JOE SCHLÄGT ZURÜCK - Max Brand - E-Book

JOE SCHLÄGT ZURÜCK E-Book

Max Brand

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Beschreibung

Die Gier des Ranchers Hugh Alton nach Land ist unersättlich. Er schreckt selbst vor Gewalttaten nicht zurück, um sein Ziel zu erreichen. Das bekommen auch der junge Joe Good und sein Vater zu spüren. Sie besitzen ein kleines Anwesen, das dem Großrancher schon lange ein Dorn im Auge ist.

In seinem Zorn tötet Alton Joes Vater, um sich das begehrte Land unter den Nagel zu reißen.

Joe kann Altons Männern entwischen. Er reitet in die Stadt, um dem Sheriff von dem Verbrechen des mächtigen Ranchers zu berichten. Aber niemand glaubt dem Jungen, der als leichtlebiger Abenteurer bekannt ist.

Also beschließt Joe, die Sache selbst in die Hand zu nehmen...

 

Max Brand (eigtl. Frederick Schiller Faust - * 29. Mai 1892 in Seattle Heights, Washington; † 12. Mai 1944 in Latium, Italien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Der Roman Joe schlägt zurück erschien erstmals im Jahre 1932; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1978.

Joe schlägt zurück erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX WESTERN.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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MAX BRAND

 

 

Joe schlägt zurück

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex Western, Band 49

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

JOE SCHLÄGT ZURÜCK 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

 

Das Buch

 

Die Gier des Ranchers Hugh Alton nach Land ist unersättlich. Er schreckt selbst vor Gewalttaten nicht zurück, um sein Ziel zu erreichen. Das bekommen auch der junge Joe Good und sein Vater zu spüren. Sie besitzen ein kleines Anwesen, das dem Großrancher schon lange ein Dorn im Auge ist.

In seinem Zorn tötet Alton Joes Vater, um sich das begehrte Land unter den Nagel zu reißen.

Joe kann Altons Männern entwischen. Er reitet in die Stadt, um dem Sheriff von dem Verbrechen des mächtigen Ranchers zu berichten. Aber niemand glaubt dem Jungen, der als leichtlebiger Abenteurer bekannt ist.

Also beschließt Joe, die Sache selbst in die Hand zu nehmen...

 

Max Brand (eigtl. Frederick Schiller Faust - * 29. Mai 1892 in Seattle Heights, Washington; † 12. Mai 1944 in Latium, Italien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Der Roman Joe schlägt zurück erschien erstmals im Jahre 1932; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1978. 

Joe schlägt zurück erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX WESTERN. 

  JOE SCHLÄGT ZURÜCK

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Joe Good hielt auf dem Cronin-Pass an und blickte in eine Welt zurück, dann nach vorn in eine andere. Hinter sich konnte er die baumlosen Berge der Rinderweide rund um Fort Willow sehen. Voraus gab es ebeneres Gelände mit üppigerer Vegetation. Es gab silbern oder golden schimmernde Felder mit heranreifendem Getreide; dazwischen dunklere Flecken umgepflügten Landes. Dieses schachbrettartige Muster wurde durch den Dunst der Ferne verwischt.

Er hielt an dieser hohen Stelle aber auch noch aus anderen Gründen an, als traurig auf eine vergeudete Vergangenheit zurückzublicken, bevor er eine neue Zukunft betrat.

Er hatte sich unterwegs die Zeit damit vertrieben, neue Tricks mit seiner schwarzen Peitsche zu üben. Es war keine gewöhnliche Peitsche mit dickem Griff, der sich allmählich bis zu einer feinen Schnur verdünnte. Diese Schnur war zwar auch vorhanden, aber es war nur ein kurzes Stück; der Rest war gleichmäßig dick, etwa wie ein Bleistift, und mit feinstem Leder überzogen, das noch viel geschmeidiger war als Schlangenhaut; sogar noch geschmeidiger als die von den Mexikanern benutzten reatas mit ihrer Spezialbehandlung.

