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IN ITALIEN SAGT MAN "TI AMO" von MELANIE MILBURNE So leidenschaftlich der Sex mit Milliardär Vinn Gagliardi ist, so vergeblich hofft Ailsa auf seine Liebe. Aber kaum fordert sie traurig die Scheidung, will Vinn sie plötzlich zurück. Natürlich bloß, um für seinen kranken Großvater in Mailand die heile Familie zu spielen, oder? BERAUSCHT VON SO VIEL LIEBE von CAROL MARINELLI Prickelnder Champagner im Club, danach eine rauschende Liebesnacht - mehr hat Playboy-Tycoon Daniil mit Tänzerin Libby nicht im Sinn. Er lässt niemanden an sich heran, sonst kommt noch sein Geheimnis ans Licht! Dumm nur, dass irgendetwas ihn immer wieder zu Libby zieht … DAS SINNLICHE VERSPRECHEN DES PRINZEN von KELLY HUNTER Prinzessin Moriana will keine öde Pflichtehe mit Prinz Theo, sie verzehrt sich nach Aufregung und Abenteuer! Doch kaum lehnt sie seinen förmlichen Antrag ab, überrascht Theo sie mit einem heißen Kuss - und entfesselt ungeahntes Verlangen in ihr. Ist er etwa doch der Richtige? HAPPY END AUF KRETA von REBECCA WINTERS Ein Luxushotel auf Kreta, zumindest zur Hälfte! Die schöne Lys könnte über ihr Erbe überglücklich sein. Allerdings geht die andere Hälfte an den geheimnisvollen Hotelmagnaten Takis Manolis. Und der ist nicht nur gefährlich sexy, er verlangt auch eine Scheinverlobung von ihr …
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Seitenzahl: 706
Melanie Milburne, Carol Marinelli, Kelly Hunter, Rebecca Winters
JULIA EXTRA BAND 455
IMPRESSUM
JULIA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 455 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2018 by Melanie Milburne Originaltitel: „Blackmailed into the Marriage“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Elfie Sommer
© 2015 by Carol Marinelli Originaltitel: „The Price of His Redemption“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Valeska Schorling
© 2018 by Kelly Hunter Originaltitel: „Convenient Bride for the King“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Elfie Sommer
© 2017 by Rebecca Winters Originaltitel: „Bound to Her Greek Billionaire“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann
Abbildungen: Harlequin Books S.A., a_Taiga / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733710873
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Milliardär Vinn Gagliardi verlangt, dass Ailsa zu ihm zurückkehrt – nur zum Schein, um seinen kranken Großvater glücklich zu machen! Doch was sind das plötzlich für Gefühle, die dabei in ihm erwachen?
So überwältigend sexy ist Tycoon Daniil, dass Libby sich wie im Rausch zu einer heißen Liebesnacht in seinem Luxus-Penthouse verführen lässt. Ein Fehler? Schließlich gilt Daniil als Herzensbrecher …
Prinz Theo braucht dringend eine standesgemäße Braut. Doch sein förmlicher Heiratsantrag lässt Prinzessin Moriana kalt. Was nun? Spontan fasst er einen leidenschaftlichen Plan – mit ungeahnten Folgen …
Lys weckt immer stärker Takis’ Begehren. Dabei wollte er nie wieder sein Herz riskieren! Aber wie soll er Abstand halten, wenn er mit ihr ein Hotel erbt und nur ihre Verlobung einen Skandal vermeiden kann?
Ailsa hatte geglaubt, es könne nichts Schlimmeres geben, als ihren zukünftigen Exmann Vinn Gagliardi nach fast zwei Jahren wiederzusehen. Aber sie hatte sich geirrt. Noch nervenaufreibender war es nämlich, auf das Wiedersehen warten zu müssen.
Fünf Minuten vergingen.
Zehn.
Zwanzig.
Am Ende saß sie eine geschlagene Stunde im Empfangszimmer seines Büros und blätterte sämtliche Hochglanzmagazine durch, die Vinns junge Assistentin kunstvoll auf dem eleganten Couchtisch aufgefächert hatte. Dankbar nahm sie die angebotene Tasse mit dem köstlichen Cappuccino entgegen, und als dieser ausgetrunken war, griff sie zu dem bereitgestellten Mineralwasser. Die Schale mit den Pfefferminzbonbons ignorierte sie. Stattdessen kaute sie auf ihren Fingernägeln herum.
