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VERFÜHRT VON EINEM STOLZEN GRIECHEN von CATHERINE GEORGE Wer ist die unbekannte Schöne im Bikini, die sich an seinem idyllischen Privatstrand sonnt? Beim Anblick der jungen Isobel verliert der griechische Unternehmer Lukas Andreadis die Nerven: Wieder eine Journalistin, die ihn ausspionieren will, glaubt er - und will sie zur Strafe verführen … GLÜCKSSTERN ÜBER DER AKROPOLIS von DIANA HAMILTON Der Heiratsantrag des attraktiven Reeders Dimitri Kouvaris kommt überraschend - aber Maddie sagt glücklich Ja! Schon bei ihrer ersten Begegnung in Athen hat sie ihr Herz an den sexy Millionär verloren! Doch dann erfährt Maddie, weshalb Dimitri sie zur Frau genommen hat … FEUER UND EIS von CAROL MARINELLI Xantes dunkle Augen versprechen heiße Sünden und hemmungslose Lust. In Karins Bauch scheinen hunderte Schmetterlinge zu flattern. Die erste Begegnung zwischen dem aufregenden Hotelbesitzer und der mittellosen Erbin ist feurig. Nichtsdestotrotz hat Karin sich geschworen, nicht der Versuchung zu erliegen - zu tief ist der Schmerz der Vergangenheit.
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Seitenzahl: 574
Catherine George, Diana Hamilton, Carol Marinelli
JULIA HERZENSBRECHER BAND 7
IMPRESSUM
JULIA HERZENSBRECHER erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Neuauflage in der Reihe JULIA HERZENSBRECHERBand 7 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2010 by Catherine George Originaltitel: „The Power of the Legendary Greek“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rita Koppers Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 334
© 2006 by Diana Hamilton Originaltitel: „The Kouvaris Marriage“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Bettina Röhricht Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 268
© 2009 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Blackmailed into the Greek Tycoon’s Bed“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Kara Wiendieck Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1936
Abbildungen: kiuikson / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733713829
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Der dunkle Fleck am Horizont verwandelte sich langsam in eine mit Pinien bewachsene Insel, über der sich ein strahlend blauer Himmel wölbte. Als das Charterboot näher kam, konnte Isobel den Hafen mit den Tavernen erkennen, beschattet von bunten Markisen. Dahinter lagen schneeweiße Häuser mit hellbraunen Dächern.
Während das Boot langsam in den Hafen einfuhr, versuchte Isobel das Ferienhaus auszumachen, das sie im Reisebüro gebucht hatte. Aber sie gab es schnell auf, denn zu ihrem Erstaunen hatten die meisten Häuser blaue Türen und Balkone, so wie das aus dem Reiseprospekt. Nachdem sie angelegt hatten, rückte sie ihre große Umhängetasche über der Schulter zurecht und nahm ihre Reisetasche in die Hand. Sie war da!
Jetzt wollte sie erst einmal zu Mittag essen und sich dann erklären lassen, wie sie zu ihrem Ferienapartment auf der wunderschönen Insel Chyros kommen würde. Die Taverne, in der sie laut ihren Reiseunterlagen nachfragen sollte, sah sehr einladend aus. Fast jeder Tisch war besetzt. Die Gäste lachten, unterhielten sich lauthals, aßen und tranken.
Sie steuerte auf einen der letzten freien Tische draußen unter der Markise zu. Die Taschen hielt sie dicht bei ihren Füßen, während sie die Speisekarte studierte. Mit einem freundlichen Lächeln zeigte sie dem Kellner, wofür sie sich entschieden hatte.
Wenig später brachte man ihr Mineralwasser und Brot, danach einen bunten griechischen Salat mit Fetakäse. Sie aß, als hätte sie seit Tagen nichts mehr zu sich genommen. Und das war nicht einmal sehr weit von der Wahrheit entfernt. Das Ankommen gefiel ihr sehr viel besser als die Reise selbst.
„Hat Ihnen der salata geschmeckt?“, fragte der Kellner und warf einen zufriedenen Blick auf ihren leeren Teller.
Isobel lächelte, erleichtert darüber, dass er Englisch sprach. „Sehr gut. Es war köstlich.“ Sie holte ihren Reiseprospekt aus der Tasche. „Könnten Sie mir bitte helfen? Mir wurde gesagt, dass ich die Schlüssel für eines dieser Apartments hier abholen kann.“
Auch er lächelte und nickte. „Mein Vater hat sie. Ihm gehört die Ferienanlage Kalypso. Wenn Sie einen Moment warten, bringe ich Sie hin.“
Verlegen schüttelte Isobel den Kopf. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber Sie müssen deswegen nicht Ihre Arbeit unterbrechen. Ich kann mir ein Taxi nehmen …“
Er grinste. „Mein Vater ist Nikos. Ihm gehört auch die Taverne. Er wird sich freuen, wenn ich Sie hinbringe. Ich bin gerade vom Krankenhaus zurück.“
Überrascht sah sie den jungen, muskulösen Mann an. „Waren Sie krank?“
„Nein, ich arbeite dort als Arzt. Aber ich helfe zu Hause aus, wenn viel zu tun ist. Ich bin Alex Nicolaides. Wenn Sie mir Ihren Namen für die Unterlagen meines Vaters nennen, kann ich Sie zum Kalypso bringen.“
„Isobel James“, stellte sie sich vor. Nachdem sie ihr Wasser ausgetrunken und die Rechnung bezahlt hatte, kam der hilfsbereite Alex wieder.
„Wir können zu Fuß hingehen, es ist nicht weit“, erklärte er und nahm ihr Gepäck, wobei Isobel schnell nach ihrer großen Handtasche griff. „Die nehme ich schon.“
„Da sind sicher Ihre Wertsachen drin“, mutmaßte Alex, als sie die Marina entlangschlenderten.
„So ungefähr.“ Sie zog den Schirm ihrer Kappe bis zur Sonnenbrille herunter. „Einige meiner Malutensilien.“
„Sind Sie Künstlerin, Miss James?“
Isobel lächelte. „Ich versuche zumindest, eine zu sein.“
Ihr Begleiter hatte recht. Es war nicht weit bis zu den Ferienwohnungen. Doch die brütende Hitze trug dazu bei, dass Isobel erschöpft war, als sie bei den sechs weißen Ferienhäuschen ankamen, die sich am Ende des Hafens den Hügel hinaufzogen. Inmitten von Grün gelegen, hatten alle Häuser blaue Balkone, mit Blick über das strahlend blaue Meer, auf dem kleine Boote träge schaukelten.
Ihr Begleiter schaute auf die Nummer, die an ihrem Schlüssel hing, und warf Isobel einen zweifelnden Blick zu. „Ihr Haus liegt ganz hinten oben auf dem Hügel. Ist Ihnen das nicht zu abgelegen?“
Sie schüttelte den Kopf. Weit gefehlt. Denn die Ruhe und die relative Abgeschiedenheit des Häuschens waren genau das, was sie brauchte.
Sie hatten die anderen Häuser schon ein Stück hinter sich gelassen, als der junge Mann sie einen steilen Pfad hinaufführte, der von Piniennadeln bedeckt war. Er stellte ihr Gepäck auf der Veranda mit den Gartenmöbeln ab und öffnete mit einer schwungvollen Handbewegung die Tür zu Isobels Feriendomizil.
„Willkommen auf Chyros, Miss James. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“
Sie riss sich von dem schönen Ausblick los und wandte sich dem Mann zu. „Den werde ich sicher haben. Noch etwas – wo ist der nächste Strand?“
„Unten beim Hafen. Aber gleich hier gibt es auch einen, der Ihnen sicher besser gefallen wird.“ Er deutete auf den schmalen Pfad, der sich hinter dem Haus durch die Pinien schlängelte. „Er ist klein, aber sehr schön. Und es sind nicht viele Leute dort, weil der Weg so steil ist.“
„Klingt wunderbar. Vielen Dank für Ihre Hilfe.“ Isobel schenkte ihm zum Abschied ein herzliches Lächeln und betrat ihr neues Quartier. Es bestand hauptsächlich aus einem großen Raum mit weißem Fliesenboden und gelb gestrichenen Wänden, in dem eine Klimaanlage für angenehm kühle Luft sorgte.
Die Einrichtung war schlicht. Ein himmelblaues Sofa, Vorhänge, zwei weiß bezogene Betten und ein Schrank. Durch einen Rundbogen sah man zu der kleinen Küche und dem angrenzenden Bad. Alles wirkte so sauber und friedlich, dass es Isobel wie ein Zufluchtsort erschien.
Ihre Freundin Joanna, mit der sie vor deren Ehe immer Urlaub gemacht hatte, hatte Isobels Wahl missbilligt und sie gedrängt, sich ein Hotelzimmer auf einer glanzvollen Insel wie Mykonos zu nehmen. Doch Isobel hatte sich für das ruhige, idyllische Chyros entschieden. Hier würde sie malen oder gar nichts tun können, ohne jeden Zeitdruck.
Nachdem sie ausgepackt und schnell geduscht hatte, trat sie in Shorts und rückenfreiem Oberteil auf den Balkon. Sie schickte Joanna eine SMS, dass sie sicher angekommen sei. Dann setzte sie sich mit dem Reiseführer hin und ließ ihre Haare in der Sonne trocknen.
Doch es dauerte nicht lange, bis ein Zeichenblock auf ihren Knien lag und sie anfing, die Boote im Hafen unten zu skizzieren. Versunken arbeitete sie, bis das Licht verblasste. Sie gähnte und streckte sich, zu müde, um zum Abendessen hinunter in die Taverne zu gehen. Stattdessen würde sie auf Brot, Käse und Tomaten zurückgreifen, die der Vermieter ihr für den ersten Tag hingelegt hatte. Danach wollte sie mit ihrem iPod und einem Buch über griechische Mythologie früh zu Bett gehen.
