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HEISSE VERFÜHRUNG, KALTE RACHE? von HAMILTON, DIANA Auf einer malerischen griechischen Insel entdeckt die hübsche junge Bonnie die Liebe. Sie schwebt im siebten Himmel - bis sie sich plötzlich fragen muss: Hat der attraktive Milliardär Dimitri Kyriakis sie etwa aus Rache verführt? CASTILLO D' ORO - DAS SCHLOSS UNSERER LIEBE von LAWRENCE, KIM Prickelnde Verlockung oder unmoralisches Angebot? Der faszinierende spanische Schlossbesitzer Luiz Santoro hilft Nell nur bei der Suche nach ihrer verschwundenen Nichte, wenn sie sich als seine glückliche Verlobte ausgibt … DIESMAL LASS ES FÜR IMMER SEIN von COX, MAGGIE Kate traut ihren Augen nicht, als sie dem italienischen Stararchitekten Gianluca De Rossi gegenübersteht: Ihr neuer Boss ist der geheimnisvolle Fremde, mit dem sie nach einer glamourösen Party in Mailand eine einzige unvergesslich leidenschaftliche Liebesnacht verbrachte … HAPPY END IN NEW YORK von BRAUN, JACKIE Der sexy New Yorker Werber Michael Lewis übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Samantha aus. Doch kann sie ihm vertrauen, wenn er ihr seine Liebe schwört? Schließlich ist er nicht nur ihr Exverlobter, sondern auch ihr größter Konkurrent …
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Seitenzahl: 675
Diana Hamilton, Kim Lawrence, Maggie Cox, Jackie Braun Fridline
JULIA EXTRA, BAND 310
IMPRESSUM
JULIA EXTRA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2009 by Diana Hamilton Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: SAS
© 2009 by Kim Lawrence Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Trixi de Vries
© 2009 by Maggie Cox Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Marion Koppelmann
© 2009 byJackie Braun Fridline Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann
Fotos: RJB Photo Library / gettyimages
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 310 - 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Veröffentlicht im ePub Format im 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-210-6
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Nur aus einem einzigen Grund will der Milliardär Dimitri Kyriakis die hübsche junge Bonnie erobern: aus Rache an seinem skrupellosen Vater. Denn er hält sie für dessen Gespielin …
Nell soll die Verlobte des gut aussehenden spanischen Schlossbesitzers Luiz Santoro spielen – natürlich nur zum Schein! Aber warum verspürt sie dann überraschend dieses sinnliche Prickeln?
Verführerisch räkelte sich die schöne Kate in seinen Armen, als Gianluca De Rossi sie zuletzt sah. Drei Monate später steht sie plötzlich vor ihm in seinem Büro: Sie ist seine neue Sekretärin …
Neues Liebesglück in New York? Mit allen Mitteln wirbt der sexy Werber Michael Lewis um Samanthas Herz. Doch Vorsicht: Noch ist ihr Exverlobter der größte Rivale um den heiß begehrten Job …
Heiße Verführung, kalte Rache?
Dimitri Kyriakis starrte auf das Anwesen seines Vaters. Auf keinen Fall würde er sich gestatten, beeindruckt zu sein. Doch es gelang ihm nicht. Die Villa - zumindest das, was er am Ende der von Bäumen gesäumten Auffahrt sehen konnte, war riesig, ein strahlend weißes Monument für Reichtum und Macht. Er würde keinen Schritt auf diese Auffahrt machen können, ohne nicht vorher den korrekten Zahlencode einzugeben, der den Mechanismus zum Öffnen des großen schmiedeeisernen Tores in Gang setzte. Und bei einem Versuch, über das Tor zu klettern, würden mit Sicherheit sofort die Wachleute zur Stelle sein.
Aber er musste eine Möglichkeit finden. Um seiner Mutter willen.
Darauf hatte sie ein Recht.
Er war vierzehn Jahre alt. Ein Mann. Nun, fast. Und er war gekommen, um sich zu holen, worauf er ein Anrecht hatte. Keine Macht der Welt würde ihn abhalten können zu tun, was nötig war.
Die knochigen Schultern hochgezogen, setzte er sich in Bewegung und lief unter der heißen griechischen Sonne an der hohen Mauer entlang, die das Grundstück umgab. Er trug sein bestes Hemd. Billig, aber makellos weiß. Wüsste seine Mutter, dass er hier war, würde sie einen Anfall bekommen. Wahrscheinlich gleich mehrere.
Er wollte über die Vorstellung lächeln, wie die sanfte Eleni Kyriakis einen Wutanfall bekam, doch der brennende Kloß in seiner Kehle verhinderte es.
Gestern Abend hatte sie es ihm gesagt. Als er von seinem Aushilfsjob, den er nach der Schule in der hektischen heißen Küche eines der besten Hotels in Athen wahrnahm, in die drückende kleine Mietwohnung zurückgekehrt war. Er fand seine Mutter über das Bügelbrett gebeugt, Bügeln gehörte zum Service der Ein-Personen-Wäscherei, die seine Mutter betrieb, um noch etwas hinzuzuverdienen, nachdem sie ihre Putzstellen erledigt hatte.
Sie hatte sich eine graue Strähne aus der Stirn gestrichen, und ihr Lächeln war sanftmütig wie immer gewesen, verriet nichts von dem, was nun folgen sollte.
"Setz dich zu mir, mein Sohn, ich möchte dir etwas erzählen." Sie hatte leise geseufzt. "Du hast oft gefragt, wer dein Vater ist, und jedes Mal habe ich dir geantwortet, dass ich es dir eines Tages sagen werde, wenn du älter und reifer bist und es verstehen kannst. Doch die Umstände haben sich geändert."
Tränen hatten in ihren Augen geschimmert, was selten vorkam, und ihm gezeigt, dass etwas nicht stimmte. Er erinnerte sich genau an das ungute Ziehen in seinem Magen, als sie ihm berichtete, dass sie ärztliche Untersuchungen hinter sich hatte. Ihr Herz machte nicht mehr richtig mit, es konnte jederzeit aufhören zu schlagen. Und sie hatte tapfer gelächelt, ein Lächeln, das er sein Lebtag nicht vergessen würde.
Sie hatte seine Hände genommen. "Doch was wissen die Ärzte schon, nicht wahr? Ich werde ihnen zeigen, dass sie sich irren, du wirst schon sehen. Doch nur für den Fall … Ich werde dir von deinem Vater erzählen. Er sah so gut aus, besaß so eine magnetische Ausstrahlung, und ich habe ihn so sehr geliebt."
Dann nannte sie ihm den Namen des Mannes, und er sah seine geliebte Mutter plötzlich mit ganz anderen Augen. Er betrachtete das einst schöne Gesicht, dessen Wangen jetzt eingefallen waren, und die verräterisch blauen Lippen. Ab diesem Moment wusste er genau, was er zu tun hatte.
Jetzt kletterte er an der hohen Mauer empor, suchte nach Ritzen und Einbuchtungen, in denen er mit Händen und Füßen Halt finden konnte. Er entspannte sich ein wenig, als er auf der anderen Seite leise auf dem makellos gepflegten Rasen landete. Der schwere Duft von Jasmin hing in der Luft, weiter vorn beim Haus konnte er Stimmen hören. Eine männliche, scharf und kurz angebunden, und eine weibliche, flehend und klagend.
Als er in die volle Sonne trat, konnte Dimitri sie sehen. Der Mann in dem hellen Leinenanzug war sein Vater. Sein Foto war oft genug in den Wirtschaftsmagazinen erschienen, sodass Dimitri ihn sofort erkannte. Die Frau, jung und feminin, trug ein Kleid, das weich ihren Körper umschmeichelte. Sie schützte sich mit einem Sonnenschirm, das Gesicht leicht von seinem Vater abgewandt. Diamanten blitzten in ihren Ohren auf. Allein für den Preis der Juwelen hätte seine Mutter die letzten beiden Jahre nicht arbeiten müssen.
Das musste die zweite Frau sein, die seine Mutter erwähnt hatte.
Entschlossen lief Dimitri auf die beiden zu, seine langen schlaksigen Beine trugen ihn über das Gras, sodass er schnell in Sichtweite kam. Dieser skrupellose Mann, verheiratet, Vater eines kleinen Sohnes, hatte eine seiner Angestellten verführt und sie dann prompt hinausgeworfen, als sie ihm sagte, dass sie schwanger war.
Mit ihm, Dimitri!
Dafür würde der Mann bezahlen!
Sein Eindringen war registriert worden. Jeder Muskel in Dimitris Körper war angespannt, sein Mund staubtrocken. Er hob das Kinn, als der Mann, der sein Vater war, auf ihn zukam und seine Ehefrau zurückließ.
"Wer bist du? Was willst du hier?" Die Stimme verriet den Despoten, der sich in seinem Königreich sicher fühlte, sich in dem Reichtum seiner Reedereien und noblen Hotels sonnte. Eine Hand glitt in die Hosentasche, wie Dimitri beobachtete. Trug er etwa eine Waffe bei sich? Wollte er den ärmlichen Bauern erschießen und auf Notwehr plädieren? Oder alarmierte er per Funk seine Sicherheitsleute, damit sie den Eindringling so unspektakulär vom Grundstück warfen wie nutzlosen Müll?