Natürlich ließ er sie absichtlich warten. Ailsa sah ihn im Geiste vor sich. Er saß an seinem schicken Schreibtisch, zeichnete Skizzen von neuen Designerstücken für sein Möbelimperium und lächelte in sich hinein, weil er jede Sekunde genoss, die er sie in seinem Empfangszimmer schmoren ließ.
Entnervt schloss Ailsa die Augen und versuchte, das Bild von seinem lächelnden Mund zu verdrängen. Himmel, dieser Mund. Welche Glücksgefühle er ihr beschert hatte. Wie viele Stellen ihres Körpers er geküsst und verwöhnt hatte …
Nein, nein, nein. Bloß nicht an seinen Mund denken. Im Kopf wiederholte sie das Mantra, das sie in den letzten zweiundzwanzig Monaten wieder und wieder aufgesagt hatte. Sie war über ihn hinweg. Definitiv. Unter ihrer Ehe mit Vinn Gagliardi prangte ein dicker Schlussstrich. Sie selbst hatte ihn gezogen.
„Mr. Gagliardi wird Sie nun empfangen.“ Die Stimme der Assistentin riss sie aus ihren Gedanken. Sofort begann ihr Herz, wie verrückt zu klopfen. Warum war sie nur dermaßen nervös? Sie wollte doch nur mit ihm reden, weil es um ihren kleinen Bruder ging.
Allerdings hätte sie sich einen Termin bei ihm geben lassen sollen, bevor sie nach Mailand geflogen war. Aber sie war in Florenz bei einem Treffen mit einem wichtigen neuen Kunden gewesen, als ihr Bruder Isaac angerufen und ihr mitgeteilt hatte, dass Vinn sich als Sponsor für seine Karriere als Golfprofi angeboten hatte. Und Ailsa würde nicht nach England zurückkehren, bevor sie Vinn zur Rede gestellt hatte. Er sollte ihr erklären, warum er ihrem Bruder Geld geben wollte. Wenn es sein musste, würde sie in seinem Büro kampieren. Zum Glück hatte sie für den Kurztrip nach Florenz eine kleine Reisetasche dabeigehabt, sodass sie sich wenigstens hatte umziehen können.
Ailsa erhob sich von der Ledercouch, aber sie hatte so lange gesessen, dass ihre Beine unter ihr nachzugeben drohten. Ganz ruhig bleiben. Mit schweißfeuchten Händen strich sie sich den Rock ihres Kostüms glatt, zog den Schulterriemen ihrer Handtasche hoch und rollte mit dem Trolley auf die geschlossene Tür zu Vinns Büro zu. Wut flammte in ihr auf. Wieso nahm Vinn sie nicht persönlich in Empfang? Warum ließ er sie an seine Tür klopfen wie einen dahergelaufenen Niemand? Verdammt. Sie war seine Ehefrau gewesen. Sie hatte in seinem Bett geschlafen und alles mit ihm geteilt.
Nun ja, genau genommen nicht alles …
Sie ignorierte den Anflug von Gewissensbissen. Schließlich stand nirgendwo geschrieben, dass sich Mann und Frau jedes kleinste Detail aus ihrem Vorleben erzählen mussten. Das galt schon gar nicht für eine Ehe, wie Vinn und Ailsa sie geführt hatten. Ihre Beziehung war von Lust geprägt gewesen, nicht von Liebe. Sie hatte ihn geheiratet, obwohl sie gewusst hatte, dass er sie nicht liebte. Aber sie hatte sich eingeredet, dass sein Verlangen nach ihr reichen würde. Am Ende war er es dann gewesen, der sich nicht mit einer Vorzeigefrau begnügt, sondern mehr von ihr verlangt hatte. Mehr, als sie ihm zu geben bereit gewesen war.
Trotzdem war Ailsa überzeugt, dass auch Vinn ihr nicht alles über seine Familie erzählt hatte. So hatte er nie gern über die Zeit gesprochen, als sein Vater wegen Betrugs im Gefängnis gesessen und die Firma fast in den Ruin getrieben hatte. Ailsa hatte einige Male den Versuch gestartet, mit ihm darüber zu reden, es am Ende aber aufgegeben. Schließlich hätte es ihr ebenfalls nicht behagt, wenn er sie nach ihren Familiengeheimnissen ausgefragt hätte. Viele Leichen hatte ihre Familie nicht im Keller, aber die eine, die es gab, stank zum Himmel.
