Je kälter die Asche & Je länger die Nacht - Mary Ann Fox - E-Book
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Je kälter die Asche & Je länger die Nacht E-Book

Mary Ann Fox

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Beschreibung

Zwei Krimis von Mary Ann Fox in einem E-Book! 

Je kälter die Asche.

Cornwall, Crime and a Cup of Tea. Mags Blake hat schlechte Laune. Sie vermisst ihren Freund, der in Oxford arbeitet, und ihr Transporter hat den Geist aufgegeben. Da kommt ihr eine Ausschreibung gelegen: Eine alte Zinnmine soll in ein Gartenparadies verwandelt werden. Doch bevor sie ihre Pläne vorlegen kann, brennt das Gebäude der alten Mine ab – und in den Trümmern wird eine Leiche gefunden. Schnell ist klar, dass es kein Unfall gewesen sein kann. Welche Geheimnisse birgt die alte Mine, für die es sich zu töten lohnt?

Eine liebenswerte Heldin ermittelt vor der atemberaubenden Kulisse Cornwalls.

Je länger die Nacht.

Tulpen, Tee und tödliche Gefahr. Frühling in Cornwall: Eigentlich könnte alles so schön sein, denn Sam, der Freund der jungen Gärtnerin Mags Blake, ist endlich zu ihr gezogen. Doch ein anonymer Brief, in dem behauptet wird, der Tod ihres Vaters sei kein Unfall gewesen, lässt ihr keine Ruhe. Hatte sein Tod etwas mit seinem letzten Gartenprojekt zu tun? Als Hinweise auf Mags’ Mutter auftauchen, die vor Jahren spurlos verschwunden ist, hat plötzlich auch die Polizei Interesse an dem Fall. Und schon bald schwebt Mags selbst in Gefahr ...

Ein Kriminalfall voller Südengland-Flair und liebenswerter Figuren.

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Zwei Krimis von Mary Ann Fox in einem E-Book! 

Je kälter die Asche.

Cornwall, Crime and a Cup of Tea. Mags Blake hat schlechte Laune. Sie vermisst ihren Freund, der in Oxford arbeitet, und ihr Transporter hat den Geist aufgegeben. Da kommt ihr eine Ausschreibung gelegen: Eine alte Zinnmine soll in ein Gartenparadies verwandelt werden. Doch bevor sie ihre Pläne vorlegen kann, brennt das Gebäude der alten Mine ab – und in den Trümmern wird eine Leiche gefunden. Schnell ist klar, dass es kein Unfall gewesen sein kann. Welche Geheimnisse birgt die alte Mine, für die es sich zu töten lohnt? Eine liebenswerte Heldin ermittelt vor der atemberaubenden Kulisse Cornwalls.

Je länger die Nacht.

Tulpen, Tee und tödliche Gefahr. Frühling in Cornwall: Eigentlich könnte alles so schön sein, denn Sam, der Freund der jungen Gärtnerin Mags Blake, ist endlich zu ihr gezogen. Doch ein anonymer Brief, in dem behauptet wird, der Tod ihres Vaters sei kein Unfall gewesen, lässt ihr keine Ruhe. Hatte sein Tod etwas mit seinem letzten Gartenprojekt zu tun? Als Hinweise auf Mags’ Mutter auftauchen, die vor Jahren spurlos verschwunden ist, hat plötzlich auch die Polizei Interesse an dem Fall. Und schon bald schwebt Mags selbst in Gefahr. Ein Kriminalfall voller Südengland-Flair und liebenswerter Figuren.

Über Mary Ann Fox

Mary Ann Fox, Jahrgang 1978, verdiente sich ihr erstes Geld in einer Gärtnerei. Der Liebe wegen ging sie nach dem Studium nach England und arbeitete dort als Fremdenführerin, als Deutschlehrerin und dann im Botanischen Garten in Oxford. Sie arbeitet und lebt mittlerweile in Hamburg- Altona.

Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Kriminalromane »Je tiefer man gräbt«, »Je dunkler das Grab«, »Je kälter die Asche«, »Je länger die Nacht«, »Je höher die Flut«, »Je lauter der Sturm« und »Je stiller der Tod« lieferbar.

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Mary Ann Fox

Je kälter die Asche &Je länger die Nacht

Zwei Krimis von Mary Ann Fox in einem E-Book!

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Informationen zur Autorin

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Je kälter die Asche

Vorspann

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Je länger die Nacht

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Impressum

Mary Ann Fox

Je kälter die Asche

Ein Cornwall-Krimi

Cornish lads are fishermen and Cornish lads are miners too. But when the fish and tin are gone what are the Cornish boys to do?

Graffiti an der Mauer der geschlossenen South-Crofty-Mine in Pool

»Gulliver!«

Mags hustete, als ihr der Staub in die Lunge drang. In ihren Ohren dröhnte es. Ihre Augen brannten, und Tränen liefen über ihre völlig verschmutzten Wangen.

»Gulliver!«

Hektisch kletterte sie weiter und versuchte, etwas zu erkennen. Bei jeder Bewegung schmerzte ihr rechtes Bein.

Noch einmal rief sie seinen Namen, doch sie hörte nichts. Keine Antwort, kein Husten. Bitte, bitte, bitte!

Einige Meter vor sich sah sie unter dem Geröll einen hellen Fleck. Stoff, in einem hellen Blau. Sein Mantel.

»Nein! Gulliver!«

Das durfte nicht wahr sein.

Panisch stürzte sie zu der Stelle und begann mit bloßen Händen zu graben.

Oxford, zwei Wochen zuvor

1

Mags trat aus dem warmen und von Stimmen erfüllten Sandwichladen hinaus in die kalte Winterluft. Sie wandte sich nach links und ging die High Street in Richtung Magdalen College entlang. Der Turm des College war schon von weitem zu sehen. Ende Januar waren nur wenige Touristen unterwegs, und die meisten der Studenten hatten Weihnachten zu Hause verbracht und waren noch nicht wieder an ihren Studienort zurückgekehrt. Die Vorlesungen würden erst in einer Woche wieder beginnen. Die sonst so laute und von Leben erfüllte Stadt lag mit ihren hellen Sandsteingebäuden und dem jahrhundertealten Kopfsteinpflaster wie in einem Winterschlaf vor Mags. Sie überquerte die Straße und ging durch den steinernen Torbogen und am verlassenen Kassenhäuschen vorbei in den Botanischen Garten. In den Wintermonaten war der Eintritt frei. Vereinzelte Schauer hatten die wenigen Besucher in die Gewächshäuser getrieben, und auch Mags zog es auf direktem Weg in die tropische Wärme.

Bei ihren Besuchen in den letzten Monaten hatte sie jede Pflanze und jeden Stein im Garten kennen- und lieben gelernt. Zu dieser Jahreszeit war von der Blütenpracht des Sommers wenig zu sehen, Mags konnte nur erahnen, wo schon bald wieder die Kletterrosen Scharen von Hummeln und Bienen anziehen würden, konnte sich den Duft der mit Lavendel eingefassten Beete vorstellen, und mit ganz viel Phantasie konnte sie auch die Wärme spüren, die die alten Sandsteinmauern an heißen Tagen speicherten und noch am Abend abgaben. Die großen Bäume, jetzt blätterlos und mit nass glänzendem Stamm und Ästen, würden willkommenen Schatten spenden. Sie wusste, dass der Garten in den letzten Jahren von der Begeisterung der Touristen für Oxford profitiert hatte. Viele kamen, um den Ort zu sehen, an dem so viele Szenen der Harry-Potter-Filme gedreht worden waren. Und Fans der Philip-Pullman-Serie um den »Goldenen Kompass« kamen gezielt in den Garten, um auf genau der Bank zu sitzen, auf der der Autor seine Helden Lyra und Will einmal im Jahr zusammenkommen lässt.

