BiedenkappThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.org/licenseTitle: James Watt und die Erfindung der DampfmaschineAuthor: Georg BiedenkappRelease Date: July 3, 2016 [EBook #52492]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK JAMES WATT UND DIE ERFINDUNG ***Produced by Peter Becker and the Online DistributedProofreading Team at http://www.pgdp.net

James Wattund die Erfindung der Dampfmaschine

Die »Technischen Monatshefte« sind die erste auch allgemeinverständliche technische Zeitschrift.

Der vorliegende Band ist von den »Technischen Monatsheften«, Stuttgart, herausgegeben. Er geht den Abonnenten des Jahrgangs 1911 dieser Zeitschrift kostenlos zu.

Technische Monatshefte

Zeitschrift für Technik, Kultur und Leben Unter Mitwirkung hervorragender Fachleute herausgegeben vonIng. Dr. phil. et jur. J. Kollmann und Dipl.-Ing. Dr. Ad. Reitz. Von den zahlreichen Mitarbeitern nennen wir nur:

Dipl.-Ing. Direktor L. Brinkmann, Madrid. Dir. Ing. Friedrich Dessauer, Aschaffenburg. Dr.-Ing. E. Foerster, Blankenese. Prof. Dr. Franz, Charlottenburg. Hanns Günther, Stuttgart. Dr.-Ing. Ludwig Günther, Berlin. Dr. Bruno Heinemann, Assistent an der Handelskammer, Magdeburg. Otto Kahn, Mailand. Prof. Dr. Lassar-Cohn, Königsberg. Joseph Aug. Lux, München. Walter Mahlberg, Dozent a. d. Handelshochschule, Köln. Prof. Dr. Bruno Meyer, Berlin. Diplomingenieur Michel, Cöthen. Dr. Oskar Nagel, Chemiker, New York. Geh. Hofrat Prof. Dr. Ostwald, Großbothen. Dr. Alfons Paquet, Frankfurt a. M. Dr.-Ing. Ritzmann, Karlsruhe. Prof. Dr. F. Schoen, Cahoes (Frankreich). Dipl.-Ing. Otto Ernst Sutter, Frankfurt a. M. Rechtsanwalt Dr. Ludwig Wertheimer, Frankfurt a. M. Dr. A. Zart, Vohwinkel. Prof. Otto Kammerer, Charlottenburg.

Die »Technischen Monatshefte« wollen

dem strebenden Laien und der studierenden Jugend

stete Belehrung und Anregung bieten, daneben aber auch der Allgemeinbildung der

Techniker, Industriellen, Kaufleute und Beamten

dienen.

Die »Technischen Monatshefte« erscheinen monatlich etwa im Umfang von 2 Bogen. Sie enthalten ein Hauptblatt und dazu die Beiblätter »Technik und Schule«, »Technik und Hygiene« und »Industrielle Monographien«, denen sich später weitere angliedern sollen.

Die »Technischen Monatshefte« bieten ihren Abonnenten ganz besondere Vorteile. Es werden außer den vornehm ausgestatteten Monatsheften jährlich vier in sich abgeschlossene, reich illustrierte Buchbeigaben geliefert.

Im Jahre 1910 erschienen: 1. Max Eyth, ein deutscher Ingenieur und Dichter. 2. Der Ingenieur. Essays verschiedener Verfasser. 3. Deutsche Elektrotechnik im Ausland. 4. Deutsche Arbeit Bd. I: Das Saargebiet.

Für 1911 sind vorgesehen: 1. James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine. 2. Musterkatalog: Technische Bücherei. 3. Deutsche Arbeit. Bd. II: Die deutsche Schmuckindustrie. 4. Aus Industrie und Werkstatt. Technische Plaudereien.

Der Preis der »Technischen Monatshefte« beträgt jährlich nur M 7.—. Dafür werden also 12 Hefte und 4 Bücher als Sonderbeilagen geliefert.

