2,99 €
Man hat viel über die Juden geschrieben, aber erst seit einem halben Jahrhundert hat man angefangen sie ohne Voreingenommenheit, ja mit Interesse zu betrachten. Bis dahin waren ihre grossartigen wechselvollen Schicksale im Alterthum und ihr langes Märtyrerthum nach und während ihrer Zerstreuung nur von Gelehrten und Geschichtsforschern in parteiischen, von Leidenschaft getränkten Werken gewürdigt worden, die der jüdischen Rasse oft mehr feindlich als sympathisch gesinnt waren.
Unter der Einwirkung der liberalen und humanitären Ideen, welche jetzt die Welt beherrschen, werden die barbarischen Vorurtheile, welche die Juden ausnahmslos als Parias betrachteten, bald gänzlich verschwunden sein. Ueberall weichen diese Vorurtheile von den Fortschritten der Freiheit und Zivilisation zurück; man findet sie nur noch und zwar sehr abgeschwächt, in einigen Provinzen des östlichen Europas. Sonst geniessen die Juden überall, wo Freiheit herrscht und besonders in den westlichen Staaten in Frieden alle Vorrechte des freien Mannes, gerade so wie sie dessen Rechte ausüben und dessen Pflichten erfüllen. Sie hängen aufrichtig an dem Lande, in dem sie geboren wurden, ohne jedoch im geringsten die Lebensfähigkeit ihrer Rasse einzubüssen, ohne ihre traditionellen Gefühle zu verleugnen, ohne die Gemeinschaft mit den über die ganze Erde zerstreuten Brüdern aufzuheben. Sie lieben ihr Vaterland und dienen ihm treu.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Vorwort.
ISRAEL.
Bessure towe.
Lewana.
Der Buchbinder von Hort.
Rabbi Abdon.
Das Mahl der Frommen.
David und Abigail.
Schimmel Knofeles.
Galeb Jekarim.
Wie Slobe ihre Schwester verheirathet.
Frau Leopard.
Der schöne Kaleb.
Gelobt sei Gott, der uns den Tod gegeben!
Schalem Alechem.
Machscheve.
Der Todesengel.
Haman und Esther.
Die Erlösung.
Das Trauerspiel im Rosengässchen.
Kätzchen Petersil.
Der falsche Thaler.
Zwei Aerzte.
Die Iliade von Pultoff.
Die Geschichte von der römischen Matrone.
Du sollst nicht tödten.
Bär und Wolf.
Zweierlei Adel.
Fußnoten:
– TÜRKEI. –
Das Mondheiligen. – Befreiung aus der Sklaverei.
In einer jener engen dunklen Strassen des alten Belgrad, die zugleich ein Bazar, ein Paradies Muhameds und ein Schlupfwinkel des Verbrechens sind, befand sich ein kleines Kaffeehaus, das von einer Italienerin, Frau Peregrino, gehalten wurde. Hier sass eines Abends ein junger Mann in ein Wiener Journal vertieft, während ringsum Geschäfte aller Art verhandelt wurden und im Hinterzimmer Zigeuner ihre wilden Weisen spielten, gluthäugige Zigeunerinnen die Tambourine schwangen und tanzten.
Plötzlich legte ihm die Wirthin die Hand auf die Schulter und flüsterte: »Sie sind immer so traurig, Herr Bukarest, was haben Sie denn eigentlich?«
»Ich möchte fort«, gab er zur Antwort.
»Weil Sie das Mädchen, das Sie lieben, nicht bekommen können.«
Nahum Bukarest zuckte die Achseln. »Mein Oheim ist Kaufmann in Konstantinopel«, sagte er, »ich will zu ihm reisen. Können Sie mir sagen, wie ich am billigsten hinkomme.«
»Oh! das trifft sich sehr gut«, erwiderte die Wirthin, »hier ist eine Dame, die Sie schon mehrmals gesehen hat und Gefallen an Ihnen findet. Ihr Vater ist Kapitän, er wird Sie auf sein Schiff nehmen. Kommen Sie.«
Frau Peregrino führte den jungen, hübschen Israeliten in ein kleines Kabinet, in dem nur ein türkischer Divan stand. Auf diesem sass ein schönes Weib in halborientalischer Tracht und begrüsste Nahum mit einem koketten Lächeln. Die Wirthin sprach von seinen Plänen und liess ihn dann mit der schlanken Schönen allein. Diese zog ihn zu sich auf die schwellenden Kissen, und während sie heiter plauderte, fühlte Nahum mehr und mehr die Macht ihrer fremdartigen Reize und befand sich endlich in einer Art von Opiumrausch, von anmuthig phantastischen Bildern umgaukelt.