Der Garten schmiegte sich an den Fluss Cherwell und ragte an seinem hinteren Ende in die großen weiten Wiesen des Christ Church Meadow hinein.

Mags hatte dafür heute keinen Blick und eilte weiter in die Wärme der Gewächshäuser.

Das Palmenhaus war das größte der sieben Gewächshäuser, die sich an der Ostseite des Gartens am Ufer des Cherwell entlangzogen. Wie so vieles in Oxford schien auch der Fluss in der Zeit stehengeblieben zu sein und wurde in den Sommermonaten von Studenten und Touristen mit Holzbooten befahren. Auch Sam hatte Mags einmal zu einem solchen Ausflug mitgenommen und sich wider Erwarten mit der langen Stange, mit der die flachen Kähne durch den Fluss und seine Nebenarme gestakt wurden, nicht allzu ungeschickt angestellt.

Mags sah sich im Gewächshaus um. Neben den vielen Palmen, die ihre Blätter bis an das hohe Glasdach drückten, konnte sie auf Anhieb Zitronen- und Orangenbäume erkennen. Pfefferpflanzen trugen ihre roten, glänzenden Beeren und rankten sich an den anderen Pflanzen empor. Sie erkannte die Früchte des Kakaobaumes und sah und roch vor allem die gelben Blütenstände der Ingwerpflanzen. Einen Papayabaum erkannte sie an seinen dicken grünen Früchten und die den Boden bedeckenden Süßkartoffelpflanzen nur an dem weißen Schild, das aus der Erde ragte. Sie hatte sich in das satte Grün der Pflanzen verliebt und fühlte sich sicher und geschützt vor der grauen Nässe der Stadt.

Ihre übliche Bank war frei. Sie öffnete ihre Jacke und stellte vorsichtig die Tüte mit den Sandwiches neben sich ab. Dann zog sie die Mütze vom Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch ihre sicherlich völlig verwuschelten Haare. Die Dusche in Sams kleiner Wohnung wurde durch den klitzekleinen Boiler nur unzureichend mit warmem Wasser versorgt, so dass sie sich am Morgen mit einer Katzenwäsche begnügt hatte.

Mags seufzte tief und versuchte, die trübsinnige Stimmung, die sie seit zwei Tagen erfasste, abzuschütteln. Sie war bei Sam, nur das zählte. Seit den Ereignissen auf St. Michael’s Mount waren sie wirklich und wahrhaftig ein Paar. Sie sollte sich freuen und glücklich sein. Doch stattdessen hörte sie sich erneut seufzen. Zwischen ihr und Sam lief alles gut, meistens. Aber wie sollte man rausfinden, ob man zusammenpasste, wenn der eine in Oxford als Geschichtsprofessor arbeitete und ständig die Nase in irgendwelche Bücher steckte und die andere in Cornwall, schlappe sechs Stunden Autofahrt entfernt, einen eigenen Gartenbetrieb führte?

Der Evergreen Garden Service war Mags’ ganzer Stolz. Als sie vor einigen Jahren aus Amerika nach Cornwall zurückgekommen war, hatte sie ihn mit viel Fleiß und noch mehr Schweiß aufgebaut. Sie hatte sich einen Namen gemacht, legte für ihre Kunden neue Gärten an und kümmerte sich in den Sommermonaten um die Grundstücke der vielen Ferienhäuser. Jetzt im Januar war wenig zu tun, und Mags konnte Arbeit an ihre Aushilfen abgeben. Daher war sie jetzt ja auch schon seit zwei Wochen in Oxford. Bei Sam. Glücklich.

Aber – Mags schüttelte den Kopf. Die ganzen Abers, die sie in ihrem Kopf hatte, verschwanden regelmäßig, sobald sie Sams schlaksige Gestalt auf sich zukommen sah und sie seinen Geruch in ihrer Nase hatte. Gleich würde er sie hier treffen, sich hastig entschuldigen, dass er zu spät kam, sich neben sie setzen, und sie würde sich an ihn lehnen. Sie würden Sandwiches essen, und er würde ihr erzählen, was er heute Spannendes in der Bodleian Library, Oxfords Hauptbibliothek, gefunden hatte. Oder er würde mit seiner schönen Stimme irgendeine interessante Anekdote wiedergeben, die ihm in seiner Arbeit, einer umfassenden Geschichte Cornwalls, über den Weg gelaufen war.

Dann würde er fragen, wie ihr Vormittag gewesen war, und sie würde – lügen.

Mags musste es sich eingestehen: Sie mochte Oxford nicht. Die Stadt war wunderschön, der Garten ein Traum, Sams Kollegen hatten sie herzlich willkommen geheißen. Aber sie mochte die Stadt trotzdem nicht. Sie wusste einfach nicht, wohin mit sich und ihrer Energie. Ihr Zuhause fehlte ihr, das kleine Dorf Rosehaven mit seinen Bewohnern, die sie alle seit ihrer Kindheit kannte. Miss Clara, ihre Vermieterin und Freundin, fehlte ihr. Das Rauschen des Meeres fehlte ihr und die grünen Hügel Cornwalls. Sie war einfach nicht dafür gemacht, nicht zu arbeiten. Sie fragte sich, wie es ihren Gärten ging, sie wollte am Schreibtisch in dem Schuppen sitzen, den sie zu ihrer Wohnung und ihrem Büro umgebaut hatte, und Pläne für das Frühjahr machen, dabei auf Miss Claras Rosengarten blicken und sich darauf freuen, wie die jetzt noch braunen und knorrigen Blumenstöcke im Frühjahr das erste Mal ihre Knospen öffnen würden.

Sie wollte abends im Golden Budgie, dem Pub Rosehavens, sitzen und den Gesprächen der Stammgäste lauschen und über die Geschichten des Wirtes Mr. Kelvin lachen. Stattdessen saß sie in Oxford und wartete darauf, dass Sam für sie Zeit hatte.

Mags wünschte sich, dass er endlich um die Ecke gebogen kam, damit sie sich daran erinnern konnte, warum ihre Beziehung es wert war, einige trübsinnige Vormittage in Oxford zu verbringen. Doch bevor sie Sam sah, hörte sie seine Stimme. Entweder führte er mal wieder Selbstgespräche, oder einer der unzähligen Menschen, die er in Oxford kannte, war ihm über den Weg gelaufen. Neugierig beugte sich Mags vor – um dann mit versteinerter Miene zurück auf die Bank zu sinken.

Wie konnte er es wagen! Sams Stimme wurde unterbrochen von einer tiefen Frauenstimme. Mags knirschte mit den Zähnen. Die Stimme gehörte zu Dr. Amy Norton, einer Kollegin von Sam, die sein großes Interesse an der Geschichte Cornwalls teilte, was dazu führte, dass sie ständig um ihn herumwuselte und ihn mit ach so intelligenten Fragen löcherte. Mags’ Hoffnung, dass die beiden sich nur zufällig getroffen hatten, wurde enttäuscht, als Sam mit der jungen Wissenschaftlerin im Schlepptau um die Ecke bog.

»Mags! Es tut mir so leid, Amy und ich haben uns durch Zufall in der Bibliothek getroffen – und dabei ganz die Zeit vergessen. Ich hoffe, du wartest noch nicht zu lange?«

Sam beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Mags versuchte ein Lächeln und schüttelte nur den Kopf. Wie immer fühlte sie sich in der Gegenwart der schlanken, dunkelhaarigen Frau mit den großen, fast schwarzen Augen unbehaglich.

»Ich wusste nicht, dass du jemanden mitbringen würdest, sonst hätte ich ein weiteres Sandwich besorgt.«

Sam schien die leichte Kälte in Mags’ Stimme nicht zu hören.