Verlag der »Technischen Monatshefte«, Stuttgart (Franckh'sche Verlagshandlung). Probehefte sind durch jede Buchhandlung kostenlos zu beziehen. — Abonnement jederzeit, bereits Erschienenes wird nachgeliefert.

James Wattund die Erfindung der Dampfmaschine

Eine biographische Skizze

von

Dr. Georg Biedenkapp

Mit 23 Abbildungen

1911 Verlag der Technischen Monatshefte :: Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart ::

Inhalt

SeiteWatt und Nietzsche5Watts engere Heimat und ihre berühmten Männer7Watts Vorfahren8Watts Jugend9Watts Lehrzeit13Watt als Universitätsmechaniker15Geschichte der Dampfmaschine bis auf Watt17Eine verbesserte Newcomenmaschine im Roman27Watt erfindet den Kondensator29Watts erste Maschine im Modell31Many a clip 'twixt cup and lip33»Mein Herz blutet für ihn«34Boulton37Die Retterin der Cornwallgruben39Drehbewegung, Doppelwirkung, Dampfsteuerung, Drosselklappe43Prozesse47Andre Entdeckungen und Erfindungen Watts49Watt, Darwins Großvater und Goethe51Watts Lebensabend und Tod53

Watt und Nietzsche.

»Eine tolle Zusammenstellung«, wird vielleicht mancher sagen, wenn er diese beiden Großen so nebeneinander gerückt findet!

Was hat der Erfinder eines zwar sehr nützlichen, aber sonst »öden Mechanismus«, — was hat der Förderer menschlicher Bequemlichkeit und des krassen Materialismus mit dem idealen Streben eines einsamen Philosophen gemein, der erhabenste Gedanken der Schnellkraft geflügelter Worte anvertraute und sich der Massenwucht, der Herrschaftslüsternheit der Pöbeltriebe entgegenstemmte?

Was hat der nüchterne Techniker und Mechaniker Watt mit dem poetisch gestaltenden Denker zu schaffen?

Wie kommt die Grauheit des Fabrikbetriebs zur Buntheit der Nietzscheschen Gedankenwelt?

Verbietet es wirklich nicht der gute Geschmack, den Mann, der Millionen von Pferdekräften aus dem Boden stampfte und dem Menschen eine bis dahin unerhörte Macht über die Elemente und Schätze der Natur gab, in einem Atem zu nennen mit dem Lenker der Geister, der neue seelische Schätze ans Licht hob und Millionen von Geisteskräften freimachte? Soll im Ernste der Schöpfer der modernen Dampfmaschine mit dem »Umwerter aller Werte« verglichen werden?

Ohne mit einer Wimper zu zucken, behaupten wir, daß jeder nur zu seinem Nutzen und Besten sich von dem übertriebenen Gerede über die Umwertung aller Werte durch Nietzsche hinwenden wird zu dem Urheber der gewaltigen Umwertung vieler Werte, als der James Watt unbestritten in aller Zukunft wird gelten müssen.