Diese schwarze Peitsche hatte Joe Good immer bei sich; entweder in der Hand oder in der Tasche. Er hatte sie zum Teil selbst erfunden, nachdem er herausbekommen hatte, dass schwerere Peitschen zu Ungenauigkeit führten. Joe Good aber liebte Genauigkeit genauso sehr wie Lässigkeit. Also hatte er diese schwarze Peitsche nach eigenen Vorstellungen entworfen und hergestellt; um ihr Gewicht und Flexibilität zugleich zu verleihen, hatte er sie mit Bleischrot gefüllt; nicht nur den Griff, sondern bis fast an die Spitze.

Nur der Griff war ein klein wenig dicker, um gut in der Hand zu liegen.

Joe Good hatte unterwegs ständig kleine Tricks mit dieser Peitsche ausgeführt. Gewiss, mitunter hatte er sie auch dazu benutzt, sein Maultier, das mit einem Packen beladen war, anzutreiben, aber das war nur selten nötig gewesen. Dieses Muli hatte zwar die dickste Haut der Welt, aber auf eine Berührung mit dieser magischen Peitsche reagierte es immer sehr schnell. Wenn so ein Tier erst einmal begriffen hatte, was sein Herr mit einer solchen Peitsche anstellen konnte, genügte schon die bloße Drohung damit, um es zu veranlassen, von sich aus jede von ihm verlangte Aufgabe zu erledigen.

Manchmal übte Joe einen Trick, von dem zwar oft gesprochen, der aber nur selten ausgeführt wurde. Er schnippte mit der dünnen Spitze eine Fliege vom Muli, ohne dabei dessen Fell auch nur zu berühren. Dieser Trick gefiel Joe Good ganz besonders. Er hätte ihn gern einmal vor Zuschauern vorgeführt, aber er hatte niemals Zuschauer.

Aber er konnte mit dieser Peitsche auch noch viele andere Dinge tun. So glitt sie manchmal wie von selbst von der rechten über die Schultern in die linke Hand. Mitunter konnte sie sich auch wie eine lebendige Schlange aufrichten, sodass die zweieinhalb Meter Länge von der Spitze aus in die Luft ragte, während der etwas schwerere Griff wie der Kopf einer Schlange einen Moment lang regungslos verharrte.

Manchmal warf er sie hoch, hoch in die Luft, sodass sie wie ein Bleistiftstrich wirkte, und dann fing er sie geschickt am Griff wieder auf, wenn dieser herunterfiel.

Wenn Joe gelegentlich unter einem Baum vorbeikam, machte es ihm Spaß, die Peitsche nach oben schnellen zu lassen und damit einen ganz bestimmten Zweig abzutrennen. Oder er schnippte einzelne Blätter so sauber wie mit dem Messer geschnitten ab.

Am liebsten aber war ihm folgender Trick: Er hielt die zusammengewickelte Peitsche auf einer Handfläche und schleuderte sie wie einen Ball nach einem Baumstamm. Fasziniert beobachtete er, wie sich der Ball auflöste und die geschmeidige Schnur wieder und immer wieder um den Baum wickelte.

Ein Mann, von diesem Ball an der Brust getroffen, würde vielleicht nicht gerade davon umgerissen werden, aber die Schnur würde sich um seinen Körper wickeln und beide Arme an den Seiten zusammenschnüren!

Deshalb lächelte Joe Good auch stets, wenn er diesen Trick ausführte. Es war gar nicht so leicht, wie es aussah. Griff und Spitze der Peitsche mussten sich auf ganz bestimmte Art ausbreiten, sonst klatschte die Schnur einfach gegen den Stamm und fiel schlaff auf den Boden.