»Ach, das ist kein Problem. Amy kann mein Sandwich haben, ich habe sicherlich noch einen Apfel in meiner Tasche.«

Sam setzte sich mit einem unbeschwerten Lächeln neben sie, und Dr. Amy Norton, die, wie Mags schon festgestellt hatte, gegen Zwischentöne jeglicher Art immun war, setzte sich neben ihn und beugte sich vor, um Mags anzulächeln.

»Wie sehr ich diesen Ort liebe. Wissen Sie, als ich neu hier in Oxford war, hat Sam sich meiner angenommen und mir unter anderem diese Gewächshäuser gezeigt.«

Sogar ihre Stimme war dunkel und weich. Mags merkte, wie es in ihr zu brodeln begann. Das war ihre Bank! Sam hatte sie bei ihrem ersten Besuch vor vier Monaten mit hierhergenommen, und sie hatten stundenlang auf genau dieser Bank gesessen und geredet und wie Teenager geknutscht.

»Hat er das?«

Mags drehte sich leicht zu Sam um.

»Wahrscheinlich hast du schon einigen Frauen gezeigt, wie schön die Gewächshäuser sind.«

Sam, der auf der Suche nach einem Apfel in seiner Tasche gewühlt hatte, blickte verwirrt auf.

»Was? Ach ja, genau. Die Gewächshäuser. Wusstest du, dass der Teich im Lilienhaus schon 1851 angelegt wurde? Es gibt eine frühe Fotografie, die ein kleines Mädchen zeigt, das auf dem Blatt einer Victoria-Seerose sitzt. Die Blätter tragen bis zu sechzig Kilogramm!«

Bevor Mags noch etwas sagen konnte, hatte Dr. Norton schon eine Hand auf Sams Arm gelegt.

»Wissen Sie, wofür die frühen Fotos gemacht wurden? Oder wer sie gemacht hat? Vielleicht wäre es ja ein spannendes Beispiel für eine frühe Vermarktung oder Werbung für den Garten. Das könnte doch in Zusammenhang mit der heutigen Bilderflut von Ausflugsorten einen ganz interessanten Artikel abgeben, oder?«

Sam sah auf und vergaß offenbar, warum er in seiner Tasche gewühlt hatte.

»Das ist eine spannende Frage. Vielleicht lohnt es sich, dazu einmal im Archiv des Gartens …«

Mags sah plötzlich auf Sams Rücken, da er sich, völlig auf seine Gesprächspartnerin konzentriert, von ihr weggedreht hatte. Sie stand auf, knöpfte ihre Jacke zu und drückte Sam mit vor Wut zitternder Hand die Tüte mit den Sandwiches in die Hand. Doch zum Glück war immerhin ihre Stimme fest.

»Du kannst mein Sandwich haben, mir ist der Appetit vergangen.«

Dann drehte sie sich um und ging zum Ausgang.

Sie war gerade unter dem Torbogen, der auf die High Street führte, angekommen, als sie Sams Hand auf ihrem Arm spürte.

»Mags! Was zum Teufel ist denn in dich gefahren?«

Sie schüttelte den Kopf und versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten. Sam schien wirklich nicht zu verstehen, wie es ihr ging.

»Ich muss nach Hause.«

Sie schüttelte seine Hand ab und ließ ihn stehen.

2

Mags war immer noch wütend, als sie von der M4 abbog, um auf die M5 in Richtung Exeter zu wechseln. Ihre Wut auf Sam und sein unmögliches Verhalten hatte sie die ersten Kilometer wach gehalten. Dann hatte sie sich einige weitere Kilometer lang damit beschäftigt, sich die unterschiedlichsten unangenehmen Orte vorzustellen, an die sie die ach so liebreizende und schlaue Dr. Amy Norton wünschte. Kalte, ungemütliche Ort, wo niemand etwas für hübsche, großäugige Wissenschaftlerinnen übrighatte. Ein weiteres Stück der Strecke war damit verflogen, sich vorzustellen, wie Sam ihr nachreiste und wie er sie um Entschuldigung bitten würde.

Die letzten Kilometer hatte sie sich dann mit der Frage herumgeschlagen, was sie machen sollte, falls er ihr nicht nachreiste.

Jetzt hatte sie, des Nachdenkens müde, den Kassettenrecorder ihres alten grünen VW-Busses, den sie liebevoll Puckpuck getauft hatte, angeschaltet. Im Kassettenrecorder steckte seit Jahren dasselbe alte Band fest. Mags glaubte insgeheim, dass das Band so etwas wie die Seele des alten Transporters war, und hütete sich daher, es zu entfernen. Jim, der Vorbesitzer des Wagens, war ein guter Freund und hatte auf dem Band die Helden seiner Jugend versammelt – und so sang gerade Bob Dylan »It’s All Over Now, Baby Blue«.

Mags schluckte und versuchte, die Tränen, die ihr seit Stunden in den Augen brannten, zurückzuhalten. Sie würde nicht heulen! Entschlossen drückte sie auf die Vorspultaste des Recorders, um dem Lied zu entkommen.

Doch statt des surrenden Geräusches hörte sie plötzlich ein scharfes Reißen, und das Kassettendeck spuckte braunen Bandsalat aus.

»O nein!«

Hektisch versuchte Mags, das Kassettenlaufwerk zu stoppen, aber stattdessen quoll immer mehr Tonband heraus.

»Nein, nein, nein!«

Sie holte tief Luft – doch dann spürte sie plötzlich, wie auch der Motor des grünen Transporters zu ruckeln begann. Sie bremste ab, und aus dem Ruckeln wurde ein Stottern, der Motor hustete, es gab einen letzten großen Knall, und Puckpuck stand, ohne noch das geringste Geräusch von sich zu geben, auf dem Standstreifen des Motorway.

Mags legte den Kopf auf das Steuerrad und ließ ihren Tränen freien Lauf.

3

»Es tut mir leid, das Getriebe … Ich konnte nichts mehr tun.«

Mags stand neben ihrer Vermieterin Miss Clara in Mr. Smith’ kleiner Autowerkstatt. Er hatte sie und Puckpuck vorgestern abgeschleppt und ihr versprochen, den Transporter so schnell wie möglich unter die Lupe zu nehmen.

Nun stand er mit besorgter Miene, die mit Ölflecken übersäte Mütze zerknautscht in der Hand, vor ihnen.

In der Werkstatt roch es nach Benzin und Tabakrauch. Puckpuck stand über einer Vertiefung im Boden, zu der eine schmale Treppe hinunterführte. Orangefarbene Schubladenwagen, aus denen Werkzeuge quollen, waren an den Wänden der kleinen Halle aufgereiht. Der Boden war übersät mit schwarzen und buntschillernden Flecken. Neben Puckpuck hing noch ein gelber Kleinwagen mit zwei abmontierten Rädern auf der Hebebühne. Im Hintergrund sah Mags Autos, deren Motorhauben offen standen und den Blick freigaben auf ein Gewirr von Leitungen und Schläuchen. Schicke Neuwagen suchte man in Mr. Smith’ Werkstatt vergebens. Mags schüttelte den Kopf und ermahnte sich innerlich, ihre Phantasie im Zaum zu halten, da ihr Bilder von Lazaretten und Verwundeten in den Sinn kamen. Das hier war eine schlichte Autowerkstatt!