Sie blieb noch auf der Veranda, bis die Lichter unten auf den Booten und in den anderen Häusern angegangen waren. Zufrieden sah sie zu dem dunklen Himmel, an dem Millionen Sterne funkelten. Die Abendluft war von Musik und dem Duft nach Essen erfüllt.
Im Gegensatz zu Joannas Prognose verspürte Isobel innere Ruhe und Frieden statt Einsamkeit. Zum ersten Mal seit Wochen fühlte sie sich befreit von der dunklen Wolke, die sie nicht hatte verscheuchen können, auch wenn sie sich noch so sehr darum bemüht hatte. Und dass sie schon so früh schläfrig war, musste an der besonderen Luft auf dieser Insel liegen.
Als Isobel früh am nächsten Morgen aufwachte, stellte sie voller Freude fest, dass sie durchgeschlafen hatte, ohne auch nur ein einziges Mal von einem Albtraum aufgeschreckt worden zu sein.
Nach dem Frühstück zog sie Jeans und T-Shirt über einen rosafarbenen Bikini, stülpte sich eine blaue Baseballkappe über die Haare und ging hinunter zum Hafen. Sie schlenderte an den Booten vorbei, ging dann in Richtung Dorfplatz und erwiderte das freundliche Lächeln der schwarz gekleideten Frauen und der alten Männer, die schon vor ihren Türen saßen.
Ein kleiner Kiosk an der Ecke hatte bereits geöffnet. Isobel kaufte Postkarten, Brot, Mineralwasser und süße Trauben und machte sich wieder auf den Rückweg zu ihrem Häuschen. Ausgerüstet mit Sonnenbrille, Badesachen und Malutensilien schlug sie wenig später den Pfad ein, von dem Alex Nicolaides am Tag zuvor gesprochen hatte.
Der Weg war tatsächlich an manchen Stellen bedrohlich steil. Doch als sie schließlich den wunderschönen Strand erreichte, der verlassen dalag, wusste sie, dass die Mühe sich gelohnt hatte. Hinter dem weißen Sandstrand erhoben sich Tamarisken und Pinien, davor leuchtete das Meer in wunderschönen Grün- und Blautönen.
Isobel ging zu einem Felsen, zog sich bis auf den Bikini aus und rieb sich mit Sonnencreme ein. Dann setzte sie sich an den Felsen, über den sie ein Handtuch gelegt hatte, und begann zu zeichnen.
Den steilen Pfad wagte sich niemand hinunter, doch nach einer Stunde absoluter Ruhe kamen hin und wieder kleine Boote und luden Passagiere aus. Bald liefen Kinder fröhlich schreiend ins Wasser, während Erwachsene sich in der Sonne rekelten oder Picknick machten. So viel zu Ruhe und Frieden.
Isobel lächelte gelassen und beschloss, den Weg die Klippen hinaufzugehen, um ein frühes Mittagessen einzunehmen. Doch als sie ihre Sachen zusammensammelte, entdeckte sie einen Spalt in den Felsen am Ende des Strandes, der sie neugierig machte. Sie kam näher und sah, dass der Spalt sehr eng und dunkel war, teils verdeckt von überhängendem Buschwerk.
Sie presste die Umhängetasche fest an die Brust und quetschte sich durch den felsigen Durchgang, der an einer Stelle so schmal war, dass sie beinahe aufgegeben hätte. Doch als der Durchgang wieder breiter wurde, trieb ihre Neugier sie weiter. Vorsichtig tastete sie sich über die rutschigen Felsen, bis sie in einer sehr viel kleineren Bucht herauskam, geschützt durch hohe, steile Klippen. Weit und breit war kein Mensch zu sehen.
Begeistert sah Isobel sich in ihrem einsamen Paradies um. Trauben und Wasser würden ihr hier als Lunch genügen. Sie zog sich wieder bis auf den Bikini aus und setzte sich unter einen überhängenden Felsen, dessen Form sie an einen drohend aufgerichteten Löwen erinnerte. Das wird mein nächstes Motiv sein, nahm sie sich vor. Nachdem sie getrunken und einige Trauben gegessen hatte, zog sie sich tiefer in den Schatten zurück, um ein Nickerchen zu machen.
Doch die neu gefundene Ruhe wurde bald von einem aufheulenden Motor zerstört. Ihr Überlebensinstinkt trieb sie genau in dem Augenblick auf den steilen Felsen, als ein Mann auf einem Jetski auf sie zuraste. Im letzten Moment drehte er ab, lachte schallend und hielt wieder aufs offene Meer zu.
Isobel schlug das Herz bis zum Hals. Sie war so wütend auf diesen Rowdy, dass sie das Gleichgewicht verlor, als sie sich umdrehte, um herunterzuspringen. Wild fuchtelte sie mit den Armen in der Luft herum, doch ihr Schrei wurde erstickt, denn sie schlug mit dem Kopf gegen den Fels, und ihre Welt wurde plötzlich schwarz.
Lukas Andreadis freute sich auf den Nachmittag. Er wollte schwimmen gehen und danach köstlich zu Abend essen. Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Sein ganzes Erwachsenenleben lang hatte er darauf hingearbeitet, und nun wollte er den triumphalen Sieg über Melina Andreadis allein an seinem Lieblingsplatz feiern. Während er mit seinem Helikopter über das vertraute tiefblaue Wasser flog, entspannte er sich allmählich. Schließlich tauchte die Insel auf.
Normalerweise hob der Anblick von Chyros sofort seine Laune. Denn diese Insel bedeutete für ihn Frieden und Abgeschiedenheit, wovon er in seinem Leben in Athen nur wenig hatte. Er setzte zum Landeanflug in der Nähe der Villa an und fluchte plötzlich wütend. Eine nackte Frau lag an seinem Privatstrand in der Sonne. Wieder einmal.
Nachdem er hinter dem Haus gelandet war, lief er am Pool vorbei zu den Bäumen, die am Rand der Klippe standen, und sah mit finsterem Blick auf die Gestalt, die weit unter ihm reglos im Sand lag. Warum, verdammt noch mal, konnten sie ihn nicht in Frieden lassen? Er drehte sich um, als der treue Spiro herbeigeeilt kam, um ihn zu begrüßen. Herzlich erwiderte er den Gruß und deutete dann zum Strand.
„Da ist wieder jemand in der Bucht. Wo zum Teufel steckt Milos?“
„Er hat ein paar Stunden freigenommen. Soll ich das Boot nehmen?“
„Nein, lassen Sie mich das machen.“ Luke nahm sein Gepäck und schlenderte an den Palmen und dem Oleander vorbei in den üppig blühenden Garten. Doch anstatt wie sonst erst einmal die duftende Luft einzuatmen und zur Ruhe zu kommen, hastete er die gewundene Treppe hoch, zog seine Sachen aus, schlüpfte in Shorts und T-Shirt und stieg barfuß in seine Deckschuhe. Beruhigend lächelte er Spiro zu, der inzwischen mit Auspacken beschäftigt war. „Keine Sorge. Ich tue der Frau nichts.“
„Das weiß ich“, erwiderte der Mann mit der Selbstverständlichkeit eines Angestellten, der seinen Arbeitgeber von Geburt an kannte – und mochte. „Setzen Sie die dunkle Sonnenbrille auf … und fahren Sie nicht zu schnell.“
Luke nahm zwei Schlüssel. In der Küche blieb er kurz stehen, um Spiros Frau Eleni herzlich zu begrüßen, und schaute kurz zum Strand hinunter. Die Frau lag immer noch bäuchlings im Sand. Sie würde sich einen Sonnenbrand holen. Aber dem würde er abhelfen.
Wenig später fuhr er in seinem Jeep die von Zypressen gesäumte Auffahrt hinunter und raste dann in einem Tempo, das Spiros Herz sicher zugesetzt hätte, die gewundene Straße hinunter. Unten in der Stadt drosselte er die Geschwindigkeit. Bei seinem abgeschiedenen Liegeplatz am Ende des Hafens hielt er an.
Mit einem Satz war er an Deck der Athena. Er ließ die Marina hinter sich und steuerte um die Klippen herum auf seine Privatbucht zu. Dann vertäute er das Boot an einem Anlegesteg, der hinter Felsen versteckt lag. Seine Augen funkelten zornig. Die Frau war immer noch da.
„Sie sind hier unbefugt eingedrungen!“, schrie er und stürmte über den hellen Strand. Doch als er bei ihr war, merkte er, dass sie sich nicht regte. Mit dem Gesicht nach unten lag sie unnatürlich verdreht da, und eine Flut von blonden Locken ergoss sich über ihre Schultern.
Er wollte ihr Gesicht zu sich drehen, ließ die Hand aber wieder fallen.
Ein gequälter Blick aus blauen Augen traf ihn, der sich vor Entsetzen verdunkelte, als sie in sein Gesicht sah, das ihrem so bedrohlich nahe war.
„Sie sind gestürzt. Was machen Sie hier?“, wollte er wissen.
„Tut mir leid … ich verstehe nicht“, entgegnete sie schwach und unterdrückte ein Stöhnen, als sie versuchte, von ihm abzurücken.
„Sie sind gestürzt und haben eine Kopfverletzung“, erklärte Luke auf Englisch. Er fluchte leise, da durch ihre Bewegung erneut Blut aus einer tiefen Schnittwunde an der Schläfe sickerte.