Joe Good setzte sich auf einen Stein und holte einen kleinen Zeitungsausschnitt aus der Tasche. Nachdenklich las er zum wer weiß wievielten Male den kurzen Artikel:

 

Heute wurde Vincent Good von Doktor Oliver Wain auf dem Friedhof der bischöflichen Kirche begraben. Sein Sohn Joseph Good nahm an der Beerdigung teil.

Vincent Good war letzten Mittwoch unter tragischen Umständen ums Leben gekommen. Bei einer Prügelei im Saloon hatte er eine Schusswaffe gezogen und Harry Alton ernsthaft verletzt.

Vincent Good wurde von einem provisorischen Aufgebot verfolgt, das aus Vater und Bruder von Harry Alton bestand; Tucker, Dean, Samuel und Christopher Alton schlossen sich der Verfolgung an. Man holte den Flüchtigen im Chalmer’s Creek Canyon ein, wo er sich jedoch einer Verhaftung widersetzte und bei einem Schusswechsel mit dem Aufgebot tödlich verletzt wurde.

Die bischöfliche Kirchengemeinde übernahm die Begräbniskosten.

 

Merkwürdigerweise verweilte Joe Goods Blick am längsten auf dieser letzten Zeile. Die Kirchengemeinde hatte wirklich die Kosten für die Beerdigung übernommen, wenn auch nur sehr widerstrebend und grollend. Aber er – Joe Good – besaß keinen roten Penny.

»Du hast einen falschen Namen!«, hatte ein erzürntes Mitglied dieser Kirchengemeinde zu Joe Good gesagt. »Du solltest nicht Joe Good heißen, sondern No Good! Du taugst nämlich zu gar nichts!«

Aus diesem Grund hatte Joe Good dann auch beschlossen, die Stadt Fort Willow zu verlassen. Aber als er jetzt hier auf diesem Stein saß und über alles nachdachte, schüttelte er zweifelnd den Kopf.

Arbeit und Mühe gab es überall auf der Welt. Vielleicht würde es also doch besser für ihn sein, wieder in die Heimatgemeinde zurückzukehren.

Doch bei dem Gedanken an die Farm sank sein Mut. Es war kein erfreulicher Gedanke. Die Farm konnte zu ihrer Empfehlung allenfalls anführen, dass sie in der Nähe der Stadt lag. Das Land war unfruchtbarer Sandboden, auf dem lediglich Kakteen und Mesquite oder anderes dorniges Gestrüpp und sonstiges Unkraut wucherte. Nur wenn es im Frühjahr ausnahmsweise einmal sehr viel regnete, konnte man ein paar Rinder weiden lassen. Ansonsten hatte man nur ein bisschen Geld damit verdient, dass man das nutzlose Land während der großen Viehtreiben gegen geringes Entgelt an Herdenbesitzer verpachtete.

Gewiss, der Besitz der Goods war früher zwanzigmal so groß gewesen, aber Joes Vater hatte das Land Stück für Stück verkauft, bis nur noch dieses kleine, nutzlose Gelände in der Nähe von Fort Willow übriggeblieben war.

Nicht der Wert des Anwesens ließ Joe Good daran denken, nach Hause zurückzukehren, sondern die Erinnerung an den Mann, der ihm gesagt hatte, dass er eigentlich No Good heißen müsste. Das war nämlich auch ein Alton gewesen; genau wie die Männer, die Joe Goods Vater getötet hatten. Und dieser Gedanke hatte sich wie Stacheldraht im Herzen des jungen Mannes festgehakt. Er mochte daran zerren, so oft und so fest er wollte, aber es gelang ihm nicht, ihn herauszureißen.

Wie jemand, der am Rand des Gelobten Landes steht, betrachtete Joe Good nun das neue Land, das vor ihm lag, und blickte dann grimmig über die Schulter zurück nach Fort Willow Hill.

Dabei sah er einen Hund angetrottet kommen. Das Tier war etwas kleiner als ein Coyote, aber das schwarzweiß gefleckte Fell ließ auf eine Promenadenmischung schließen.