Es wurde abgemacht, dass er mit Varsava, so hiess die Fremde, und ihrem Vater, dem griechischen Kapitän Trifoniades, nach dem goldenen Horn segeln sollte, und als die Schöne das Kaffeehaus verliess und Nahum sie begleitete, schlang sie plötzlich auf der dunklen Strasse die Arme um seinen Hals und küsste ihn.
Am folgenden Abend erschien der Kapitän in demselben Kaffeehaus und vereinbarte mit Nahum das Reisegeld. Es war in der That sehr wenig, was er verlangte, so dass Nahum von der Summe, die er zur Verfügung hatte, noch einen beträchtlichen Theil in seiner Tasche behalten konnte.
Er fand diesmal Varsava in dem kleinen Kabinet in Gesellschaft von drei jungen bildhübschen Mädchen, von denen zwei Ungarinnen waren, während die Dritte aus Serbien stammte. Varsava hatte ihnen gute Stellen in Konstantinopel zugesichert. Die eine sollte in einem Konfektionsgeschäft, die zweite als Kassiererin in einem Kaffee, die dritte als Kammerjungfer bei einer österreichischen Gräfin eintreten.
»Sehen Sie, mein Freund,« rief Varsava, »was Sie für eine reizende Reisegesellschaft haben werden. Ich fürchte, dass Sie mir untreu werden.«
Nahum erröthete und Varsava gab ihm einen leichten Schlag mit der Hand, der beiläufig sagen wollte: Oh! ich bin Deiner vollkommen sicher.
Zwei Tage später bestiegen alle zusammen das Schiff des Kapitän Trifoniades und fuhren die Donau hinab. Varsava beschäftigte sich viel mit Nahum. Sie wechselte Blicke mit ihm, welche ihm die kühnsten Hoffnungen erweckten und erlaubte sich eine Reihe kleiner Vertraulichkeiten, welche den jungen, unerfahrenen Mann mit unsichtbaren magischen Schlingen umgaben.
Es wurde Abend, als sie die Donaumündung verliessen. Mitten in der Nacht, im offenen Meer, steuerte ein anderes Schiff auf sie zu. Die beiden Kapitäne wechselten Zeichen, dann legten sich ihre Fahrzeuge gegen einander, und der Grieche hiess Nahum und die drei Mädchen auf das fremde Schiff übersteigen.
»Weshalb?« fragte Nahum erstaunt, »Was soll denn dies bedeuten?«
»Fragen Sie nicht erst lange,« rief Varsava, »kommen Sie.«
Sie ging voran über die Brücke, die man von Bord zu Bord gelegt hatte und die Anderen folgten.
Während der Grieche weitersegelte, gab die seltsame Schöne Nahum einen Wink ihr zu folgen und führte ihn in eine geräumige Kajüte, die einem kleinen Harem glich, mit ihren türkischen Divans, ihren persischen Teppichen und ihren weichen Pantherfellen. Varsava streckte sich auf den goldgestickten Kissen aus, betrachtete den immer mehr verwunderten Nahum mit einem spöttischen Lächeln und sprach: »Jetzt bist Du mein.«
Zugleich rauschte der Teppich, welcher den Eingang schloss, und ein kräftiger hübscher Mann, in armenischer Tracht trat ein. Er stemmte die Arme in die Seiten und lachte, dann stiess er einen leisen Pfiff aus, und sofort drangen zwei Neger in die Kajüte, ergriffen Nahum, warfen ihn zu Boden und fesselten ihn.
»Du hast einen guten Fang gemacht«, sagte der Armenier, »die Mädchen sind jung und schön, sie werden jedem Harem zur Zierde gereichen, was willst Du aber mit diesem hier beginnen?« Er deutete auf Nahum.
»Wir werden ihn in Kleinasien verkaufen«, erwiderte Varsava, »weisse Sklaven sind heute eine Seltenheit, es findet sich leicht ein Liebhaber für solche Waare.«
Die Neger hoben jetzt den armen Nahum wie einen Sack auf, trugen ihn hinaus und warfen ihn in einen dunklen Winkel, in dem Taue und Tonnen lagen.