Dimitri weigerte sich, seine Nervosität die Oberhand gewinnen zu lassen. Er hob zu sprechen an und schickte ein stilles Stoßgebet zum Himmel, dass ihn der Stimmbruch, den er noch durchmachte, nicht in Verlegenheit führen würde. "Ich bin Dimitri Kyriakis, Eleni Kyriakis' Sohn. Dein Sohn."
Das Schweigen schien in der Sonne zu gerinnen. Die Hand wurde aus der Hosentasche genommen und an die Seite geführt. Sie war leer.
"Das lässt sich leicht behaupten. Und noch leichter bestreiten." Ein ungeduldiger Wink mit der Hand, und die schwarz gekleidete, breitschultrige Gestalt, die den Weg hinuntergeeilt kam, blieb stehen. "Was willst du von mir?"
Ein herablassendes Lächeln erschien auf dem attraktiven Gesicht. Dimitri wurde rot. Er ließ sich von niemandem beleidigen, aber wenn es um das Wohlergehen seiner Mutter ging, kannte er keinen Stolz. Sie hatte sich krumm geschuftet, um sie beide durchzubringen, hatte auf Essen verzichtet, damit ihr Sohn keinen Hunger leiden sollte. Hatte sich nie beklagt.
Stolz reckte Dimitri die Schultern. Er war fast so groß wie der ältere Mann. Während er sprach, zwang er seine Stimme, ruhig zu bleiben. "Du bist Andreas Papadiamantis. Jeder weiß, wie reich und mächtig du bist. All die schicken Hotels und die Kreuzfahrtschiffe. Du hast alles, meine Mutter hat nichts. Vor fünfzehn Jahren hat Eleni Kyriakis als Hausmädchen für dich gearbeitet. Du hast ihr gesagt, dass deine Ehe zu Ende sei. Du hast sie verführt. Sie war schön und hat dich geliebt." Sein Herz stockte kurz, als er das Erkennen im Blick des Mannes sah. Er erinnerte sich also. Das machte es Dimitri leichter, sein Anliegen vorzubringen, und er hielt dem verächtlichen Blick aus den zusammengekniffenen Augen seines Vaters stand. "Sie weiß nicht, dass ich hier bin. Sie würde nie um etwas bitten. Aber ich tue es. Sie ist krank. Sie hat ein schwaches Herz und braucht Ruhe und genug zu essen. Ich tue, was ich kann. An den Wochenenden und nach der Schule arbeitete ich in der Küche eines deiner Hotels in Athen, aber es reicht nicht." Dimitri holte tief Luft. "Alles, worum ich bitte, ist, dass du ihr monatlich eine kleine Unterstützung zahlst, damit sie für die Miete und das Essen nicht mehr so hart arbeiten muss. Und nur so lange, bis ich mich um sie kümmern kann. Sie muss ausruhen, sie soll sich keine so großen Sorgen mehr machen müssen." Jetzt brach seine Stimme doch.
Es hieß, Andreas Papadiamantis sei einer der reichsten Männer Griechenlands. Eine bescheidene monatliche Unterhaltszahlung würde er kaum bemerken. Wahrscheinlich gab er an einem Abend mit seiner schönen zweiten Frau sogar mehr aus.
"Ich will nichts für mich selbst", sprudelte es aus Dimitri unter dem harten Blick schwarzer Augen hervor, "und ich verlange auch nicht mehr als das. Eine kleine monatliche Summe bedeutet nichts für dich, aber für meine Mutter macht es den Unterschied zwischen Leben und einem viel zu frühen Tod. Frag ihren Arzt, wenn du mir nicht glaubst!"
Der Mann, der sein Vater war, lächelte. Es war ein kaltes Lächeln, eigentlich nur ein Zucken der Mundwinkel, und sein Stimme klirrte vor Kälte, als er anhob: "Ich habe mich noch nie erpressen lassen. Die Erfahrung mussten schon andere machen, die sehr viel cleverer waren als du. Lasse auch nur ein Wort davon verlauten, und ich werde dich und deine Mutter wie Käfer zertreten. Selbst wenn deine Geschichte wahr ist … Eleni Kyriakis wusste genau, was sie tat, als sie zu mir ins Bett kroch. Lerne diese Lektion, und vergesse sie nie: Das da draußen ist eine mitleidlose Welt. Für Schwache gibt es keinen Platz in ihr, sie gehen darin unter."
Ein unwirscher Wink mit der Hand orderte den Sicherheitsmann herbei. "Spiro, entferne den Jungen von meinem Grundstück." Damit drehte Andreas Papadiamantis sich um und ging zu der wartenden Frau zurück, und Dimitri wurde am Kragen zum Haupttor gezerrt und auf die staubige Straße gestoßen.
Die Flügel des Tors schlossen sich mit einem lauten metallenen Klirren. Mit zusammengebissenen Zähnen rappelte Dimitri sich auf und schlug sich den Staub aus der Kleidung.
Seine Mutter war beleidigt worden. Er war beleidigt worden. Und er hasste den Mann, der sein Vater war. Aber er würde sich dafür rächen. Mit hoch erhobenem Kopf verfiel er in einen leichten Trab für den langen Weg zurück zur Stadt.
Er würde einen Weg finden, um seinen Vater für die Beleidigungen zahlen zu lassen. Irgendwie würde er einen Weg finden.
Sein Vorsatz wurde nur gefestigt, als er am nächsten Tag herausfinden musste, dass es in der Hotelküche keine Arbeit mehr für ihn gab. In keiner Hotelküche mehr. Den Verlust des mageren Entgelts hatte er der Boshaftigkeit seines Vaters zu verdanken.
Der Tod seiner Mutter zehn Monate später meißelte seinen Schwur auf ewig in Stein.
Dimitri Kyriakis legte den unscheinbaren braunen Umschlag vor sich auf die schimmernde Schreibtischplatte und bemühte sich, seine Gefühle so lange zu verbergen, bis er den Privatdetektiv verabschiedet hatte.
Die Fingerspitzen auf dem Umschlag, starrte er zu der deckenhohen Glasfront hinaus, ohne etwas zu sehen.
Sechsunddreißig Jahre war er jetzt alt. Die letzten zweiundzwanzig Jahre seines Lebens hatte er damit zugebracht, Rache an dem Mann zu üben, der sein Vater war. Der Mann, der sich eiskalt geweigert hatte, seiner sanftmütigen Mutter finanziell unter die Arme zu greifen, als sie diese Hilfe benötigt hatte wie die Luft zum Atmen und er mit seinen vierzehn Jahren nicht in der Lage gewesen war, ihr zu helfen.
Zweiundzwanzig Jahre Arbeit, Lernen, Planen. Zuerst hatte er vorsichtige Schritte gemacht, dann immer größere, um sein Ziel zu erreichen - den arroganten, skrupellosen Andreas Papadiamantis zu Fall zu bringen.
Die atemberaubend luxuriösen Kreuzfahrtschiffe der Kyriakis-Flotte hatten die konstant schwindende Anzahl der Schiffe seines Vaters zu einer Billiglinie für Pauschalreisen und Rucksacktouristen degradiert. Gerüchte kursierten bereits, dass Papadiamantis das Geschäft bald ganz aufgeben würde.
Dimitris Leute arbeiteten an der Übernahme der letzten beiden Hotels seines Vaters, eines in London, das andere in Paris. Die anderen waren schon im Schatten der Kyriakis-Hotelkette zur Bedeutungslosigkeit verkümmert und schließlich mit Verlust abgestoßen worden.
Doch etwas hatte sich geändert. Vor sechs Monaten war sein Vater spurlos aus dem Licht der Öffentlichkeit verschwunden. Niemand sah ihn mehr, es erschienen keine Berichte mehr in der Presse, im Firmensitz in Athen tauchte er nicht mehr auf.
Die Vorstellung, dass der alte Löwe sich zurückgezogen hatte, um seine Wunden zu lecken, störte Dimitri seltsamerweise. Er brauchte einen Feind, der im Ring stand, der kämpfte.
Im vierten Monat nach Papadiamantis' Verschwinden heuerte Dimitri jemanden an, um die weiße Villa, die er nur ein Mal in seinem Leben gesehen hatte, beobachten zu lassen. Er brauchte einen Anhaltspunkt, wollte wissen, was los war. Ihm war dieses heimliche Spionieren zuwider. Er mochte skrupellos bei der Verwirklichung seiner Vorhaben sein, aber er machte seine Absichten immer für jeden deutlich sichtbar. Anders war er nie vorgegangen.
Sein Blick erfasste jetzt das Panorama vor dem Fenster - der weite blaue Ozean, die von hohen Kiefern gesäumte Bucht, der weiße Sandstrand. Ein hypnotisches Bild, ein erholsames Bild. War es immer gewesen. Bis heute.
Zweimal im Jahr kam er auf seine Insel. Um sich zu entspannen, um seinen Kopf frei zu bekommen. Kein Telefon, kein Fax, kein Computer weit und breit in Sicht. Doch nun fraß eine höchst untypische und unwillkommene Unentschiedenheit an ihm.
Reichte es mit der Vendetta? War es an der Zeit, seinen Vater zu vergessen, ebenso wie die geplante Übernahme? Zeit, dem Mann, der ihn gezeugt hatte, die ultimative Erniedrigung zu ersparen? Zeit für Dimitri, mit seinem Leben weiterzumachen und eine neue Richtung einzuschlagen? Mit den diskreten Affären aufzuhören und zu heiraten, um Söhne und Töchter auf die Welt zu bringen, die ihm einen leichteren und heitereren Lebenssinn schenkten?