Als der Hund den Mann sah, blieb er stehen und wollte dann einen weiten Umweg machen.

»Ist wohl auch irgendwo mit einem Fußtritt davongejagt worden«, sagte der junge Bursche und stieß einen Pfiff aus.

Sofort klemmte der Hund den Schwanz zwischen die Beine und rannte davon.

Joe Good lachte. Es amüsierte ihn, dass jedes lebende Geschöpf Angst vor ihm hatte; sogar ein Hund. Joe wusste nur allzu gut, dass er nicht viel taugte. Wenn überhaupt mal jemand mit ihm gesprochen hatte, dann meistens über dieses Thema.

»Hallo, Professor!«, sagte Joe.

Der Hund blieb wieder stehen, hob den Kopf und hielt eine Vorderpfote angehoben; offenbar darauf vorbereitet, schleunigst die Flucht vor diesem menschlichen Wesen fortzusetzen.

»Sei nicht dumm, Professor!«, sagte Joe. »Komm her! Sprich mit mir! Ich hab' noch nie jemandem was zuleide getan. Kann ich gar nicht.« Er lachte wieder. Es war tatsächlich sein ganzes Leben lang schon so gewesen. Niemand hatte sich jemals mit ihm gestritten, weil es sich einfach nicht gelohnt hätte. Als Junge war er ziemlich klein gewesen, bis er dann plötzlich innerhalb eines Jahres zu seiner jetzigen Größe gewachsen war; aber selbst, wenn er sich auf die Zehen stellte, war er nicht größer als eins-fünfundsiebzig. Das war nicht viel. Die Männer von Fort Willow waren im allgemeinen fast eins-neunzig. So hatte jeder stets auf Joe Good hinabgeblickt.

Der Hund drehte sich jetzt um, legte den Kopf über eine Schulter und sah den jungen Mann nachdenklich an.

»Ist schon in Ordnung, Bruder«, sagte Joe Good. »Ich kann dich nicht einfangen, aber selbst, wenn ich’s könnte, würde ich dich doch nicht beißen.«

Der Hund setzte sich hin.

»Ich hab' keine Waffe«, sagte Joe. »Aber wenn du anfängst, mich auszulachen, könnte ich dir was zeigen, worüber du staunen wirst!«

Der Hund ließ die rote Zunge noch weiter heraushängen, als wollte er Joe Good tatsächlich herzhaft, wenn auch stumm auslachen.

Joe schüttelte leicht den Arm. Die schwarze Peitsche glitt in seine Hand.

»Wirst du jetzt endlich herkommen, Professor?«, fragte Joe.

Der Hund hob ein wenig den Kopf, dann drehte er sich geradezu unverschämt um und blickte hinter sich, als könnte jemand anders als er gemeint sein.

Diesen Moment benutzte Joe Good für seinen Wurf.

Der Hund sah die blitzschnell durch die Luft schnellende Peitsche und sprang auf, um die Flucht zu ergreifen, aber er kam um einen Sekundenbruchteil zu spät. Der Ball streifte eine Schulter, und sofort legte sich die schwarze Schnur wie dunkle Flüssigkeit um den Körper des Tieres. Der Hund stieß vor tödlichem Entsetzen ein lautes Geheul aus und versuchte abermals zu fliehen, schlug aber zu Boden. Bevor er sich wieder aufrappeln und von der Peitsche befreien konnte, hatte Joe ihn schon am Genick gepackt. Da drückte sich das Tier flach auf den Boden, machte die Augen zu und schien auf die Bestrafung zu warten.

Joe sagte: »Ist schon gut. Bin ja genauso wie du. Mich hat man auch ständig überall herumgestoßen. Meinetwegen brauchst du dir also keine Sorgen zu machen, Bruder. Und du brauchst auch gar nicht so mit den Zähnen zu fletschen! Ich glaube nämlich nicht, dass du mich beißen wirst. Da... hier ist meine Hand, du kleines Biest! Du wirst nicht beißen! Mich nicht! Also, nun mal schön ruhig, verstanden? Wir werden unseren Weg jetzt gemeinsam fortsetzen.«

Er legte dem Hund eine Schlinge der Peitschenschnur wie eine Leine um den Hals und ging mit ihm zum Weg zurück.

