Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park - Liebusch, Georg - kostenlos E-Book

Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park E-Book

Georg, Liebusch

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The Project Gutenberg EBook of Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park, by Georg LiebuschThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Sagen und Bilder aus Muskau und dem ParkAuthor: Georg LiebuschEditor: E. PetzoldRelease Date: July 3, 2016 [EBook #52483]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SAGEN UND BILDER AUS MUSKAU ***Produced by the Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net (This file was produced from imagesgenerously made available by SLUB: SächsischeLandesbibliothek - Staats - und UniversitätsbibliothekDresden at http://www.slub-dresden.de )

Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der 1885 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Inkonsistente und altertümliche Ausdrucksweisen wurden unverändert übernommen, hingegen wurden Zeichensetzung und typographische Fehler stillschweigend korrigiert. Wie in vielen Frakturtexten üblich, wurde in der Abkürzung für ‚et cetera‘ das Symbol für die tironische Note ‚Et‘ verwendet. Da dieses aber in vielen Schriftarten nicht unterstützt wird, wurde hier der Ausdruck ‚&c.‘ gewählt.

Text in Antiquaschrift wird hier kursiv dargestellt. Gesperrt gedruckter Text wird durch serifenlose Schrift gekennzeichnet.

Der Link zur Abbildung der Buchanzeige am Ende des vorliegenden Textes ist möglicherweise nicht in allen Lesegeräten aktiv.

Sagen und BilderausMuskau und dem Park.

Von

Georg Liebusch,

weiland Diaconus und Rector zu Muskau.

Zweite Auflage

unverändert herausgegeben von

E. Petzold,

königl. prinzl. Niederländischer Park- und Gartendirector a. D.

Dresden,

Verlag von v. Zahn & Jaensch.

1885.

Vorwort zur ersten Auflage.

Die vorliegenden Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park sind bei dem Studium der Geschichte der Standesherrschaft aufgezeichnet worden. Sie wollen kein genau zusammenhängendes Ganze sein, sondern nur einzelne Züge aus der Vergangenheit, aus welcher die Gegenwart erwachsen ist. Wie es in dem herrlichen Park, der Schloß und Stadt umfängt, manche seltner besuchte, einsame Partie giebt, welche dennoch ihre eigenthümlichen Reize hat und eine reiche Fernsicht gewährt; so auch in der Geschichte Muskaus. — Und so ist es versucht worden, Bilder zu zeichnen aus den Zeiten, an welche nur noch in der Sage eine Erinnerung ist; aus den Zeiten, wo die frommen, edlen Burggrafen zu Dohna, die Reichsgrafen von Callenberg, väterlich über der Herrschaft walteten, bis zu den Tagen, wo der Genius des Fürsten Pückler-Muskau die Fluren um Stadt und Schloß zur reinsten Vollendung verklärte, und bis dahin, wo der Standesherrschaft das Glück wurde, einem milden, Königlichen Prinzen, dem Prinzen Friedrich der Niederlande, zu gehören. Mögen die Sagen und Bilder Blicke bringen durch den Schleier der Vergangenheit! Mögen sie Liebe wecken zur freundlichen Heimath!

Muskau, den 8. Februar 1860.

Der Verfasser.

Vorwort zur zweiten Auflage.

Die vorliegende Schrift wurde seiner Zeit mehr zum eigenen Gebrauch und für einen kleineren Kreis von Freunden des Muskauer Parks geschrieben, sie wurde nur in wenigen Exemplaren gedruckt und ist durch den Buchhandel gar nicht verbreitet worden.

Bei dem Weltruf den der Muskauer Park sich mit Recht erworben und bei dem Interesse für denselben im größeren Publikum, ist der Wunsch laut geworden, diese Aufzeichnungen der Vergessenheit zu entreißen und sie auch weiteren Kreisen zugänglich zu machen, was sie auch in hohem Maße verdienen. Sie erscheinen unverändert.

Um so lieber habe ich dazu die Hand geboten, als mein eigenes Leben von Jugend auf, als ein Schüler des verewigten Fürsten Pückler, vertraut mit dessen Intentionen, und da ich später, lange Jahre hindurch dem Park als Director vorzustehen die Ehre gehabt — mit diesem und mit Muskau vielfach verwachsen ist.

Vieles hat sich seit dem ersten Erscheinen dieser Schrift geändert. Der durch die Bande der Verwandtschaft mir nahe stehende Verfasser, welcher sich eines weitverbreitetem wohlverdienten Rufes als Forscher, in der Gelehrtenwelt erfreute, starb im kräftigsten Mannesalter als Königl. Seminardirector zu Schlüchtern den 14. April 1878; wenige Jahre später wurde auch der hohe Besitzer der Standesherrschaft Seine Königliche Hoheit Prinz Friedrich der Niederlande dessen hoher Aegide die volle Entwickelung des Parks zu danken ist, zu Seinen Vätern versammelt.