Er zog die dunklen Brauen zusammen, als er sich daran erinnerte, was da unter seinen Fingerspitzen lag. Mit gerunzelter Stirn zog er die Fotos aus dem Umschlag.
Sein Vater. Auf der Terrasse vor einem riesigen Swimmingpool, in einem von den hellen Leinenanzügen, die sein Markenzeichen waren, einen Strohhut auf dem Kopf. Die Telelinse der Kamera ließ sein Gesicht seltsam eingefallen und hager wirken. An der Blondine, deren bloße Schulter er berührte, war jedoch nichts Eingefallenes. Sie musste die kurvenreichste Frau sein, die je einen Bikini getragen hatte. Das Foto hatte sie eingefangen, als sie sich umdrehte, um den Mann neben sich anzulächeln. Der Wind wehte das silberblonde Haar aus ihrem schönen Gesicht, die üppigen Brüste schienen aus dem winzigen dunkelblauen Gefängnis des Bikinioberteils ausbrechen zu wollen. Diese Frau war die wandelnde Versuchung.
Eine, die auf umwerfenden Beinen wandelte! Endlos lang, wunderbar geformt, schlank, gebräunt.
Abrupt schob er das Foto in den Umschlag zurück. Die anderen Bilder brauchte er sich nicht anzusehen, um zu wissen, dass der alte Löwe auf der Jagd nach einer neuen Frau war, die seine alternde Libido beleben sollte.
Seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen, als seine Erinnerung ihn in eine andere Zeit zurückführte, zu einer anderen Blondine. Zu der zweiten Ehefrau seines Vaters, mit Diamanten in den Ohren und einem Designerkleid, das eine Welt entfernt von den billigen Secondhand-Sachen gewesen war, die seine Mutter hatte tragen müssen. Die Erinnerung, wie er von dem Grundstück geworfen worden war, wie sein Vater die Unterstützung verweigert hatte, die seiner Mutter noch ein paar weitere wertvolle Jahre geschenkt hätte.
Und daher … nein, solange diese bitteren Erinnerungen so frisch existierten, war es nicht vorbei.
Andreas Papadiamantis war noch lange nicht vergeben.
"Man könnte sich wirklich daran gewönnen, Schwesterherz!"
Bonnie Wade lächelte ihrer Schwester nachdenklich zu. Lisa hatte sich auf der Sonnenliege ausgestreckt, Wassertropfen vom Schwimmen im Pool glitzerten noch auf ihrer gebräunten Haut, das kurze rotblonde Haar lag nass an den Kopf gepresst.
"Meine beiden blonden Babys" nannte ihr Vater sie immer. "Die eine Erdbeer, die andere Champagner."
"Hier …" Bonnie griff nach der Sonnencreme und warf Lisa die Tube zu. "Du willst dir bestimmt keinen Sonnenbrand holen."
Lisa war siebenundzwanzig, zwei Jahre älter als Bonnie und schon immer deren beste Freundin gewesen. Von Aussehen und Wesen her hätten die beiden nicht unterschiedlicher sein können. Lisa war zäh wie Leder und schlank bis an die Grenzen zur Magerkeit, während Bonnie weich wie ein Marshmallow war und ihre Figur - zu ihrem Unmut - vor üppigen Kurven strotzte. Aber sie ergänzten und verstanden einander perfekt.
Ihre Mutter, Frau eines überarbeiteten Arztes, sollte einmal zu einer Freundin mit drei lebhaften Jungen, die es ständig darauf anlegten, sich gegenseitig zu ärgern, gesagt haben: "Das Problem kenne ich Gott sei Dank nicht. Seit meine kleine Bonnie laufen kann, sind die beiden praktisch an der Hüfte zusammengewachsen. Zwischen den beiden fällt kein einziges böses Wort."
Und so war Bonnie natürlich begeistert gewesen, um sieben Uhr morgens Lisas Anruf mit der Bitte zu erhalten, sie vom Flughafen abzuholen. Dennoch verstand sie nicht recht, wieso Lisa gekommen war.
"Ich erzähl's dir später", hatte Lisa auf der Fahrt zur Villa nur gesagt. "Und bevor du dir jetzt das Schlimmste ausmalst … unseren Eltern geht's bestens. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen."
Inzwischen waren drei Stunden vergangen und Bonnie kein Stück schlauer. Als Fitnesstrainerin für die Schönen und Reichen nahm Lisa sich normalerweise über die Weihnachtszeit Urlaub und verbrachte drei Wochen am Stück in wärmeren Gefilden. Dieses Jahr schien sie sich entschlossen zu haben, mitten im Sommer eine Woche freizunehmen und auf dem Weg nach Kreta einen unerwarteten Abstecher bei ihrer Schwester zu machen.
"Bist du sicher, der alte Mann hat nichts dagegen, dass ich hier bin?" Lisa verteilte großzügig Sonnencreme auf ihre Beine.
"Ganz sicher", bestätigte Bonnie. "Als ich ihm sagte, dass ich mir den Vormittag freinehmen muss, um dich abzuholen, hat er darauf bestanden, dass Nico mich fährt. Er wollte nichts davon hören, dass du dir ein Hotel nimmst." Sie zupfte an dem weißen Rock ihrer Schwesterntracht. "Also, schieß schon los. Was gibt es zu erzählen?"
Lisa stützte sich auf einen Ellbogen. "Fein. Setz dich, entspann dich. Ich weiß nicht genau, wie du es auffassen wirst. Ich dachte, ich wüsste es, aber dann war ich mir doch nicht sicher und hielt es für besser, es persönlich mit dir zu besprechen."
Bonnie scharrte leise mit den bequemen weißen Leinenschuhen, der Ungeduld näher, als sie überhaupt je bei ihrer Schwester gekommen war. "Ich bin im Dienst." Ein vielsagender Blick auf ihre Armbanduhr sollte ihre Worte betonen. "In zehn Minuten beginnt die nächste Therapiesitzung für Andreas."
"Sicher. Also … Zuerst noch eine Frage: Wie lange läuft dieser Job hier noch für dich?"
"Bis Ende der Woche. Warum?"
Als Krankenschwester, die für einen renommierten privaten Pflegedienst arbeitete, hatte sie sich auf Heilkunde spezialisiert. Meist arbeitete sie in England, manchmal jedoch wurde sie auch im Ausland eingesetzt. Gut möglich, dass sie aber noch länger bleiben würde. Andreas Papadiamantis war ein angeschlagener Mann, sie hatte versprochen, ihm zu helfen. Im Moment blieb keine Zeit, um genauer darauf einzugehen. Doch die unerwartete Ankunft der Schwester bot eine willkommene Gelegenheit, später beim Lunch darüber zu reden.
"Warum?" Lisa lächelte dünn. "Nun, weil Troy bei unseren Eltern war. Er will dich zurückhaben."
Bonnie fühlte das Blut in ihre Wangen schießen. Wut, Empörung, Fassungslosigkeit … Sie ließ sich auf die nächste freie Liege sacken. Am Vorabend der Hochzeit hatte Troy seinen Trauzeugen geschickt, um ihr mitteilen zu lassen, dass die Hochzeit nicht stattfinden würde. Sorry. Ach, und ob sie die Geschenke wohl wieder an die Leute zurückschicken könne? Den Verlobungsring könne sie natürlich behalten.
Brett, der Bote, hatte ihr leidgetan. Er wäre vor Verlegenheit fast im Boden versunken. Erst rückblickend war ihr klar geworden, wie sehr sie sich selbst hätte leidtun müssen, wäre es tatsächlich zu einer Hochzeit mit Troy gekommen. Die Ehe mit ihm hätte ihr nur ein gebrochenes Herz eingebracht. Seltsamerweise war ihr Herz nicht gebrochen, stattdessen schwelte auch noch sechs Monate nach der perfiden Beleidigung die Wut in ihr.
Ebenfalls rückblickend erkannte sie, dass Troy ihr einen Gefallen getan hatte. Sie konnte ihn gar nicht geliebt haben. Er hatte ihren Stolz getroffen und ihr Selbstwertgefühl, aber als Optimistin, die sie war, erholte sie sich sehr rasch davon und führte ihr eigenes Leben weiter.
"Er muss wohl eine herzzerreißende Story abgeliefert haben, mit Tränen und Jammern und allem Drum und Dran. Und du kennst ja Mum, unsere weichherzige Romantikerin. Sie hat ihm prompt gesagt, wo du dich im Moment aufhältst und dass du mit einem Krebspatienten arbeitest. Ich gehe jede Wette ein, dass Troy bald hier auftaucht, um dir die gleiche Geschichte aufzutischen. Natürlich erst, wenn er sich von seinem ach so wichtigen Job losmachen kann. Ich wollte dich nur warnen. Ich meine, ich halte dich nicht für jemanden, der wie Butter in der Sonne schmilzt, sobald er dicke Krokodilstränen sieht, aber manche Frauen …"
"Nun, diese hier nicht!" Bonnie sprang auf. Ein dünnes Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. Troy Forbisher wollte wieder mit ihr zusammenkommen? Der Mann hatte Nerven! "Danke für die Warnung. Wir reden später noch. Keine Angst, ich lasse mich nicht von ihm weich klopfen, nicht von ihm und von keinem anderen. Außerdem habe ich dir auch etwas zu erzählen, etwas, das den unerquicklichen Besuch eines jämmerlichen Exverlobten um Längen schlägt!"