Der Professor – Joe Good hatte das Tier so getauft, weil es ein so kleines, kluges Gesicht hatte – zerrte an der provisorischen Leine, aber als der Hund feststellen musste, dass ihm die Luft abgeschnürt wurde, trottete er doch lieber gehorsam mit.

»So, das hätten wir«, sagte der junge Bursche und setzte sich wieder auf den Stein. »Und wohin gehen wir jetzt?«

Professor setzte sich auf, spitzte die Ohren und sah seinen neuen Herrn an.

»Du bist nicht groß genug zum Kämpfen«, sagte Joe. »Und auch sonst verstehst du wohl kaum was. Du bist also ungefähr so wie ich. Was meinst du? Wohin sollen wir von hier aus gehen, he?«

Professor richtete sich plötzlich auf und legte die Vorderpfoten auf Joe Goods Knie. Der Hund leckte dem jungen Burschen die Hand. Dann rannte er in Richtung Fort Willow davon.

»Na, meinetwegen!«, lachte Joe und folgte seinem neuen Freund.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Joe hatte Fort Willow mit einem Muli und mit einer schwarzen Peitsche verlassen. Er kam zurück mit einem Hund, der vorauslief, mit einem Gewehr, das über einer Schulter hing, und mit einem Waffengurt, der samt Revolver um die Hüften geschnallt war. Während der zwanzig Jahre seines bisherigen Lebens hatte Joe Good noch nie ein Erlebnis gehabt, das ihm soviel bedeutet hätte. Er hätte schon ein sehr merkwürdiger junger Bursche sein müssen, wenn ihm das alles nicht Freude bereitet hätte.

Er nahm eine Abkürzung durch die Berge und gelangte zum Haus seines Vaters. Jetzt gehörte es dem Sohn. Während Joe Good das Gebäude betrachtete, wunderte er sich darüber, wieso er es so leichten Herzens hatte aufgeben können.

Gewiss, es war nur ein kleines, baufälliges Gebäude mit vier Räumen, aber es hatte ganz entschieden auch seine guten Seiten. Wenn mit dem Haus selbst schon nicht allzu viel los war, so hatte es immerhin auf Vorder- und Rückseite eine gute, breite Veranda. Das Gras unter den beiden großen Eichen war abgetreten worden. Ein riesiger Feigenbaum überschattete das Dach des Anwesens.

Eine Stelle auf der Veranda war von Stuhlbeinen ganz besonders abgewetzt. Es war der Lieblingsplatz von Vincent Good gewesen. Hier hatte er vom Morgen bis zum Abend gesessen und in Büchern studiert. Er hatte sich unzählige Notizen für das große Werk gemacht, das er eines Tages hatte schreiben wollen. Jahre um Jahre hatte er dieses Material über Sitten und Gebräuche der alten Indianer gesammelt, aber er war niemals dazu gekommen, mehr als die Überschrift des ersten Kapitels niederzuschreiben.

Die einzige Ernte, die auf dieser alten Ranch stets besonders üppig gediehen war, hatte in Müßiggang bestanden. Wozu hätte man sich auch besonders anstrengen sollen? Niemand konnte verhungern, solange es Fische im Fluss gab, der hinter dem Haus dahinfloss, und wenn die Hasen gewissermaßen von selbst an die Küchentür klopften. Zu anderen Jahreszeiten flogen die Enten in ganzen Schwärmen durch die Luft. Ein Melonenfeld lieferte einen Überfluss an Früchten. An den Flussufern reiften die Beeren. Auf einem kleinen Feld hatte Joe Getreide ausgesät.