Wir wollen Nietzsche das Verdienst nicht absprechen, daß er dazu beitrug, das bessere Individuum gegenüber den Herdentrieben zur Selbstbesinnung zu bringen. Wir wollen uns vieler seiner glänzenden, scharfsinnigen, in so künstlerische Form gegossenen Gedanken freuen, darüber wollen wir aber auch ihre Mängel, ihr unlogisches Widereinanderstreben, ihr schwachen Gemütern gefährliches Wesen nicht übersehen! Gerade aber weil mit der »Umwertung aller Werte«, als einer Leistung Nietzsches, soviel Unfug getrieben worden ist und immer noch getrieben wird, wollen wir zeigen, daß der große Schotte und Mehrer menschlicher Machtmittel eine jedenfalls ganz unübersehbare, heute noch nicht zum Stillstand gelangte Umwertung der Werte eingeleitet hat. Mehr noch als der erste Napoleon, dessen glänzende Taten und Leistungen immer mit dem entsetzlichsten Blutgeruch behaftet bleiben werden, hat der vom Norden Englands gekommene Erfinder das äußere Antlitz der Erde umgestaltet. Die Revolution im Wirtschaftsleben, die von Watts Hirn ihren Ausgang nahm, war wohl nicht minder folgenreich als die große französische Revolution, die bald nach der Erfindung der Dampfmaschine ausbrach. Denn durch den still beschaulichen Sproß einer schottischen Mathematikerfamilie ist Dampf hinter alle Dinge gekommen, konnten die Schächte tiefer in die Erde getrieben werden, wurden Meere ausgetrocknet, Berge versetzt, Zünfte und Sticklüfte beseitigt, die schaffenstüchtige Menschheit um Millionen leidloser, eiserner Knechte bereichert, zahlreiche Gewerbe umgeschaffen und die Bevölkerungsmöglichkeit der Kulturländer ganz gewaltig gesteigert.

Eine unmittelbare Folge der Dampfmaschine waren Dampfschiff und Eisenbahn, und diese neuen Verkehrsmittel haben überhaupt erst das Aufblühen Europas und Amerikas ermöglicht. Sie gaben dem Volkskörper der weißen Rasse, der sich über Europa hinaus reckte, neue Nerven und Adern, neue Arme, Beine und Hirne.

Als Watt Armeen eiserner, unfühlender Diener fast aus dem Boden stampfte, schuf er einen neuen Begriff menschlicher Leistungsfähigkeit, gab er dem Denken Vertrauen zu sich selber, half er somit den menschlichen Geist aus den starren Banden aufgepfropfter oder eingewurzelter Vorstellungen befreien. Schon dadurch also war er ein Umwerter vieler Werte.

Durch Eisenbahn und Dampfschiff, die Watt erst ermöglichte, schrumpften Räume und Zeiten zusammen. Die Entfernungen verkürzten sich, die Begriffe nah und fern, lang und kurz, schnell und langsam wurden umgewertet. Mit dem Anfang der Eisenbahnen in Deutschland war das Ende der traurigen Kleinstaaterei gekommen. Der Unfug hörte auf, daß der Sachse, der Thüringer, der Schwabe schon innerhalb eines Tagemarsches oder binnen weniger Stunden ins »Ausland« gelangen konnten. Fortab war der Deutsche nicht mehr Ausländer für den Deutschen. Mithin haben wir hier ein Beispiel für politische Umwertungen, und nur eines für viele. Geldfürstentümer von unerhörtem Reichtume wuchsen aus dem Boden. Der alte Schwertadel verarmte. Dazwischen schob sich durch streberhafte Gefügigkeit emporgekommener Ämteradel. Mit solchen Wandlungen aber ergab sich eine Umwertung der Begriffe reich und arm, hoch und niedrig, vornehm und gemein, edel und unedel, gut und schlecht. Und nur logische Folgerungen aus technischen Prämissen waren die Untersuchungen Nietzsches über die Begriffe gut und böse.

Unverständige und Übelwollende gefallen sich gern darin, die Technik als die Mutter »öder Mechanismen«, als die Amme eines krassen Materialismus anzuschwärzen. Nicht nur wird dabei geflissentlich übersehen, daß die Technik oft die Retterin aus größten Nöten war; man will auch nicht Wort haben, daß die Technik hohen Gemütswert besitzt, daß sie eine poetische Seite hat und zur Quelle ästhetischer Befriedigung werden kann. Dichter und Ingenieure in einer Person waren nicht nur und nicht erst die Deutschen Max Eyth und Heinrich Seidel. James Watt selber war Poet und Mechaniker zugleich, wie Nietzsche Poet und Philosoph. Und die vielseitigere Natur besaß vielleicht der Schotte. Denn er vereinigte mit der nüchternen Sachlichkeit des tiefgründigen Forschers die zähe Beharrlichkeit des Tatmenschen und den Phantasiereichtum einer künstlerischen Persönlichkeit. Erasmus Darwin, des berühmten Zoologen Großvater, war vom Zauber der Wattschen Dampfmaschine so sehr entzückt, daß er ihr eine längere Dichtung widmete, die in seinem Werke »Der Botanische Garten« erschien. So alt ist also bereits das Thema von der Poesie der Technik, und auch hier ist Watt der Einleiter einer Umwertung geworden.