Wenn Andreas Papadiamantis es darauf anlegte, konnte er ein extrem charmanter Gesellschafter sein. Es gelang ihm mit bewundernswerter Bravour, dass der unerwartete Gast sich in seinem luxuriösen Heim willkommen fühlte.
Während des gemeinsamen Lunchs in dem luftigen Esszimmer der Villa wandte er jetzt das von der Krankheit gezeichnete, aber noch immer attraktive Gesicht von einer Schwester zur anderen.
"Da Sie gerade so amüsant beschrieben haben, wie viel Strenge bei Ihren Kunden manchmal nötig ist, möchte ich anfügen, dass meine überaus fähige Krankenschwester - Ihre Schwester - eine ebenso wunderbare Frau ist", sagte er zu Lisa. "Als ich die Diagnose erhielt und mit der Behandlung begann, habe ich eine komplette Nachrichtensperre verhängen lassen. Ich bin lange nicht mehr der einflussreiche Geschäftsmann wie früher, aber noch besitze ich einen Rest der einstigen Luxushotelkette. Der Wert würde ins Bodenlose fallen, erführen die Gesellschafter von meinem möglichen Ableben. Als Bonnie meine Pflege übernahm, wurde sie über die bestehende Situation in Kenntnis gesetzt. Und ich sage Ihnen, sie lässt meine Sicherheitsleute wie blutige Anfänger aussehen!" Er zuckte die zusammengefallenen Schultern. "Mein ganzes Leben musste ich mit der Neugier der Presse leben, und seit mein Sohn es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, mich zu ruinieren, sind sie noch aufdringlicher geworden. Doch Bonnie … sie hat sie zu Boden gestreckt, im wahrsten Sinne des Wortes." Er schmunzelte, seine dunklen Augen funkelten amüsiert. "Sie entdeckte einen neugierigen Kerl mit Kamera auf einem Ast, der über die Grundstücksmauer hing, und hat ihn mit einem Besenstiel von seinem Lauerposten heruntergeholt."
"Darauf bin ich nicht unbedingt stolz", sagte Bonnie zu einer grinsenden Lisa und legte ihr Besteck ab. Ihr Appetit verging rapide.
Er schwand völlig, als ihr Patient fortfuhr: "Bonnie hat mir das Leben gerettet, davon bin ich überzeugt. Natürlich haben die Ärzte auch ihren Teil beigetragen, aber … ich hatte aufgegeben. Bis Bonnie kam. Sie hat mich aus meiner Lethargie gerissen und mir das Lachen beigebracht. Wirkliches, echtes Lachen, vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben." Schatten zogen in seine Augen. "Sie hat mich dazu gebracht, mein Leben zu überdenken und meine Fehler zu erkennen. Ich habe mir geschworen, es besser zu machen. Ich weiß, die Agentur wird sie weiterschicken, zur nächsten bemitleidenswerten Kreatur, wenn man mir sagt, dass ich wirklich über dem Berg bin …"
"Was man Ihnen ja schon mitgeteilt hat", unterbrach Bonnie ihn. Ihr war das alles zu peinlich.
Andreas ging nicht darauf ein. "Ich will sie aber nicht verlieren", sagte er zu Lisa. "Das mag egoistisch sein, aber … sie tut mir einfach gut." Ein Lächeln voller Selbstironie zog auf seine Lippen. "Ich bin sogar so weit gegangen, ihr einen Heiratsantrag zu machen, doch sie war weise genug, abzulehnen - sehr zur Enttäuschung eines alten Mannes." Er wischte sich den Mund mit der Serviette ab. "Aber nun werde ich mich zurückziehen und ruhen. Mein guter Engel besteht darauf, dass ich meinen Nachmittagsschlaf einhalte."
Schweigen lastete eine Weile auf ihnen, als die Tür hinter ihm zugefallen war, dann sprudelte es aus Lisa heraus: "Er hat dir einen Antrag gemacht?!"
"Komm." Bonnie stand auf und strich sich einige Brotkrümel vom Rock. "Gehen wir irgendwohin, wo wir in Ruhe reden können."
Es war die heißeste Zeit des Tages. Normalerweise verbrachte Bonnie ihre dienstfreie Zeit am Pool, doch heute stand ihr nicht der Sinn danach. Sie musste sich aussprechen.
Schon seit einer Woche hatte sie das Gefühl, mit jemandem reden zu müssen, nur war niemand zu finden gewesen. Lisas Auftauchen war ein Geschenk des Himmels. Welch bessere Vertraute konnte es geben als ihre Schwester und Freundin?
Bonnie ging voraus zu einem der riesigen Salons, ganz im Barockstil eingerichtet. Ihr waren diese Räume immer eher wie ein Museum denn wie ein Zuhause vorgekommen, doch zumindest sorgte die Klimaanlage für angenehm kühle Temperaturen.
"Grundgütiger!" Lisa riss die Augenbrauen hoch. "Wer ist denn für diese Disney World verantwortlich?!"
"Die Zuckerfee?" Grinsend ließ Bonnie sich auf einen zierlichen Zweisitzer fallen und klopfte einladend mit der Hand auf den Platz neben sich.
Vor einer Woche, so begann sie zu erzählen, nach einem ausgiebigen Spaziergang mit ihrem Patienten über das große Anwesen, hatte Andreas sie gebeten, sich mit ihm zusammen auf eine Bank im Park zu setzen.
Sie hatte gedacht, ihr genesender Patient wünsche nur eine kurze Ruhepause, und so hatte sein Antrag sie sprachlos gemacht. "Wollen Sie meine Frau werden, Bonnie? Ich frage Sie das nach reiflicher Überlegung. Sie haben Hoffnung und Optimismus in ein leeres Leben zurückgebracht. Als ich ganz unten war, haben Sie mir Kraft gegeben. Ich möchte nicht auf Ihre Leben schenkende Energie verzichten müssen, auch nicht auf Ihre Wärme und Stärke. Ich war zu lange einsam."
Sie hatte nur stumm schlucken können. Das Flehen in seinen Augen verursachte ein schreckliches Gefühl in ihr. Patienten entwickelten oft eine starke Bindung zu ihren Pflegerinnen, über die sie auch wieder hinwegkamen. Doch Andreas musste wirklich einsam sein. Nie hatte ihn jemand besucht, niemand war mit Obst vorbeigekommen, es hatte weder Anrufe noch Genesungskarten gegeben.
"Diese Ehe wäre eine rein platonische Beziehung", hatte Andreas weiter ausgeführt. "Sie tragen meinen Namen und stehen unter meinem Schutz. Und mein Name hat noch Bedeutung, auch wenn mein zweiter Sohn meine Unternehmen in den Ruin getrieben hat. Ich habe ein persönliches Konto in der Schweiz, komplett getrennt vom Geschäftlichen. Bei einer Eheschließung wird es Ihnen gehören. Es wird Sie für den Rest Ihres Lebens finanziell absichern. Alles, was ich dafür verlange, ist Ihre Gesellschaft und Ihr Versprechen, dass Sie versuchen, bei meinem Sohn ein gutes Wort für mich einzulegen."
"Ich wusste nicht einmal, dass Sie einen Sohn haben!" Wäre Bonnie, die aus einer liebevollen Familie stammte, nicht so empört gewesen über einen Sohn, der den Vater absichtlich ruinierte, hätte sie seinen Antrag sofort abgelehnt.
"Ich will offen zu Ihnen sein." Er griff nach ihren Händen, und eigentlich hätte sie sie zurückgezogen, doch das Mitgefühl war stärker als der Impuls. "Ich bereue vieles in meinem Leben. Meine erste Ehe war arrangiert. Wir liebten uns nicht. Damals hielt ich Liebe auch noch für unwichtig. In meinem beschäftigten Leben war kein Platz für nutzlose Emotionen, ich hatte schließlich ein Geschäftsimperium auszubauen. Alexandrina starb kurz nach Theos Geburt, mein Erstgeborener." Seine Lippen verzogen sich zu einem zerknirschten Lächeln. "Manchmal denke ich, sie ist gestorben, um von mir wegzukommen. Das lastet schwer auf meinem Gewissen." In düstere Erinnerungen versunken, schwieg er eine Weile. "Innerhalb eines Jahres heiratete ich zum zweiten Mal. Ein Mann im besten Alter hat gewisse … Bedürfnisse. Und eine Geliebte will umworben werden und erwartet Zeit, Zeit, die wesentlich einträglicher für das Geschäft genutzt werden kann."
"Eine Ehefrau erwartet das nicht?", hakte Bonnie entrüstet nach.
Andreas hatte schwer geseufzt. "Ich erzähle Ihnen das, um Ihnen zu zeigen, was für ein Mann ich damals war. Ein Mann, dessen erste Ehefrau im Tod die einzige Fluchtmöglichkeit gesehen hat und dessen zweite Ehefrau schließlich mit einem anderen Mann verschwunden ist. Dessen erstgeborener Sohn mit achtzehn das Haus verließ, weil ich, wie er sagte, nur Kritik für ihn übrig hatte. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Ich hörte nur, dass er fünf Jahre später in Paris an einer Überdosis Drogen gestorben ist."
Er hielt ihre Finger fester umklammert. "Ich bin nicht stolz auf den Mann, der ich war. Als Ehemann, Vater und Mensch habe ich versagt. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr ich das bereue. Doch am meisten bereue ich, dass ich meinen zweiten Sohn seit seinem vierzehnten Lebensjahr nicht mehr gesehen habe. Er hat sich entschieden, mein Feind zu sein."