»Aber ich brauche einen Transporter für die Arbeit.«

Der Evergreen Garden Service war in den letzten Monaten gut gelaufen. Mags hatte sich auf das Anlegen und die Pflege von Gärten spezialisiert. In der Region um Rosehaven gab es viele kleine Cottages, die als Wochenendhäuser für betuchte Londoner dienten und deren Gärten immer aussehen sollten, als hätten die Besitzer Stunden damit verbracht, die Gartenschere zu schwingen und Unkraut zu zupfen. Manchmal gab es auch Aufträge von Einheimischen oder von Unternehmen vor Ort. Aber die wichtigste Voraussetzung ihres Unternehmens war nun mal Mobilität – sie musste zu den Gärten kommen, mitsamt ihrem Werkzeug. Und dafür brauchte sie einen Transporter.

»Kann man denn wirklich gar nichts mehr machen?«

Miss Claras sanfte, aber eindringliche Stimme sorgte dafür, dass Mr. Smith seine Mütze noch mehr zerknautschte. Miss Clara, ehemalige Postmeisterin und ehrenamtliche Bürgervorsteherin von Rosehaven, hatte diesen Effekt auf andere Menschen. Sie wurde geliebt und respektiert – und keiner wollte es sich mit der zierlichen, aber resoluten Frau verderben. Es war also kein Wunder, dass die ehemalige Postmeisterin des Ortes sowohl den Vorsitz der Landfrauenvereinigung innehatte, dem Gartenverein vorsaß, das Planungskomitee für das alljährliche Herbstfest anführte und auch die Ehrenvorsitzende der Bürgerwehr war. Alles waren Ämter mit nicht zu unterschätzendem Einfluss – so dass es neben ihrer natürlichen Autorität für die meisten Rosehavener gute Gründe gab, ihr respektvoll zuzuhören. Da sich Miss Clara neben einer kleinen Vorliebe für Klatsch und Tratsch vor allem durch ihre selbstlose Hilfsbereitschaft, ihre Großzügigkeit und ihren Sinn für Gerechtigkeit auszeichnete, wurde sie trotz allem auch einfach geschätzt.

Auch Mr. Smith sah man nun an, dass er zwar Mags die schlechten Nachrichten überbracht hatte, sich vor allem aber darum sorgte, in Miss Claras Augen schlecht auszusehen.

»Nein. Keine Chance. Ich müsste sowohl Motor als auch das Getriebe austauschen. Ich bin alles mehrmals durchgegangen. Es ist einfach nicht mehr zu flicken, und die Kosten für die neuen Teile und den Einbau wären viel höher als der Wert des Transporters.«

»Und jetzt? Ich habe kein Geld für ein neues Auto.«

Mags ignorierte, dass Smith seine Augenbraue leicht hochzog. Sie wusste, dass es im Dorf wilde Spekulationen darüber gab, was sie mit ihrem Geld anfange. Die Bewohner Rosehavens konnten ja mit eigenen Augen sehen, wie erfolgreich Mags’ Firma lief und wie hart sie arbeitete. Also musste da doch auch Geld sein – vor allem, da sie weder für Miete noch für irgendwelchen Luxus viel Geld ausgab. Also redeten die Leute. Außer Miss Clara wusste allerdings niemand, dass Mags’ verstorbener Mann Arthur sie auf einem riesengroßen Haufen Schulden hatte sitzen lassen, Schulden aus Geschäften, die nicht immer legal gewesen waren. Mags hatte das alles erst nach Arthurs Unfalltod erfahren. So floss jeder Cent, den sie nicht für das absolute Existenzminimum brauchte, an Arthurs Gläubiger. Nur Miss Clara hatte sie sich anvertraut – und so kam es, dass sie in deren umgebautem Gartenschuppen umsonst wohnen konnte.

Smith räusperte sich.

»Ich habe vor einigen Tagen einen alten Kastenwagen reinbekommen. Er sieht nicht sonderlich beeindruckend aus, aber der Motor ist noch gut in Schuss, und mit etwas Farbe … Ich könnte dir einen guten Preis machen.«

Mags rieb sich die Schläfen.

»Danke. Das weiß ich zu schätzen. Ich – ich muss erst einmal in Ruhe nachdenken, ja?«

Smith nickte und setzte sich seine Mütze wieder auf den Kopf. Anscheinend war der offizielle Teil des Gesprächs vorbei.

»Soll ich mal anfragen, was mir Scott Tribble noch für den Transporter geben würde?«

Scott Tribble war der Schrotthändler in Falmouth.

»O nein. Ich weiß einfach noch nicht, was mit Puckpuck passieren soll.«

Mags schluckte. Sie konnte es sich wirklich nicht leisten, so verdammt sentimental wegen eines Autos zu sein.

»Kannst du ihn noch einen Tag bei dir stehen lassen? Ich würde gerne erst einmal Jim fragen, ob er ihn vielleicht doch zurückhaben will. Und wenn er nur seine Hühner darin wohnen lässt.«

Smith ging murmelnd davon, und Mags sah Miss Clara missmutig an.

»Nicht meine Woche, wie es scheint.«

4

Miss Clara hatte Mags in ihren roten Mini gescheucht und war von Smith’ Werkstatt schnurstracks hinunter zum Hafen und zum Pub gefahren.

»Wir brauchen jetzt etwas Warmes zu essen und etwas Kaltes zu trinken, und dann sehen wir weiter, ja?«

Mags saß auf dem Beifahrersitz und fühlte sich elend. Sie vermisste Sam, sie wollte verdammt noch mal keinen anderen Wagen, schließlich hatte Puckpuck ihr die letzten Jahre bis auf einige Ausrutscher treu zur Seite gestanden, und so langsam bekam sie das Gefühl, dass sich ihre Pechsträhne fortsetzte.

Der einzige Pub des kleinen Ortes lag direkt an der Kaimauer, eingebettet in eine enge Häuserreihe müde aneinanderlehnender Häuschen. Viele der Häuser, die früher einmal den Fischern des Ortes ein Dach über dem Kopf geboten hatten, waren sorgsam renovierte Ferienhäuser. Die Fassaden erstrahlten in bunten Farben und wurden in den Sommermonaten eifrig von den Touristen fotografiert. Das geschnitzte Schild des Pubs zeigte einen Käfig mit zwei goldenen Wellensittichen und wurde von Mr. Kelvin, dem Wirt und Besitzer des Golden Budgie, regelmäßig auf Hochglanz poliert. Die lange Theke aus Eichenholz glänzte mit den schweren Tischen und den Messinglampen über den kleinen Tischen um die Wette. Das Bier wurde inzwischen nicht mehr selbst im Hinterhof gebraut, wie Mr. Kelvin es noch vor zwanzig Jahren getan hatte, sondern kam aus einer kleinen Brauerei in Falmouth. Aber es schmeckte, und trotz der Touristen hatte sich im Pub kaum etwas verändert. Es gab Fish and Chips, ein schlichtes Tagesgericht und drei unterschiedliche Sorten der – wenn es nach Mags ging – besten Pasteten, die man in ganz Cornwall bekommen konnte: mit Fisch gefüllt und in heller Soße ertränkt, mit Fleisch gefüllt und von einem See dunkler Soße umgeben oder mit Gemüse gefüllte Teigtaschen in einer Pilzsauce. Mrs. Kelvin, Bäckerin der kleinen Wunderwerke, weigerte sich seit Jahren, irgendwelche Experimente zu wagen. Nur wenn Albert, der letzte Fischer des Dorfes, Hummer brachte, wurden auch die in Teig gepackt und angeboten. Eine solche Besonderheit sprach sich in Windeseile im Dorf herum – Mrs. Kelvins Hummerpasteten gehörten für Mags zu den Höhepunkten des Jahres.

