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Jeder Gangster wusste es: Wer einen Polizisten tötet, der wird gejagt bis ans Ende der Welt. Gleiches gilt - wenn nicht sogar noch mehr - für den, der einen FBI-Agent umbringt. Dennoch standen Phil und ich vor der Leiche eines Kollegen. Nun begann eine gnadenlose Jagd, doch der geheimnisvolle Mörder schaffte es immer wieder durch das ausgeworfene Netz des FBI zu schlüpfen ...
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Seitenzahl: 153
Cover
Impressum
Mordnacht in Manhattan
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Film: »Crime Story«/ddp-images
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-1284-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Mordnacht in Manhattan
1
Es war Nacht.
Auf einem dunklen Hinterhof irgendwo in Manhattan stand ein Mann und lauschte.
Er starrte in die Finsternis und fuhr sich mit dem Ärmel über die schweißnasse Stirn.
Er ahnte, dass er in eine Falle getappt war.
Und die Ahnung wurde zur Gewissheit, als ein leises Geräusch ertönte – oben, auf dem Dach der Garage, die den Hof an einer Seite begrenzte.
Und dann flammte der Scheinwerfer auf.
Grelles Licht schnitt einen Kegel aus der Finsternis und blendete den Mann, der hilflos die Hände ausstreckte.
Als ich in den zweiten Hamburger biss, tauchte der kleine chinesische Kellner neben mir auf.
»Telefon«, fistelte er und deutete auf die Zelle neben der hufeisenförmigen Theke.
Ich erhob mich, trat in die Kabine und nahm den Hörer, der auf einem winzigen Klapptisch lag. »Cotton.«
Es war die Telefonistin vom Nachtdienst, die mit der heiseren Stimme. »Es ist dringend, Agent Cotton«, sagte sie. »Phil Decker, Collins, Dillaggio und Baker habe ich schon angerufen.«
»Was ist denn los?«
»Croczinsky ist gefunden worden. Im Morris-Park. Ich glaube, dicht bei der 124th Street.«
Meine Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. »Okay«, stieß ich hervor, weil ich etwas sagen musste. »Okay …«
Dann legte ich auf. Croczinsky. Nein!
Am Sonnabend hatten wir Croczinskys Dienstjubiläum feiern wollen. Fünfundzwanzig Jahre beim FBI. Heute war Donnerstag.
Zwei Tage vor dem Fünfundzwanzigjährigen … Sicher hatte Pat, seine Frau, schon Whisky und Bier für uns eingekauft.
Irgendjemand musste es Pat beibringen. Es war spät abends, und sie wartete sicherlich mit dem Essen auf ihn.
Aber vorher wollte ich ihn sehen.
Ich verließ das China-Restaurant, stieg in meinen roten Jaguar und schaltete Rotlicht und Sirene ein.
Ich schaffte es bis hinauf in die 124th Street in knapp sechs Minuten.
Ich brauchte nicht zu suchen. Es wimmelte von Cops. Dazwischen tauchten Zivilisten auf. Aus einem Lautsprecher dröhnte eine harte Männerstimme: »Achtung, Bereitschaft vier: Sechs Mann Verstärkung zur Postenkette am Nordwest-Eingang! Ich wiederhole …«
Als ich aus dem Wagen kletterte, entdeckte ich Phil. Er stieg auf der anderen Straßenseite aus einem Taxi. Ich wartete. Er kam über die Straße. Phils Gesicht war aschgrau.
»Hallo!«, sagte er. Seine Stimme klang heiser.
Ich nickte nur. Wir gingen zusammen auf den Nordeingang des Parks zu. Vier Cops standen breitbeinig auf dem Weg. Wortlos zeigten wir ihnen unsere Ausweise. Die Cops grüßten und gaben den Weg frei.
Drei Schritte hinter ihnen kniete ein Mann auf dem Weg und benutzte trotz des Scheinwerferlichtes noch eine starke Taschenlampe. In der rechten Hand hielt er eine große Lupe. Offenbar hatte er unsere Schritte gehört, denn er wandte den Kopf.