Die Sonne war wie ein glühender Feuerball am Horizont versunken, es war ein lauer Abend gewesen. "Als meine Ehefrau würde ich Sie bitten, mir zur Seite zu stehen und mir den Mut zu geben, mich mit meinem noch lebenden Sohn in Verbindung zu setzen. Ich möchte ihn kennenlernen und versuchen, die Dinge zwischen uns zu richten, falls ich kann. Mein größter Wunsch ist es, die Feindschaft in Freundschaft zu verwandeln oder zumindest irgendeine Bindung herzustellen. Ich will dieses Leben nicht verlassen, und niemand von meinem eigenen Fleisch und Blut trauert um mich."
Er hatte Bonnie so leidgetan. Der arme alte Mann! Oberflächlich betrachtet verdiente er wohl, was er bekommen hatte. Doch er bereute seine Versäumnisse zutiefst. Dem Tod so nahe gekommen zu sein hatte ihm die Augen geöffnet.
Sicherlich verdiente er eine zweite Chance?
Doch eines musste sie unbedingt klarstellen. "Andreas …" Sie entzog ihm ihre Hände. "Ich mag Sie."
Das tat sie wirklich. Von Anfang an waren sie gut miteinander zurechtgekommen. Bonnie kümmerte sich immer nach bestem Wissen und Gewissen um ihre Patienten, auch wenn manche recht anstrengend sein konnten. Doch Andreas war ganz anders. Er befolgte jede ihrer medizinischen Anweisungen ohne Klagen und arbeitete mit.
"Aber ich kann Sie nicht heiraten. Auch wenn es sehr schmeichelhaft ist. Doch wenn ich heirate, dann soll es mehr sein als nur ein Vertrag, bei dem Geld den Besitzer wechselt. So viel mehr. Doch ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen helfen werde, die Dinge zwischen Ihnen und Ihrem Sohn zu richten. Sie müssen mir nur sagen, wo ich ansetzen soll."
Lisa hatte schweigend zugehört, während Bonnie von ihrem Gespräch mit Andreas Papadiamantis erzählte. "Und was willst du jetzt tun?", fragte sie nun. "Was willst du diesem verlorenen Sohn sagen? Das wird bestimmt nicht einfach werden."
"Mir fällt schon was ein", erwiderte Bonnie mit einer Zuversicht, die sie nicht verspürte.
Dabei wusste sie, dass kaum Aussicht auf eine Lösung bestand. Der erste Sohn war vor seinem viel zu strengen Vater geflohen, und der zweite hatte ähnlich reagiert. Doch entschuldigte das dessen skrupellose Bestrebungen, das Unternehmen des Vaters mutwillig in den Ruin zu treiben? Es musste schon ein wirklich bösartiger Mensch sein, der sich auf so etwas versteifte.
Und Bonnie wusste nicht im Geringsten, wie sie an diesen Sohn herantreten sollte. Aber sie hatte Andreas ihr Versprechen gegeben. Und sie hielt immer Wort.
"Stavros!"
Der scharfe Ruf hallte durch die nachmittägliche Hitze, untermalt vom Rauschen der Wellen, die gegen das Kliff schlugen. Plötzlich fühlte Bonnie sich nicht mehr sicher in der schattigen Felsnische. Dem Ruf folgte ein harscher Schwall in Griechisch. Bonnie verstand kein einziges Wort, aber der Ton war unmissverständlich. Da gab jemand Befehle, jemand, der erwartete, dass diese auch unverzüglich ausgeführt wurden. Der arme Stavros tat Bonnie schon jetzt leid, sollte er es je wagen, eine Anweisung nicht zu befolgen.
Eine Hand an den heißen Felsen gelegt, stand sie auf, verstaute ihre Wasserflasche und hob die Strandtasche auf ihre Schulter. Zumindest gab es jetzt jemanden, den sie nach dem Weg fragen konnte.
Vor zwei Tagen hatte die Fähre sie zusammen mit einer Schiffsladung landwirtschaftlicher Maschinen in der kleinen Hafenstadt abgesetzt. Pastellfarbene Häuser rahmten die Bucht, auf den Hügeln dahinter wuchsen knorrige alte Olivenbäume.
"Es ist sicherlich kein Ziel für Touristen", hatte Andreas sie gewarnt. "Soviel ich weiß, gibt es dort nur eine einzige Straße und eine Handvoll Läden und Tavernen. Das Leben ist sehr ruhig, weshalb die wirklich Reichen dort auch ihre Ferienhäuser gebaut haben. Mein Sohn gehört zu den wenigen Auserwählten. Er hält sich jetzt dort auf. Mein Gefühl sagt mir, dass Sie eher an ihn herankommen, wenn er entspannt ist."
Falls sie ihn überhaupt ausfindig machen konnte!
Ihre Fragen nach Dimitri Kyriakis waren von den Bewohnern des Städtchens nur mit leerem Blick beantwortet worden, und Athena Stephanides, die Witwe, bei der Bonnie dank Andreas' Großzügigkeit untergekommen war, hatte nur mit den Schultern gezuckt. "Ich kenne niemanden mit diesem Namen."
Ihr blieb also nichts anderes übrig, als sich Richtung Süden aufzumachen, wo die Luxusvillen der Superreichen standen. Mit Swimmingpools von olympischen Ausmaßen und eigenen Hubschrauberlandeplätzen, wie Athena mit ausdrucksstarken Gesten beschrieben hatte. Prompt presste sie daraufhin die Lippen zusammen, so als bereue sie, zu viel gesagt zu haben.
Die Bewohner respektierten, so schien es, die Privatsphäre ihrer reichen Feriengäste. Was nur verständlich war, schließlich sorgten sie dafür, dass die Wirtschaft der Insel florierte, indem sie ihr Personal aus den eng verbundenen Familien der Insel rekrutierten.
Bonnie würde von Tür zu Tür gehen müssen. Eine Aussicht, die ihr nur wenig behagte, aber sie hatte es Andreas versprochen. Und sie wollte ihm helfen. Der alte Mann bereute seine Fehler ehrlich.
Beim Frühstück hatte sie die Landkarte studiert und entschieden, sich an der Küste entlangzuarbeiten und dann nach Süden zur Inselspitze zu gehen, wo sich die Villen befanden. Diese brillante Idee hatte sich dann allerdings in der Praxis als weit weniger brillant herausgestellt. Wahrscheinlich wäre sie schneller vorangekommen, wenn sie sich einfach an der staubigen Straße orientiert hätte. Sicher, die Strecke über die erhöhte Inselmitte wäre länger gewesen, aber lange nicht so riskant wie die Abkürzung an der Küste entlang. Tief unter ihr gurgelte grünes Meerwasser, schwappte an die Felsen und zog sich wieder zurück. Sobald sie hinunterschaute, wurde ihr schwindlig. Sie sprach sich Mut zu, dass sie nicht so dumm sein und ins Meer stürzen würde, biss die Zähne zusammen und arbeitete sich weiter vor. Laut Karte sollte es hier nämlich einen schmalen Weg geben, der um die hufeisenförmige Bucht führte. Dort lief dann ein Trampelpfad nach Süden - laut Karte -, der den Anstieg auf das Felsplateau in der Mitte der Insel unnötig machte.
Vorsichtig kletterte Bonnie weiter und atmete erst einmal tief durch, als sie es bis zum nächsten Felsvorsprung geschafft hatte. Die unter ihr liegende Bucht war wirklich idyllisch, aber noch aufsehenerregender war der Mann, der da unten am Wasser Treibholz sammelte.
Groß, gebräunt und von perfekter Statur mit breiten Schultern und schmalen Hüften, trug er nichts weiter als abgeschnittene, ausgefranste Jeansshorts.
Stavros?
Er blieb stehen und starrte auf die See hinaus. Bonnie, die mit dem Rücken an die hohe Felswand gepresst stand, hatte er nicht gesehen. Plötzlich schien es ihr wichtig, zu ihm hinunter an den Strand zu kommen. Natürlich nur, um ihn nach dem richtigen Weg zu fragen. Dass sie diese glorreiche Ausgabe der männlichen Spezies dabei kurz aus der Nähe betrachten konnte, wäre ein zusätzlicher Bonus.
Ein Grinsen über die eigene weibliche Albernheit auf dem Gesicht, begann sie mit dem Abstieg. Prompt blieb sie mit dem Fuß in einer Felsspalte hängen und stieß einen erschreckten Schrei aus. In Gedanken verfluchte sie sich dafür, nicht besser aufgepasst zu haben, wohin sie trat.
Sie stützte sich am Felsen ab und massierte sich den schmerzenden Knöchel. Silberne Strähnen hatten sich aus dem Knoten auf ihrem Kopf gelöst und wehten um ihr Gesicht. Ein frustriertes Schluchzen entfuhr ihr, als sie merkte, dass sie den Fuß nicht belasten konnte.
Und wie sollte sie jetzt zurückkommen?! Wie sollte sie überhaupt irgendwohin kommen?! So etwas wie öffentliche Verkehrsmittel gab es auf dieser winzigen Insel nicht. Und selbst wenn sie zur Straße humpelte - oder kroch! -, würde es wahrscheinlich Stunden dauern, bevor ein Laster oder ein Eselskarren vorbeikam und sie mit zum Hafen zurücknahm.