Als sie mit Miss Clara den Pub betrat, war noch wenig los. Keine Dartspieler, die sich lautstark gegenseitig ablenkten, um selbst bessere Gewinnchancen zu haben, keine Touristen, die zuerst skeptisch, dann begeistert in Mrs. Kelvins Pasteten bissen, und auch noch kaum einer der Stammgäste, die später so sicher wie der Sonnenuntergang die Theke auf ihren angestammten Plätzen bevölkern würden. Nur Albert, der Fischer, saß in seiner üblichen Arbeitskleidung am Tresen, neben sich den Mann, von dem Mags kaum mehr wusste, als dass er Mr. Gulliver hieß.

Das Paar hätte unterschiedlicher nicht sein können – wobei sie beide eine gewisse Vorliebe für die immer gleiche Kleidung hatten. Aber während Albert sich in seinem geflickten Fischerhemd, den dunklen Kordhosen mit den verstärkten Knien und seiner blauen, kreisrunden Mütze auf dem Kopf eher ländlichen Charme verbreitete, steckte Mr. Gullivers kleiner schmaler Körper in teuren maßgeschneiderten Anzügen, deren Farbpalette das gesamte Spektrum von Grau abbildete. Dazu kam dann anscheinend je nach Stimmung eine farbige Krawatte mit dem passenden Einstecktuch. Mags kannte Albert, seitdem sie ein Kind gewesen war, und hatte schon früh an der Seite ihres Vaters am Pier gewartet, um dem mittlerweile sicherlich über siebzigjährigen Fischer etwas von seinem Tagesfang abzukaufen. Mr. Gulliver war vor einigen Jahren, als Mags noch in Amerika lebte, nach Rosehaven gezogen und hatte für wilde Gerüchte gesorgt, als er das riesige leerstehende Pfarrhaus mit seinem verwilderten Garten kaufte und in bar bezahlte. Doch trotz aller Spekulationen war nie etwas Spannendes um den Mann geschehen, er hatte den Garten des Pfarrhauses in eine zauberhafte Oase verwandelt, zumindest schien es Mags so, die sich schon mehrmals bemüht hatte, über die alte Steinmauer zu blicken. Er hatte sich höflich und bestimmt geweigert, zum Tag des offenen Gartens Besucher bei sich zu empfangen. Da niemand anderes als Miss Clara mit dem Anliegen an ihn herangetreten war und er es trotzdem geschafft hatte, bei seinem Nein zu bleiben, ließ das auf einen äußerst entschlossenen oder eben äußerst verschlossenen Charakter schließen. Normalerweise saß er jeden Abend für genau eine Stunde an der Theke des Pubs, aß das Tagesgericht, trank dazu ein Glas Weißwein und löste das Kreuzworträtsel. Warum es ihn heute schon zur Mittagsstunde in den Pub getrieben hatte, konnte Mags nur ahnen. Vielleicht war es ja der leise und kalte Nieselregen gewesen, der die Aussicht auf einen Platz im warmen Pub so verlockend gemacht hatte.

Mags jedenfalls war froh, im Warmen zu sein und die vertrauten Gesichter um sich herum zu sehen.

Sie ging mit Miss Clara quer durch den dunkel getäfelten Raum und blieb schließlich an der blankpolierten Theke stehen, um Mr. Kelvin, den Wirt, zu begrüßen. Mr. Kelvin, breitschultrig, kahlköpfig und mit Händen groß wie Pflugschaufeln, lehnte sich über den Tresen und legte Mags eine Hand an die Wange.

»Alles in Ordnung?«

Mags merkte, wie ihr bei dieser liebevollen Geste die Tränen in die Augen stiegen, und sie schluckte. Doch bevor sie antworten konnte, ging die Schwingtür zur Küche auf und ließ einen Schwall warmer Luft und den Geruch nach würzigem Essen in den Schankraum wehen.

»Mags, Kleines. Warum so trübsinnig?«

Mrs. Kelvin war durch die breite Schwingtür aus der Küche in den Pub getreten und hatte sich zu ihnen an den Tresen gesellt. Die Wirtin war bekannt für ihre farbenfrohen Schürzen, und heute hatte sie ihren kleinen runden Körper, dem grauen Wetter zum Trotz, in frühlingshaften Stoff mit kleinen gelben Punkten gehüllt, die sich bei näherem Hinsehen als Smileys entpuppten.

»Mein Transporter ist laut Smith nur noch Schrott. Und einen neuen kann ich mir gerade nicht leisten. Nicht im Januar.«

Mr. Kelvin grinste sie an.

»Du könntest noch in die wöchentliche Wette einsteigen.«

Mags musste lachen. Die Wochenwetten im Golden Budgie hatten eine lange Tradition und waren immer wieder Dorfgespräch. Vor vielen Jahren waren sie an einem feuchtfröhlichen Abend als Witz entstanden und hatten schnell ein Eigenleben entwickelt.

»Und worum geht es diese Woche? Die neue Haarfarbe von Mrs. Fisher? Die Anzahl der Fische, die Albert aus dem Meer zieht? Wie viele Gegentore die RosehavenDiehards dieses Wochenende kassieren?«

Die RosehavenDiehards waren das örtliche Fußballteam, das leider mehr durch Enthusiasmus als durch Können bestach. Miss Clara hatte neugierig ihr Kinn auf ihre Hand gestützt und schaute Mr. Kelvin an. Bei den Wetten ging es immer um etwas, was in Rosehaven passierte. Die Pub-Besucher wetteten, wie lange die Sonntagspredigt des Pastors dauern werde, welches Geschlecht ein zu erwartendes Baby haben werde, auf die Menge der verkauften Rasierwasser in Mrs. Kleins Frisörladen und alles andere, was ihnen einfiel.

Mr. Kelvin rieb sich die Hände, und Mags wusste, dass er für die aktuelle Wette etwas Besonderes gefunden hatte.

»Nein, diesmal geht es um …«

Er machte eine Kunstpause und versuchte, sein Grinsen zu unterdrücken.

»Um die Frage, ob Miss Clara es schaffen wird, dass du zum Valentinsball ein Kleid tragen wirst oder doch in Latzhose und Turnschuhen kommst. Die Mehrheit setzt ihr Geld auf Miss Clara.«

Der Valentinsball. Mags versuchte, in das Lachen des Wirtes einzustimmen. Es gab im gesellschaftlichen Leben Rosehavens zwei Dreh- und Angelpunkte: den jährlichen Valentinsball am vierzehnten Februar und das große Herbstfest, bei dem sich der kleine Ort für Besucher öffnete, am Hafen eine Bühne aufgebaut wurde und Kunsthandwerker aus ganz Cornwall ihre Waren anboten.

Der Valentinsball hatte eine Tradition, die über fünfzig Jahre zurückreichte. Der große Saal über dem Gemeinschaftshaus wurde geschmückt und herausgeputzt, mit Blumen, Girlanden und einer Menge Tüll in einen Ballsaal verwandelt. Ebenso viel Aufwand betrieben die Damen des Ortes in der Auswahl ihrer Kleider. Mags hatte die letzten Jahre erfolgreich jede Teilnahme verweigert – sich aber für dieses Jahr unter dem breiten Grinsen aller Beteiligten zwei Karten zurücklegen lassen. Sie hatte geplant, mit Sam dorthin zu gehen. Und sich wie ein Teenager vor dem Abschlussball gefühlt. Aber jetzt?

Mags versuchte, ihre Stimme leicht klingen zu lassen. Mr. Kelvin wusste ja nicht, was in Oxford passiert war. Und die Rosehavener kannten sie in Jeans und Turnschuhen. Die hatte sie schon als Teenager getragen, bevor sie mit Arthur nach Amerika gegangen war. Dort hatte sie jedoch laufend Kleider getragen, die sie zum größten Teil bei ihrer Rückkehr verkauft hatte. Die Erleichterung darüber, wieder in ihre heißgeliebten Chucks und eine Latzhose steigen zu können, fühlte sie auch jetzt noch jedes Mal. Und als sie in Shelter Gardens zuletzt ein Kleid getragen hatte, war sie nur knapp mit dem Leben davongekommen. Sie schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf Mrs. und Mr. Kelvin.