Jetzt stand sie vor der Tür zu seinem Büro und straffte die Schultern, als wolle sie in den Kampf ziehen. Nein, sie würde auf gar keinen Fall anklopfen und darauf warten, dass er sie hereinbat.
Sie umklammerte den Griff ihres Rollkoffers mit der einen Hand und drückte die Türklinke mit der anderen. Dann holte sie noch einmal tief Luft und trat ein. Vinn saß auf seinem Chefsessel. Aber er hatte ihr den Rücken zugewandt und schaute aus dem großen Fenster mit Blick auf die geschäftigen Straßen Mailands. Und als wäre das noch nicht beleidigend genug, besaß er die Frechheit und unterhielt sich mit jemandem am Telefon. Bei Ailsas Eintreten drehte er sich kurz zu ihr um, beachtete sie aber nicht weiter, sondern deutete mit einer Hand auf den Stuhl auf der anderen Seite seines Schreibtisches, bevor er sich wieder zum Fenster drehte und die Unterhaltung fortführte. Gerade so, als wäre Ailsa eine dahergelaufene Bittstellerin, die er zwischen zwei wichtigen Terminen eingeschoben hatte.
Ailsa spürte einen Stich in ihrer Brust. Wieso tat er ihr gegenüber dermaßen gleichgültig? Hatte sie ihm denn gar nichts bedeutet?
Vinn unterhielt sich weiter auf Italienisch, und Ailsa versuchte, die Ohren zu verschließen. Wenn sie ihn in seiner Muttersprache reden hörte, ging ihr der Klang durch und durch. Vermutlich hätte er auch in einer erfundenen Sprache reden können, und ihr wäre ein heißer Schauer über den Rücken gelaufen, und jeder Zentimeter ihrer Haut hätte geprickelt.
Vinn nahm das Telefon in die linke Hand, drehte sich zu dem Computer auf seinem Schreibtisch und klickte auf die Maus. Warum würdigte er sie keines Blickes? Etwas mehr Interesse hätte er ihr schon entgegenbringen können. Ailsa war zwar nicht eitel, wusste aber, dass sie gut aussah. Für das Treffen mit dem wichtigen Kunden hatte sie sich extra ein neues Designerkostüm gekauft und sich die Haare bei einem Promifriseur machen lassen. Auch hatte sie sich für ihr Make-up mehr Zeit genommen als sonst. Äußerlich gut auszusehen half ihr ein wenig darüber hinweg, dass sie sich innerlich wertlos fühlte.
Vinn warf einen prüfenden Blick auf den Monitor und setzte das Telefongespräch fort. Unweigerlich fragte Ailsa sich, ob sie vielleicht einen etwas gewagteren Ausschnitt hätte tragen sollen, um Vinn zu zeigen, was ihm in den letzten Monaten entgangen war. Er selbst sah noch immer so unverschämt gut aus wie bei ihrer letzten Begegnung. Sein schwarzes Haar war weder zu lang noch zu kurz, weder zu glatt noch zu wellig, sondern eine sexy Mischung aus allem. Es erinnerte Ailsa an die vielen Male, bei denen sie die Finger hineingekrallt hatte, während sie den fantastischen Sex mit ihm genoss. Vermutlich hatte er sich am Morgen rasiert, aber der dunkle Schatten um seinen Mund und an seinem markanten Kinn ließ sie an die vielen Male zurückdenken, als seine Stoppeln über ihre zarte Haut gekratzt hatten. An ihrem Gesicht, auf ihren Brüsten, zwischen ihren Schenkeln …
Ailsa konnte gerade noch verhindern, wohlig zu erschauern. Stattdessen warf sie Vinn einen Blick zu, der Lava hätte gefrieren lassen. „Ich will mit dir reden. Sofort“, unterbrach sie seine Unterhaltung, wobei sie das letzte Wort mit Nachdruck aussprach.