„Der Knöchel ist auch verletzt.“ Sie schluckte und verzog das Gesicht vor Schmerzen. „Ich bin ausgerutscht, als Sie mit dem Jetski auf mich zugehalten haben …“
„Jetski?“ Finster sah er sie an. „Der Sturz hat wohl Ihre Sinne benebelt, kyria. So etwas besitze ich gar nicht. Ich bin mit dem Boot da.“ Stirnrunzelnd betrachtete er den Fuß, der in eine Felsspalte geraten war. „Ich muss ihn herausziehen. Aber es wird wehtun.“
Stoisch biss sie die Zähne aufeinander und wandte den Kopf ab.
Luke machte den Schnürsenkel an dem blauen Turnschuh auf, doch als er versuchte, den Fuß vom Schuh zu befreien, stöhnte sie vor Schmerz auf, und Schweiß rann über ihr Gesicht.
„Ziehen Sie einfach. Bitte!“
Er gehorchte. Aber kaum hatte er den Fuß befreit, war die junge Frau erneut in Ohnmacht gefallen. Fluchend zog er sein Handy aus der hinteren Hosentasche. „Spiro, die Frau hatte einen Unfall. Sie ist bewusstlos. Um diese Zeit ist wohl keine Sprechstunde mehr, also werde ich sie zum Haus bringen müssen.“
Spiros entsetzten Aufschrei würgte er ab. „Suchen Sie bitte Dr. Riga. Und sagen Sie ihm, dass es dringend ist.“
Erneut fluchte er, weil sie außer ein paar winzigen Fetzen rosa Stoff praktisch nackt war. Er schüttelte das Handtuch aus, das in der Nähe lag, und breitete es über der Frau aus. Dann durchsuchte er die Umhängetasche, die am Fuß des Felsens lag.
Beim Anblick des Skizzenblocks und der Stifte verzog er den Mund. Ansonsten fand er nur eine Geldbörse mit Kleingeld und einen englischen Roman. Kein Ausweis. Er hängte sich die Tasche über die Schulter. Doch als er sich bückte, um die Frau hochzuheben, öffnete sie die Augen, erneut voller Angst.
„Ihnen wird nichts passieren“, schnauzte er entnervt. „Ich muss Sie zu meinem Boot tragen.“
So vorsichtig wie möglich trug Luke seine Last über den schmalen Strand. Als er sie ins Boot legte, war sie schon wieder bewusstlos. Schlecht gelaunt fuhr er zurück zur Marina, einmal mehr froh darüber, dass sein Liegeplatz sich ein gutes Stück von den Tavernen entfernt befand.
Er vertäute sein Boot sicher und hob seine bewusstlose Passagierin hoch. Hoffentlich hatte sie keine schweren Schädelverletzungen davongetragen. Obwohl sie schlank war, lag sie nun schwer wie Blei in seinen Armen. Am Kai setzte er sie vorsichtig auf den Beifahrersitz seines Jeeps. Dann fuhr er zurück zur Villa.
Spiro und Eleni kamen ihm schon entgegen, als er in die Auffahrt einbog, gefolgt von dem Gärtner Milos. Alle drei lamentierten lauthals über die bewusstlose Frau.
„Es tut mir leid, kyrie“, sagte Milos bedauernd. „Meine Mutter brauchte mich. Was ist denn mit der Lady passiert?“
„Sie ist von den Felsen gestürzt“, brummte Luke und sprang aus dem Wagen.
„Dr. Riga ist zu einem Notfall gerufen worden“, erklärte Spiro mit besorgtem Blick.
Luke schluckte eine heftige Erwiderung hinunter. „Braucht er lange?“
„Alex Nicolaides ist zu Hause, kyrie. Ich habe ihn heute Morgen gesehen. Ich könnte ins Dorf gehen und ihn holen“, schlug Milos vor.
Luke nickte grimmig und fühlte den Puls der jungen Frau. „Holen Sie ihn bitte her, so schnell es geht.“
„Die Arme!“ Eleni beugte sich vor, um der jungen Frau das Blut von der Schläfe zu wischen, während Milos davoneilte. „Sie hat sich ihr hübsches Gesicht verletzt.“
„Ich helfe Ihnen, sie hinaufzutragen“, bot Spiro an, doch Luke schüttelte den Kopf.
„Das schaffe ich schon. Aber ich brauche Sie, Eleni.“ Als er den Sicherheitsgurt löste, kam die junge Frau zu sich und schreckte so panisch vor ihm zurück, dass Luke plötzlich die Geduld verlor.
„Sie sind nicht in Gefahr“, schnauzte er. „Ich habe Sie zu meinem Haus gebracht.“
„Nein, ich muss wirklich zurück … zu meinem Ferienhaus“, protestierte Isobel entsetzt. Bevor er sie noch zurückhalten konnte, glitt sie vom Sitz, schnappte aber benommen nach Luft, als sie mit ihrem verletzten Knöchel auftrat.
Luke hob sie hoch. Seine Miene war dabei bedrohlich wie ein Gewitter. Er achtete nicht auf Elenis Protest, weil er das Handtuch zurückgelassen hatte. Entschlossen stieg er die geschwungene Treppe zu dem großen, lichtdurchfluteten Schlafzimmer hinauf und setzte seine widerspenstige Last in einem Sessel ab. „Ich lasse Sie jetzt mit meiner Haushälterin allein“, keuchte er und marschierte aus dem Zimmer.
Die ältere Frau lächelte mitfühlend. „Ich bin Eleni.“ Sie nahm den Arm der jungen Frau, um ihr zu dem einladenden weißen Bett zu helfen, doch Isobel schüttelte den Kopf.
Sofort bereute sie die Bewegung. Ein so schmerzhafter Stich schoss ihr durch den Kopf, dass sich der ganze Raum um sie drehte. „Mir ist schlecht“, keuchte sie und schlug die Hand vor den Mund.
Eleni hatte sofort begriffen und half ihr ins angrenzende Badezimmer. Nach einer schmerzhaften, erniedrigenden Tortur bedankte Isobel sich matt und gab schließlich Elenis Drängen nach, den Bikini auszuziehen, der während ihres abenteuerlichen Ausflugs sehr gelitten hatte. Nachdem Eleni ihr Sand und Blut abgewaschen hatte, half sie Isobel in einen weißen Bademantel.
„Vielen … Dank.“ Isobels Zähne schlugen zitternd aufeinander, als die Frau sie ins Bett legte, den Kopf auf die schneeweißen Kissen gebettet.
Eleni hob den Bikini vom Boden auf. „Den werde ich waschen. Und Sie ruhen sich jetzt aus.“ Mit diesen energischen Worten verließ sie das Zimmer.
Die Episode im Badezimmer hatte Isobels Kopfschmerzen noch verstärkt, sodass sie fast den Schmerz in ihrem Knöchel vergaß. Aber nicht ihren Durst. Sie versuchte, sich den Unfall in Erinnerung zu rufen. Es fiel ihr schwer. Sie wusste noch, dass irgendein Idiot auf einem Jetski vom Meer aus auf den Strand zugehalten und sie sich den Kopf angeschlagen hatte.
Danach war es dunkel um sie herum gewesen, bis sie dann in das attraktive, wütende Gesicht eines Fremden blickte, den sie für den Übeltäter hielt. Was ihn sehr aufgebracht hatte. Das jedenfalls spürte sie auch jetzt noch, als die Tür sich öffnete und ihr feindselig gestimmter Retter am Bett erschien.
„Wie geht’s?“, fragte er knapp.
„Nicht besonders.“ Sie schluckte. „Tut mir leid, dass ich Ihnen zur Last falle, aber könnte ich bitte einen Schluck Wasser haben?“
Luke nickte steif und verfluchte sich im Stillen, dass er nicht selbst daran gedacht hatte. „Natürlich.“
Isobel sah ihm hinterher, als er das Zimmer verließ. Er war groß und hatte eine fantastische Figur. Wenn er nur etwas freundlicher wäre, würde er sogar sehr gut aussehen. Nicht, dass seine Feindseligkeit ihr Sorgen machte. Denn ihr einziger Wunsch war, so schnell wie möglich von hier fortzukommen, wo auch immer „hier“ sein mochte.
Sie wollte in ihr kleines Häuschen zurück, für das sie schließlich bezahlt hatte. Und ein Tag ihres Urlaubs war schon ruiniert. Bei dem Gedanken kamen ihr die Tränen. Ungehalten über ihr Selbstmitleid, wischte sie sie schnell fort, während ihr Gastgeber mit ihrer Umhängetasche zurückkam.
Eleni folgte ihm mit einem Tablett in der Hand. Sie goss Wasser in ein Glas und reichte es Isobel. Nachdem sie dem Hausherrn einen fragenden Blick zugeworfen hatte, verließ sie den Raum, ließ die Tür aber weit offen.
„Eleni kümmert sich schon seit vielen Jahren um meine Familie“, erklärte er.