»Wie hoch ist der Einsatz? Hundert? Zweihundert? Wenn ich mitwette, werde ich sicherlich reich. Immerhin kann ich ja schlicht entscheiden, kein Kleid anzuziehen!«

Mags warf einen schnellen Seitenblick auf Miss Clara, die nur leise lächelte und den Kopf schüttelte.

Wieder lachten alle. Die zweite Besonderheit der wöchentlichen Wetten war, dass der Einsatz immer in Pennys berechnet wurde – und der Sieger folglich zwar glücklich, aber nur um einige Pfund reicher den Pub verließ.

Als Mrs. Kelvin wieder in der Küche verschwunden war, nicht ohne Mags noch einmal fest in den Arm zu nehmen, blieb Mr. Kelvin noch bei ihnen stehen.

»Ich habe da etwas gehört, was vielleicht wirklich ein wenig Geld in deine Kasse bringen würde.«

Er lehnte sich in seiner Schürze an den Tresen, und Mags hörte neugierig zu. Mr. Kelvin verschwendete eigentlich keine Worte für unnütze Ratschläge. Alles an diesem Mann hatte Hand und Fuß.

»Kennst du Drabstock? Liegt ungefähr dreißig Meilen südwestlich von Rosehaven. Ein unscheinbarer kleiner Ort. Hat sehr darunter gelitten, als die South-Bryne-Mine vor zehn Jahren endgültig geschlossen wurde.«

Mags nickte. Auch wenn ihr Drabstock zunächst nichts gesagt hatte, die South-Bryne-Mine kannten die meisten in der Region. Zum einen war sie eine der noch am längsten in Betrieb gewesenen Zinnminen in Cornwall. Erst vor zwanzig Jahren hatten sich die Tore der Mine endgültig geschlossen. Es war ein schwerer Schlag für den Ort und die umliegende Gemeinde gewesen. Und ein tiefer Einschnitt in die Geschichte des Landes. Cornwall war immer mit dem Bergbau verbunden gewesen, aber damit war es nun vorbei. Es gab immer wieder Gerüchte, dass einige der alten Förderstätten wieder geöffnet werden sollten. Der Hunger des Marktes nach Mineralien, die vor allem für die steigende Handy- und Computerindustrie von Belang waren, den sogenannten seltenen Erden, war groß. Aber noch waren die Minen in Asien, Afrika und Südamerika viel günstiger zu bewirtschaften. Mags erinnerte sich mit Schaudern an einen Fernsehbericht über die Bedingungen, unter denen die Arbeiter in einigen dieser Länder ihr Leben riskierten. Und an die verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt. Sie glaubte nicht daran, dass in Cornwall bald wieder Erze gefördert werden würden.

Der andere Grund, warum eigentlich jeder in Cornwall und wahrscheinlich in ganz Großbritannien die Mine kannte, war das Unglück in den späten siebziger Jahren. Bei einem Wassereinbruch in einen Schacht war eine Gruppe von zweiunddreißig Arbeitern eingeschlossen worden. Das Wasser hatte die Stützkonstruktionen des Schachtes unterspült, und alles war zusammengebrochen. Als die Retter die betroffene Stelle erreichten, war es für die Männer zu spät. Mags war damals noch nicht auf der Welt gewesen, kannte aber die Fernsehbilder von den wartenden Angehörigen vor den Toren der Mine und dann die Welle an Schmerz, die durch die Menschen ging, als klarwurde, dass es keinerlei Hoffnung mehr gab.

Mr. Kelvin hatte früher, wenn auch nur für wenige Jahre, selbst in einer Mine in Wales gearbeitet. Daher auch der Name seinen Pubs: The Golden Budgie. In früheren Zeiten, bevor technische Messgeräte ihren Einzug hielten, nahmen die Bergleute Kanarienvögel oder Wellensittiche mit unter Tage. Die empfindlichen und winzigen Lungen der Tiere reagierten auf jeden Anstieg von Kohlenmonoxid. Sollte ein Vogel also im Käfig umfallen, wussten die Männer, dass sie eiligst und ohne Funkenschlag die Stollen zu räumen hatten. Schlagende Wetter, also durch Funken entzündete Wolken von Gas, waren eine der Hauptursachen für die Unglücke in Minen.

Der Wirt hatte kurz gewartet, bis Mags sich wieder auf ihn konzentrierte.

»Auf jeden Fall plant die Gemeinde Drabstock, das ehemalige Minengelände in eine Gartenanlage umzugestalten. Sie haben einen Wettbewerb ausgeschrieben. Fünftausend Pfund für den Entwurf, der am Ende gewinnt.«

Mags seufzte und schüttelte den Kopf.

»Ich bin keine Landschaftsarchitektin. Mir fehlt so einiges, um ein solches Projekt zu planen, auch Erfahrung. Und selbst wenn, das Geld würde doch auch erst in wer weiß wie vielen Monaten fließen. Das bringt mir jetzt doch nichts.«

Miss Clara schüttelte den Kopf.

»Aber du hast doch auch den Hotelgarten für Jules Smith neu angelegt, und die Pläne für die vielen anderen Gärten machst du doch auch selbst.«

»Ja, habe ich. Aber sogar der Hotelgarten war im Vergleich zu einem Minengelände regelrecht klein. Alle großen Projekte, bei denen ich die Finger im Spiel hatte, waren Veränderungen oder Restaurierungen schon bestehender Gärten. Wie groß mag das Minengelände sein? Und wenn ich das richtig sehe, würde ich da aktuell nur Steine und Abraum finden, richtig? Das ist einfach eine Nummer zu groß. Die Jury würde mich gar nicht ernst nehmen.«

Miss Clara richtete sich auf ihrem Barhocker auf und stemmte die Hände in ihre schmalen Hüften.

»Margaret Blake. Du machst dich kleiner, als du bist, und so etwas kann ich überhaupt nicht leiden. Überhaupt nicht! Du kannst eine Menge und hast schon so viel geleistet. Und für die Bereiche, in denen du Hilfe brauchst, holst du sie dir eben. Niemand erwartet, dass du das Ganze alleine machst. Aber aufgeben, bevor du es überhaupt gesehen hast? Das ist feige.«

Miss Clara hatte die einzelnen Silben der Wörter deutlich betont, und Mags zuckte zusammen. Jeder in und um Rosehaven wusste, dass die Sache ernst wurde, wenn Miss Clara so sprach. Man musste ihr dann schleunigst entgegenkommen oder die Flucht ergreifen. Mags entschied sich für Ersteres, auch, weil sie den enttäuschten Ausdruck in Mr. Kelvins Augen bemerkt hatte.

»Ich kann es mir ja mal ansehen.«

Miss Clara nickte, schob ihr die Schlüssel für ihr Auto zu und zog eine Augenbraue hoch.

»Jetzt?«

Mags seufzte.

»Und da wäre noch etwas.«

»Ja?«

»Ich leihe dir das Geld für den neuen Transporter. Keine Widerrede! Du wirst es mir dann von dem Preisgeld zurückzahlen.«

»Miss Clara …!«

»Jetzt geh, na los!«

Sie lächelte nur, und Mags gab jeden Widerstand auf. Offenbar würde sie sich jetzt eben eine Mine ansehen.