Um Vinns Mundwinkel zuckte es, als würde er ein Lächeln unterdrücken. Er sagte noch einen Satz auf Italienisch, bevor er das Gespräch beendete. „Wenn du dir wie jeder andere einen Termin hättest geben lassen, hätte ich Zeit genug für dich gehabt.“
„Ich bin aber nicht jeder andere“, fuhr sie ihn an. „Ich bin deine Frau.“
In seinen espressobraunen Augen funkelte es, als hätte jemand ein Streichholz darin angezündet. „Meinst du nicht eher zukünftige Exfrau?“
Hieß das etwa, dass er die Scheidungspapiere endlich unterschreiben wollte? Da sie nach englischem Recht geheiratet hatten, mussten sie beweisen, dass sie seit zwei Jahren nicht mehr unter einem Dach wohnten, bevor die Scheidung rechtskräftig wurde.
„Ich bin nicht wegen der Scheidung hier, Vinn.“
„Lass mich raten, was dich zu mir geführt hat.“ Er schaute kurz zu Ailsas Reisetasche und lächelte dann. „Du kommst zu mir zurück.“
„Nein“, erwiderte sie empört. „Ich komme nicht zu dir zurück. Es geht um meinen Bruder. Isaac hat gesagt, du willst seine Golfkarriere im nächsten Jahr als Sponsor unterstützen.“
„Stimmt.“
Sie schluckte. „Warum?“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Weil er mich darum gebeten hat.“
„Wie bitte?“ Ungläubig riss sie die Augen auf. „Das hat er mir nicht erzählt.“ Sie holte tief Luft. „Er hat nur gesagt, dass du angeboten hast, ihn finanziell zu unterstützen. Und dass du Bedingungen gestellt hast, die meine Person betreffen.“
„Setz dich doch, Ailsa. Dann können wir in Ruhe darüber reden.“
Sie nahm auf dem Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz. Nicht weil Vinn sie dazu aufgefordert hatte, sondern weil ihre Beine erneut unter ihr nachzugeben drohten. Warum hatte Isaac ihr nicht die Wahrheit gesagt? Und warum war er so unsensibel gewesen und hatte ihren zukünftigen Exmann wieder in ihr Leben geholt? Ihr Bruder war schuld, dass sie Vinn jetzt gegenübersitzen musste. Dabei hätte sie ihm auf Teufel komm raus aus dem Weg gehen müssen.
In seiner Nähe wurde sie immer schwach und verwandelte sich in eine Frau mit ganz normalen Hoffnungen und Träumen. Dabei hinderte sie ein schreckliches Geheimnis an einem normalen Leben. Ein Geheimnis, das nicht einmal ihr Bruder kannte.
Ihr Halbbruder, genau genommen.
Ailsa war fünfzehn gewesen, als sie durch Zufall erfahren hatte, wer ihr richtiger Vater war. Bis dahin hatte sie nämlich ihren Stiefvater Michael dafür gehalten. Fünfzehn Jahre lang hatte die Lüge ihre Familie zusammengehalten … obwohl es mit dem Zusammenhalt nicht weit her war. Ihre Eltern waren nicht glücklich miteinander gewesen und hatten sich oft gestritten. Und bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr hatte Ailsa geglaubt, dass sie ihre Eheprobleme hätten lösen können, wenn sie sich nur mehr Mühe gegeben hätten.
Nie wäre sie darauf gekommen, dass sie allein schuld am schlechten Verhältnis der beiden war.
Das war ihr erst klar geworden, nachdem sie herausgefunden hatte, was es mit ihrem richtigen Vater auf sich hatte.
Nervös strich Ailsa sich den Rock glatt, dann fiel ihr Blick auf einen silbernen Bilderrahmen auf Vinns Schreibtisch. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Warum hatte er ihn nicht weggeworfen? Sie hatte Vinn den Rahmen kurz nach der Hochzeit geschenkt. Er enthielt ihr Lieblingsfoto: Vor der untergehenden Sonne standen sie einander gegenüber und lächelten sich an. Mit dem Geschenk hatte sie sich selbst vorgaukeln wollen, dass es sich um eine richtige Ehe handelte und nicht nur um eine Verbindung, die praktisch für Vinn war, weil er sich eine hübsche, kluge Frau an seiner Seite wünschte. Von ihrem Platz aus konnte Ailsa das Foto nicht sehen. Vielleicht hatte Vinn es gegen das Bild einer anderen Frau ausgetauscht. Bei dem Gedanken zog sich ihr Magen zusammen. Natürlich war das albern, schließlich war sie diejenige gewesen, die ihn verlassen hatte. Trotzdem verletzte es ihren Stolz, dass er sich womöglich so schnell über sie hinweggetröstet hatte.