Der Besitz von Muskau ist in andere Hände übergegangen! —

Blasewitz-Dresden, 1. August 1885.

E. Petzold.

Inhalt.

Seite

I.

Des Parks Entstehen

1

II.

Die erste Nachtigall

5

III.

Die Weissagung der Eichen

7

IV.

Die Wehklage

10

V.

Das böse Ufer

13

VI.

Die Ludki

15

VII.

Die Bergkirche

17

VIII.

Der Heerd des Herrn

20

IX.

Die standesherrliche Gruft

22

X.

Die Taube des Schlosses

26

XI.

Die Thränenwiese

28

XII.

Der Fremdling unter den Todten

31

XIII.

Das Jagdschloß

33

XIV.

Die Spiegelung

42

XV.

Die Todte

44

XVI.

Die Umarmung

46

XVII.

Die Heimath

49

XVIII.

Der Feuerschein

56

XIX.

Das Bad

59

XX.

Das Zapfenhäuschen

63

XXI.

Sonst und Jetzt

67

XXII.

Des Parks Erhaltung

79

I. Des Parks Entstehen.

Der liebliche Frühling nahte wiederum der heimathlichen Lausitz. Feierliches Glockengeläute durchtönte die heilige Osternacht den Morgen begrüßend, an welchem der Heiland auferstanden ist. Nach alter, slavischer Sitte gingen die Mädchen des Dorfes schweigend zu dem Bache, das heilbringende Osterwasser zu schöpfen, ritt der Knecht zu dem Teiche, die Pferde zu waschen, damit sie in der Arbeit des Sommers besser ausdauern sollten. Jung und Alt hatte schon das Lager verlassen, um in Andacht und Freude die Sonne des Ostermorgens zu schauen, die da in fröhlicherem Hüpfen dem Horizonte entsteigt. — Die erwachende Natur durchwehte mächtig des Lenzes Lebensodem. Frischer Duft ergoß sich vom Walde durch die Flur. Voller schwoll die Knospe. Feuriger schlugen in sich erneuender Daseinsfülle die Pulse der Schöpfung; es klopfte ihr Herz; es war als wenn sie, die stumme, Rede und Sprache erhalten sollte: — doch ach! das Loos der Natur ist geheimnißvolles Schweigen, und nur Wenigen ist es vergönnt, sie dennoch zu verstehen.

In jener herrlichen, heiligen Frühlingsnacht entstiegen die Geister der Bäume, die in ihnen das grüne Leben schaffen, den Kronen, den Gipfeln derselben. Sie eilten zu einer Wiese unweit der Neiße, in deren Mitte sich ein Hügel gleich einer Rednerbühne erhob. Dichte Nebel lagerten sich um die geheimnißvolle, feierliche Versammlung. Die Dryas einer majestätischen Eiche hatte den Vorsitz. Sie begann also zu der zahlreichen Versammlung zu reden.

„Mit reichem Grün schmücken wir Bäume und Sträucher die Lande, die Gauen Deutschlands, die Fluren der Lausitz. Da umsäumet ihr, Erlen, den grünen, blumendurchwirkten Teppich der Wiesen; da neigt ihr euch, Weiden, zum Bache herab, zu grüßen seine entrauschenden Wellen; da stehen wir Eichen in ungebeugter Kraft gleich alten Patriarchen, gleich Helden des Epos; da breitest du, Linde, weithin deine Aeste aus in der Mitte der Dorfaue, und unter deinem grünen Baldachin versammeln sich die Bewohner des Ortes; da wechselt ihr, Buchen, Ulmen und Birken; da habt ihr, Kiefern und Fichten, weite Strecken bedeckt und selbst dem Sande der Gegend bringt ihr mitleidig das Immergrün, euer Dasein an seine Oede kettend. In unserm Schatten erquickt sich der Müde; in unserm unerschöpflichen Lebensmuthe werden Grambeladene wieder froh auf Erden. In die Freiheit der Haine und Fluren flüchtet sich so Mancher aus dem Regelzwange des Lebens; in der feierlichen Stille des Waldes malet heller die Erinnerung ihre Bilder. Umfangen von dem Grün der Bäume erschließt sich das Herz reicher in Gefühlen, und aus dem mystischen Dunkel derselben bricht hervor die Quelle reinster Freuden. — Aber welche paradiesische Pracht müßte sich entfalten, wenn wir zusammenträten zu lieblich wechselnden Gruppen. Welch’ herrliches Bild würde sich also zeichnen sonder Griffel und Pinsel! Wie würde ihm der Jahreszeiten Wechsel, der Sonne verschiedener Stand immer neue Schönheit bringen! Welche Reize vermöchten wir zu zeigen auf heimathlicher Flur, über welcher so oft das Scepter gewechselt! — Jüngst der Asche entstiegen ist unweit der Neiße ein freundliches Städtchen. Edle, fromme Grafen haben Jahrhunderte über demselben väterlich gewaltet. Dort in dem Thale, welches sie liebten, lasset uns schaffen ein freundliches, herrliches Revier! Wie von frischen, grünen Kränzen sei Schloß und Stadt fortan umschlungen! Gleich dem Eilande aus einförmiger Meeresfluth erhebe sich auf dieser Flur ein herrlicher Garten, und schauet ihn einst der Wanderer, dann gehe ihm das Herz auf für die Schönheit, Harmonie und stille, anspruchslose Größe der Natur! — Doch was einst werden soll, das zeige sich jetzt in geisterentworfnem, zauberhaften Plane! Was entstehen soll, stelle sich dar in meisterhafter Vollendung! Es entrolle sich in dieser heiligen Stunde des schönen Gartens hehres Bild!“ —