***

Der Turmfalke hatte sich auf einem der alten Strommasten niedergelassen, die am Rand des Minengeländes standen. Er war nun schon das dritte Jahr hier. Der milde Winter hatte dafür gesorgt, dass er immer noch genügend Mäuse, seine bevorzugte Beute, erlegen konnte. Zwar hatte ihm die Füchsin, die ihren Bau unter einem der alten Lastwagen angelegt hatte, einiges an kleinen Tieren abspenstig gemacht, aber es reichte. Er konnte seine Jagd auf die umliegenden Felder und Wiesen ausdehnen, aber warum die Anstrengung, wenn das vor ihm liegende Terrain doch ein so guter Jagdgrund war. Im Sommer würde es auch wieder Eidechsen geben – im Gegensatz zu seiner Partnerin, die für den Winter weiter in Richtung Küste gezogen war, liebte er den Geschmack der Reptilien.

Wenn alles gut lief, würden sie auch in diesem Jahr ein volles Gelege in der Bruthöhle großziehen. Menschen waren den alten Förderturm hinaufgeklettert und hatten den geschützten und trockenen Kasten angebracht. Er hatte ihn umgehend bezogen, zusammen mit der jungen Turmfalkin, die ihn mit ihren hohen Rufen zur Balz aufgefordert hatte. Viel besser als das alte Krähennest, das er zuvor einige Kilometer entfernt am Rande der Menschensiedlung ins Auge gefasst hatte.

Normalerweise störten ihn die Menschen nicht. Seine Art lebte seit Jahrzehnten neben und vor allem über ihnen. Alte Gemäuer, die Kirchtürme mit ihren Nischen, denen er seinen Namen verdankte, boten Schutz.

Auch die alte Mine zog mehr Menschen an, als er zunächst gedacht hatte. Vor allem nachts konnte er ihre Schritte hören. Ihm war es egal, solange es weiterhin genügend Mäuse gab und niemand ihm sein Nest nehmen wollte.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich eine Maus aus ihrem Gang hinausgewagt hatte. Er öffnete die Flügel und stieß sich von seinem Sitzplatz ab.

5

Die Fahrt von Rosehaven nach Drabstock dauerte vielleicht vierzig Minuten. Mags hatte sich in den roten Mini von Miss Clara gezwängt und konzentrierte sich auf die kleinen Straßen. Der Mini war im Vergleich zu ihrem schweren Transporter ungewohnt klein, und Mags fühlte sich ungeschützt. Draußen nieselte es leicht, und je weiter sie ins Landesinnere fuhr, umso schlechter wurden die Straßenverhältnisse. Wenn man an der Küste lebte, die vom Tourismus lebte, vergaß man schnell, wie arm der Rest Cornwalls war. Seitdem die letzten Minen geschlossen worden waren, gab es kaum noch Arbeitsplätze, und die kleinen Dörfer und Städte wurden immer leerer.

Auch Drabstock war es so ergangen. Mags fuhr an einer Reihe leerstehender Arbeiterhäuschen vorbei und über einen halbwegs verlassenen Marktplatz. Einzig der Pub, über dessen Fenstern in Neonbuchstaben der Name Stairway leuchtete, deutete auf Leben in dem kleinen Ort hin.

Sie versuchte, sich an die Wegbeschreibung zu erinnern, und bog hinter dem Ort in eine breite Schotterstraße ein. Am Ende des Weges tauchten einige dunkle Holzgebäude auf, und durch den Regen konnte sie die Umrisse eines vielleicht zwanzig Meter hohen Förderturms sehen.

Das Gelände der stillgelegten South-Bryne-Zinnmine lag vor ihr. Sie hielt den Wagen an und stieg aus. Die Zeche wurde seit zwei Jahrzehnten nicht mehr genutzt, und die ersten Pionierpflanzen hatten sich angesiedelt und den schroffen und steinigen Böden getrotzt. Im westlichen Teil reihten sich drei Abraumhalden nebeneinander. Mags versuchte, sich an alles zu erinnern, was sie im Sachkundeunterricht in der Schule über den Abbau von Zinn gelernt hatte.

Die Halden waren nicht riesig und liefen spitz zu. Mags konnte sich an einen alten Lehrfilm erinnern, der die Männer unter Tage in den ziemlich schmalen Schächten zeigte und die Förderbänder, die das zinnhaltige Gestein dann nach oben brachten. Zum Glück war hier auf dem Gelände das Zinn nur gefördert worden. Sie erinnerte sich an die Bilder der Verhüttung, und wie viele giftige Stoffe dabei zum Einsatz kamen beziehungsweise Nebenprodukt waren. War das bei Zinn auch so? Sie musste das unbedingt nachlesen. Irgendwo in Wales hatte es doch mal riesengroße Probleme damit gegeben, dass Blei aus einer alten Abraumhalde einer Eisenverhüttung ausgetreten war, das Grundwasser belastet und Menschen, Tiere und Pflanzen vergiftet hatte. Sogar mit dem Wind war wohl giftiger Bleistaub von der Halde heruntergeweht worden.

Mags stieg aus dem Mini und zog den Kragen ihres Mantels hoch. Sie schaute sich skeptisch um.

Neben kleinen Birken und einigen struppigen Schwarzkiefern waren es vor allem flache Bodenpflanzen, die den ersten Schritt zur Rückeroberung gewagt hatten. Ohne die Blütenfarben zu sehen, war sie sich nicht sicher, es mit widerständigen Blumen wie Mönchspfeffer oder Natternkraut zu tun zu haben.

Vielleicht hatten sich auch einige eigentlich nicht hier in Cornwall heimische Pflanzen daruntergeschlichen – sie war immer wieder überrascht, wie weit Pflanzensamen reisten und wie schnell sie sich auch fremden Verhältnissen anpassten. Bei einigen war das sicherlich kein Problem, andere, wie zum Beispiel der ihr so verhasste Rhododendron, machten große Probleme, verdrängten die typischen Pflanzen und waren für Flora und Fauna eine riesengroße Last. Jedes Jahr zog sie zusammen mit anderen Freiwilligen los und machte sich an die beschwerliche Arbeit, den sich ausbreitenden Rhododendron mit all seinen Wurzeln auszureißen. Am effektivsten war es, den Wurzelstock zu verbrennen. Mags litt jedes Mal Qualen, wenn sie einer Pflanze so etwas antun musste.

Neben den Halden, der großen freien Fläche vor den Verwaltungsgebäuden und Schuppen, dem Förderturm und einigen kleineren Hügeln, unter denen Mags alte Stollen vermutete, gab es noch am östlichen Ende ein abgesperrtes Gebiet, das durch einen hohen Metallzaun mit Stacheldraht gesichert war. Sie konnte die Umrisse einiger alter Maschinen ausmachen, deren Funktion sie aber nicht erkennen konnte. Wahrscheinlich waren sogar so alte Maschinen noch interessant für Diebe – daher die Umzäunung? Vor dem Zaun stand ein kleiner Geländewagen, und sie fragte sich, wer außer ihr zu dieser Zeit wohl noch hier sei. Bevor sie neugierig näher gehen konnte, kamen eine schlanke Frau und ein Mann in einem merkwürdig hellen Anzug hinter einem der Fahrzeuge hervor und gingen zu dem Jeep. Mags zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder dem Ausblick zu. Was auch immer es war, irgendetwas an der Landschaft vor ihr fesselte sie, nahm sie gefangen und ließ sie sich kurz wünschen, sich auf den Boden zu setzen, um dieser Natur noch näher zu sein. Langsam ging sie weiter und setzte ihren Rundgang fort.

6

Die Dämmerung setzte ein, und Mags sah auf ihre Uhr. Es war gerade mal kurz vor vier Uhr am Nachmittag, aber schon legte sich ein dunkler Schatten über die vor ihr liegenden Flächen. Sie seufzte und schloss die Augen.