Obwohl Isobel großen Durst hatte, zwang sie sich, langsam zu trinken. „Sie ist sehr nett.“
„Ich nicht?“
„Natürlich.“ Ihre Wangen wurden noch heißer. „Ich bin Ihnen sehr dankbar. Und es ist mir äußerst peinlich, dass ich Ihnen so viele Scherereien mache.“
Lässig zuckte Luke die Schultern. „Sagen Sie mir Ihren Namen.“
„Isobel James.“ Sie trank das restliche Wasser aus, hielt das kalte Glas an die Wange und sah ihn fragend an. „Und wer sind Sie?“
Er lachte höhnisch. „Das wissen Sie nicht?“
Sie versteifte sich. „Leider nicht. Ich bin erst gestern auf der Insel angekommen.“
Ein zynisches Glitzern lag in seinen Augen. „Und was hatten Sie an meinem Strand verloren? Haben Sie jemanden dafür bezahlt, dass er Sie mit dem Boot dorthin gebracht hat?“
Isobel umklammerte ihr Glas. „Nein. Ich bin den Pfad zum Strand hinuntergestiegen, der neben Ihrer Bucht liegt. Aber mittags war es dort sehr voll. Da habe ich den Spalt zwischen den Felsen entdeckt und bin hindurchgeschlüpft, um nachzusehen, was dahinter liegt.“
„Der Weg ist blockiert.“
„Nicht ganz. Ich konnte mich vorbeiquetschen.“
„Waren Sie so begierig darauf, in meine Privatsphäre einzudringen?“ Abscheu flammte in seinen Augen auf, der Isobel an einer empfindlichen Stelle traf.
„Ganz sicher nicht“, gab sie zurück. „Ich hatte keine Ahnung, dass es ein Privatstrand ist. Ich bitte ergebenst um Entschuldigung, dass ich mir unbefugt Zutritt verschafft habe. Wenn Sie jetzt so freundlich wären, mir ein Taxi zu rufen, könnte ich mich anziehen und verschwinden.“
Spöttisch hob er eine Braue. „Und wie wollen Sie laufen?“
„Das schaffe ich schon“, schnauzte sie und hoffte, dass sie recht behalten würde.
In diesem Moment klopfte Eleni an die offen stehende Tür. Dann trat eine bekannte Gestalt herein, die einen Arztkoffer trug.
Die beiden Männer umarmten sich zur Begrüßung, und Alex Nicolaides trat ans Bett. Seine Augen weiteten sich besorgt, als er die Patientin erkannte. „Miss James! Was ist denn passiert?“ Er wandte sich zu ihrem finster dreinblickenden Retter um und stellte ihm wohl die gleiche Frage in seiner Sprache.
„Diese Dame“, erklärte Luke ihm bewusst auf Englisch, „ist unbefugt an meinem Privatstrand gewesen und dabei gestürzt. Sie war bewusstlos, als ich sie gefunden habe. Wenn du jetzt bitte ihre Verletzungen untersuchen würdest und mir sagst, was zu tun ist.“
„Ich möchte, dass Eleni bleibt, bitte“, erklärte Isobel.
Luke bedeutete der Haushälterin, ans Bett zu treten. Er selbst blieb am Fußende stehen, offensichtlich bestrebt, die Untersuchung zu überwachen.
Tröstend tätschelte die Haushälterin Isobels Hand, und Alex beugte sich über sie.
„Sie haben ja ziemliches Pech gehabt, Miss James“, sagte er sanft.
Er klang so aufrichtig in seinem Mitleid, dass Isobel erneut Tränen kamen und ihr heiß über die geröteten Wangen liefen. Schnell tupfte Eleni sie mit einem Tuch ab, damit der Arzt die Wunde untersuchen konnte. Dann leuchtete er ihr mit einem Stablämpchen ins Auge, hielt einen Finger hoch und bat sie, dessen Bewegung mit dem Auge zu folgen. „Haben Sie sich übergeben?“
„Ja.“
„Und Ihr Kopf, haben Sie starke Schmerzen?“
„Ja.“
„Sieh dir den Fuß an, er ist auch verletzt“, sagte Luke. Er klang gelangweilt.
Stirnrunzelnd untersuchte Alex den geschwollenen Knöchel. „Wir müssen prüfen, ob er gebrochen ist“, sagte er zu Isobel. „Es dauert nicht lange.“
„Vorsicht“, warnte Luke. „Sie fällt oft in Ohnmacht.“
Oft? Bis zum heutigen Tag war sie noch nie in Ohnmacht gefallen. Isobel biss die Zähne zusammen, entschlossen, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Doch beinahe wäre ihr schwarz vor Augen geworden.
„Der Knöchel ist böse verstaucht, Miss James, aber nicht gebrochen“, versicherte Alex ihr. „Ich werde ihn erst mal verbinden. Aber Dr. Riga soll ihn zur Sicherheit röntgen. Ich mache Ihnen auch einen Kopfverband und gebe Ihnen Schmerztabletten. Falls nötig, nehmen Sie sie mit viel Flüssigkeit ein.“
„Danke.“ Sie versuchte, sich zu entspannen, während er ihren Knöchel bandagierte. „Sind Sie mit dem Wagen gekommen, Doktor?“
Überrascht sah er hoch. „Nein, hinten auf Milos’ Motorroller. Warum?“
„Ich hatte gehofft, Sie könnten mich mit zurücknehmen“, sagte sie enttäuscht und sah ihn bittend an. „Wären Sie so nett, mir ein Taxi zu besorgen?“
Verwirrt sah Alex zu Luke.
„Miss James kann bleiben, solange sie will.“
Nicht eine Sekunde länger, wenn es nach ihr ginge. „Nett von Ihnen“, sagte sie frostig. „Aber ich möchte Ihnen auf keinen Fall Unannehmlichkeiten machen. Also, würden Sie mir jetzt ein Taxi rufen, Doktor?“
Alex schien so unangenehm berührt, dass Luke Mitleid mit ihm hatte.
„Ich werde Sie selbst fahren, Miss James“, sagte er ungehalten. „Aber nur, wenn Sie allein zurechtkommen. Zeigen Sie uns, ob es geht.“
Isobel nahm all ihre Kraft zusammen, um sich aufzusetzen. Sie atmete tief durch und setzte die Füße vorsichtig auf den Boden. Dankbar ergriff sie Elenis Hand und versuchte aufzustehen. „Sehen Sie?“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Wenn die Herren jetzt freundlicherweise gehen würden, könnte ich mich anziehen.“
„Ich halte das für keine gute Idee, Miss James“, sagte Alex, der offenbar erwartete, dass sie jeden Moment zusammenbrechen würde.
„Ich muss es versuchen. Das Haus ist doch ebenerdig. Ich habe Lebensmittelvorräte. Also, wenn Mr …“
Sie warf einen Blick zu ihrem Gastgeber. „Ich kenne nicht einmal Ihren Namen.“
„Ach nein?“ Ungläubig hob er eine Braue und drückte seine Verachtung aus. „Ich bin Lukas Andreadis.“
„Angenehm.“ Sie wandte sich an Alex. „Wenn Mr. Andreadis mich fährt, komme ich gut zurecht.“ Sie schluckte gegen die Übelkeit an, die erneut in ihr aufstieg, und umklammerte Elenis Hand, weil ihr wieder schwindlig wurde.
Luke schüttelte den Kopf. „Ich werde Sie fahren, wenn Sie tatsächlich gut zurechtkommen, Miss James. Aber heute ist das offensichtlich noch nicht der Fall. Legen Sie sie wieder ins Bett, Eleni.“
„Das wird das Beste sein“, stimmte Alex erleichtert zu.
Isobel fügte sich und ließ sich von Eleni wieder ins Bett helfen. Verzweifelt vergrub sie das Gesicht im Kissen. Ihr lang ersehnter Griechenlandurlaub war abrupt unterbrochen worden, noch bevor er richtig begonnen hatte. Sie achtete nicht auf den raschen Wortwechsel, den die beiden Männer in ihrer Sprache führten, sondern wünschte nur, sie würden gehen und sie ihrem Elend überlassen.
„Miss James.“ Alex kam zum Bett zurück.
Isobel öffnete die Augen. „Ja?“
„Wenn Sie mir Ihre Schlüssel überlassen, schicke ich meine Schwester zu Ihrem Haus, um ein paar Sachen für Sie einzupacken.“
„Sehr freundlich“, sagte sie mit zittriger Stimme. „Die Schlüssel sind in meiner Umhängetasche.“
„Ich freue mich, wenn ich Ihnen helfen kann, aber es war Lukes Idee“, fügte er hinzu.
Ihr Blick ging zu ihrem Gastgeber. Das Lächeln war aus ihren Augen verschwunden. „Dann danke ich Ihnen auch, Mr. Andreadis.“
„Wir Griechen helfen den Touristen gern“, sagte er ungerührt.
„Sofern sie nicht in Ihre Privatbucht eindringen.“
„So ist es.“ Er ließ sich zu einem Lächeln herab. „Komm, Alex. Ich fahre dich.“
Eleni schloss die Tür hinter ihnen, goss geeisten Fruchtsaft in ein Glas und gab Isobel zwei Schmerztabletten. „Trinken Sie, kyria“, sagte sie entschieden.
Gehorsam schluckte Isobel die beiden Tabletten hinunter und trank von dem Saft. „Efcharisto, Eleni. Danke.“ Sie brachte ein Lächeln zustande. „Aber nennen Sie mich doch bitte Isobel.“
Schüchtern wiederholte Eleni den Namen, stellte das leere Glas aufs Tablett und öffnete einen Joghurtbecher.
Beunruhigt sah Isobel den Becher an. „Tut mir leid, aber ich kann im Moment unmöglich etwas essen.“
„Der ist nicht zum Essen. Für Ihr Gesicht. Es brennt, ne?“
„Und wie“, meinte Isobel seufzend und ließ die unerwartete Schönheitsbehandlung über sich ergehen. Eleni strich den wunderbar kühlen, cremigen Joghurt über ihr Gesicht, ließ ihn ruhen, bis er warm war, und nahm ihn dann mit Papiertüchern wieder ab.
„Später machen wir das noch einmal“, versprach sie, „aber jetzt müssen Sie schlafen, Isobel.“ Sie lächelte, dann verließ sie das Zimmer, ließ die Tür jedoch einen Spalt geöffnet.