Und es war nicht nur ihr Stolz, der litt …
Sie hatte sich immer an der Hoffnung festgehalten, dass Vinn sich eines Tages doch noch in sie verlieben würde. Denn welche Braut wünschte sich keinen Mann, der sie aufrichtig liebte? Während ihrer kurzen Ehe hatte sie sich vorgemacht, es würde reichen, das Bett mit ihm zu teilen.
Doch sie hatte sich auch nach einem Platz in seinem Herzen gesehnt. Sie wollte der wichtigste Mensch für Vinn sein. Doch bei ihm kam sie nicht an erster Stelle. Er hatte sie nicht geliebt – und würde es vermutlich nie tun.
Vinn lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte Ailsa von oben bis unten. „Gut siehst du aus, cara.“
Sie straffte die Schultern. „Nenn mich nicht so.“
Als fände er ihre Empörung amüsant, zog er leicht die Mundwinkel nach oben. „Gehst du immer noch gleich an die Decke?“
„Und wenn schon?“, konterte sie. „Woher weiß ich, dass du Isaac nicht die Idee in den Kopf gesetzt hast, ihn zu sponsern? Hattet ihr seit unserer Trennung regelmäßig Kontakt?“
„Meine Freundschaft mit deinem Bruder hat nichts mit unserer Beziehung zu tun“, gab er zurück.
„Wir haben keine Beziehung mehr.“
Er verengte die Augen. „Und wessen Schuld ist das?“
„Wir hatten von Anfang an keine richtige Beziehung. Du hast mich nur geheiratet, weil du eine Vorzeigefrau gebraucht hast. Eine Frau, die sich wie in den fünfziger Jahren um den Haushalt kümmert, während du den erfolgreichen Geschäftsmann gibst. Als würde mein Beruf überhaupt nicht zählen.“
Missbilligend presste er die Lippen aufeinander. „Ich hoffe doch, dein Beruf hält dich nachts warm. Oder hast du dir einen neuen Liebhaber zugelegt?“
„Mein Privatleben geht dich nichts an“, erwiderte sie trotzig.
„Von Isaac weiß ich, dass du dich in den letzten beiden Jahren noch nicht mal mit einem Mann getroffen hast.“
Ailsa würde ihren kleinen Bruder gehörig zurechtweisen, so viel stand fest. „Er weiß eben nicht alles“, erklärte sie hochmütig.
Ein Muskel zuckte an Vinns markantem Kinn. „Na, deine Liebhaber werden sich in den nächsten drei Monaten anderweitig beschäftigen müssen. Ich habe nämlich Pläne mit dir.“
„Wie bitte?“ Empört lachte sie auf. „Du machst keine Pläne mehr für mich. Ich bestimme allein, was in meinem Leben geschieht.“
Er stützte das Kinn auf seine rechte Hand und musterte sie mit einem Blick, der ihr einen Schauer über den Rücken sandte. Dann sah sie den goldenen Ring an seinem Finger, und ihr Magen zog sich erneut zusammen. Warum trug er ihn immer noch?
„Ohne Sponsor wird Isaac es nie in die erste Liga der Golfer schaffen“, sagte er. „Das weißt du.“
„Mag sein. Aber warum stellst du Bedingungen an mich? Wenn du ihn finanziell unterstützen willst, sehr gern. Aber lass mich da bitte raus.“
Langsam schüttelte er den Kopf. „So funktioniert das nicht, cara. Du bist der einzige Grund, warum ich ihn unterstützen will.“
Sie blinzelte. Hatte sie sich in ihm getäuscht? Hatte er sie doch aus Liebe geheiratet? Trug er den Ehering deshalb noch?
Nein. Er hatte sie nie geliebt, das war sicher.
Schließlich hatte er die magischen drei Worte nie zu ihr gesagt. Natürlich hatte sie ihm auch nie anvertraut, dass sie ihn liebte. Und das aus gutem Grund, denn hätte sie es jemals laut ausgesprochen, wäre sie in der Beziehung die Schwächere gewesen. Und sie hatte ihm nicht noch mehr Macht über sich geben wollen. Es reichte schon, dass er ihren Körper manipulieren konnte.