Also sprach in majestätischer Würde die Dryas der Eiche. Alsbald aber wogten emsig und geschäftig durcheinander die Geister der Bäume, Sträucher und Blumen. Sie folgten dem Gesetze der Harmonie und Schönheit, welchem die Natur allenthalben zu huldigen strebt, dem Gesetze der stillen Würde und Erhabenheit. Das Verwandte suchte das Verwandte. Wie Kinder an die Eltern lehnten sich in geistergleichen Nebelgestalten liebevoll niedere Pflanzen an höhere zu eng verschlungenen Gruppen. Freier und abgesonderter stand ein riesiger Eichbaum, eine mächtige Linde, eine himmelanstrebende Fichte, sich selbst genug in ihres Daseins Kraft und Fülle. Gleich der Insel im Meere tauchte in reizender Fernsicht aus dem Wiesengrün eine liebliche Baumgruppe empor. Buchen und Birken und anderes Gehölz reihte sich an des Berges Lehne wie zu einem Chore zusammen, zu singen dem Thale seines Pflanzenlebens harmonische Weise. An des Gartens Grenze schlossen sich Bäume und Sträucher eng aneinander, dem Blicke die prosareiche Wirklichkeit außerhalb desselben verhüllend. Eichen traten zusammen zum Haine und reichten sich die knochigen, markigen Arme. Durch der Pflanzen Mischung und Gruppirung schrieben sich seltene Epen, hochbegeisterte Oden, Elegien und liebliche Idylle. Blumen entfalteten ihre Farbenpracht an der Stätte, wo die weilen sollten, in deren Auge sich alle jene Schönheit spiegeln würde. Es war ein wunderbares Drängen, Ordnen und Anziehen. Immer reicher und harmonischer gestaltete sich das Ganze; immer verklärter und vollendeter trat die Landschaft hervor. Es war ein Weben, ein Schaffen, ein Werden, eine Schönheit, Pracht und Herrlichkeit wie ein Wiederschein der auf Erden nie geschauten; — aber es enteilten die Stunden der Nacht, und der erste Strahl der aufgehenden Sonne fiel in das wunderbare Gewebe, so daß es zerriß und verschwand.