Die Schmerztabletten wirkten, und Isobel zeigte langsam Interesse an ihrer Umgebung. Durchsichtige weiße Vorhänge bewegten sich leicht an den geöffneten Verandatüren im Wind. Das Zimmer selbst war mit dezenter Eleganz eingerichtet, wie sie sich nur Betuchte leisten konnten.
In plötzlicher Verzweiflung stöhnte Isobel auf. Sie war nach Chyros gekommen, um das Leben wieder aus normaler Perspektive betrachten zu können. Kaum war sie einen Tag da, landete sie im Haus eines reichen und sehr unfreundlichen Fremden, war ihm schutzlos ausgeliefert, bis sie wieder allein gehen konnte.
Aber warum hatte dieser Mann geglaubt, dass sie wusste, wer er war? Vielleicht war er eine Art Persönlichkeit in Griechenland. Sie zog eine Grimasse. Da musste er sich keine Sorgen machen. Auch wenn er auf eine bestechende Art gut aussah, löschte seine entsetzliche Arroganz doch jede Anziehungskraft aus, die er als Mann sonst vielleicht auf sie haben mochte …
Als Isobel die Augen wieder öffnete, sah sie sich einem weiteren Fremden gegenüber, der auf sie hinunterschaute.
„Das ist Dr. Riga, Isobel“, erklärte Eleni und beeilte sich, ihr beim Aufsitzen zu helfen.
Der große Mann mit der Brille lächelte beruhigend. „Kalispera. Guten Tag. Wie geht es Ihnen?“, fragte er auf Englisch mit breitem Akzent und fühlte ihren Puls.
„Gar nicht gut.“
Er nickte und sah sie so mitfühlend an, dass ihre Augen sich erneut mit Tränen füllten.
„Tut mir leid, Doktor“, sagte sie mit rauer Stimme und nahm eines der Taschentücher, die Eleni bereitgelegt hatte.
„Sie haben große Schmerzen, einen Schock erlitten und sind allein in einem fremden Land, Miss James. Da ist es ganz natürlich, dass Sie weinen“, versicherte er. „Ich muss Sie in meiner Klinik röntgen. Eleni wird Ihnen beim Anziehen helfen. Ich erwarte Sie dann in meiner Klinik.“ Aufmunternd lächelte er sie an und verließ das Zimmer.
Eleni half ihr, sich zu waschen und die Kleidung anzuziehen, die Alex’ Schwester gebracht hatte. Ein weißer Baumwollrock und ein blaues T-Shirt, in dem Isobel sich schon gesellschaftsfähiger fühlte, auch wenn sie nur eine Sandale trug. Allerdings war ihr immer noch übel, und ihr Kopf dröhnte entsetzlich. Unter dem Auge hatte sie einen Bluterguss, wie sie bemerkte, als sie sich vor dem Spiegel die Haare kämmte. „Ich bin dann so weit.“
Die ältere Frau nickte. „Dann sage ich kyrie Luke Bescheid.“
Wenig später erschien Luke in einem frischen weißen Hemd und perfekt sitzenden Jeans im Türrahmen, und Isobel hätte viel darum gegeben, auf ihren eigenen Füßen die Treppe heruntergehen zu können.
„Wie fühlen Sie sich jetzt?“, fragte er und ließ den Blick über ihre blonden Locken schweifen, die ihr offen über die Schultern fielen.
„Sauberer.“
„Aber Sie haben immer noch Schmerzen.“
„Ja.“
Übertrieben vorsichtig hob er sie hoch. „Ich werde mich bemühen, Ihnen nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen.“
„Ebenfalls, Mr. Andreadis“, erwiderte sie mit abgewandtem Gesicht, während sie sich auf seinen Armen versteifte, als er sie aus dem Zimmer trug.
Er runzelte die Stirn. „Ebenfalls?“
„Es tut Ihrem Rücken bestimmt nicht gut, mich herumzuschleppen.“
Spöttisch lachte er auf und trug sie die geschwungene Treppe in die marmorgeflieste Eingangshalle hinunter. In einer Nische stand eine bemerkenswert schöne Statue von Perseus, mit Medusas Kopf in der Hand. „Ich werde es überleben. Sie sind ja nicht schwer.“
„Ich werde mein Möglichstes tun, damit ich bald in mein Ferienhaus zurückkehren kann.“
„Wenn Dr. Riga entscheidet, dass Sie fit genug sind“, gab er gereizt zurück und trug sie durch den mit großen Topfpflanzen geschmückten Wintergarten zu dem Cherokee Jeep, der hinter der Villa stand.
Ein selten schönes Haus, stellte Isobel jetzt fest, da sie klarer denken konnte. „Ihr Heim ist wunderschön“, sagte sie höflich, nachdem Luke ihr ins Auto geholfen und auf dem Fahrersitz Platz genommen hatte.
„Efcharisto. Ich habe es vor Jahren gekauft und nach meinen Vorstellungen umbauen lassen. Das Haus und der Strand, der dazugehört, sind für mich ein Zufluchtsort.“
„Waren Sie deshalb so wütend, als Sie mich da unten entdeckt haben?“
Er hob eine Schulter. „Es gibt immer wieder Leute, die sich unbefugt Zutritt verschaffen.“
Sie biss die Zähne aufeinander. „Dann entschuldige ich mich noch einmal.“ Sie war nicht überrascht, dass Luke Andreadis sehr rasant fuhr. In atemberaubendem Tempo nahm er die Kurven, bis Isobel gezwungen war, ihn anhalten zu lassen.
Mit quietschenden Reifen blieb er stehen, rannte um den Jeep herum und hob sie heraus.
Äußerst verlegen übergab sie sich am Straßenrand.
„Können wir dann weiterfahren?“, fragte er, als sie sich wieder aufrichtete.
„Ja“, keuchte sie und betete zum Himmel, dass ihr nicht wieder schlecht werden würde.
Den Rest des Weges fuhr er langsamer, und Isobel war darüber erleichtert, weil sie wieder rasende Kopfschmerzen hatte.
Mit besorgtem Gesicht kam Dr. Riga ihnen entgegen. „Sie sind spät dran. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“
„Wir mussten zwischendurch anhalten, weil Miss James übel war“, erklärte Luke ihm. „Ich kenne die Straße so gut, dass ich wohl zu schnell gefahren bin.“
„Ach herrje, die Arme. Bring sie rein, Lukas. Mein Radiologe wartet schon, genauso wie Schwester Pappas mit einem Rollstuhl.“
Luke hob Isobel aus dem Wagen, um sie zum Rollstuhl zu tragen. Er verzog den Mund, als er spürte, dass sie vor ihm zusammenzuckte.
Nachdem sie geröntgt und die Wunde frisch verbunden worden war, wurde sie in die Eingangshalle zurückgeschoben.
„Der Knöchel ist nicht gebrochen, und Sie haben auch keine Schädelfraktur, allerdings eine leichte Gehirnerschütterung“, erklärte Dr. Riga und lächelte Isobel aufmunternd an. „Sie brauchen viel Ruhe. Ich gebe Ihnen noch Tabletten gegen die Kopfschmerzen mit. Und Schwester Pappas hat eine Krücke für sie.“
„Herzlichen Dank“, sagte Isobel lächelnd an beide gewandt.
Luke warf die Krücke hinten in den Jeep und hob Isobel auf den Beifahrersitz. Die Rückfahrt zur Villa verlief in so angespanntem Schweigen, dass Isobel sich schließlich verpflichtet fühlte, etwas zu sagen. „Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe, Mr. Andreadis. Würden Sie mir bitte Dr. Rigas Rechnung geben?“
„Die habe ich schon beglichen“, sagte er abweisend.
„Dann werde ich Ihnen das Geld geben“, erklärte sie.
Luke warf ihr einen scharfen Blick zu. Er war es gewohnt, dass die Frauen ihn weit höhere Rechnungen bezahlen ließen als die von Dr. Riga. „Ich will kein Geld von Ihnen, Miss James.“
Isobel hatte keine Kraft, sich mit ihm zu streiten. Obwohl allein der Gedanke, ihm etwas schuldig zu sein, ihr großes Unbehagen machte.
Als sie zu Hause waren, hob Luke sie aus dem Wagen und reichte ihr die Krücke. „Herzlich willkommen in der Villa Medusa“, sagte er förmlich. „Kommen Sie mit dem Ding zurecht?“
„Ja, danke.“ Selbst wenn es sie umbringen würde. Doch nachdem sie sich mit der Krücke durch den Wintergarten gequält hatte, war sie zu erschöpft, dagegen zu protestieren, dass Luke sie wieder hochhob, um sie nach oben zu tragen.
Eleni und Spiro, die hinter ihnen hereilten, hörten gespannt zu, als Luke in ihrer Landessprache von Dr. Rigas Untersuchungen berichtete.
„Eleni hat gefragt, wann Sie zum letzten Mal gegessen habe“, erklärte er und setzte Isobel in einen Sessel.
„Heute Morgen, am Strand“, sagte sie schwer atmend. Dass es nur ein paar Trauben gewesen waren, die sie wieder erbrochen hatte, verschwieg sie.
„Ich bringe Ihnen gleich etwas zu essen, Isobel“, versprach Eleni.