Er hatte sie mit seinem Charme umgarnt und sie als seine Ehefrau in sein Leben geholt. Am Anfang hatte er noch gesagt, er würde ihre Entscheidung, niemals Kinder haben zu wollen, akzeptieren. Doch wenige Monate nach der Hochzeit hatte er plötzlich seine Meinung geändert. Oder vielleicht hatte er von Anfang an darauf gesetzt, dass Ailsa sich im Lauf der Zeit umstimmen lassen würde.
Aber da hatte er sich gründlich getäuscht.
Sie schaute wieder zum Bilderrahmen. „Ist es das, wofür ich es halte?“
Vinn drehte den Rahmen herum, und sie erkannte das Foto von ihrem Hochzeitstag. Sie hatte sich die Bilder seit der Trennung nicht mehr angeschaut. Zu viele schmerzhafte Erinnerungen waren damit verbunden. Sie war so dumm gewesen und hatte zugestimmt, seine Vorzeigefrau zu werden. Dadurch war sie zu einem Besitztum geworden. Wieso hatte sie nur geglaubt, dass eine reine Zweckehe funktionieren würde? Hatte sie wirklich gedacht, durch die Heirat mit Vinn würde sie sich endlich so akzeptiert fühlen wie seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr nicht mehr? Ihre Ehe hatte nicht einmal ein Jahr gehalten. Genau genommen waren es elf Monate und dreizehn Tage gewesen.
Dann hatte Vinn das B-Wort erwähnt. Er wollte ein Baby – um die Gagliardi-Dynastie fortzusetzen. Ailsa wäre am Ende nur eine Gebärmaschine gewesen und hätte ihre eigene Karriere vergessen können.
Doch ihre Inneneinrichtungsfirma bedeutete Ailsa alles. Für sie hatte sie unzählige Opfer gebracht. Ein Baby zu bekommen kam für sie nicht infrage. Dafür gab es zu viele offene Fragen, was ihre eigene Abstammung betraf.
Wie konnte sie jemals ein Kind zur Welt bringen, wenn sie keine Ahnung hatte, welch schreckliches Erbe sie weitergab?
Sie schluckte den bitteren Kloß in ihrem Hals hinunter und schaute wieder zu dem Foto. „Warum steht es immer noch auf deinem Schreibtisch?“
Er drehte den Rahmen wieder herum und starrte auf das Bild. „Einer der besten Ratschläge, den ich je bekommen habe, lautet: niemals die Fehler der Vergangenheit zu vergessen. Nimm sie als abschreckendes Beispiel, und wachse daran.“
Seit Ailsa die Hintergründe ihrer Empfängnis erfahren hatte, hielt sie sich für einen Fehler. Die meisten Kinder wurden aus Liebe gezeugt. Sie aber war das Produkt eines Gewaltaktes. „Was denken deine Geliebten, wenn sie das Foto auf dem Schreibtisch sehen?“
„Bisher war das kein Problem.“
Bei der Antwort zog sich etwas in Ailsas Brust zusammen. Wollte er damit andeuten, dass er unzählige andere Frauen hatte? Behielt er den Ehering am Finger, wenn er mit ihnen ins Bett ging? Sie schaute ihm ins Gesicht, in der Hoffnung, darin ein Zeichen zu finden, dass er innerlich so aufgewühlt war wie sie. Aber er wirkte unbeteiligt, als wäre sie eine Fremde, die zufällig in sein Büro gestolpert war.
„Die Bedingungen, die du an mich stellst …“, begann sie.
„Mein Großvater muss sich einer Lebertransplantation unterziehen“, sagte er. „Der Chirurg kann nicht dafür garantieren, dass er die Operation überlebt. Aber wenn er sie nicht vornehmen lässt, bedeutet das für ihn den sicheren Tod.“
„Wie schrecklich.“ Betroffen sah sie ihn an. „Aber, was hat das mit mir …“
„Falls er sterben sollte, möchte ich, dass er in Frieden geht.“
Ailsa wusste, wie sehr Vinn an seinem Großvater Domenico Gagliardi hing. Der alte Mann war für ihn da gewesen, als sein Vater im Gefängnis gesessen hatte. Auch Ailsa hatte seinen Großvater sehr gemocht und sich immer gut mit ihm verstanden. Sie konnte sich also ausmalen, welch schmerzhafter Verlust sein Tod für Vinn bedeuten würde.