Auf weichem Pfühl schlummerte in jener Osternacht in dem Schlosse seiner Ahnen ein edler, reichbegabter Jüngling. Der Traum öffnete sein inneres Auge; es schaute hinein in die paradiesische Pracht. Wonne um Wonne durchbebte ob des Anblickes sein Wesen, und in unnennbarer Freude schlug sein Herz. Voller und voller saugte sich seine Seele des erhabenen Bildes und ihrer selbst vergessend, war sie ganz in den Reichthum des Erschauten versenkt; aber der erste Sonnenstrahl drang weckend durch das Fenster, und das herrliche, liebliche Traumbild verschwand. — „Was du geschaut,“ so rief es mächtig in ihm, „das mußt du suchen, das mußt du schaffen und bilden!“ Nimmer konnte er seitdem des herrlichen Traumbildes vergessen. Bot ihm die Gegenwart wenig Befriedigung, so hing seine Seele an dem, was sie einst geschaut. Durchzog er, der oft an Fernweh gelitten, fremde Länder, dann fand er wohl einzelne Partien des herrlichen, reichen Bildes, aber nicht das liebliche Ganze. Er erhielt sein Erbe, er schritt zur Ausführung des Bildes auf heimathlicher Flur. Es stand vor seiner Seele, da er Baum an Baum fügte, da er See’n entstehen und Hügel sinken hieß, da düstere, beengende Gebäude stürzten wie durch Erdbebens Gewalt; es stand vor seiner Seele, wenn er mitten unter seinen gelehrigen Arbeitern weilte, die des Meisters Pläne ahnten, wenn er in des Winters Tagen den Trieben des kommenden Lenzes ihre Bahnen anwies; immer reicher und vollkommener verwirklichte es sich, und des Parks Pracht und Herrlichkeit hat geschaffen des Zauberbildes Macht. — Einst kam ein Tag, wo er seine Herrschaft, sein grünes Reich auf immer verließ. Es folgte ihm das Bild, geschaut in heiliger Osternacht, und von Neuem mußte er sie aufwühlen die sandige Erde der Lausitz, um sie umzuwandeln zum Paradiese nach dem erhabenen Bilde.

Also ist der Park angelegt worden durch den Enkel der edlen Gräfin de la Chaux Montauban de la Tour du Pin, die einst bei ihrem Einzuge in die neue Heimath von dem Landvolke gegrüßt wurde, indem es in unübersehbarem Spalier grüne, frische Reiser in den Händen hielt.

Anmerk. Talent und Liebe zur Landschafts-Gärtnerei sind dem Fürsten angeboren. Hinter dem Theater, unweit des Schlosses hat er in frühster Jugend mit seinen Gespielen Gärtchen angelegt. Dr. Jäger, Leben des Fürsten, S. 28. — Eine Geschichte der Entstehung des Parks findet sich bei Petzold: der Park v. M. S. 22 ff. Als der eigentliche Geburtstag des Parks möchte wohl der 1. Mai 1815 anzusehen sein, wo der Standesherr, aus England zurückgekehrt, um die nöthigen Grundstücke zu erwerben, die größten Opfer brachte. — Ueber die Beharrlichkeit des Fürsten bei allen Schwierigkeiten seines Werks s. Dr. Jäger S. 334, 89. Von seiner hohen Begeisterung für die Natur und dem tiefen Verständniß ihrer Schönheit zeigt sein ganzes Leben und Schaffen. Von dem Gedanken einer idealen Landschaft ist der Fürst nie losgekommen. Als er sich 1834 am Fuße der Pyrenäen niederlassen wollte, sollte sich ihm die großartige Natur der Gegend zum Paradiese gestalten. Dr. Jäger, S. 222. Auch in dem Thale Kyparissia, an einer Riesencypresse desselben, wollte er den Wanderstab niederlegen. Schon war wegen des Ankaufes der Gegend nach Athen berichtet worden. Dr. Jäger S. 276. — Ueber die Empfangsfeierlichkeiten der Gräfin de la Tour du Pin, der Gemahlin Herrmanns v. Callenb., s. Laus. Mag. 2 Stck. v. 31. Jan. 1770. Die Fichtenzweige in den Händen des Landsvolkes waren eine sinnige Anspielung auf den Namen der Gräfin. —

II. Die erste Nachtigall.

Die laubholzarme Umgebung Muskaus war einst nicht eine Heimath des Sängers der Sänger, der liederreichen Nachtigall. Nur bisweilen, auf dem Durchzuge, hörte man eine derselben hier schlagen.