Wie hatte Vincent Good doch so oft gesagt? Dem alten Haus fehlt weiter nichts als ein frischer Anstrich. 

Joe Good lehnte am vorderen Staketenzaun, nickte und sagte sich, dass sein Vater recht gehabt hatte. Das alte Haus brauchte wirklich mal frische Farbe.

Er brachte das Muli auf die spärliche Weide; um diese Jahreszeit konnte hier wirklich nur ein Muli noch etwas finden. Dann schleppte Joe Good den Packen ins Haus und schlenderte anschließend in die Stadt zum Eisenwarenladen.

Der Besitzer begrüßte ihn mit einem Stirnrunzeln. Jeder in Fort Willow begrüßte Joe Good entweder mit spöttischem Grinsen oder heftigem Stirnrunzeln. Manchmal auch mit beidem.

»Ich möchte das hier in weiße Farbe u mtauschen«, sagte Joe Good und legte den Revolver auf den Ladentisch.

Der Geschäftsmann hob die Waffe auf und untersuchte sie. Der Revolver war noch brandneu und geladen.

»Woher hast du das denn?«, fragte der Ladenbesitzer sehr scharf.

»Irgend so ein Kerl wollte mich heute Vormittag ermorden«, antwortete Joe Good, und ein Funken Wahrheit steckte ja auch in seiner Feststellung. »Da musste ich ihm die Waffen wegnehmen.«

»Du hast ihm die Waffen weggenommen?«, wiederholte der Mann verwirrt. »Wie hast du das denn gemacht?«, fragte er zweifelnd.

Joe Good schüttelte den rechten Arm. Der schwere Knäuel der zusammengerollten Peitsche fiel in seine Hand. Er zeigte sie dem Ladenbesitzer. »Damit!«, sagte er lächelnd.

Er hatte ein nettes, beinahe ansteckend wirkendes Lächeln. Das und seine dunkelblauen Augen waren die einzigen guten Züge in einem schmalen Gesicht, das farblose Augenbrauen unter sehr hellem Kopfhaar aufwies.

Der Ladenbesitzer betrachtete die Peitsche und runzelte erneut heftig die Stirn. Er verstand das alles nicht, aber er begriff, dass er Zeit vergeudete. Die Waffe hatte wirklich einen gewissen Wert. Der Mann gab Joe Good Farbe für den halben Wert und der Junge ging damit zum Haus zurück.

Es war zwar schon recht spät am Nachmittag, aber Joe Good machte sich sofort mit großem Eifer an seine Aufgabe.

Als am Ende des Tages ein Reiter langsam am Good-Anwesen vorbeiritt, sah er erstaunt den frischen, leuchtend weißen Anstrich des alten Hauses. Verwundert sah er etwas genauer hin und stellte fest, dass der junge Joe Good eben dabei war, seine Malerarbeit auf der Veranda zu beenden.

Der Reiter äußerte eine profane Bemerkung. »He, du!«, rief er.

Joe Good drehte sich um. Er hielt den Farbpinsel noch in der Hand. Der kleine Hund neben ihm drehte sich ebenfalls um. Der Junge sah einen Reiter am Tor und erkannte in dem Mann auf dem Pferd niemand anderen als Hugh Alton, den Vater des Burschen, den Vincent Good im Saloon angeschossen und verwundet hatte. Dieser Mann hatte den Suchtrupp angeführt, der am Mittwoch den gesuchten Flüchtling getötet hatte.

Alle Altons waren großartig, aber Hugh Alton war der großartigste Mann von allen. Er war nahezu fünfzig Jahre alt, sah aber noch zehn Jahre jünger aus. Offenbar hielt er sich sehr gut in Form. Er hatte eine schmale Taille und die muskulösen Schultern eines geübten Reiters. Sein Gesicht verriet die noble Schönheit, die alle Altons von ihm geerbt hatten. Er war ein sehr erfolgreicher Rancher, aber jeder, der ihn kannte, wunderte sich, dass er nicht schon längst Gouverneur oder Senator war. Den erforderlichen Verstand für eine solche Position besaß er ganz zweifellos.