In der gleichen Stadt Glasgow, wo Watt seine Laufbahn als Mechaniker begann, war der berühmte Begründer der Nationalökonomie, Adam Smith, als Professor tätig, und Watt und Smith gehörten, wie Smiles in einem Werke über »Boulton und Watt« erzählt, einem Klub an. Der große Nationalökonom aber hat später in seinem Werke über die Ursachen des Reichtums der Nationen gerade die Berufstätigkeit nicht genügend beachtet und veranschlagt, die von Watt vertreten wurde, die Technik. Das war sein Schaden, denn das wurde zur Fehlerquelle des Werks.

So schreibt mit Recht Eugen Dühring in seiner Geschichte der Nationalökonomie: »Wie Adam Smith schon die Technik überhaupt nicht als erste produktive Macht ansah, so konnte er insbesondere noch viel weniger die Bedeutung würdigen, die diejenigen ausschließlich geistigen Tätigkeiten haben, die auf Erfindungen hinarbeiten oder sie unmittelbar machen. Die auf technische Erfindungen gerichtete Forschung ist so gewaltig produktiv, daß sich mit ihr keine andere wirtschaftliche Macht messen kann.« Man wird es dem Schotten Adam Smith zugut halten müssen, daß erst durch seinen jüngeren Landsmann James Watt der Welt in glänzendster Weise dargetan werden mußte, was technische Schöpferkraft und Erforschung der Natur wirtschaftlich zu bedeuten haben. Indem Watt also die noch von Smith nicht gebührend gewürdigte Technik zu Glanz und Geltung brachte, hat er auch in dieser Richtung »Werte umgewertet«. Die Herausbildung neuer Berufsstände, nämlich der Ingenieure, Monteure usw., knüpft sich zu einem wesentlichen Teile an das Schaffen des ehemaligen Mechanikers. Prozentual nehmen im Volkskörper die Personen zu, die einen Teil ihrer Vorbildung auf den strengsten Gebieten der Wissenschaft empfangen, auf den Gebieten der Mathematik und Mechanik. Somit sehen wir hier James Watt als den Ausgangspunkt sozialer Verschiebungen und Umwertungen.

Nur eines kurzen Hinweises bedarf es auf die Arbeiterfrage, die sich beim Heraufkommen des Maschinenzeitalters entwickelt hat. Auch hier trug Watt dazu bei, daß neue Fragestellungen sich erhoben, Werte zusammenbrachen und neue entstanden. Die von ihm unabsichtlich eingeleitete Wertumwertung ist heute noch nicht zu ihrem Abschluß gelangt.

