Finn Black - Der falsche Deal - Kevin Brooks - E-Book

Finn Black - Der falsche Deal E-Book

Kevin Brooks

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Beschreibung

Schnell, spannend, short – dtv shorts! Finn steht der monatliche Besuch bei seinem Vater bevor. Wie jedes Mal werden sie vor der Glotze hängen und langsam aber sicher verstauben vor Langeweile. Das Allerletzte, was er erwartet, ist ein Mädchen, das durch die Hintertür bricht. Ein Mädchen mit einer Pistole. Und einer Tasche voller Geld.

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Seitenzahl: 72

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Kevin Brooks

Finn Black

Der falsche Deal

Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Hier drinnen ist kein Sommer

Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, aber wenn ich eine Geschichte lese, möchte ich von Anfang an wissen, worum es geht. Ich muss nicht alles wissen. Ich will auch keine Dinge wissen, die nicht unmittelbar zur Geschichte gehören. Aber es muss von der ersten Seite an klar sein, was Sache ist. Ich will Fakten. Ich will wissen, wer wer ist und was was …

Und dann will ich weiterlesen.

Das heißt: Wenn es für dich okay ist, mache ich’s hier genauso.

Ich beginne damit, wer wer ist.

Da bin zuerst mal ich.

Name: Finn Black

Alter:15

Aussehen: groß, dunkelhaarig, gut aussehend, charmant

Ups – hab wohl ein bisschen geträumt. Also noch mal von vorn.

Name: Finn Black

Alter:15

Aussehen: normal

Schon besser.

Als Nächstes – mein Dad.

Name: Alfred Black

Alter:35

Aussehen: langweilig

Drittens – Dads Vater – mein Großvater.

Name: Ronald Black

Alter:57

Aussehen: schmuddelig, geistesgestört, traurig, habgierig

Und als Letztes – Großvaters Dad – mein Urgroßvater.

Name: Albert Black, von allen nur Grag genannt

Alter: so gut wie tot

Aussehen: schwer zu sagen. Steht nie aus seinem Sessel auf und spricht auch nie.

Okay – das ist schon mal, wer wir sind. Das Wo und Was ist ganz einfach. Es ist Samstagnachmittag, das letzte Juniwochenende. Und wir vier sitzen in Großvaters Wohnzimmer und schauen fern.

Es ist kurz vor vier und wir sitzen hier bereits seit Mittag. Ich langweile mich zu Tode. Draußen höre ich Kinder auf der Straße spielen. In der Ferne bimmelt ein Eiswagen. Aus einem Autoradio in der Nähe wummern Hip-Hop-Beats. Ich stelle mir die heiße Sommersonne vor, wie sie aus einem strahlend blauen Himmel herunterknallt …

Aber das passiert alles draußen.

Hier drinnen, in diesem uralten staubigen Zimmer, sind die Vorhänge zugezogen und die Außenwelt ist meilenweit weg.

Hier drinnen existiert kein Sommer. Das Einzige, was es hier drinnen gibt, ist Pferderennen im Fernsehen, abgestandene Luft und drei lebende Leichen – Dad, Großvater und Grag, der bis auf seine gelegentlichen Fürze in der letzten halben Stunde keinen Laut von sich gegeben hat. Die drei sagen nie was, sondern sitzen bloß einfach da. Dad und Großvater hängen zusammen im Sofa. Und Grag sitzt in seinem abgegrabbelten alten Sessel. Alle drei starren mit leerem Blick auf den Fernseher. Es ist, als würden sie aus allem ringsum das Leben saugen …

Es zieht mich total runter.

Leben die drei überhaupt noch?

Wär mir ja egal, wenn sie nicht meine Familie wären – mein eigen Fleisch und Blut. Jedes Mal wenn ich zu ihnen rüberschaue, frage ich mich, ob ich mit den Jahren wohl auch so werde. Sieht so meine Zukunft aus? Der Gedanke schaudert mich. Ich will nicht so enden wie die. Ich will nicht alt sein. Ich will nicht mal daran denken, alt zu sein.

Also sage ich mir: Hör auf, dran zu denken. Denk an was anderes.

Und an was?

Keine Ahnung … egal was. An Amy zum Beispiel …

Nee, an die will ich nicht denken.

Wieso denn nicht? Nur weil …

Hör auf.

Die letzten zwei Worte sind so klar und deutlich in meinem Kopf, dass ich für einen Augenblick überlege, ob ich sie vielleicht laut gesagt habe. Wär mir echt peinlich, deshalb schaue ich vorsichtig hoch. Hat einer von den dreien da irgendwas mitgekriegt?

Nee, alles in Ordnung – sie starren noch immer auf ihren Fernseher.

Verstehst du, die würden sich nicht mal rühren, wenn nebenan eine Bombe explodiert. Die kriegen null mit.

Zurück zu Amy. Das ist meine Freundin … oder besser gesagt, war meine Freundin. Ehrlich gesagt hab ich nur zweimal mit ihr gesprochen.

Das erste Mal war letzte Woche, als ich sie gefragt hab, ob wir uns heute Abend an der Bushaltestelle treffen wollen.

Das zweite Mal war, als sie gestern Abend angerufen und mir gesagt hat, sie hätte was Besseres vor.

Ich höre mich sagen: »Können wir vielleicht mal die Vorhänge aufziehen?«

Keine Antwort.

»Dad?«, frage ich.

»Was ist?«, knurrt er.

»Können wir mal die Vorhänge aufziehen?«

»Nein«, antwortet Großvater und starrt dabei weiter in den Fernseher.

»Aber es ist so ein toller Tag draußen.«

»Lass sie zu«, murmelt Großvater.