Dankbar lächelte Isobel sie an. „Efcharisto, Eleni. Aber ich habe überhaupt keinen Hunger.“
Luke nahm Spiro die Krücke aus der Hand und stellte sie gegen Isobels Sessel. „Haben Sie alles, was Sie brauchen?“
Isobel bemühte sich nicht einmal um ein freundliches Lächeln, denn dieser Mann machte keinen Hehl daraus, dass sie ihm nur eine unangenehme Last war. „Ja, danke. Ich werde Sie nicht wieder belästigen.“
Lukes Lächeln raubte ihr den letzten Nerv. „Sie haben mich von Anfang an belästigt, seit ich Sie vom Helikopter aus am Strand entdeckt habe.“
„Helikopter?“
„Bevor ich lande, suche ich immer den Strand ab.“
„Um Eindringlinge auszuspähen?“ Sie sah ihn direkt an, wobei ihr linkes Auge durch die Schwellung halb geschlossen war. „Auch auf die Gefahr hin, dass ich Sie langweile, Mr. Andreadis, möchte ich mich noch einmal für mein Eindringen entschuldigen.“ Ihr Mund verzog sich. „Die Strafe ist so schnell auf dem Fuß gefolgt, dass ich es sicher kein zweites Mal riskieren werde.“
„Obwohl Sie Ihr Ziel verfehlt haben?“
Isobel runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht ganz.“
Luke warf einen Blick zu Spiro, der reglos dastand. „Wenn Sie erlauben, Miss James, komme ich zurück, nachdem Sie gegessen haben. Ich muss mit Ihnen reden.“
Vorsichtig neigte Isobel den Kopf. Sie konnte doch unmöglich Nein sagen.
Als sie allein war, lehnte sie sich einen Moment erleichtert zurück, dann raffte sie sich auf und übte mit der Krücke. Befriedigt stellte sie fest, dass sie sich trotz Kopfschmerzen und verstauchtem Knöchel wieder selbstständig fortbewegen konnte, wenn auch nicht schnell. Gott sei Dank! Also würde sie den feindselig gestimmten Mr. Andreadis um einen letzten Gefallen bitten – dass man sie zu ihrem Ferienhaus zurückbringen würde.
Als Eleni wiederkam, gefolgt von Spiro mit einem Tablett in der Hand, lächelte Isobel und deutete auf die Balkontür. „Könnte ich bitte draußen essen?“
„Wie Sie wünschen, kyria.“ Spiro trug das Tablett nach draußen und stellte es auf einen kleinen Tisch. Dann rückte er ihr einen Stuhl zurecht und öffnete den zweiten Flügel, damit sie es leichter hatte. Lächelnd deutete er vor Isobel eine Verbeugung an.
„Efcharisto, Spiro“, sagte Isobel dankbar und humpelte auf den Balkon. Sie setzte sich und sah die Haushälterin so triumphierend an, dass diese ihr lachend auf die Schulter klopfte.
„Geht schon besser. Und jetzt essen Sie.“ Sie nahm den Silberdeckel von dem köstlichen Omelett und ließ Isobel allein.
Nach dem ersten Bissen stellte Isobel überrascht fest, dass ihr Appetit zurückgekehrt war. Und da ihr Magen nicht rebellierte, aß sie neben dem Omelett auch etwas Brot und Salat. Ihr einsames Mahl unter den Sternen war eine Wohltat.
Anschließend lehnte sie sich zurück und blickte sehnsüchtig zu dem von Scheinwerfern erhellten Pool im Garten. Sie würde dort gern ein bisschen schwimmen, ehe sie zu ihrem Ferienhaus zurückkehrte. Ein frommer Wunsch, mit Mr. Angenehm auf dem Gelände.
Ein Klopfen an der Schlafzimmertür riss sie aus ihren Träumereien. Mithilfe der Krücke ging sie langsam ins Zimmer und lächelte Eleni an. „Es hat köstlich geschmeckt. Ich habe meine Tabletten genommen. Jetzt fühle ich mich schon viel besser.“
„Fein.“ Die Haushälterin strahlte. „Ich bringe noch Joghurt für das Gesicht. Soll ich Ihnen ins Bad helfen?“
„Nein, danke. Das schaffe ich schon.“
Eleni runzelte die Stirn. „Dann komme ich wieder, wenn Sie ins Bett gehen.“
„In Ordnung Eleni.“ Isobel seufzte ergeben. „Könnten Sie den großen Sessel bitte neben die Balkontür schieben?“
Kritisch betrachtete Isobel sich wenig später im Badezimmerspiegel. Die Haut um ihr Auge war in verschiedenen Violetttönen verfärbt, aber zumindest konnte sie es jetzt wieder ganz öffnen. Und dank Elenis Joghurt war ihr Sonnenbrand nicht mehr so schlimm. Zufrieden, dass sie sich wieder bewegen konnte, setzte Isobel sich in den Sessel an der Tür, sah in die Nacht hinaus und wartete auf ihren Gastgeber.
Da klopfte es auch schon.
„Herein!“
Luke trat ein und betrachtete ihr Gesicht. „Sie sehen besser aus. Eleni hat mir gesagt, dass Sie fast alles aufgegessen haben.“
„Ja, es war köstlich.“ Angespannt saß Isobel da und fragte sich, worüber er wohl mit ihr reden wollte.
„Darf ich mich setzen?“
„Natürlich.“
Luke nahm sich einen Stuhl, blieb jedoch noch einen Moment stehen. „Soll ich Ihren Notizblock holen? Schließlich haben Sie einige Mühe auf sich genommen, um Ihr Interview zu machen.“
Ausdruckslos sah Isobel ihn an. „Interview?“
„Ich habe Ihre Sachen am Strand zusammengesammelt“, erklärte er. „In Ihrem Rucksack waren ein Notizblock und ein paar Stifte. Wollen Sie etwa abstreiten, dass Sie Journalistin sind?“
Isobel atmete tief durch, nahm den Block aus ihrer Tasche, die neben ihr am Boden stand, und hielt ihn Luke hin. „Schauen Sie doch selbst nach.“
Sein Mund wurde zu einem schmalen Strich, als er die Seiten mit den Zeichnungen durchblätterte. „Was ist das?“
„Ich dachte, das wäre offensichtlich, Mr. Andreadis. Ich habe von meinem Häuschen aus die Boote gezeichnet. Die anderen Skizzen habe ich an Ihrem Strand gemacht.“ Kühl sah sie ihn an. „Andere Leute fotografieren im Urlaub, ich mache Zeichnungen.“
„Die sind wirklich sehr gelungen“, sagte er langsam und blätterte weiter.
„Danke.“
Luke fuhr sich durch die dichten Locken und sah Isobel eine Weile schweigend an, sodass sie ganz nervös wurde. „Jetzt muss ich mich wohl entschuldigen.“ Die Worte kamen ihm sichtlich schwer über die Lippen.
„Entschuldigung angenommen.“ Neugierig sah sie ihn an. „Sie mögen keine Journalisten und sind sehr auf Ihre Privatsphäre bedacht. Also sind Sie hier in Griechenland wohl so etwas wie eine berühmte Persönlichkeit?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, nur ein erfolgreicher Geschäftsmann. Ich besitze mehrere Frachtschiffe und habe gerade eine Fluglinie übernommen.“ Seine Mundwinkel gingen nach unten. „Und ich habe keine Frau. Das interessiert die Presse natürlich auch.“
„Weil Vermutungen angestellt werden, ob Sie schwul sind?“ Sie freute sich insgeheim, wie empört er aussah.
„Ich mag zwar keine Ehefrau haben, aber es ist allgemein bekannt, dass ich gern mit Frauen zusammen bin. Halten Sie mich denn für schwul?“, wollte er wissen.
„Schwer zu sagen. Wir kennen uns ja noch nicht lange.“
Sein Blick aus verengten Augen ließ sie wachsam werden. „Obwohl wir von Anfang an zu körperlichem Kontakt gezwungen waren?“
Isobel wurde rot. „Die meiste Zeit war ich nicht bei Bewusstsein. Und jetzt ist jeder weitere Kontakt ja nicht mehr notwendig. Das soll aber nicht heißen“, fügte sie hastig hinzu, „dass ich Ihnen nicht dankbar für Ihre Hilfe bin.“
Er zuckte die Schultern. „Mir blieb ja nichts anderes übrig.“
Verächtlich sah sie ihn an. „Das haben Sie mir auch deutlich gezeigt. Aber ich bin Ihnen trotzdem dankbar.“
Sein Blick wurde weicher. „Ein schlechter Urlaubsbeginn.“
„Wie wahr.“ Sie strich sich die Haare aus der Stirn, hinter der es wieder hämmerte. „Wenn Sie morgen die Zeit erübrigen könnten, mich zu meinem Häuschen zurückzufahren, damit ich meinen Urlaub fortsetzen kann, wäre ich Ihnen sehr verbunden, Mr. Andreadis.“
„Sie können doch noch gar nicht allein klarkommen!“, wehrte er ab.