Es wäre eine reizvolle Aufgabe, den Vergleich Watts mit Nietzsche ausführlicher zu behandeln, als es hier im Rahmen einer Wattbiographie möglich ist. Aber auf einige weitere Vergleichspunkte sei doch noch kurz hingewiesen. Wie Nietzsche seinen »Zarathustra« auf sonnigen Spaziergängen binnen wenigen Tagen im Geiste entwarf, so empfing Watt die Hauptidee seiner Erfindung auf einem Spaziergang im Freien. Wie der Dichterphilosoph seine Werke zur Welt brachte unter jahrelangen Kopfschmerzen, so zieht sich durch die Schaffenszeit Watts die immer wiederholte Klage über das gleiche Elend. Wie Nietzsche ein Entzücken gerade an der gedrungenen Begriffsfülle der lateinischen Sprache empfand, so begegnen wir in Watts Briefen einer Menge lateinischer Zitate, die man dem Mechaniker bei all seiner Belesenheit kaum zutrauen sollte. »Um die Erfinder neuer Werte dreht sich die Welt«, sagt der Einsiedler von Sils-Maria, »unhörbar dreht sie sich. Die stillsten Stunden sind es, die den Sturm bringen. Der Pöbel aber glaubt, die Welt drehe sich um die Erfinder neuen Lärms.« Ist es nicht eine hübsche Gleichläufigkeit dazu, wenn Watt an seinen Freund und Geschäftsteilhaber, den vornehmen Industriellen Boulton, in einem Briefe über die Aufstellung einer der ersten Dampfmaschinen im Cornwaller Grubenbezirk folgendes berichtet: »Geschwindigkeit, Kraft, Größe und der furchtbare Lärm der Maschine haben jetzt alle, die sie sahen, ob Freund, ob Feind, befriedigt. Ich hatte sie ein- oder zweimal so eingestellt, daß ihr Gang ruhiger war, und sie weniger Lärm machte; aber Mister Wilson (der Besitzer) kann nicht schlafen, wenn sie nicht tobt. Da habe ich sie denn dem Maschinenwärter überlassen. Nebenbei gesagt — die Leute scheinen von der Größe des Lärms auf die Kraft der Maschine zu schließen. Das bescheidene Verdienst wird hier ebensowenig anerkannt wie bei den Menschen.«

Watts engere Heimat und ihre berühmten Männer.

Seiner Herkunft nach ist Watt ein Sohn Schottlands, in dessen nördlichsten Teil vor einem Jahrtausend die Kelten von den andringenden Angelsachsen zurückgedrängt wurden. Heute noch wird im schottischen Hochland meist keltisch gesprochen. Das Land ist durchweg gebirgig. Tiefe Meeresbuchten zerfransen die Küste. Wald und Weide, Seen und zahlreiche Wasserläufe erhöhen die landschaftlichen Reize, die aber wiederum durch Nebel, Regen und mehr windiges als kaltes Wetter beeinträchtigt werden. Noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, also noch zu Lebzeiten Watts, zählte Schottland im ganzen nicht mehr Einwohner als eine moderne Riesenstadt: etwas über anderthalb Millionen. Aber darin gleicht dieses dünn bevölkerte Land andern merkwürdigen europäischen Landstrichen wie Schweden, der Normandie, dem Elsaß, Schwaben, Thüringen und dem Harzgebiet, daß es eine auffallend große Zahl ganz ausgezeichneter Männer hervorbrachte. Hervorragende Kenner der Wissensgeschichte pflegen den feineren schottischen Geist über den gröberen englischen zu stellen, der sich in breiten Ausspinnungen gefällt.

Zur selben Zeit, da Watt durch seine Dampfmaschine eine Umwertung vieler Werte einleitete, lebte, wie schon erwähnt, der Schotte Adam Smith, dann Hume, Black und Burns, lauter berühmte Schotten. Burns war der bekannte Lyriker, der auch in Deutschland Nachahmer und Bewunderer fand. Adam Smith begründete die moderne Nationalökonomie; er machte die Arbeit zum Grundstein seines Systems, während vor ihm der Boden oder der Handel als alleinige Ursachen des Wohlstandes der Völker in den Vordergrund gerückt worden waren. Smith bewies in seinem Werke bereits großes Wohlwollen für die arbeitende Klasse und wollte die Einmischung des Staates in die wirtschaftlichen Vorgänge aufs äußerste beschränkt wissen.