Es war Collins. »Geht dort drüben weiter«, sagte er und zeigte auf den Rasen links vom Weg.
»Fußspuren?«, fragte Phil.
»Profilspuren«, erwiderte Collins. »Ein Wagen mit 7,50-14er Reifen.«
Er zeigte auf die schwach erkennbaren Abdrücke im Sand.
Stanislaus Croczinsky lag unter den Zweigen einer alten Platane. Er lag auf der rechten Seite. Ungefähr in der Höhe des Bauchnabels hatte der Stoff seines Anzugs zwei kleine, an den Rändern dunkel gefärbte Löcher.
Croczinskys Arme waren an den Handgelenken mit einem Lederriemen zusammengebunden. Seine Augen waren verdreht. Vor dem Mund spannte sich ein grauer, schmutziger Fetzen, der im Genick verknotet war.
»Er wird wahnsinnige Schmerzen gehabt haben«, sagte jemand aus dem Kreis der Männer, die um den Toten herumstanden.
Plötzlich sah ich Mr High, unseren Distriktchef. Sein Gesicht glich einer weißen Maske. Er beugte sich langsam vor und legte seine Hand auf die Stirn des Toten. Als er sich wieder aufrichtete, waren Croczinskys Augen geschlossen.
Der Chef sah sich im Kreise um. Seine Stimme kam leise.
»Für die, die nicht zur Mordkommission gehören: Wir sehen uns in dreißig Minuten im Distriktgebäude.«
Er trat auf uns zu und fuhr fort: »Phil und Jerry, wir drei fahren zu Pat.«
***
»Es kann nicht Pat sein«, flüsterte Phil.
»Nein«, sagte ich. »Es ist der Schatten eines Mannes.«
Mr High, Phil und ich, wir standen auf dem Gehsteig und starrten hinauf zu dem erleuchteten Fenster in der ersten Etage. Die Vorhänge waren geschlossen.
»Ich weiß nicht«, erwiderte mein Freund. »Die Türschlösser sind verdammt gut in diesen neuen Häusern.«
»Versuchen Sie es, Phil«, befahl der Chef.
Phil huschte leise die sechs Stufen zur Haustür hinauf.
Die Straße lag menschenleer im trüben Licht weniger Laternen.
An der Tür ertönte ein leiser Pfiff. Phil winkte. Es war überraschend schnell gegangen.
»Ich habe Glück gehabt«, murmelte Phil, als wir, Mr High und ich, mit ihm in den dunklen Flur traten. »Reiner Zufall, dass ich die richtige Einstellung des Dietrichs gleich fand.«
»Jetzt schnell hinauf«, flüsterte ich.
»Man müsste wissen, was er vorhat«, meinte Phil.
»Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen«, sagte der Chef.
»Also los«, brummte ich. »Haben Sie eine Waffe bei sich, Chef?«
»Nein, Jerry.«
»Dann bleiben Sie bitte hinter uns.«
Ich suchte mein Feuerzeug, aber bevor ich es gefunden hatte, klappte oben im Treppenhaus eine Tür.
Ich hielt den Atem an. Hatte der Mann seine Tat bereits ausgeführt? Kamen wir zu spät? Ich hob die rechte Hand und schob sie geräuschlos unter das Jackett an das Schulterhalfter.
Die Beleuchtung im Treppenhaus flammte auf. Klappernde Schritte kamen herab: eine Frau mit hohen Absätzen.
»Gott sei Dank!«, sagte ich laut. »Ich konnte den verdammten Schalter nicht finden.«
Wir setzten uns in Bewegung. Phil ging voran, der Chef und ich folgten ihm.
»Hoffentlich ist seine Frau nicht böse, wenn wir ihm so spät noch auf die Bude rücken«, sagte Phil.
»Bestimmt nicht«, erwiderte ich. »Wenn sie hört, was wir für ihn haben, wird sie dir um den Hals fallen, Kleiner.«
Inzwischen hatten wir die Treppe erreicht. Als Phil seinen Fuß auf die unterste Stufe setzte, erschien das Mädchen auf dem Treppenabsatz.