Wasserflächen, vielleicht sogar ein künstlich angelegtes Hochmoor, wenn der Boden dafür geeignet wäre. Stege aus Holz, über die die Besucher gehen konnten. Keine subtropischen Pflanzen wie in Heligan oder den anderen Gärten an der Küste, sicherlich nicht hier, wo man das Gefühl hatte, der Golfstrom und sein Segen für Cornwall seien mehr als nur einige Kilometer entfernt. Hier musste etwas anderes entstehen, etwas Ursprünglicheres. Weite Flächen.

Als sie ein Rascheln hörte, öffnete sie die Augen. Ein Fuchs, vielleicht dreißig Meter entfernt, war offenbar auf der Jagd nach einer Maus. Als sie einen spitzen, kurzen Schrei hörte, blickte sie automatisch nach oben.

Ein kleiner Greifvogel, der mit den für ihn typischen rüttelnden Flügelbewegungen nur darauf lauerte, dem Fuchs seine Beute abzujagen. Ein Turmfalke! Mags wunderte sich kurz, wo der Falke hier seinen Hort haben könnte, aber sicherlich boten die verlassenen Gebäude und der alte Förderturm genügend Möglichkeiten.

Wenn sie das Gelände so umgestalten könnte, dass die Tiere sich trotz der Besucher weiterhin hier ihre Nischen suchten … Vielleicht könnte sie mit erhöhten Pfaden arbeiten, mit Aussichtsplattformen? Das Gelände war groß. Es könnte auch Schaugärten geben, vielleicht mit einem Augenmerk auf Selbstversorgung. Sie könnte Jim mit ins Boot holen, für alle Fragen der Energieversorgung. Er war ein ehemaliger Surfer, der in seinen Wanderjahren in dem Transporter, der nun in der Werkstatt von Mr. Smith stand, durch das Land gezogen war, und hatte sich unweit der Küste einen alten Hof restauriert. Er lebte dort völlig autark von jeder Wasser- oder Energieversorgung.

Mags dachte an Baumaterialien, die man vor Ort finden könnte, an Frühbeete aus alten Fenstern, Bewässerungssysteme aus alten PET-Flaschen, an alte Rohre und Steine, um damit Teiche anzulegen. Vielleicht konnte man sogar einige der alten Maschinen umfunktionieren?

Sie merkte, wie sie sich trotz der Kälte und des vielen Graus um sie herum wohler zu fühlen begann. Sie beobachtete den Turmfalken, der dem Fuchs seine Beute überlassen hatte und nun einige Meter weiter östlich in der Luft stand und nach Bewegungen Ausschau hielt. Hier gab es Leben, und sie könnte es fördern und ein Konzept entwickeln, das den Besuchern zeigen würde, wie der Mensch ein Teil davon werden könnte. Und auch, an welchen Stellen der Mensch besser nur beobachtete, als einzugreifen. Sie stellte sich mehrere Zonen vor, einige in sattem Grün, andere nach und nach wilder werdend. Eine andere Art Garten, kein Paradies mit Früchten und Blüten, sondern ein …

Mags war in Gedanken langsam rückwärtsgegangen und zuckte zusammen, als sie hinter sich ein leises Räuspern hörte. Erschrocken drehte sie sich um und verlor dabei fast das Gleichgewicht.

»Mr. Gulliver! Was machen Sie denn hier?«

Wieso in aller Welt traf sie auf diesem scheinbar verlassenen Minengelände nun schon zum zweiten Mal jemanden? Und was machte Gulliver hier in Drabstock? Er hatte doch noch vorhin friedlich im Pub gesessen. Der kleine Mann hüstelte und wurde rot.

»Miss Blake. Ich, ähm, ich dachte nicht, dass …«

Er straffte seine Schultern und streckte ihr eine Hand entgegen.

»Ich denke, wir sind uns noch nie richtig vorgestellt worden, oder?«

Mags nahm die Hand und wundert sich.

»Margaret Blake.«

»Gerald Gulliver Gull.«

Er hielt weiterhin ihre Hand fest.

»Wobei die meisten mich eher als G. G. Gull kennen mögen.«

Mags merkte, wie ihr Mund offen stand. G. G. Gull. Der G. G. Gull? Landschaftsarchitekt, Designer und die Ikone der Gartengestalter in den achtziger und neunziger Jahren? Er und sein Team hatten insgesamt sechsmal den ersten Preis bei der Chelsea Flower Show erlangt. Sechsmal! Mags selbst hatte zwei der Siegerentwürfe gesehen. Die kunstvollen und oft auch ans Künstliche grenzenden Gestaltungen der traditionellen Schaugärten, die häufig von Firmen aus Prestigegründen für viel Geld in Auftrag gegeben wurden, entsprachen so gar nicht dem, was sie sich unter einem Garten vorstellte, auch wenn es die letzten Jahre einige Strömungen gegeben hatte, »natürlichere« Gärten anzulegen. Aber die Gärten von G. G. Gull gehörten sicherlich nicht dazu. Sie waren aufwendig gestaltete Kunstwerke, bei denen oft Skulpturen aus Metall oder Glas eine Rolle gespielt hatten. Allein der Garten, den er für eine der weltweit führenden Kristall-Firmen erstellt hatte, musste Tausende Pfund gekostet haben. G. G. Gull war eine Koryphäe gewesen. Das schmale Gesicht immer hinter einer Sonnenbrille verborgen, auf dem Kopf immer ein zu seiner farbenfrohen Kleidung passender Hut, war er unverwechselbar gewesen …

Und nun stand er hier vor ihr. Vor Jahren war es in den Medien still geworden um ihn, es hieß, er sei schwer erkrankt und habe sich völlig aus dem Geschäft zurückgezogen. Mags schloss den Mund und verkniff sich ein Grinsen. Und jetzt wusste sie auch, wohin er verschwunden war. Von allen möglichen Orten auf der Welt hatte er sich ausgerechnet Rosehaven als Zufluchtsort gewählt. Und jetzt stand er hier. Dasselbe schmale Gesicht, aber ohne Sonnenbrille, die langen Haare und die extravagante und bunte Kleidung hätte sie ihn niemals erkannt. Was machte G. G. Gull in Rosehaven – oder noch besser, was machte er hier in Drabstock? Doch da erinnerte sie sich an ihr Gespräch mit Mr. Kelvin.

»Sie haben uns im Budgie belauscht.«

Mr. Gulliver schüttelte den Kopf.

»Von Belauschen kann keine Rede sein. Sie haben so laut gesprochen, dass jeder unweigerlich Zeuge ihres Gespräches war. Fragen Sie Mr. Shannon.«

Mags musste einen Moment nachdenken, um darauf zu kommen, dass mit Mr. Shannon kein anderer als Albert gemeint war. Sie hatte noch nie gehört, dass der Fischer von irgendjemandem mit seinem Nachnamen angesprochen worden war.

»Das erklärt aber noch nicht, was Sie hier machen.«

Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie mit G. G. Gull sprach.

»Ich war neugierig. Auf die Mine, auf das Projekt.«

»Warum?«

Mags konnte sich nicht vorstellen, was dieser Mann hier suchte. Er war bekannt dafür gewesen, dass er elegante, künstlerische Gärten anlegte. Luxushotels auf der ganzen Welt hatten sich von G. G. Gull ihre Gärten anlegen lassen, keine Homestory von Stars und Sternchen ohne einen Gull-Garten. Und jetzt ein verlassenes Minengelände in Cornwall?

Sie sah, wie seine Augen kurz blinzelten und er seine behandschuhte Hand hob, wie um sich an den Hals zu fassen.

»Ich langweile mich. Ich dachte, ich würde mit dem Pfarrgarten und meinen Büchern zufrieden sein. Bin ich aber nicht. Ich brauche etwas …«

Er zögerte und sah sich dann mit einem feinen Lächeln um.

»Abwechslung. Eine Herausforderung. Etwas Neues.«