Mit Smith eng befreundet war der aus Edinburg stammende berühmte Philosoph David Hume, der durch seine klassischen Arbeiten drei wissenschaftlichen Gebieten angehört, der Philosophie, der Geschichtsschreibung und der Nationalökonomie. Wir brauchen uns nur zu vergegenwärtigen, was Kant dem schottischen Denker schuldet, um einen Begriff von Humes Bedeutung zu bekommen. Humes Untersuchungen über den menschlichen Verstand waren es, die den Königsberger Philosophen »aus seinem dogmatischen Schlummer erweckten«. Hume setzte die von Locke begonnene Erkenntniskritik fort. Er übte tief einschneidende Kritik an den metaphysischen Ideen und erweckte dem Verstand wieder Lust und Vertrauen zu sich selbst. Bis auf den heutigen Tag hat Hume in Sachen des Denkens einen wachsenden Einfluß ausgeübt. Erinnern wir uns deshalb hier, daß auch Watts mehr in die Augen fallende Leistung dazu beigetragen hat, dem menschlichen Geiste einen erhöhten Begriff von seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten beizubringen!

Wie Smith auf nationalökonomischem, Hume auf philosophischem und historischem, Watt auf technischem Gebiete ein Bahnbrecher war, so erstand in Black, der erst in Glasgow, dann in Edinburg als Professor der Medizin wirkte, ein Bahnbrecher auf dem Gebiete der Chemie und der Physik. Black war der erste Chemiker, der den Gewichtsveränderungen einen entscheidenden Einfluß auf die Erklärung von chemischen Vorgängen einräumte, und der erste Entdecker eines von der Luft verschiedenen Gases: der Kohlensäure, die er »fixe Luft« nannte. Ferner hat Black die latente oder Schmelzwärme entdeckt und dadurch auch Beziehungen zur Geschichte der Dampfmaschine erhalten. Wir werden noch sehen, wie gerade seine Freundschaft sich für Watt als sehr nützlich erwies. Hier aber wollen wir nochmals betonen, wie merkwürdig es doch ist, daß ein so kleines, dünn bevölkertes Stückchen Europas, wie Schottland, um die gleiche Zeit vier auf modernen Gebieten bahnbrechende Männer hervorbringen konnte, einen Hume, Smith, Black und Watt! Und wie vorher den Logarithmenerfinder Lord Napier, so hat es später noch den Philanthropen Carnegie hervorgebracht.

Watts Vorfahren.

Watts Urgroßvater war als Pächter bei Aberdeen ansässig und kam in einem Gefecht der presbyterianischen Covenanter gegen die königlichen Truppen ums Leben. Dessen Sohn, also Watts Großvater, wurde von Verwandten erzogen und ließ sich später in einem Orte bei Greenock als Lehrer der Mathematik und Schiffahrtskunde nieder. Sein Protestantismus stempelte ihn in den Augen der damaligen Regierung zu einem widerspenstigen, gesetzeswidrigen Schulmeister (disorderly schoolmaster officiating contrary to law). Aber das hinderte nicht, daß Thomas Watt in seiner Gemeinde bürgerliche und kirchliche Ämter versah, bis er hochangesehen im Alter von 92 Jahren als Professor der Mathematik das Zeitliche segnete. Er bekleidete in Greenock verschiedene Ämter, war Ratsherr, Gemeinderechner und Bürgermeister. Watts Vater hatte, obwohl der Mathematikprofessor Watt seinen beiden Söhnen Vermögen hinterließ, einen praktischen Beruf ergriffen, während der Oheim des Erfinders, also der andre Sohn des Mathematikprofessors, wiederum Mathematiker wurde. Der Vater des Erfinders entwickelte als Häuser- und Schiffsbauer, als Schreiner, Tischler, Zimmermann, als Reeder, Kaufmann und Schiffsgeräteverfertiger im Laufe eines langen Lebens eine bedeutende Vielseitigkeit, die offenbar durch die dürftigen Verhältnisse des kleinen Platzes bedingt wurde. Denn Greenock war zu Beginn des 18. Jahrhunderts nur ein Fischerdorf, entwickelte sich aber bald darauf derart, daß es das Örtchen Crawfordsdyke, wo Watts Großvater sich angesiedelt hatte, überholte und in sich aufnahm.