„Aber sicher. Wenn ich es hier allein schaffe, kann ich es dort auch. Und wenn ich Eleni Geld für ein paar Lebensmittel gebe, die sie mir einkauft, komme ich wunderbar zurecht, bis ich wieder richtig laufen kann. Meinem Knöchel geht es schon besser“, log sie „In ein oder zwei Tagen ist alles wieder in Ordnung.“
Schweigend sah er sie einen Moment an. „Bevor Sie aus der Villa Medusa flüchten, befriedigen Sie doch meine Neugier. Erzählen Sie mir von sich. Aus Ihren Zeichnungen zu schließen, sind Sie offensichtlich an Kunst interessiert.“
„Ja. Ich habe Kunst studiert und leite eine Kunstgalerie. Im Gegenzug kann ich die Wohnung darüber benutzen. Außerdem darf ich meine Arbeiten in der Galerie zum Verkauf anbieten.“
„Lebt Ihre Familie in der Nähe?“
Isobel sah auf ihre gefalteten Hände im Schoß. „Nein. Meine Großeltern haben mich aufgezogen, aber sie sind inzwischen tot.“
Luke beugte sich ein wenig vor. „Und Ihre Eltern?“
„Ich habe sie nie kennengelernt. Sie sind bei einer Massenkarambolage auf der Autobahn im Nebel umgekommen, als ich noch ein Baby war.“
„Eine traurige Geschichte“, sagte er mit ernster Miene. „Aber Sie hatten glücklicherweise Großeltern, die sich um Sie gekümmert haben.“
„Stimmt. Sie waren die einzigen Eltern, die ich jemals kannte, und ich hätte mir keine besseren wünschen können. Ich habe zwar keine Familie mehr, aber dafür sehr gute Freunde“, sagte Isobel und versuchte, ihre Kopfschmerzen zu ignorieren. „Früher bin ich immer mit einer Freundin in den Urlaub gefahren, aber seit sie vor ein paar Jahren geheiratet hat, reise ich allein.“
Luke stand auf. „Haben Sie diese Freundin über Ihren Unfall informiert?“
„Warum sollte ich sie unnötig beunruhigen? In ein oder zwei Tagen geht es mir doch wieder gut.“
„Aber im Moment nicht. Sie haben wieder starke Kopfschmerzen, stimmt’s?“
„Leider“, gab sie zu.
Stirnrunzelnd sah er sie an. „Ich schicke Eleni her, damit sie Ihnen ins Bett hilft.“ Abwehrend hielt er die Hand hoch. „Ja, ich weiß, Sie kommen allein zurecht. Aber sie besteht darauf. Brauchen Sie sonst noch etwas, was sie Ihnen mitbringen kann?“
Isobel lächelte hoffnungsvoll. „Ich würde liebend gern eine Tasse Tee haben.“
„Selbstverständlich. Kommt sofort. Gute Nacht, Miss James.“
„Gute Nacht, Mr. Andreadis.“
Nachdenklich saß Isobel da, nachdem Luke gegangen war, und überlegte, warum er ihr so viele Fragen gestellt hatte. Das machte sie doppelt wachsam, denn ihre derzeitige Meinung über Männer war die denkbar schlechteste.
Obwohl er vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet sehr eindrucksvoll war. Wie eine griechische Statue, die sie aus dem Kunststudium kannte. Mit einem ausgesprochen männlich-muskulösen Körper. Seine Locken waren allerdings nicht schwarz, wie man vermutet hätte, sondern dunkelbraun. Er mochte zwar gut aussehen, hatte sie jedoch zu Tode erschreckt, als er sie unten am Strand so böse angesehen hatte.
Luke fühlte sich zu rastlos, um schlafen zu können. Mit einem Glas Brandy ging er auf den Balkon, lehnte sich an die Brüstung und atmete den berauschenden Duft des nächtlichen Gartens ein. Sein Mund verzog sich in grimmigem Triumph, als er wieder an den Sieg über Melina Andreadis dachte. Wahrscheinlich kochte sie vor Wut, weil sie nicht länger die Kontrolle über die Fluglinie hatte.
Ein Geschenk ihres Mannes an seine zweite Frau, die sehr fordernd war und die Fluglinie wie ein Spielzeug betrachtete. Aber jetzt ist sie jeder Macht beraubt, dachte Luke triumphierend. Melina hatte geglaubt, dass die Fluglinie ihr gehörte. Doch sie gehörte seinem Großvater, ihrem Mann. Auch wenn Theo Andreadis nichts von seinem Enkel wissen wollte, stand Luke von Rechts wegen diese Fluglinie zu.
Sein langer Kampf, sich an Melina zu rächen, hatte ihm wenig Zeit für private Beziehungen gelassen. Aber das war ihm egal, jetzt, da er sein Ziel erreicht hatte. Seine Miene wirkte unversöhnlich.
Melina war nichts als eine weitere Verfehlung seines Großvaters. Theo Andreadis hatte seine mutterlos aufwachsende Tochter mit solcher Strenge großgezogen, dass sie unweigerlich irgendwann aufbegehren musste. Als er entdeckte, dass sie schwanger war, war er so wütend gewesen, dass er sie auf die Straße gesetzt hatte. Das verzweifelte Mädchen war aus Athen geflohen und hatte Zuflucht bei ihrem alten Kindermädchen auf Chyros gesucht.
Dort hatte Olympia Andreadis, Tochter eines der reichsten Männer Griechenlands, sich als Küchenmädchen über Wasser gehalten. In der Taverne von Basil Nicolaides, dem Vater des jetzigen Besitzers Nikos.
Lukes Blick verdunkelte sich, als er an seine schöne, zerbrechlich wirkende Mutter dachte, die mit nichts als den geerbten Juwelen ihrer verstorbenen Mutter aus Athen geflohen war. Eisern hatte sie ihren Besitz zusammengehalten, um Lukes Ausbildung damit zu finanzieren.
Der junge Lukas hatte den Lernstoff wie einen Schwamm aufgesaugt. Mithilfe eines engagierten Lehrers hatte er fließend Englisch sprechen und schreiben gelernt; auch in den anderen Fächern hatte er hervorragende Leistungen.
Fest entschlossen, seiner Mutter zu helfen, arbeitete er nach der Schule in der Taverne. Und zu Olympias großer Missbilligung fuhr er am Wochenende mit den Fischern des Dorfes aufs Meer, um beim Fischfang ebenfalls Geld zu verdienen. Er hätte alles getan, um seine Mutter vor Costas Petrides’ Aufdringlichkeiten zu beschützen.
Costas, der reichste Mann der Insel, war so begierig darauf, die bezaubernde und kultivierte Olympia zu heiraten, dass er sogar bereit war, ihren unehelichen Sohn in Kauf zu nehmen. Doch sie hatte höflich, aber entschieden abgelehnt. Stattdessen hatte sie bei Spiro Schutz gefunden, der Sohn ihres alten Kindermädchens.
Und Basil Nicolaides und sein Sohn Nikos, die gemeinsam die Taverne führten, hatten sie unterstützt.
Luke wuchs in einem Zuhause auf, in dem es viel Liebe, aber wenig Geld gab. Als Erwachsener war er dann von dem Wunsch getrieben, seiner Mutter für den Rest ihrer Tage jeglichen Luxus zu bieten. Er wollte auch Spiro und seiner Familie ihre Freundlichkeit vergüten. Und nicht zuletzt hatte er sich vorgenommen, an all den Menschen Rache zu üben, die für die Situation seiner Mutter verantwortlich waren, allen voran Melina Andreadis.
Und er hatte es geschafft und Melina entmachtet. Jetzt hatte Lukas Andreadis das Sagen bei Air Chyros, wie er die Fluglinie seines Großvaters umbenannt hatte. Statt wie früher unter Melinas Führung möglichst viel Geld mit Billigflügen herauszuholen, setzte Luke jetzt auf Sicherheit, Verlässlichkeit und Luxus. All das würde Air Chyros bieten, sobald die neuen Flugzeuge bereitstanden.
Luke trank seinen Brandy aus und ging ins Schlafzimmer. Er zuckte zusammen, als seine Muskeln protestierten. Ein leises Lächeln huschte über sein Gesicht. Auch wenn er durchtrainiert war, passierte es nicht jeden Tag, dass er eine hilflose junge Dame retten musste. Eine sehr anziehende junge Dame, wie er sich eingestand.
Obwohl lange blonde Locken und blaue Augen sonst nicht zu den Attributen zählten, die er bei einer Frau bevorzugte. Vielmehr mochte er dunkelhaarige Frauen mit Temperament und weiblichen Rundungen.
Auch wenn Isobel James wie die verkörperte Unschuld aussah, hatte er doch Zweifel, dass sie nur zufällig in seiner kleinen Bucht gewesen war. Trotzdem fühlte er sich von ihrem Freigeist angezogen – und ihrem schlanken Körper, der sich so gut in seinen Armen angefühlt hatte. Während sie es offenbar schwierig fand, einem Mann dankbar zu sein, dem sie misstraute, den sie vielleicht sogar verabscheute. Für ihn war das eine neue Erfahrung in Bezug auf Frauen.
Vielleicht wäre es ja amüsant herauszufinden, wie schnell die Mauer, die sie zwischen ihnen errichtet hatte, fallen würde. Sie war eine Herausforderung für ihn, der er unmöglich widerstehen konnte.
Isobel wachte früh am nächsten Morgen auf. Einen Moment sah sie sich verwirrt in dem fremden Zimmer um, bis die Krücke, die am Bett lehnte, ihr schlagartig die Erinnerung zurückbrachte. Reglos lag sie da, verwundert darüber, dass sie die Nacht ohne einen der Albträume überstanden hatte, die sie seit einiger Zeit heimsuchten. Vielleicht war sie endlich davon geheilt.
Nachdem sie sich, so gut es ging, im Bad fertiggemacht hatte, saß sie an der geöffneten Verandatür. Die Schmerzen, gedämpft durch die Tabletten, waren jetzt zu ertragen. Sie war überzeugt, dass sie wunderbar allein zurechtkommen würde, und bald würde sie endlich wieder in ihrem Ferienapartment sein.
Lächelnd sah sie hoch, als Eleni mit dem Frühstück hereinkam. „Guten Morgen.“
Schüchtern erwiderte die kleine Frau das Lächeln. „Kalimera. Wie fühlen Sie sich heute, Isobel?“
„Viel besser. Danke, Eleni. Sie sind ein Schatz.“
Eleni trug das Tablett nach draußen auf die Veranda und ließ die Türen für Isobel weit offen. „Gut essen“, befahl sie.
Froh, dass ihre Übelkeit verflogen war, aß Isobel eins der süßen Brötchen, trank ihren Tee und sah sehnsüchtig zu dem Pool. Plötzlich schnappte sie nach Luft. Ein bronzefarbener Körper war im Wasser aufgetaucht und durchschnitt mit ausladenden Zügen das Wasser.