In dem großen Saale des Schlosses stand auf prächtigem Katafalk ein Sarg. Bürger der Stadt hielten die Ehrenwache bei dem Todten. Die Kerzen brannten nieder, jede ein Bild des vergehenden Lebens. Tiefes Schweigen herrschte um den Erblaßten in des Schlosses Räumen; doch außerhalb desselben arbeiteten in jener herrlichen Mainacht emsiger die Kräfte des Lebens, und süßer Hauch ging aus von Blume, Strauch und Baum. Freude hatte der wiederkehrende Lenz allenthalben gebracht, aber auch tiefen Schmerz den Bewohnern dieser Gegend; denn der Todte auf seinem Paradebette war der Herr der Herrschaft, der edle, fromme Graf Herrmann von Callenberg; der sich durch väterliche Sorge und Liebe ein bleibendes Denkmal in den Herzen errichtet. — Muskau war 1766 in Asche gesunken, — durch ihn hatte es sich verjüngt erhoben; die wendische Kirche war durch die Flammen zerstört worden, — er hatte sie wieder aufgebaut; die Theurung und anderes Ungemach war groß geworden, — der menschenfreundliche Graf hatte getröstet und geholfen, und selbst als er seine Herrschaft frühzeitig an seine einzige Tochter abgegeben hatte, war er geblieben Muskaus Freude und Beglücker. Der geliebte Graf war — eine Leiche. Muskau fühlte die Größe des Verlustes, manche Thräne floß dem edlen, biedern Todten, und es war der Abend vor seiner Beisetzung in der Gruft der wendischen Kirche, — in dem Gotteshause, das er gebaut, sollte seine Ruhestätte sein — ein herrlicher Maiabend, welcher die Gefühle der Wehmuth und der Trauer gleich Blüthen zu Todtenkränzen so vielen Herzen brachte. Unauslöschliche Liebe zu dem Entschlafenen führte Manchen, der ihm sein Glück dankte, in die Nähe des Schlosses. Dankbare wollten den feierlichen Kerzenglanz schauen, der sich über das edle Todtenantlitz ergoß, das einst in Wohlwollen und Milde gestrahlt hatte. Und schweigend blickten sie in nächtlicher Stunde nach den Fenstern des Saales, in welchem der Sarg stand. Bilder der Vergangenheit zogen an ihrer Seele vorüber. Wie die schöne, volle Blüthe, die der Abend geschlossen, war des Herzens stummer Schmerz, wie der Thau, welcher an ihr perlt, so die unbemerkte Thräne der Wehmuth. Es war eine feierliche, heilige Stunde. —

Unweit des Schlosses im ergrünenden Gebüsch erhob sich lieblicher Gesang. Immer voller schwoll das süße, elegische Lied. Ihr selber unbewußt hat die Nachtigall die Töne für alle Stimmungen des Herzens, für Freud’ und Leid. Eine derselben hatte an jenem herrlichen, feierlichen Frühlings-Abende die Klage um den edlen Todten angestimmt. Und durch des Liedes Macht erschlossen sich Herzen in süßem Schmerze zum Troste über das Loos der Vergänglichkeit, welches auch dem Hohen und Edlen fällt und feierten also den letzten Abend, den der Graf in dem Schlosse seiner Väter über der Erde weilte.

Wo die Nachtigall einmal reinen, tiefen Gefühlen der Menschenbrust ihre Stimme geliehen hat, da, sagt man, wird ihr eine Heimath. Seit jenem Abende, wo der Letzte aus dem ruhmreichen Geschlechte der Callenberge, welchen die Standesherrschaft gehört hatte, vor seiner Beisetzung auf dem Paradebette lag, von Vielen tief betrauert und beweint, giebt es hier Nachtigallen. Die Gebüsche um das Schloß und die Stadt mehrten sich, immer größer ward der Sänger Chor, und in des Lenzes Tagen durchtönet der Nachtigallen Lied den ergrünenden Park. Lauschest du aber an einem Maiabende ihren mannigfachen Melodien, dann vermagst du auch wohl jene elegischen Töne zu vernehmen, in welchen einst der erste Sänger in Muskaus Umgebung klagte um den frommen, edlen Grafen Herrmann von Callenberg. —

Anmerk. G. A. H. Herrmann, Reichsgraf v. Callenberg, st. d. 4. Mai 1795. D. 9. Mai paradirte seine Leiche im großen Saale des Schlosses. Wolf: Merkw. Begebenh. in der gräfl. Callenb. und Pück. Fam. referirt: „Als etwas Außerordentliches muß ich noch bemerken, daß an jenem Abende eine Nachtigall herrlich schlug, da sich doch keine vorher hier gehalten hat.“ Will man den Biedermann, ausgezeichnet als Familienvater, als Standesherr, als Präsident der oberl. Gesellsch. d. W. kennen lernen, so lese man u. A. nur seine Rede bei der Grundstein-Legung zur wendischen Kirche. Langner: Actenmäß. Bericht v. d. Grundleg., d. Bau u. d. Einweihg. der wend. Kirche, Budissin 1788. Der nachmalige Generalsuperint. Brescius hat ihm die Standrede am Sarge gehalten. Die Denkschrift für die oberl. Gesellsch d. W. ist vom Hofrath Röhde. —

III. Die Weissagung der Eichen.

Es gab einst eine Zeit, wo der Zusammenhang des Menschen mit der Natur ein weit innigerer war, denn jetzt. Da war sie der lebensvollste Spiegel seiner eigenen Zustände; da wurde sie hineingezogen wie eine Freundin in die Angelegenheiten seines Herzens und Lebens; da lauschte man andächtig ihren bedeutungsvollen Stimmen, denn in ihr fühlte man sich der Gottheit näher. —