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Ein packender Thriller Seine Idee, Privatdetektiv zu werden, findet Johnny Delgado genial: schöne Mädchen, die ihn um Hilfe bitten, und obendrein noch jede Menge Geld. Aber dann erhält er seinen ersten Auftrag. Er soll einen Typen beschatten, der ausgerechnet Anführer der Gang in seinem Viertel ist – und der spielt ein dreckiges Spiel ...
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Seitenzahl: 58
Kevin Brooks
Johnny Delgado - Im freien Fall
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
Deutscher Taschenbuch Verlag
Dieses Buch ist für dich, Mum
Alles begann mit einem kleinen Problem. Es war Freitagabend, so gegen sechs, und ich saß am Schreibtisch in meinem Zimmer. Mein Zimmer ist klein, genau wie die ganze Wohnung. Sie liegt im 16. Stock einer Hochhaussiedlung im Süden von London. Regen sprühte gegen das Fenster. Im Zimmer selbst war es heiß und stickig.
Aber das war nicht das Problem.
Das Problem war folgendes. Auf meinem Bett saß das schönste Mädchen der Welt. Und das zweitschönste Mädchen der Welt saß neben ihr. Und beide trugen sehr enge Sachen.
Das war das Problem.
Sie hießen Carly (Schönste) und Bex (Zweitschönste). Sie saßen schon seit zwanzig Minuten oder so auf meinem Bett. Und sie erzählten mir von einem Jungen namens Lee Kirk. Jedenfalls glaube ich, dass sie mir von ihm erzählten. Wegen der zwei schönsten Mädchen der Welt, die auf meinem Bett saßen, konnte ich mich nur schwer konzentrieren.
»Und?«, fragte mich Carly. »Was ist?«
»Hä?«, fragte ich zurück.
»Was ist?«, wiederholte sie. »Willst du nun den Job oder nicht?«
»Welchen Job?«
Sie schüttelte den Kopf. »Haben wir dir doch gerade erklärt. Was ist los mit dir? Wir haben dir das Ganze doch vor fünf Minuten erzählt.«
So redete sie – und grinste dabei ständig, als ob alles, worüber sie redete, dämlich wäre. Und wenn sie grinste, kräuselte sich ihre Lippe in den Mundwinkeln. Irgendwie machte sie das nur noch schöner.
»Was glotzt du denn so?«, fragte sie grinsend.
»Ach, nichts«, antwortete ich. »Vergiss es. Ich hab nur …«
»Was?«, fragte Bex. »Du hast nur was?«
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, deshalb saß ich bloß stumm da und starrte auf meinen Schreibtisch. Das Problem war, ich wusste, dass sie nicht wirklich die schönsten Mädchen der Welt waren, aber so oft hatte ich keine Mädchen bei mir im Zimmer … wenn du verstehst, was ich meine. Es machte mich nervös, brachte mich ganz durcheinander.
Carly war etwa 17, schätze ich. Sie war groß und dünn und hatte glänzende braune Haare und wahnsinnige blaue Augen. Sie hatte so einen Blick … du weißt schon, so einen Blick, dass dir die Knie weich werden und du dir total dämlich vorkommst. Bex war jünger – etwa so alt wie ich –, ungefähr 15. Sie war klein und blond, mit vollen Lippen und überall Rundungen. Beide hatten jede Menge Make-up im Gesicht und beide kauten lautstark Kaugummi. Und wie ich schon sagte, beide saßen in sehr engen T-Shirts und Jeans auf meinem Bett.
»Hör zu«, sagte Carly seufzend, »ich will bloß, dass du rausfindest, ob sich Lee mit diesem Mädchen trifft.«
»Mit welchem Mädchen?«, fragte ich.
»Dem Mädchen, von dem ich dir gerade erzählt hab.«
»Ach so, ja … klar. Und Lee ist dein Freund?«
»Ja«, sagte Carly. »Lee ist mein Freund.«
»Lee Kirk.«
»Ja, Lee Kirk. Ich will, dass du ihm morgen Abend folgst und rausfindest, wo er hingeht.« Carly zog ein Foto aus ihrer Tasche und reichte es mir. »Das ist er«, sagte sie. »Der auf dem Foto. Hinten hab ich dir die Adresse draufgeschrieben. Er wohnt im West Tower. 13. Stock.«
Das Foto zeigte einen hart aussehenden Typen mit schmalen dunklen Augen und schmuddeligen blonden Haaren. Ich war ihm schon in der Siedlung begegnet. Ich wusste, wer er war.