Im nächsten Moment wuchtete Luke sich aus dem Pool, blieb einen Moment stehen, das Gesicht der Sonne entgegengestreckt. Dann wickelte er seinen umwerfenden Körper in einen Frotteebademantel.
Isobel hatte nicht einmal gemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte. Jetzt überlegte sie, wie sie ungesehen in ihr Schlafzimmer gelangen könnte. Doch im selben Moment drehte er sich um, verbeugte sich mit spöttischem Lächeln vor ihr und verschwand im Haus.
Mit glühenden Wangen humpelte Isobel zurück ins Schlafzimmer. Höchste Zeit, von hier zu verschwinden. So schnell es ging, machte sie sich im Bad fertig und zog sich an. Sie wollte nicht länger als nötig in Lukas Andreadis’ Nähe bleiben, sondern ihn bitten, sie zu ihrem Apartment zurückzufahren. Danach müsste sie ihn nie wiedersehen.
Und das wäre auch gut so, denn er verwirrte sie. Zum einen, weil er ein Mann war. Zum anderen, weil er immer noch zu glauben schien, dass sie mit unlauteren Absichten in seine Bucht eingedrungen war. Dabei wollte sie nichts anderes als endlich in Ruhe und Frieden ihren Urlaub genießen. Allein.
Wenig später stieg ihr der Duft nach frischem Kaffee in die Nase. Doch statt Eleni trat Luke ein, lässig in Jeans und T-Shirt, trug das Tablett auf die Veranda und stellte es auf dem Tisch ab.
„Kalimera“, grüßte er. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“
„Natürlich.“
Sie ließ sich ihren Unmut nicht anmerken.
„Wie geht es Ihnen heute?“
„Viel besser. Ich kann mich jetzt wieder selbstständig bewegen. Wenn Sie so freundlich wären, mich zu meinem Ferienhäuschen zu fahren, lasse ich Sie danach in Frieden.“
Er schüttelte den Kopf und erklärte, sich das Häuschen erst einmal ansehen zu wollen, damit er sicher sein konnte, dass sie dort allein zurechtkommen würde.
Sie hob den Kopf. „Machen Sie sich keine Umstände, Mr. Andreadis“, sagte sie kategorisch. „Ich komme schon zurecht.“
„Wenn Sie mir Ihren Schlüssel geben, fahre ich hin. Danach sehen wir weiter.“
Frustriert seufzte Isobel auf. „Wenn Sie meinen. Obwohl ich dachte, Sie wären mehr als froh, mich endlich wieder los zu sein.“
„Zu Anfang war es so, ja, weil ich Ihre Anwesenheit am Strand missverstanden habe.“ Ein Schatten legte sich über seine Züge. „Leider ist es gang und gäbe, dass Journalisten sich dort unbefugt aufhalten. Genauso wie junge Frauen, die vorgeben, dort gestrandet zu sein.“
„In der Hoffnung, dass Sie kommen, um sie zu retten?“
„Deren Hoffnungen sind normalerweise höhergeschraubt – oder niedriger. Ich bin nicht so vermessen zu glauben, dass sie an mir persönlich interessiert sind“, sagte er zynisch. „Es ist mein Geld.“
„Und was geschieht mit den Eindringlingen, wenn Sie nicht da sind?“
„Dann kümmert sich Milos darum. Er war früher in der Armee. Offiziell ist er als mein Gärtner angestellt, aber seine eigentliche Aufgabe ist die Sicherheit. Er hatte gestern frei, sonst hätte man Sie vor meiner Ankunft schon weggeschafft.“
„Was Ihnen eine Menge Ärger erspart hätte.“
„Aber es hätte mich auch um das Vergnügen gebracht, Sie kennenzulernen.“
Isobel tat seine Bemerkung mit einem Achselzucken ab. „Sie sprechen sehr gut Englisch.“
„Danke. Ich hatte einen guten Englischlehrer. Und später habe ich dann Betriebswirtschaft in London studiert.“ Er stand auf. „Gut, dass Sie keine Journalistin sind. Sonst wäre ich nicht so freizügig mit persönlichen Details.“
„Ich werde sie nicht weitergeben“, versicherte sie ihm. „Außerdem spreche ich kein Griechisch, also kann ich mich mit niemandem unterhalten.“
„Auch nicht mit Alex Nicolaides? Er spricht doch Englisch.“
„Er kennt mich kaum. Obwohl er sehr hilfsbereit war“, fügte sie hinzu.
„Was Sie wohl nicht überraschen wird.“
Fragend hob sie eine Braue.
„Ein Blick in den Spiegel wird Ihre Frage beantworten.“
Sie seufzte. Es war doch immer das Gleiche. „Das bezweifle ich doch sehr. Ich habe ein blaues Auge, falls Sie das noch nicht bemerkt haben sollten.“
„Das ist mir nicht entgangen. Aber es tut Ihrem Aussehen keinerlei Abbruch.“
„Danke“, sagte sie knapp, nahm die Schlüssel aus ihrer Handtasche und gab sie ihm. „Lassen Sie mir Ihr Urteil so bald wie möglich zukommen.“
Mit amüsiert funkelnden Augen nahm Luke den Schlüssel. „Sind Sie so begierig darauf, mein Haus zu verlassen?“
Erneut hob sie den Kopf. „Ich kann Ihre Gastfreundschaft wirklich nicht länger strapazieren.“
„Sie schleudern mir das Wort an den Kopf, als wäre es ein Wurfgeschoss.“ Er gluckste. „Wir sehen uns dann beim Lunch.“
Mit finsterem Blick saß Isobel da, und Luke schlenderte aus dem Zimmer. Um sich abzulenken, setzte sie sich mit einem großen Zeichenblock an die Balkonbrüstung und begann, den Pool zu skizzieren. Im hellen Morgenlicht schimmerte er wie ein blaues Juwel zwischen Palmen, Oleander und Tamarisken. Wie üblich war sie so in ihre Arbeit vertieft, dass Eleni laut in die Hände klatschen musste, um auf sich aufmerksam zu machen.
„Lunch ist fertig, Isobel.“
Hastig schlug Isobel den Skizzenblock zu und drehte sich zu der Haushälterin um. „Ich habe gar nicht gemerkt, dass es schon so spät ist.“ Sie ging ins Bad, um sich herzurichten. Als sie wieder ins Schlafzimmer humpeln wollte, entdeckte sie Luke am Treppenabsatz.
„Eleni meinte, Sie sollen sofort zum Essen kommen, sonst ist es ungenießbar“, erklärte er. „Ich trage Sie nach unten.“
Überrascht lief Isobel rot an. „Ich dachte, wir essen wieder hier oben.“
„Und ich dachte, Sie würden gern mal auf der Terrasse essen. Selbst wenn Sie dabei meine Gesellschaft ertragen müssen“, fügte er verschlagen hinzu.
Verwirrt warf sie ihm einen fragenden Blick zu. Hätte sie vorher davon gewusst, dann hätte sie sich schon aus reiner Eitelkeit ein bisschen mehr Mühe im Bad gegeben. Auch wenn die Schwellung im Gesicht verschwunden war und der Bluterguss am Auge langsam verblasste, war es kein Vergnügen, in den Spiegel zu schauen. „Sie müssen mich nicht tragen. Ich kann die Krücke nehmen.“
„Das dauert zu lange. Und Eleni wird sehr verärgert sein, wenn man sie mit dem Essen warten lässt.“ Er achtete nicht darauf, dass Isobel unwillkürlich zurückschreckte, sondern hob sie hoch.
Sie versteifte sich. Zum ersten Mal wurde ihr Luke als Mann bewusst. Umgeben von seiner Wärme und seinem Duft, wollte sie ihn mit ihren Fäusten von sich stoßen. „Eleni hat nichts davon erwähnt“, sagte sie steif, als Luke sie die Treppe hinuntertrug.
„Ich habe ihr gesagt, sie solle nichts verraten.“
„Warum denn das?“
„Weil Sie sich sonst geweigert hätten.“
„Ich hoffe doch, dass ich bessere Manieren habe, Mr. Andreadis.“
Er trug sie durch die Terrassentür zu einer Pergola mit rankendem Grün, von der aus man einen wunderbaren Blick auf den Pool hatte. Dann half er ihr zu dem gedeckten Tisch. „Ich denke, dass wir unter den gegebenen Umständen auf Formalitäten verzichten können. Ich heiße Luke.“
Keine gute Idee. „Und ich Isobel“, sagte sie widerwillig.
„Das klingt schon viel besser.“ Er nahm ihr gegenüber Platz. „Möchtest du Wein?“
„Mit Rücksicht auf meinen Kopf sollte ich besser bei Wasser bleiben.“
„Ach ja – entschuldige mich einen Moment.“ Er ging zurück ins Haus und kam mit einem Spazierstock zurück. „Den leihe ich dir. Selbst wenn du die Krücke nicht mehr brauchst, könnte er dir ab und zu nützlich sein.“
Isobels Augen leuchteten auf. „Danke.“ Sie hängte ihn über die Lehne. „Jetzt bin ich unabhängig. Was sagst du zu dem Ferienhaus?“
Er lächelte. „Ich war während der Bauphase schon öfter mit Nikos Nicolaides dort.“
Ihre Augen sprühten Blitze. „Dann weißt du doch ganz genau, dass ich dort zurechtkomme.“
„Mehr oder weniger“, räumte er ein und schenkte ihr Wasser ein.
„Also fährst du mich bitte heute Nachmittag hin, ja?“