"Bleiben Sie, wo Sie sind."
Frustration und Ärger über sich selbst hatten den Fremden da unten am Wasser aus ihren Gedanken vertrieben. Jetzt jedoch sah sie ihn auf sich zuklettern, mit einer mühelosen Geschmeidigkeit, die ihr Herz prompt ein wenig schneller schlagen ließ.
Aus der Nähe betrachtet sah er noch umwerfender aus als zuerst angenommen. Sein Gesicht war so faszinierend wie der Rest von ihm. Kein Jungengesicht, sondern markante Züge, eindeutig ein ausgewachsenes Alpha-Männchen. Der dunkle Typ, mit Bartschatten auf Kinn und Wangen. Schwarzes seidiges Haar, kohlschwarze Augen und ein voller Mund, der Sinnlichkeit und Skrupellosigkeit barg.
Er erwiderte Bonnies schockierend indiskretes Starren mit der gleichen Unverblümtheit, bis sie schließlich mit brennenden Wangen den Blick senkte. Etwas, das sie an einen Stromstoß denken ließ, durchfuhr sie.
Die bloßen Füße fest auf dem Felsen aufgestellt, hob er schließlich zu sprechen an, und seine tiefe Stimme mit dem Hauch eines Akzents jagte ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken.
"Sie sind verletzt. Vertrauen Sie mir so weit, damit ich Sie von hier herunterholen kann?"
Sie riss sich zusammen. "Natürlich. Danke für die Hilfe." Sie versuchte sich an einem Lächeln und versagte kläglich. Was war nur los mit ihr? Sie stand doch mit beiden Beinen fest auf der Erde - metaphorisch gesprochen, denn im Moment tat sie das ja keineswegs. Sie war nicht der Typ, der verträumte Augen bekam, nur weil ihr zufällig der traumhafteste Mann der Welt über den Weg lief. Sie war eine realistische, nüchterne Krankenschwester und …
Jeder klare Gedanke verpuffte, als der Fremde sie auf seine Arme hob und mit der Sicherheit einer Bergziege über die Felsen zum Strand hinunterlief. Dort setzte er sie in den feinen Sand und untersuchte behutsam ihren verletzten Fuß mit kräftigen schlanken Fingern. Die Berührung war reine Magie. Eine schwarze Locke war ihm in die Stirn gefallen, und Bonnie wollte nichts anderes, als ihm mit den Fingern durchs Haar zu fahren.
Dummes Mädchen!
Sie bebte am ganzen Körper. Was eine ganz normale Reaktion auf den Sturz dort oben auf den Klippen und den anschließenden riskanten Abstieg war!
Nur … sie hatte keine Angst verspürt, im Gegenteil. Sicher und wunderbar geborgen hatte sie sich gefühlt.
"Nur leicht verstaucht und ein kleiner Kratzer", verkündete er schließlich. Ein Lächeln saß in den Winkeln dieses wundervollen Mundes. "Ich nehme Sie mit ins Haus, um die Wunde zu reinigen."
Bonnie verdrängte die Backfisch-Begeisterung und berief sich auf ihre Nüchternheit. "Sie haben sich bereits so viel Mühe mit mir gemacht … Stavros, nicht wahr? Wenn ich hier eine Weile ausruhe, bin ich sicher, werde ich allein zurechtkommen."
Dimitri Kyriakis stellte den Irrtum nicht richtig. Sie musste ihn nach seinem Hausdiener rufen gehört haben, den er daran erinnert hatte, die Post abzuholen, die schon vor zwei Tagen mit der Fähre im Hafen angekommen war.
Je länger das geldgierige blonde Püppchen seines Vaters seine wahre Identität nicht kannte, desto besser.
Der Alte hatte Geschmack, das musste man ihm lassen. In Fleisch und Blut war die Blondine sogar noch attraktiver als auf den Fotos. Silberblondes Haar fiel über hübsche Schultern mit samtiger gebräunter Haut, das blaue Top betonte den vollen, festen Busen und ließ viel Haut um die schmale Taille frei. Und erst die langen Beine in den kurzen Shorts …
"Es macht keine Mühe", widersprach er und meinte es absolut ehrlich. "Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen zu helfen."
Er würde ihr helfen, ihm genau zu erklären, wieso eine junge Frau, die im Begriff stand, einen alten Mann um des Geldes willen zu heiraten, auf einer Insel herumkletterte, von der kaum jemand gehört hatte und die ganz sicher weder schicke Boutiquen noch Luxusrestaurants zu bieten hatte.
Ob sie wusste, dass Andreas Papadiamantis der nächste finanzielle Schlag bevorstand? Wahrscheinlich nicht, entschied Dimitri mit dem Zynismus, der aus langjähriger Erfahrung mit dem weiblichen Geschlecht erwachsen war. Falls er es ihr sagte, würde sie wahrscheinlich die Beine in die Hand nehmen und rennen, so weit sie nur konnte.
Und während er in täuschend harmlos wirkende rauchgraue Augen blickte, kam ihm der Gedanke, wie viel Spaß es machen müsste, seinem Feind die Bettgespielin auszuspannen.
Dimitri hatte nie Probleme gehabt, Angehörige des anderen Geschlechts anzuziehen, im Gegenteil. Nur hatte er nie wirklich gewusst, was seine Anziehungskraft ausmachte - er selbst oder sein Geld.
Er vermutete, Letzteres.
Nun, das beruhte auf Gegenseitigkeit. Wann immer er sich mit einer Frau einließ, machte er von vornherein klar, dass es sich um eine zeitlich befristete Angelegenheit handelte.
Und was hatte sich nun geändert? Noch vor Kurzem spielte er mit dem Gedanken, sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen. Sobald ihm die Fotos von dieser blonden Versuchung vorgelegt worden waren, hatte der Gedanke sich verflüchtigt. Das Schicksal hatte ihm eine weitere Waffe in die Hand gespielt, um Rache an seinem Vater zu nehmen.
Eine solche Gelegenheit konnte man sich unmöglich entgehen lassen, und Dimitri war ein Mann, der grundsätzlich keine Gelegenheit ungenutzt ließ.
Er hob das süperbe Geschenk des Schicksals auf seine Arme und lächelte grimmig, als sie leise nach Luft schnappte und die Arme um seinen Nacken schlang.
Sie war ihm schon ins Netz gegangen!
Dimitri setzte Bonnie auf einem Korbstuhl im Schatten der mit Wein überwachsenen Terrasse ab. Unter halb geschlossenen Lidern hervor gönnte er sich eine ausgiebige Musterung ihrer Figur - der volle Busen, die schmale Taille, die gerundeten Hüften -, bevor sein Blick ihren sinnlichen Mund fand.
Definitiv Mätressenmaterial.
Dabei wusste er aus den Informationen, die er jahrelang akribisch über seinen Vater gesammelt hatte, dass Andreas sich keine anspruchsvollen Geliebten hielt. Eine viel zu große Investition von Zeit, Mühe und Geld war dazu nötig, und für Andreas wäre das eine unnötige Investition. Eine Ehefrau war da etwas ganz anderes. Eine Ehefrau ließ sich ignorieren, ohne dass man Konsequenzen befürchten musste, gehörte praktisch zum Inventar und konnte abgerufen werden, wann immer nötig. Diese Blondine hier war mit Sicherheit auf einen Ehering aus, doch sie würde sich bestimmt nicht unbeachtet in den Hintergrund abschieben lassen. Nicht mit diesem Aussehen!
Dimitri erkannte, dass er sich in Vermutungen verrannte, und rief sich zur Ordnung.
Wie sahen die Fakten aus? Sein Vater verbarrikadierte sich seit Monaten in der Luxusvilla. Zusammen mit ihr? Den Fotos nach zu schließen hatte sie sich einen festen Platz im Hause seines Vaters ergattert. Es war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass bald eine offizielle Bekanntmachung der Hochzeit in der Presse erscheinen würde.
Es sei denn, er, Dimitri Kyriakis, verhinderte das.
Was bei einer so prächtigen Kreatur wirklich Spaß machen könnte.
Bonnie wand sich unruhig. Dieser Stavros musterte sie mit einem Blick, der ihr heiße Wellen über die Haut jagte. Es fühlte sich an, als würde er sie berühren. Ihr Herz raste, und kleine Flammen leckten überall in ihrem Körper auf, ließen ihre Brüste spannen und die harten Spitzen gegen den Stoff ihres Tops drücken. Dieser Mann war unglaublich sexy, er konnte sie mühelos vergessen lassen, dass sie eine vernünftige, erwachsene Frau war, die ihren Kopf fest und gerade zwischen den Schultern trug.
Gebranntes Kind scheut Feuer … Doch bei diesem Feuer würde sie fast willig in Flammen aufgehen.
Sie suchte nach einer lockeren Bemerkung, um die sexuelle Spannung zu brechen, und stieß einen erleichterten Seufzer aus, als er ihr die Aufgabe abnahm.
"Ich mache es Ihrem Knöchel angenehmer. Warten Sie hier." Durch die großen gläsernen Schiebetüren verschwand er im Inneren des Hauses, das wohl seinem Arbeitgeber gehörte.
Stavros' Abwesenheit verschaffte Bonnie die dringend benötigte Atempause, um wieder klar denken zu können. Also gut, er war der hinreißendste, attraktivste Mann, der ihr je begegnet war. Und noch besser - er war ein Inselbewohner, angestellt bei einem der reichen Feriengäste. Er konnte ihr bestimmt sagen, wo sie Dimitri Kyriakis finden würde.