Joe Goods Herz begann zu flattern, als er den großen Mann sah. Es flatterte noch schneller, als er sich daran erinnerte, dass Hugh Alton der Mann war, der das Aufgebot angeführt hatte, das den Vater des Jungen getötet hatte.

Schließlich ging Joe Good langsam zum Tor hinüber.

Alton stemmte eine Hand in die Hüfte und blickte missbilligend auf den jungen Burschen hinab. »Ich dachte, du wärst von hier fortgegangen, Joe?«, sagte der Rancher.

»War ich ja auch«, antwortete Joe Good. »Aber ich bin wieder zurückgekommen.«

»Warum?«, fragte Alton. »Glaubst du etwa, aus diesem Sandboden hier etwas herausholen zu können?«

»Für mich ist’s das Zuhause«, erwiderte Joe Good.

Mr. Alton strich sich den Oberlippenbart. Eine charakteristische Geste. Er tat es mit einer behandschuhten Fingerspitze.

Dann sagte er: »Ich bin froh, dass du wieder gekommen bist, Joe. Weißt du, ich war heute Vormittag schon mal hier und hatte gehofft, dich anzutreffen.«

»Was hat Sie denn dazu veranlasst?«, fragte der Junge.

»Ich will dir das Anwesen abkaufen«, sagte der Rancher. »Deswegen bin ich hergekommen.«

»Ach, wirklich?«, fragte Joe Good.

Der junge Bursche sah sich um. »Ich weiß nicht, was Sie damit anfangen wollen«, fuhr Joe Good fort. »Das Haus brauchen Sie nicht. Der Stall hat 'ne kaputte Rückwand. Die hundert Acres Land bringen doch in jedem Jahr kaum ein paar Zentner Heu.«

»Das weiß ich alles«, sagte Alton. »Trotzdem hat das Anwesen für mich einen gewissen Wert.«

»Haben Sie etwa hinten im Fluss Gold gefunden?«, fragte Joe Good grinsend.

»Unsinn!«, entgegnete der Rancher schroff. »Wie gesagt, das Land hat für mich einen gewissen Wert. Mein Besitz würde dann bis an die Straße heranreichen. Das ist ein Vorteil. Ich möchte nicht länger von der Hauptstraße abgeschnitten bleiben, wie ich es im Moment bin.«

Er zeigte zum welligen Gelände, das die Grenze seiner Besitzungen markierte.

»Das wirst du doch sicher verstehen, Joe«, fügte der Rancher zuversichtlich hinzu.

Joe Good blickte in die angedeutete Richtung und erinnerte sich daran, dass dieses Land, soweit das Auge reichte, früher einmal seinem Vater gehört hatte. Jetzt hatten es die Altons, und sie schufen sich damit einen ständigen Strom von Gold.

»Ich kann durchaus verstehen, dass Sie mein Land haben möchten«, sagte Joe Good. Er drehte sich wieder nach dem älteren Mann um.

Plötzlich hatte er den Eindruck, dass Hugh Alton so etwas wie Sympathie und väterliches Mitgefühl erkennen ließ.

Der Junge erinnerte sich daran, dass Hugh Alton Verstand hatte... und mit Verstand konnte man alles auf der Welt erreichen. Aber warum sollte Hugh Alton seinen Verstand damit verschwenden, sich mit einem armen Schlucker wie Joe Good zu beschäftigen? Oder mit dem kümmerlichen Land, das Joe Good gehörte?

Joe Good fiel ein kleines Erlebnis ein, das er heute Vormittag gehabt hatte. Ein Fischadler hatte im Fluss einen großen Fisch gefangen und war damit davongeflogen. Ein Bergadler hatte ihn entdeckt und ihm die Beute abgejagt. So war das wohl immer. Der Stärkere nutzt den Schwächeren aus.