Sie trug ein graues Kostüm und einen kleinen, grünen Hut. Auch Handschuhe und Tasche waren grün.
.«Guten Abend«, murmelte Phil, während er an dem Mädchen vorbeiging.
Sie erwiderte den Gruß. Wir gingen langsam. Als die Haustür hinter dem Mädchen zuschlug, atmeten wir erleichtert auf.
Das Gebäude besaß drei Wohnungen in jeder Etage. Die Wohnungstüren bestanden aus rötlich schimmerndem Holz.
Mr High und ich, wir drückten uns rechts und links an die Wand, als Phil vor der Tür niederkniete und das Schloss betrachtete.
Die Stille war lähmend. Plötzlich erlosch die Drei-Minuten-Beleuchtung mit einem so lauten Knacken, dass wir erschrocken zusammenfuhren.
Der Chef leuchtete mit einer Taschenlampe. Mein Freund probierte die Klinke. Dann bewegte sich die Tür lautlos, fast gespenstisch. Phil richtete sich auf.
Mit dem Daumennagel schob ich den Sicherungsflügel der Pistole nach vorn. Phil nickte und trat zur Seite.
Ich schob mich langsam an ihm vorbei in den Flur der Wohnung. Mir gegenüber stand eine Tür einen Spalt offen. Licht fiel heraus. Das schwache Summen eines Ventilators war zu vernehmen. Ich schlich auf die Tür zu.
Als ich sie erreicht hatte, blieb ich stehen und lauschte. Dann schob ich den Kopf vor, um einen Blick durch den Spalt zu werfen. Aber ich konnte nur das Ende einer Couch und ein Radio sehen. Von dem Mann, den wir am Fenster gesehen hatten, war nichts zu entdecken.
Phil huschte neben mich. Ich holte tief Luft und stieß die Tür auf.
Im selben Augenblick sprang Phil an mir vorbei nach rechts in das erleuchtete Zimmer hinein, und einen Sekundenbruchteil später machte ich einen Satz in Richtung Couch.
»Was ist denn los?«, sagte der Mann, der am Fenster in einem Sessel saß und eine Zigarette rauchte. »Wie kommen Sie überhaupt hier herein? Was soll denn das bedeuten?«
Die Spannung der letzten Minuten löste sich.
Ich ließ die Pistole sinken und suchte nach meinem Taschentuch.
Der Schweiß lief mir am Hals herab. Ganz New York schien ein Brutofen zu sein.
»Wer sind Sie?«, fragte der Chef.
»Na, hören Sie mal! Jetzt reicht’s mir aber!«
Der Mann sprang auf und kam in die Mitte des Zimmers. Er mochte Dreißig sein. Sein Gesicht war kantig, blass und von einigen Falten durchzogen. Seine hellen, wasserblauen Augen blickten uns furchtlos an.
Die hoch gekrempelten Ärmel seines bunten Baumwollhemds entblößten seine sehr muskulösen, schwarz behaarten Unterarme. Die Finger waren dick, kurz und knotig.
»Wir sind G-men«, erklärte mein Freund. »Wir wollten zu Pat, zu Mrs Croszinsky. Wir sahen den Schatten eines Mannes am Fenster.«
»Was habt ihr nur für eine verdammte Fantasie«, erwiderte der Mann kopfschüttelnd. »Ich bin Peter Volson, Stans Halbbruder. Ich wohne schon seit neun Tagen hier.«
»Entschuldigen Sie, Mister Volson«, sagte Mr High. »Das konnten wir nicht wissen.« »Trotzdem stürmt man nicht gleich mit gezogenen Kanonen in fremde Wohnungen, oder?«
»Wir hatten Grund, misstrauisch zu sein«, sagte Phil. »Aber wo ist eigentlich Pat?«
Volson zuckte die Achseln.