Ich schaue Dad an.

Dad meint: »Die Sonne ist zu hell. Das blendet auf dem Fernseher.«

»Tut mir in den Augen weh«, ergänzt Großvater.

»Okay«, sage ich.

Und wir versinken wieder in Schweigen.

Was mache ich hier?

Ich besuche meinen Dad immer am letzten Samstag des Monats. Ich will das eigentlich nicht, und ich glaube auch nicht, dass er’s will, aber ich bin jetzt schon so lange an diesen Samstagen hergekommen, dass wir gar nicht mehr groß drüber nachdenken.

Es ist einfach so. Wir tun es einfach. Am letzten Samstag eines Monats steige ich jedes Mal in den Bus und rumple durch die Stadt, um meinen Dad zu treffen.

Ich muss nicht. Ich meine, es zwingt mich nichts. Meine Eltern sind nicht mal richtig geschieden. Sie leben nur einfach nicht zusammen. Schon seit sieben Jahren nicht mehr.

Ich erinnere mich, wie Mum zu Dad gesagt hat: »Wozu Scheidung? Keine Frau, die nicht von allen guten Geistern verlassen ist, wird dich je haben wollen, und ich werde nicht um sämtliche Reichtümer dieser Erde noch einmal heiraten. Lass uns das Geld nicht für irgendwelche Scheidungsanwälte vergeuden. Ich bleibe mit Finn hier und du kannst zu deinem Dad ziehen. Wir lassen also einfach alles so, wie es ist – okay?«

»Aber …«, sagte Dad.

»Okay?«

»Ja.«

Und damit fertig.

Das heißt, es ist nur aus Gewohnheit, dass ich jetzt hier sitze, bei Dad, und mich zu Tode langweile. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte. Ich muss nicht hierbleiben. Ich kann gehen, wann immer ich will. Ich könnte auch … jetzt sofort gehen.

Das Problem ist nur, ich bleibe immer zum Tee, und wenn ich jetzt gehe, werden sie alle Fragen stellen.

Was ist los, Finn?

Wieso gehst du schon?

Ich will keine Fragen. Fragen bedeuten Antworten und Antworten bedeuten Lügen. Ich hab keinen Bock, mir irgendwelche Lügen auszudenken.

Aber ich will nicht bis zum Tee bleiben. Tee trinken wir immer so gegen fünf und das ist noch fast eine Stunde hin. Ich muss zur Frittenbude laufen, wieder zurück, die Fritten verteilen, warten, bis alle fertig sind, Tee kochen, dann noch mal Tee kochen … und bis ich fertig bin, ist es fast sechs.

Sechs Uhr?

Auf gar keinen Fall, sage ich mir. Sechs Uhr, das ist noch zwei Stunden hin. Zwei Stunden dieses Elend? Soll das ein Witz sein? Ich halte es hier keine weiteren zwei Stunden aus. Wenn ich noch zwei Stunden hier sitze …

Dann …

KRACH!

»Was war das?«, fragt Dad. Er schaut zur Tür.

»Gartentür«, sage ich und steh auf. »Ich glaub …«

PENG!

Die Gartentür schlägt wieder zu …

KLACK – KLACK

… und jemand verriegelt sie.

Dad dreht sich zu Großvater um. »Erwartest du jemanden?«

Großvater schüttelt den Kopf.

Und dann starren wir alle zur Tür. Wir horchen angestrengt auf die Schritte, die den Flur durchqueren und schnell aufs Wohnzimmer, also auf uns zukommen. Die Zeit scheint stehen zu bleiben. Keiner rührt sich. Keiner sagt was. Es gibt keine Zeit. Es gibt nur die Schritte – klomp, klomp, klomp.

Hat wahrscheinlich nichts zu bedeuten …, überlege ich langsam.

Dann platzt jemand ins Zimmer, total schwarz angezogen, mit Motorradhelm auf dem Kopf, und richtet eine Pistole auf meinen Schädel.

Mein Kopf ist wirr und leer

»Hey!«, brüllt der Fremde und stößt die Pistole in meine Richtung. »Keine Bewegung … stehen bleiben … Klappe halten … hinsetzen …«

»Was?« ist das Einzige, was ich herausbringe.

»HINSETZEN!«

Ich setze mich hin.

Gelähmt.

Schockiert.

Und ohne eine Vorstellung, was ich tun soll.

Der Fremde ist ganz in Schwarz gekleidet – schwarze Lederhose, schwarze Lederjacke, schwarze Lederstiefel und schwarzer Motorradhelm. Der Helm hat ein getöntes Visier, sodass ich nicht erkennen kann, wer ihn trägt, aber die Stimme klingt weiblich – da bin ich mir sicher. Es muss eine Frau sein … vielleicht auch ein Mädchen. Sie ist nicht sonderlich groß. Ungefähr so wie ich. Schlank, nur mit Kurven, kleine Füße und kleine Hände …

»Was glotzt du?«, keift sie.

»Nnn … nichts«, antworte ich und schaue blitzschnell nach unten.

Dad sagt zu ihr: »Was willst du, Mädchen, was hast du vor?«

»Klappe halten und hinsetzen«, erklärt sie und geht hinüber zum Fenster.

Während sich Dad hinsetzt, schaue ich wieder hoch und beobachte, wie das Mädchen durchs Zimmer geht. Ein kleiner Rucksack hüpft ein bisschen an ihrem Rücken auf und ab. Sie bleibt neben dem Fenster stehen, mit dem Rücken zur Wand. Dann zieht sie vorsichtig den Vorhang weg und späht nach draußen.