Die männliche Linie der Familie Watt starb im Jahre 1848 mit dem Sohne des Erfinders aus. Auch dieser Sohn hatte eine mathematisch-technische Bildung erhalten, so daß wir von vier Generationen dieser Familie sagen können: sie gehörten dem mathematisch-mechanischen Gebiete an, erreichten alle vier ein außerordentlich hohes Alter, waren aber dennoch ein aussterbendes Geschlecht. Auf Rechtschaffenheit und Glaubenstreue wurde von Urgroßvaters Zeiten her besonders gehalten.

Übrigens wollen wir nicht unerwähnt lassen, daß uns der Familienname Watt als der eines adligen Geschlechtes in der Schweiz begegnet. Ein Joachim von Watt, 1484 in Sankt Gallen geboren, studierte in Wien, führte dort eine Zeitlang ein tolles Raufleben, wurde mit dreißig Jahren Professor und ließ sich später in Sankt Gallen als Arzt nieder. Mit Zwingli, Erasmus und Luther befreundet, war er ein Hauptförderer der Reformation und amtierte auch als Bürgermeister. Von seinen zahlreichen Schriften ist seine Chronik der Äbte von Sankt Gallen die wichtigste. Das Kloster Sankt Gallen ist von irischen oder, wie sie im Mittelalter genannt wurden, skotischen, also schottischen Mönchen gegründet worden. Indessen ist es höchst unwahrscheinlich, daß etwa schottische Watts sich im Schutze des genannten Klosters angesiedelt hätten. Eher möchte man vermuten, daß Abkömmlinge des schweizerischen Rittergeschlechtes nach England auswanderten.

So sehen wir zum Beispiel den Erfinder selbst die Hilfe eines aus der Schweiz zugewanderten Färbers in Anspruch nehmen, um Deutsch zu lernen, dessen er zum Verständnis von Leupolds »Theatrum machinarum« benötigte. Vielleicht gelingt es einer künftigen Forschung, hier noch Licht zu schaffen.

Watts Jugend.

Den Vater haben wir schon als ungemein rührigen, vom Vertrauen seiner Mitbürger getragenen Mann kennen gelernt. Die Mutter des Erfinders wird als unübertreffliche Frau von großem Liebreiz, mit trefflichen Gaben des Geistes und des Gemütes geschildert. Sie entstammte einer Familie Muirhead, die zu Professorenkreisen gehörte; ein Professor Muirhead, Verwandter von Watts Mutter, war durch eine Homerausgabe berühmt. Von fünf Kindern starben drei in frühester Jugend, ein Bruder Watts, der auf einem Schiffe seines Vaters nach Amerika fuhr, fand bei Sturm auf hoher See den Untergang. Für das Verhältnis des einzig überlebenden Sohnes James zu seiner Mutter ist es bezeichnend, daß sie in ihm alles fand, was sie von einer Tochter Liebes hätte erwarten dürfen. Denn Watt war ein außerordentlich schwächliches Kind und gedieh nur dank sorgsamster Pflege. So wurde er eben ein Muttersöhnchen. Und weil er infolge häufiger Kränklichkeit und oft wochenlangen Kopfschmerzes nicht mit den übrigen Knaben mittun, nicht mit ihnen an den Ufern des Clyde herumspielen oder Entdeckungs- und Räuberfahrten in die Umgebung machen konnte, im Gegenteil wegen seiner Schwächlichkeit dem Spott und der Roheit der stärkeren Jungen ausgesetzt war, so mußte sich das ganze Wesen dieses Kindes nach innen entfalten und Anschluß bei der Mutter suchen. Erinnern wir uns hier, daß die alten Völker, die schwächliche Kinder einfach beseitigten, sich gerade dadurch oft der besten, nämlich der geistigsten, Kräfte beraubten! Ein Kepler, ein Newton, ein Watt wären im alten Sparta Kinder des Todes gewesen.