Andreas hatte sie gewarnt, dass sein Sohn das Haus auf der kleinen Insel nur selten nutzte. Ein Pluspunkt jedoch war, dass hier jeder jeden kannte. Sicherlich war die eine Hälfte der Inselbewohner voll informiert über die Unternehmungen und Gewohnheiten der anderen, reichen Hälfte.
So setzte Bonnie ihr strahlendstes Lächeln auf, als er zurückkam, mit einem Vorrat an Verbandsmaterial auf dem Arm, mit dem man eine Apotheke hätte ausstatten können.
"Ich glaube, Sie können mir sicherlich helfen", hob sie an, als er sich vor sie kniete und mit kundigen Fingern ihren Fuß zu verarzten begann.
"Das tue ich doch gerade." Er runzelte die Stirn. Ihr Lächeln würde einen Ballsaal erhellen. Das Auffälligste jedoch daran war, dass jegliche Manieriertheit fehlte. Seiner Erfahrung nach troff Goldgräberinnen - und dazu zählte er junge Frauen, die einen alten Mann wegen seines Geldes heirateten - die Affektiertheit aus jeder einzelnen Pore. Er desinfizierte die Schnittwunde und klebte ein Pflaster darüber.
"Nein, ich meine … ja, natürlich. Also, was ich meinte, ist …" Sie bemühte sich verzweifelt, das Flattern in ihrem Magen zu ignorieren, als seine Finger ihre Haut berührten. Die Sehnsucht, ihre Finger durch sein Haar streifen zu lassen, wurde so übermächtig, dass es ihr körperliche Schmerzen bereitete, sich zurückzuhalten. "Ich meine … nun, ich suche jemanden."
"So?" Dimitri wickelte einen Stützverband um ihr Gelenk und sicherte ihn mit zwei Hakenverschlüssen. Es sah aus, als würde er gleich erfahren, was die Auserwählte seines Vaters auf der Insel wollte. "Das sollte dem Knöchel Halt geben. Den Fuß müssen Sie dennoch mindestens zwei Tage ruhig halten. Entschuldigung, was sagten Sie?"
Bonnie blinzelte. Einen so großartigen Mann zu ihren Füßen knien zu sehen raubte ihr den Atem. Kein Mann, nicht einmal Troy - und immerhin hätte sie ihn fast geheiratet -, hatte je eine solche Wirkung auf sie gehabt. "Er besitzt hier irgendwo eine Villa. Oft kommt er nicht her, aber im Moment ist er wohl auf der Insel. Und … Oh, wie dumm von mir, Sie wissen ja gar nicht, von wem ich rede. Sein Name ist Dimitri Kyriakis. Kennen Sie ihn vielleicht? Wissen Sie, wo seine Villa steht?"
Dimitri richtete sich zu seiner vollen Größe von einem Meter neunzig auf. Den eigenen Namen über die Lippen dieses Püppchens kommen zu hören ließ seine Stimme scharf werden. "Was wollen Sie von ihm?"
Wenige wussten von seinem Refugium hier, nicht mehr als drei Leute, alles loyale Angestellte, alle absolut vertrauenswürdig. Einer davon war Stavros.
Also konnte sie es nur von Andreas wissen. Er musste seine Spione ausgeschickt haben, so wie er selbst wiederum seinen Vater hatte beobachten lassen. Das ergab Sinn. Dimitris Verstand begann auf Hochtouren zu arbeiten. Er mochte keine Geheimnisse. Und dieses hier war innerhalb von zehn Sekunden gelöst.
Ihm fielen sofort zwei Gründe ein, warum der Alte diese Frau geschickt hatte. Entweder, um ihn von den Klippen zu stoßen und ihn ein für alle Mal loszuwerden, oder, und das war wahrscheinlicher, um ihn mit weiblicher Tücke dazu zu bringen, ihr seine Pläne zu verraten.
Hielt der Alte ihn wirklich für so naiv? Doch es würde interessant werden, herauszufinden, wie weit sie dafür gehen würde …
"Ich werde mich für Sie umhören."
Das charismatische Lächeln, das diese Worte begleitete, ließ Bonnie erleichtert aufatmen. Viel Hoffnung hatte sie nämlich nicht gehabt. "Oh, danke! Ich bin Ihnen ja so dankbar." Sie fragte sich ernsthaft, wieso sie sich wie ein albernes Schulmädchen anhörte und nicht wie die vernünftige Frau, als die sie sich kannte.
Wie dankbar wohl?, überlegte er still. Was ihn jedoch erstaunte, war das spontane Ziehen in seinen Lenden, als er sich die Möglichkeiten ausmalte. Eine solche Reaktion kannte er nicht mehr seit seiner Teenagerzeit.
Er lehnte sich vor und nahm ihre Hände in seine. Und als er auf den Blick aus ihren großen grauen Augen stieß, da wusste er, dass es ihnen beiden keineswegs unangenehm sein würde, es herauszufinden.
Ihre Augen strahlten einladend, weibliche Bereitschaft stand darin zu lesen. Bestätigt wurde dieser Eindruck noch durch die leicht geöffneten Lippen, auch zeichneten sich die harten Knospen ihrer Brüste unter dem Top ab. Sie stand auf ihn, davon war er überzeugt.
Er senkte die dichten Wimpern. Immer schön langsam, ermahnte er sich. Erst mal sehen, wie weit sie gehen würde. Wenn sie im Auftrag seines Vaters hier war, um ihn auszuhorchen, dann würde sie für das Privileg, in seinem Bett zu liegen, arbeiten müssen. Immer vorausgesetzt, dass er seine zügellose Libido beherrschen konnte, würde es ihm ein Vergnügen sein, sie bei dieser Arbeit zu beobachten.
Und wenn er dann nachgab - denn das würde er auf jeden Fall -, würde sie trotzdem nichts von ihm erfahren. Sie würde Andreas nur von ihrem Versagen zu berichten haben.
Er war ein Meister darin zu bekommen, was er wollte, und zwar immer mit dem geringsten Aufwand.
"Wo sind Sie untergekommen?", fragte er.
Noch immer hielt er ihre Hände. Es war ein unglaublich gutes Gefühl. Dabei war er ein Fremder, sie wusste nichts von ihm. Doch in seiner Anwesenheit fühlte sie sich sicher. Weil er zu ihrer Rettung auf die Klippen geeilt war? Weil er versprochen hatte, Andreas' Sohn zu finden? Oder gab es da noch einen anderen Grund?
"Bei Athena am Hafen - der Witwe Stephanides", fügte sie hinzu. Ihre Lippen bebten leicht, als er seine Hände bis an ihre Ellbogen schob.
"Ich kenne sie." Er half ihr aufstehen und schlang stützend einen Arm um ihre Taille. "Sie vermietet Zimmer an die Rucksacktouristen, die hier gelegentlich auftauchen. Aber Sie sind kein Rucksacktourist."
Eine Spur Humor schwang in seiner Stimme mit, als er sie fest an seine Seite drückte. Mit der freien Hand strich er ihr das Haar aus dem Gesicht. "Sie sind auf Männerjagd, ne?"
Das Blut schoss Bonnie in die Wangen. Sie öffnete die Lippen, doch kein Ton kam hervor. So ausgedrückt hörte es sich scheußlich an, anzüglich und triebhaft. Aber sie fühlte sich ja regelrecht triebhaft! Ihr Körper schmiegte sich eng an diesen halb nackten Mann, seine Haut brannte heiß durch den Stoff ihres Tops und ließ ihre Brüste prickeln, und seine bloßen Schenkel lagen an ihren ebenso bloßen Beinen!
Das Rot verdunkelte sich noch, bis er trocken sagte: "Ich fahre Sie zurück", und sie hochhob wie einen Sack Kartoffeln.
Die Versuchung, sie zu küssen, war fast unwiderstehlich gewesen. Doch Dimitri hatte noch keiner Versuchung nachgegeben, und er würde auch jetzt nicht damit anfangen.
Ein staubiger Pfad führte zu der Garage, eine ehemalige Scheune, in der jetzt die Autos untergebracht waren, weil sie im Schatten hoher Pinien stand. Stavros war mit dem großen Range Rover unterwegs, nur der viel bescheidenere Buggy stand noch hier. Umso besser, dachte Dimitri mit einem kleinen spitzbübischem Lächeln. Der Buggy passte viel besser zu dem Angestellten, der Handlangerdienste verrichtete, für den sie ihn offensichtlich hielt.
"Bequem wird es nicht werden", warnte er sie, als er sie auf dem Beifahrersitz absetzte und dann hinters Steuer glitt. Der Motor startete spuckend und stotternd, das Röhren hallte ohrenbetäubend in den alten Steinmauern. Der Auspuff muss erneuert werden, stellte Dimitri fest, während er zum Tor in die Sonne hinausschoss und über den Pfad zwischen Feldern von wildem Rosmarin rumpelte.