»Sagt mir doch, wo bin ich«, bat Nahum die Matrosen, »wer ist der Mann, dem das Schiff gehört?«
»Der Herr heisst Sahag und ist ein armenischer Sklavenhändler.«
»Und Varsava?«
»Das ist seine Frau. Sie ist schlau wie eine Schlange und geschickt im Vogelfang wie keine zweite. Du bist nicht der erste, den sie liefert. Sie versteht sich auf Menschenwaare und auf den Sklavenhandel.«
Nahum fragte nicht weiter. Er sank zurück auf die Schiffstaue und presste seine heisse Stirn gegen die feuchte Holzwand.
Sahag landete in einem kleinen Hafen an der Küste von Kleinasien. Die vier Opfer wurden jetzt geknebelt, in Säcke gesteckt und mit anderen Waaren auf einen Wagen geladen. In dem von hohen Mauern umgebenen kleinen Hofe des Hauses, das dem Armenier gehörte, befreite man sie von ihren Fesseln.
»Meine Lieben«, sprach Varsava zu den Mädchen, die furchtsam vor ihr standen, »Euch steht ein grosses Glück bevor, bald wird Euch Glück und Reichthum umgeben, aber vorher müsst Ihr erst eine Schule bei mir durchmachen, ich werde Euch die Kunst lehren Eurem künftigen Herrn stets zu gefallen und ihn zu fesseln. Und Du«, – wendete sie sich an Nahum – »Du musst erst Gehorsam und Demuth lernen. Ich gebe Dir deshalb einen guten Rath. Ergieb Dich ruhig in Dein Schicksal. Du wirst an Sahag einen trefflichen Lehrmeister haben, wenn Du Dich aber wiederspenstig zeigen solltest …«
»Dann gibt es Mittel«, sagte der Armenier ruhig, »die noch jeden zahm gemacht haben.« Er nahm die grosse Sklavenpeitsche vom Nagel und liess sie knallen, während die schöne Verrätherin in ein lautes brutales Gelächter ausbrach.
Nahum senkte stumm das Haupt und ergab sich. Sahag liess ihn verschiedene Arbeiten im Hause und Garten verrichten. Er zeigte sich willig und gelehrig, so dass der Armenier mit ihm ausnehmend zufrieden war und keinen Anstand nahm, ihn schon einen Monat später einer reichen Wittwe vorzuführen, welche zu ihm kam, um einen Sklaven zu kaufen.
Nahum blickte scheu von der Seite auf die mittelgrosse schlanke Gestalt, die in einem blauen, goldgestickten Burnus vor ihm stand und deren schwarze Augen ihn aus dem dichten Schleier hervor neugierig musterten.
»Das ist ein Prachtstück«, sprach Sahag, indem er Nahum auf die Schulter klopfte, »jung, kräftig, aus gutem Hause, unterrichtet und gelehrig. Sie werden einen vorzüglichen Diener an ihm haben, Zamira Ben Oporte, und solch' ein Gesicht zu sehen, ist auch angenehmer als das eines Negers.«
Zamira erwiderte nichts, sondern begnügte sich die angebotene Waare zu prüfen. Sie untersuchte den Arm, sie besah, wie bei einem Pferde, die Zähne und klopfte auf Nahum's Brust. Endlich nickte sie und verlangte den Preis zu wissen. Nach langem Handeln wurden sie einig. Die Wittwe bezahlte, und eine Stunde später wurde der neue Sklave in ihrem Hause abgeliefert.
Zamira war die Wittwe eines reichen Kaufherrn. Sie handelte mit orientalischen Stoffen, Pantoffeln, Schmuckgegenständen, Pfeifen und Waffen, und besass drei Schiffe, die abwechselnd auf dem schwarzen Meer, dem Mittelmeer und nach Indien segelten.
Es machte sie von Anfang ungeduldig, dass Nahum nur wenig arabisch verstand, sie wollte ihn in ihrem Kaufladen beschäftigen und musste sich vorläufig damit begnügen, ihn den Lastträgern beizugesellen, welche die Waarenballen in ihrem Hause abluden und in den Magazinen aufstapelten.
Es regte sich jedoch noch eine Empfindung in dem stolzen Herzen des schönen Weibes, welche Zamira gegen Nahum aufbrachte. Sie war böse auf sich selbst, weil sie mehr und mehr an ihrem Sklaven ein Wohlgefallen fand, das ihr unwürdig und verächtlich erschien.
Und er? Er hatte nur einmal ihre schlanke, elastische Gestalt, ihr edles, feingeschnittenes Gesicht unverhüllt gesehen, und seitdem gehörte er ihr, auch ohne dass sie ihn gekauft hätte, seine Phantasie beschäftigte sich Tag und Na [...]