»Sie wollte runter in die Kneipe gehen und ein paar Büchsen holen. Ich weiß auch nicht, warum sie so lange weg bleibt. Warum fragen Sie? Was ist denn los?«
»Wir müssen Ihnen eine traurige Mitteilung machen, Mister Volson«, sagte der Chef. »Stan, Ihr Bruder, ist heute Abend ermordet worden.«
Phil hatte die Wohnungstür offen gelassen. Die Teppiche hatten Pats Schritte gedämpft. Als Mr High es aussprach, stand Pat in der Wohnzimmertür. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Dann schrie sie den Namen ihres Mannes.
2
Tiggy Brears spielte mit einem Schnappmesser. Er ließ durch einen Druck auf die Sperrvorrichtung die lange, zweischneidige Klinge hervorschießen. Dann schüttelte er die Klinge mit einer ruckartigen Handbewegung zurück ins Heft, um sie schließlich abermals hervorschießen zu lassen.
Slate Cooler lehnte am Türpfosten und blickte gelangweilt vor sich hin.
Er war klein und schmächtig, aber es hieß, dass er zwei Schwergewichtler zusammenschlagen könne.
Sein Jackett stand offen. Man konnte den Griff einer Pistole erkennen, die im Hosenbund steckte.
Brian Baker hockte in langer Hose und Netzhemd auf der vorderen Kante des roten Plüschsessels. Vor Jahren war Baker ein herkulischer Mann gewesen, jetzt war er alt. Jedes Mal, wenn Brears’ Klinge mit einem leisen Zischen aus dem Heft schoss, zuckte er zusammen. Bakers Gesicht war schweißüberströmt. Sein Atem ging hörbar.
Mrs Baker saß auf dem Sofa und zitterte am ganzen Körper. Sie zählte auf den Tag genau fünfundsechzig Jahre.
Tiggy Brears schien von seiner Spielerei genug zu haben. Er gab Cooler einen Wink. Slate Cooler löste sich von der Tür und ging auf die alte Frau zu.
»Lasst sie in Ruhe!«, keuchte Brears.
Slate Cooler war hinter das Sofa getreten und hatte seine Waffe gezogen. Die Mündung setzte er der alten Frau ins Genick. Mrs Baker wurde weiß wie eine Kalkwand.
»Wenn einer von euch beiden schreit, drückt er ab!«, erklärte Tiggy Brears.
Er sah von einem Opfer zum anderen. Die beiden Alten nickten.
Tiggy Brears machte sich an die Arbeit. Mit dem Messer zerschnitt er die Tischdecken, die Kissen und die Polsterung der Sessel.
Er nahm sich Zeit und machte es gründlich. Als es nichts mehr zu schneiden gab, legte er zwei zerfledderte Kissen auf den Boden und schob sie mit dem Fuß dicht aneinander.
Aus den Schränken holte er das Porzellan und die Gläser. Auf den weichen Kissen, die das Geräusch dämpften, zertrat er einen Teller nach dem anderen, Schüsseln und Tassen, Weinpokale und Whiskygläser.
»So, sagte er schließlich und rieb sich die Hände. »Das wär’s. Ihr könnt ja die Bullen anrufen und eine Anzeige erstatten. Wenn ihr vor Gericht gegen uns aussagt, geht’s uns vielleicht an den Kragen. Aber nur uns, kapiert? Unsere Freunde bleiben auf freiem Fuß. Und die würden euch natürlich besuchen. So, ich wünsche eine angenehme Ruhe! Aber in dieser verdammten Hitze kann man ja nicht schlafen. Komm, Kleiner!«
Ohne sich noch einmal umzusehen, verließen die beiden Gangster die Wohnung.
Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, begann Mrs Baker zu weinen.
»Schon gut, Mammy«, brummte Brian Baker hilflos. »Was sollte ich denn machen? Na, nun beruhige dich. Es hätte ja viel schlimmer kommen können! Viel schlimmer, Mammy! Daran musst du denken. Uns haben sie ja nichts getan.«
»Wie sieht es denn hier aus?«, fragte eine energische Männerstimme.
Brian Baker fuhr herum. Auf der Schwelle standen zwei Männer und blickten erstaunt auf das Chaos, das in der Wohnung herrschte. Der Größere wies mit dem Daumen über die Schulter auf die offen stehende Tür.