»Bis sieben bin ich mit ihm zusammen«, erzählte mir Carly, »danach zieht er angeblich mit seinen Kumpeln rum.«
»Aber du glaubst, er trifft sich mit diesem Mädchen?«
»Ja – sie ist eine widerliche kleine Schlampe und heißt Tanya Nicols. Sie wohnt auch im West Tower. Im ersten Stock. Ich will, dass du oben im 13. auf Lee wartest und ihm dann folgst, um zu sehen, wo er hingeht. Wenn er zu ihr in die Wohnung geht, warte dort und schau, wie lange er bleibt. Wenn sie zusammen losziehen, bleib an ihnen dran.« Sie schniefte und ließ ihr Kaugummi platzen, dann wischte sie sich die Nase am Handrücken ab und warf mir einen Blick zu: »Meinst du, du kriegst das hin?«
»Ja«, antwortete ich. »Glaub schon.«
»Gut.« Sie schob noch mal ihre Finger in die Tasche ihrer Jeans. Diesmal zog sie eine Handvoll Bargeld heraus. »Wie viel verlangst du?«
Noch ein Problem. Seit einiger Zeit hatte ich in der Siedlung gestreut, dass man mich als Privatdetektiv anheuern könne. Ja, ich weiß, klingt bescheuert. Ich erzähl dir später, wie es dazu gekommen war. Im Moment will ich dir bloß von meinem nächsten Problem erzählen. Das Problem war folgendes. Bisher hatte mich noch kein Mensch angeheuert. Deshalb hatte ich mir auch noch nicht so richtig überlegt, was ich für das, was ich tat, verlangen sollte. Aber das mussten Carly und Bex ja nicht wissen. Ich musste also blitzschnell überlegen. Wie viel sollte ich nehmen?
»Na ja«, sagte ich, »kommt drauf an …«
»Kommt auf was an?«, fragte Carly.
»Keine Ahnung. Was meinst du, wie lange ich für den Job brauche?«
Carly schüttelte den Kopf und schaute zu Bex. Die beiden grinsten sich an, als ob sie wüssten, dass ich nur Zeit schinden wollte.
»Was ist denn die Obergrenze, die so was kosten kann?«, fragte Carly.
»Keine Ahnung …«
»Nehmen wir an, es dauert fünf Stunden.«
»Fünf Stunden?«, fragte ich.
»Ja – von sieben bis zwölf. Wenn du Lee also fünf Stunden lang überwachst, wie viel kostet das?«
Ich musste jetzt endlich was sagen. Also wählte ich einfach irgendeine Zahl. »Fünfzig Pfund?«, fragte ich.
Carly nickte. Sie zählte ein paar Scheine ab und reichte sie Bex.
Bex stand auf und kam zu mir rüber. Ich konnte einfach nicht wegschauen bei ihrem Gang – den wackelnden Hüften, den wackelnden Rundungen, dem ganzen Gewackel. Sie kam genau auf mich zugewackelt und warf das Geld neben mich auf den Tisch. Dann legte sie die Hände auf ihre Hüften, stand da und starrte mich an. Mit ihren vollen Lippen und ihren ganzen Rundungen.
»Wo ist euer Bad?«, fragte sie und schaute zu Carly.
»Hä?«
»Das Badezimmer. Wo es ist?«
Ich wurde rot. »Äh … einfach den Flur entlang«, sagte ich. »Und dann links.«
Sie grinste mich an, dann drehte sie sich um und wackelte durchs Zimmer zur Tür hinaus.
Ich schaute hinüber zu Carly.
Sie grinste mich an.
Ich lächelte zurück.
Ihr Grinsen verschwand.
»Was glotzt du denn so?«, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Ach, nichts.«
Als Carly und Bex weg waren, blieb ich noch eine Weile in meinem Zimmer und dachte darüber nach, was ich soeben getan hatte. Was hatte ich getan? Also gut, ich hatte mir einen Auftrag an Land gezogen. Meinen ersten bezahlten Job. Ich hatte 50 Pfund für ein paar Stunden Arbeit an einem Samstagabend bekommen. Das hatte ich getan. Aber war ich glücklich? Nein. Ich war überhaupt nicht glücklich. Denn genau genommen war das, was ich soeben getan hatte, dämlich.
Ich hatte das Ganze nicht richtig durchdacht.