»Ich werde dir einen vernünftigen Preis zahlen, Joe«, fuhr der Rancher fort. »Haus und Stall sind wertlos, wie du ja selbst gesagt hast. Mir werden höchstens Kosten entstehen, weil ich alles abreißen lassen muss. Und der Boden ist auch keinen Penny wert. Das hast du selber gesagt, Joe. Aber ich werde dir trotzdem etwas dafür bezahlen. Teils deswegen, weil ich auf diese Weise meinen Besitz abrunden kann, teils aber auch deswegen, weil du mir ganz einfach leid tust, mein Junge. Natürlich weißt du, dass es am Mittwoch keineswegs aus Bösartigkeit oder Gehässigkeit zu diesem bedauerlichen Zwischenfall gekommen ist. Es war doch nur um die Ergreifung eines flüchtigen Mannes gegangen. Whiskey... damit hat alles angefangen! Dieser teuflische, den Verstand vernebelnde Whiskey! Du weißt ja, dass dein armer Vater dieses Zeug niemals gut vertragen konnte.«

Joe Good starrte den Rancher an. Irgendwie fand es der Junge merkwürdig, dass Hugh Alton sich soviel Mühe machte, ihm das alles ausführlich zu erklären. Wirklich sehr komisch! Joe Good hatte es bisher als selbstverständlich hingenommen, dass sein Vater wieder einmal einen seiner gewohnten Anfälle bekommen hatte, und in dieser Stimmung war er zu heftigster Gewalttätigkeit imstande gewesen. Vincent Good war wegen seines aufbrausenden, jähzornigen Temperaments mehr als tausendmal in Gefahr geraten, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Am letzten Mittwoch war es dann schließlich soweit gewesen. Das war alles.

Aber jetzt machte sich Hugh Alton die Mühe, Joe Good alles eindringlich zu erklären. Darüber konnte sich der junge Bursche nur wundern.

Der große Mann fuhr fort: »Ich werde dir einen Preis für das Land machen, Joe. Hm... was meinst du, wenn ich dir fünf Dollar pro Acre gebe? Das macht insgesamt fünfhundert Dollar, Joe!« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Wir haben gerade noch Zeit genug, um die Sache in der Stadt perfekt zu machen.« Er nahm die Zügel auf, als wollte er sofort aufbrechen.

Wieder musste Joe Good an den Zwischenfall mit den beiden Adlern denken. Täuschte er sich... oder hatte er eben das Rauschen von Flügelschlägen gehört? Wie der große Adler über den kleineren hergefallen war?

Natürlich waren fünfhundert Dollar sehr viel Geld. Soviel waren das baufällige Anwesen und das Land ganz bestimmt nicht wert.

Aber Joe Good schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass ich an diesem Angebot interessiert bin«, sagte der junge Mann.

»Was...?!«, rief Alton. »Nicht interessiert? Unsinn, Joe! Du wirst doch hoffentlich nicht so dumm sein und fünfhundert Dollar ausschlagen, he?«

Joe Good lächelte, aber es wirkte gar nicht heiter. »Ich glaube, ich werde das Anwesen behalten«, sagte er.

»Junger Mann!«, sagte Alton. »Du glaubst doch nicht etwa, dass ich mit dir handeln werde? Dass ich dir ein niedriges Angebot gemacht habe, das ich erhöhen werde?«

»Nein, aber Sie sehen, wie die Dinge sind«, sagte Joe Good. »Ich habe das Haus eben frisch gestrichen. War' doch schade um die schöne Farbe, nicht wahr? Und auch um die Arbeit, die ich mir gemacht habe. Meinen Sie nicht auch, Mr. Alton?«

Mr. Alton starrte den jungen Burschen durchdringend an. Dann explodierte er: »Dummkopf!« 

Wütend trieb er sein Pferd vorwärts.