»Sie stand offen, Mister, und das Licht brannte. Wir dachten, es wäre vielleicht was passiert. Entschuldigen Sie, dass wir so reingeplatzt sind.«
»Wären Sie doch nur ein paar Minuten früher gekommen!«, schluchzte Mrs Baker. Sie berichtete stockend von dem Überfall.
»Aber dagegen kann man sich doch schützen!«, behauptete der Mann mit einem dünnen Lächeln.
»Ich heiße Ralph Oakton. Das ist mein Freund Jean Diroit. Wir sind Spezialisten auf dem Gebiet, M’am.«
»Auf welchem Gebiet?«, erkundigte sich die alte Frau, während sie die Tränen aus ihrem hageren Gesicht wischte.
»Auf diesem!«, erwiderte Oakton. »Für fünfzig Dollar pro Woche garantiere ich Ihnen, dass so was nicht wieder vorkommt.«
»Jetzt habe ich es endlich verstanden«, stöhnte Brian Baker. »Oh, jetzt habe ich es verstanden! Ihr verdammten Halunken, ihr Schufte! Ihr elenden Gauner!«
Oakton runzelte die Stirn.
»Verstehst du das, Jean? Wir bieten ihm Schutz vor den Gangstern an, die hier gehaust haben, und uns beschimpft er! Komm, Jean, wir haben hier nichts verloren.«
Brian Baker hielt den Kopf gesenkt. Seine Schultern hingen kraftlos nach vorn. Er bot den Anblick eines Mannes, dem klar geworden ist, dass er kapitulieren muss.
»Wieviel sagten Sie?«, erkundigte er sich.
»Sechzig Dollar«, war Oaktons kühle Antwort.
»Aber eben sagten Sie –«
»Siebzig Dollar«, näselte Diroit. »Siebzig wären angemessen.«
Baker breitete in einer hilflosen Gebärde die Arme aus.
»Okay«, murmelte er schnell. »Okay. Siebzig in der Woche. Okay … werden Sie es abholen oder soll ich …«
»Wir melden uns schon«, unterbrach Oakton. In seinem Gesicht stand noch immer das dünne Lächeln. »Halten Sie den Betrag jeweils ab Dienstag bereit. Am besten in einer kleinen Kaffeedose. Wir werden in Zukunft wöchentlich einmal in Ihrem Geschäft Kaffee kaufen. Was meinst du, Jean?«
Diroit nickte.
»Sicher, Ralph, Kaffee, das ist ein guter Gedanke.«
»Dann gute Nacht, Mister Baker! Sie dürfen sicher sein, dass sich so etwas nicht wiederholt, solange Sie unter unserem Schutz stehen! Es freut mich, dass wir Ihnen helfen können. Gute Nacht, M’am!«
Oakton tippte mit dem Zeigefinger an die Krempe seines Hutes. Die beiden Männer verließen die Wohnung und traten auf die Straße.
Sie stiegen in einen roten Mercury Meteor und fuhren zur Hackwich’s Bar.
Das Lokal war ein Mittelding zwischen Kneipe und Nightclub. Die Getränke waren nicht sonderlich teuer, in einer Ecke spielte eine Drei-Mann-Band Tanzmusik.
Oakton steuerte auf eine Nische zu, in der man den Blicken anderer Gäste entzogen war. Tiggy Brears und Slate Cooler saßen bereits dort.
»Alles okay?«, fragte Cooler.
Oakton nickte und sagte: »Siebzig.«
Cooler grinste zufrieden und rief nach dem Kellner. Bobby, wie der Kellner von den Stammgästen gerufen wurde, erschien sofort. Er beugte sich weit vor und raunte: »Im Morris Park haben sie die Leiche von einem G-man gefunden! Irgendein Idiot hat ihn umgelegt!«
Dann entfernte er sich mit tänzelnden Schritten. Die vier Männer blickten sich erschrocken an.