Die makellos gepflegten Parks der Villen weiter unten an der Küste waren nichts für ihn. Auch nicht die schmiedeeisernen Tore der anderen Villen, die sich per Fernbedienung öffnen und schließen ließen, oder die künstlich blauen Pools. Er brauchte keine Armee von Bediensteten, die sicherstellten, dass ihre reichen Arbeitgeber nicht einmal einen Finger rühren mussten. Wenn er auf die Insel kam, ließ er all die Fallen des Reichtums hinter sich. Dann wollte er nichts weiter als den Blick auf das Meer genießen, auf den Felsen sitzen und angeln, abends mit knorrigem Olivenholz ein Feuer im offenen Kamin des großen luftigen Salons machen und die Bücher lesen, für die er sonst, in seinem anderen Leben, nie Zeit fand.
"Jetzt wird es etwas ebener", sagte er, als sie auf die Inselstraße auffuhren und es bergab Richtung Hafen ging. "Aber nur etwas, ne?" Er grinste breit, als sie durch ein tiefes Schlagloch fuhren.
Mit zusammengebissenen Zähnen hielt Bonnie sich am Sitz fest und erinnerte sich daran, dass eine Fahrt im offenen Buggy, wenn der Fahrtwind an den Haaren zerrte und ihr Insekten ins Gesicht wehte, immer noch besser war, als mit einem verletzten Fuß den ganzen Weg zur Pension zurückzuhumpeln.
Als sie schließlich das kleine Städtchen erreichten, drosselte ihr Begleiter das Tempo. Sie fuhren an der Taverne vorbei, vor der die alten Männer saßen, um den Gang der Welt mitzuverfolgen, vorbei an dem einzigen kleinen Lebensmittelladen und der Bäckerei, wo es das beste Brot gab, das Bonnie je gegessen hatte. Bei diesem Tempo konnte sie auch jetzt wieder den Mund öffnen, ohne Angst haben zu müssen, Insekten zu verschlucken.
"Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, Stavros. Das war wirklich sehr nett von Ihnen." Sie war sicher, den richtigen Ton getroffen zu haben - den Ton einer kompetenten, selbstbewussten Frau, die die Hilfe eines Fremden hatte annehmen müssen. Dann fiel ihr ein, dass sie seine Hilfe ja noch ein weiteres Mal brauchte, um für sie in Erfahrung zu bringen, wo sie Andreas' Sohn finden konnte. Sie schwankte zwischen Argwohn und Aufregung - Argwohn, weil ihr Instinkt ihr sagte, diesen unglaublich sexy Fremden am besten nie wiederzusehen, und Aufregung, dass sie ihn wiedersehen würde.
Der Buggy hielt vor dem Haus der Witwe Stephanides. "Darf ich Ihnen zumindest für Ihre Hilfe einen kalten Drink anbieten, bevor Sie zurückfahren? Ich rede mit Athena."
Er wandte ihr das Gesicht zu, seine Miene vorsichtig die Frage kaschierend, die durch seinen Kopf blitzte. Die Einladung war in dem gleichen höflich-korrekten Ton ausgesprochen worden wie ihr Dank. Er hatte etwas Direkteres erwartet, vor allem, nachdem er vorhin die eindeutigen Schwingungen von ihr empfangen hatte.
Nun, dieses Spiel konnten auch zwei spielen.
"Nein danke. Kommen Sie allein zurecht?" Er wollte Athena nicht begegnen. Sie würde ihn mit seinem richtigen Namen ansprechen, und noch war es zu früh, die Jägerin wissen zu lassen, dass sie ihre Beute bereits gestellt hatte.
Bonnie erkannte eine Zurückweisung, wenn sie sie erhielt, vor allem, wenn diese mit so kühlen, knappen Worten vorgebracht wurde. Er konnte es gar nicht abwarten, sie loszuwerden. Und es war albern von ihr, sich zurückgestoßen und verletzt zu fühlen.
Sie setzte den unversehrten Fuß auf den Asphalt und hievte sich aus dem Buggy. Es wäre unsinnig, ihn noch einmal nach Dimitri Kyriakis zu fragen. Genau wie die anderen Einwohner würde er seinen Mund halten. Er hatte das Angebot zwar gemacht, aber nie vorgehabt, es auch umzusetzen.
"Warten Sie!"
Mit einer sorgfältig aufgesetzten fragenden Miene drehte sie sich zu ihm um, und ihr Magen fuhr Achterbahn, als sie sein umwerfendes Lächeln sah.
"Sie haben mir Ihren Namen noch nicht genannt."
Sich geradezu lächerlich bewusst, wie sexy und attraktiv er war, mühte sie sich verzweifelt, kühl und gelassen zu erscheinen. "Bonnie Wade", antwortete sie tonlos - hoffte sie!
"Bonnie also. Das passt zu Ihnen." Und dann ließ er den Blick aus den dunklen Augen von Kopf bis Fuß langsam über sie wandern, bevor er die Hand zum Gruß hob und mit dem Buggy davonbrauste.
Und Bonnie stützte sich an der Hauswand ab und fragte sich atemlos, wieso dieser Mann ein so schamloses Verlangen in ihr auslösen konnte.
"Machen Sie sich keine allzu großen Gedanken darüber", sagte Andreas am Telefon. "Mein Sohn wacht streng über seine Privatsphäre. Vielleicht war es zu optimistisch von mir zu hoffen, dass er im Urlaub nachgiebiger sein könnte."
Bei dem fast bewundernden Seufzer, der durch die Leitung klang, fühlte Bonnie sich schrecklich. Sie konnte sich genau vorstellen, wie Andreas mit den schmal gewordenen Schultern zuckte. Und sie kaute an ihrer Lippe, als er mit gespielt munterer Stimme fortfuhr: "Aber Ihnen bleibt ja noch eine Woche. In einer Woche kann viel passieren. Auf jeden Fall weiß ich, dass Sie Ihr Bestes getan haben."
Hatte sie das? Bonnie beendete den Anruf und ließ ihr Handy zurück in die Tasche gleiten. Trotz der aufmunternden Worte des alten Mannes hatte sie seine Enttäuschung doch genau gespürt. Und eine weitere Woche … das schien gar nicht so viel Zeit zu sein, vor allem wenn man bedachte, dass sie in den ersten sieben Tagen keinen Millimeter weitergekommen war. Eine Verlängerung ihres Aufenthalts hier kam nicht infrage. Sie hatte drei Wochen Urlaub, und die dritte Woche wollte sie in England bei ihren Eltern verbringen, um den fünfundsechzigsten Geburtstag ihres Vaters mitzufeiern.
Frustriert presste sie die Lippen zusammen. Sie würde dem alten Mann so gerne helfen, sich mit seinem Sohn zu versöhnen. Von Athena hatte sie erfahren, dass die reichen Urlaubsgäste per Helikopter oder mit ihren Jachten auf der Insel eintrafen. Nur hatte diese Information ihr nicht bei ihrer Suche geholfen. Unten am Hafen war sie mit ihren Fragen nur auf Kopfschütteln und Achselzucken gestoßen, und dann war schnell das Thema gewechselt worden.
Der verletzte Knöchel stieß ihr besonders auf. Das Humpeln an dem Stock, den Athena ihr geliehen hatte, reduzierte ihre Chancen für Fortschritte in dieser verschwiegenen Gemeinschaft hier praktisch auf null. Immerhin ging es ihr fünf Tage nach dem Missgeschick schon wieder besser.
Sie würde etwas Produktives tun. Und zuerst einmal Stavros auftreiben.
In den letzten Tagen erzwungener Untätigkeit war sie halb lahm durchs Städtchen geschlichen, immer mit der Hoffnung im Hinterkopf, ihm vielleicht über den Weg zu laufen. Närrin! Hatte sie wirklich geglaubt, er würde zu ihr kommen und ihr den Aufenthaltsort des illustren Dimitri Kyriakis verraten?
Viel eher war anzunehmen, dass er sie längst vergessen hatte. Natürlich. Ein Mann wie er, bei dem jeder Frau das Wasser im Mund zusammenlief, würde seine Wirkung bei jeder erproben wollen, die ihm über dem Weg lief. Und sobald er sich dann bestätigt fand, wäre sein Ego befriedigt, und er konnte wohlgemut seiner Wege ziehen.
Er hatte wirklich ihre Knie weich werden lassen. Und es musste auch deutlich zu sehen gewesen sein. Sie verabscheute sich für die eigene Schwäche.
Nun, das war vorbei, jetzt war jetzt! Wenn sie ihn aufsuchte, dann nur, weil sie eine Mission hatte. Sie würde ihn an sein Versprechen erinnern. Sollte er ruhig ein schlechtes Gewissen bekommen. Das würde ihn vielleicht dazu bewegen, sich an sein Wort zu halten. Solange es ihr nur das Wandern von Tür zu Tür ersparte.
Aus den Tiefen ihres Koffers kramte sie einen zerdrückten Strohhut hervor, rief Athena einen Abschiedsgruß zu und trat auf die Straße.
Sie wusste, wo Stavros arbeitete, und sie hatte den perfekten Vorwand, um vorbeizukommen. An jenem Tag, als er sie von dem Felsen rettete, hatte sie nämlich ihre Leinentasche in der Villa liegen lassen. Sie würde sagen, dass sie gekommen war, um ihre Tasche zu holen. Nicht, dass in der Tasche irgendetwas wäre, das sie vermissen würde … aber das wusste er ja nicht.
Und dann würde sie ihn an sein Versprechen erinnern und um eine Erklärung bitten, warum er es nicht gehalten hatte!
Ein befriedigtes Lächeln hob seine Mundwinkel, als Dimitri den Buggy von den Dünen auf die Straße zurückzog und die einsame Gestalt den Hügel hinauflaufen sah.