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Die kleine Heidi, der Geißenpeter und der Alm-Öhi, Klara in ihrem Rollstuhl und das strenge Fräulein Rottenmeier: Jedes Kind kennt sie. Das Mädchen nimmt seine jungen Leserinnen und Leser mit in ihre Bergwelt und zu den Menschen dort. Johanna Spyri hat ihre Abenteuer in zwei berühmten Büchern geschildert, die in den Jahren 1880/81 erschienen. Sie erzählen die Geschichten von Heidis Erlebnissen in den Schweizer Bergen und bei der Familie Sesemann in Frankfurt. Dieser Band umfasst die gesamte Heidi-Romanwelt im Original.
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Seitenzahl: 444
Johanna SpyriHeidi
Johanna Spyri
Vollständige Ausgabe
Erster und Zweiter Teil
Anaconda
Spyris Roman erschien zuerst 1880 bei Perthes in Gotha unter dem Titel Heidi’s Lehr- und Wanderjahre. Eine Geschichte für Kinder und auch für Solche, welche die Kinder lieb haben. Der Text folgt der Ausgabe Berlin:
A. Weichert o. J. [um 1935], Orthografie und Interpunktion wurdenden Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst.
© 2013 Anaconda Verlag GmbH, Köln
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlagmotiv: Farbdruck nach einem Aquarell von M. Wulff,
Frontispiz der oben genannten Ausgabe
Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de
eISBN 978-3-7306-9117-5
ISBN 978-3-86647-931-9
www.anacondaverlag.de
Vom freundlich gelegenen alten Städtchen Mayenfeld aus führt ein Fußweg durch grüne, baumreiche Fluren bis zum Fuße der Höhen, die von dieser Seite groß und ernst auf das Tal herniederschauen. Wo der Fußweg zu steigen anfängt, beginnt bald das Weideland mit dem kurzen Gras und den kräftigen Bergkräutern dem Kommenden entgegenzuduften, denn der Fußweg geht steil und direkt zu den Alpen hinaus.
Auf diesem schmalen Bergpfade stieg am hellen, sonnigen Junimorgen ein großes, kräftig aussehendes Mädchen dieses Berglandes hinan, ein Kind an der Hand führend, dessen Wangen in solcher Glut standen, dass sie selbst die sonnverbrannte, völlig braune Haut des Kindes flammenrot durchleuchtete. Es war auch kein Wunder: Das Kind war trotz der heißen Junisonne so verpackt, als hätte es sich eines bitteren Frostes zu erwehren. Das kleine Mädchen mochte kaum fünf Jahre zählen; welches aber seine natürliche Gestalt war, konnte man nicht ersehen, denn es hatte sichtlich zwei, wenn nicht drei Kleider übereinander angezogen und drüberhin ein großes rotes Baumwollentuch um und um gebunden, sodass die kleine Person eine völlig formlose Figur darstellte, die, in zwei schwere, mit Nägeln beschlagene Bergschuhe gesteckt, sich heiß und mühsam den Berg hinaufarbeitete. Eine Stunde vom Tal aufwärts mochten die beiden gestiegen sein, als sie zu dem Weiler kamen, der aus halber Höhe der Alm liegt und »im Dörfli« heißt. Hier wurden die Wandernden fast von jedem Hause aus angerufen, einmal vom Fenster, einmal von der Haustür und einmal vom Wege her, denn das Mädchen war in seinem Heimatort angelangt. Es machte aber nirgends halt, sondern erwiderte alle ihm zugerufenen Grüße und Fragen im Vorbeigehen, ohne stillzustehen, bis es am Ende des Weilers bei dem letzten der zerstreuten Häuschen angelangt war. Hier rief eine Stimme aus einer Tür: »Wart einen Augenblick, Dete, ich komme mit, wenn du weiter hinaufgehst.«
Die Angeredete stand still; sofort machte sich das Kind von ihrer Hand los und setzte sich aus den Boden.
»Bist du müde, Heidi?«, fragte die Begleiterin.
»Nein, es ist mir heiß«, entgegnete das Kind.
»Wir sind jetzt gleich oben; du musst dich nur noch ein wenig anstrengen und große Schritte nehmen, dann sind wir in einer Stunde oben«, ermunterte die Gefährtin.
Jetzt trat eine breite, gutmütig aussehende Frau aus der Tür und gesellte sich zu den beiden. Das Kind war aufgestanden und wanderte nun hinter den zwei alten Bekannten her, die sofort in ein lebhaftes Gespräch gerieten über allerlei Bewohner des »Dörfli« und vieler umherliegenden Behausungen.
»Aber wohin willst du eigentlich mit dem Kinde, Dete?«, fragte jetzt die neu Hinzugekommene. »Es wird wohl deiner Schwester Kind sein, das hinterlassene.«
»Das ist es«, erwiderte Dete, »ich will mit ihm hinauf zum Öhi, es muss dort bleiben.«
»Was, beim Alm-Öhi soll das Kind bleiben? Du bist, denk ich, nicht recht bei Verstand, Dete! Wie kannst du so etwas tun! Der Alte wird dich aber schon heimschicken mit deinem Vorhaben!«
»Das kann er nicht, er ist der Großvater, er muss etwas tun; ich habe das Kind bis jetzt gehabt, und das kann ich dir schon sagen, Barbel, dass ich einen Platz, wie ich ihn jetzt haben kann, nicht dahinten lasse um des Kindes willen; jetzt soll der Großvater das Seinige tun.«
»Ja, wenn der wäre wie andere Leute, dann schon«, bestätigte die breite Barbel eifrig; »aber du kennst ja den. Was wird der mit einem Kinde anfangen und dann noch mit einem so kleinen! Das hält’s nicht aus bei ihm! Aber wo willst du denn hin?«
»Nach Frankfurt«, erklärte Dete, »da bekomm ich einen extra guten Dienst. Die Herrschaft war schon im vorigen Sommer unten im Bad, ich habe ihre Zimmer auf meinem Gang gehabt und sie besorgt, und schon damals wollten sie mich mitnehmen, aber ich konnte nicht fortkommen; und jetzt sind sie wieder da und wollen mich mitnehmen, und ich will auch gehen, da kannst du sicher sein.«
wurde immer grimmiger und
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