»Ausgerechnet jetzt«, fluchte Oakton, »da bei uns der Laden richtig anläuft!«
»Ich hau ab!«, krächzte Cooler aufgeregt. »Es ist Wahnsinn, jetzt in diesem Viertel zu bleiben! Die G-men stellen hier alles auf den Kopf. Die werden jede Maus beschnüffeln und jeder Ratte die Zähne zählen! Ich hau ab!«
»Idiot«, rief Diroit. »Wer jetzt aus dem Viertel verschwindet, lenkt sofort den Verdacht auf sich.«
»Aber was sollen wir denn machen?«, fragte Cooler. »Hier geht doch jetzt eine Treibjagd los. Wir sitzen alle auf einem Pulverfass, alle!«
»Alle«, sagte Oakton. »Alle, das ist wahr. Die G-men werden nicht eher ruhen, als bis sie den Mörder haben. Und das bringt mich auf einen Gedanken …«
***
»Sie beide werdet die Leitung der Ermittlungen übernehmen«, sagte der Chef auf der Rückfahrt.
»Haben Sie bestimmte Vorstellungen, wie wir vorgehen sollen?«, fragte ich.
Der Chef schüttelte den Kopf.
Im Distriktgebäude herrschte Hochbetrieb. Neunzehn dienstfreie G-men hatten sich freiwillig für die Ermittlungen gemeldet.
In unserem Office saß Captain Hywood von der Stadtpolizei. Neben ihm stand ein junger Lieutenant, den wir nicht kannten.
»Hallo, ihr beiden«, raunzte Hywood, klatschte seine mächtigen Pranken auf die Oberschenkel und stemmte sich hoch.
»Das ist Lieutenant Home vom Revier, das für den Morris Park zuständig ist. Ich erhielt vor einer knappen Stunde die Nachricht. Wenn ihr ein paar Uniformierte gebrauchen könnt: Vierzehn Mann kann ich aus der Bereitschaft abstellen.«
»Danke, Hywood«, sagte ich und drückte ihm die Hand. »Wir können jeden Mann gebrauchen. Unterstellen Sie die vierzehn Mann dem Lieutenant. Und Sie, Lieutenant, können uns gleich einen Gefallen tun. Wir brauchen eine Liste mit den Namen und Anschriften aller vorbestraften und verdächtigen Personen in Ihrem Revier.«
»In einer Stunde können Sie die Liste haben.«
Wir verabschiedeten uns von den beiden Beamten und begaben uns ins Sitzungszimmer, wo die Kollegen von der Mordkommission auf uns warteten.
Sie gaben uns einen Überblick über die bisherigen Ermittlungsergebnisse.
»Stan scheint bereits tot gewesen zu sein, als man ihn in den Park brachte«, sagte Dean Collins. »Nichts deutet darauf hin, dass er am Fundort ermordet wurde. Spuren eines Kampfes sind nicht vorhanden.«
»Hat Stan seine Dienstpistole bei sich gehabt?«, fragte Phil.
»Die Waffe steckte im Schulterhalfter, ist aber nicht benutzt worden.«
»Was ist mit den Profilspuren?«
»Von den bekannteren Wagen haben nur Chevrolet Impala, Ford Galaxie und Mercury Meteor 7,50-14er Reifen. Wir haben die Profilspuren mit Gips ausgegossen. Von den Abgüssen werden im Labor Negativabdrücke angefertigt.«
Wir beauftragten sechs Kollegen damit, am Vormittag die Kraftwagen-Registratur in der Stadtverwaltung aufzusuchen und alle Kfz-Besitzer herauszusuchen, die einen dieser drei Wagentypen fahren.
Für den Stadtteil Manhattan konnten zwanzig- bis dreißiggtausend zusammenkommen.
»Wann ist der Tod eingetreten?«, fragte Phil den Arzt der Mordkommission.
»Zwischen zwanzig und dreiundzwanzig Uhr. Die Schüsse waren nicht sofort tödlich. Stan kann noch zehn Minuten, vielleicht auch noch zwei Stunden gelebt haben.«
»Was ist mit Stans Kleidung? Wer hat die Taschen entleert?«