„Ich weiß, wie sehr du an deinem Großvater hängst. Und ich wünschte, es gäbe etwas, das ich für dich tun könnte …“
„Es gibt da etwas“, erwiderte Vinn. „Ich möchte, dass wir uns versöhnen, bis er halbwegs über den Berg ist.“
Sie schaute ihn an, als hätte er ihr gerade vorgeschlagen, im zehnten Stock aus dem Fenster zu springen. „Wie bitte? Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt?“
„Nein. Nur fest entschlossen, alles zu tun, damit mein Großvater die Operation überlebt“, erklärte er. „Er ist ein Mensch, dem die Familie über alles geht. Und ich möchte, dass wir wieder so tun, als wären wir eine Familie, bis sein Leben außer Gefahr ist.“
Ailsa sprang so abrupt auf, dass ihr Stuhl beinahe umgefallen wäre. „Das ist das Unglaublichste, das mir je zu Ohren gekommen ist. Erwartest du etwa, dass ich so tue, als wären die letzten beiden Jahre nicht gewesen, und zu dir zurückkomme? Das werde ich ganz bestimmt nicht tun. Und du kannst mich nicht dazu zwingen.“
„Isaac ist ein großes Talent, aber ohne meine Hilfe wird er es nicht schaffen“, sagte er mit versteinerter Miene. „Ich werde ihn drei Jahre als Sponsor unterstützen, wenn du dich bereit erklärst, für drei Monate wieder als meine Frau zu mir zurückzukehren.“
Auf gar keinen Fall durfte sie sich darauf einlassen. Aber wenn sie nicht auf seinen Vorschlag einging, würde ihr kleiner Bruder seine Golfkarriere vergessen können. Es lag in ihrer Macht, Isaac seinen Lebenstraum zu erfüllen. Trotzdem konnte sie niemals zu Vinn zurückkehren. Nicht für drei Minuten, geschweige denn für drei Monate.
„Hast du da nicht eine winzige Kleinigkeit vergessen? Ich habe in London ein Geschäft zu führen und kann nicht einfach meine Siebensachen packen und nach Italien ziehen.“
„Du könntest für die Zeit doch eine Zweigstelle in Mailand eröffnen“, erwiderte er seelenruhig. „Immerhin hast du hier schon ein paar wohlhabende Kunden.“
Ailsa runzelte die Stirn. „Woher weißt du das?“
Seine Lippen verzogen sich zu einem überheblichen Grinsen. „Ich bin Italiener und habe Kontakte im ganzen Land.“
Ein Verdacht beschlich sie. „Habe ich die Aufträge in Florenz und Rom etwa dir zu verdanken?“
„Warum hätte ich dich nicht weiterempfehlen sollen? Schließlich machst du deinen Job hervorragend.“
Sie verengte die Augen. „Du meinst als Inneneinrichterin, nicht als Ehefrau?“
„Vielleicht machst du dich beim zweiten Mal besser.“
„Es wird aber kein zweites Mal geben“, fauchte sie ihn an. „Du hast mich mit einer List dazu gebracht, dich zu heiraten. Glaubst du, ich falle noch mal darauf rein?“
Mit der Anmut einer Raubkatze, die gleich zum Sprung auf ihre Beute ansetzen wollte, lehnte er sich zurück. „Ich habe nicht gesagt, dass wir dieses Mal eine echte Ehe führen werden.“
Ailsa wusste nicht, ob sie erleichtert oder beleidigt reagieren sollte. Hätte er ihr noch deutlicher zu verstehen geben können, dass er sie nicht länger attraktiv fand? Sex war das Einzige gewesen, bei dem sie harmoniert hatten. Tatsächlich war der Sex fantastisch gewesen. Vom ersten Kuss an war ihr Körper für ihn entbrannt. Vor ihm hatte sie Sex nie richtig genossen. Bei keinem anderen Mann hatte sie je einen Orgasmus erlebt. Auch aus diesem Grund hatte sie in den letzten beiden Jahren keinen neuen Partner gehabt.
„Keine echte Ehe …?“
„Wir werden nicht miteinander schlafen.“
„N…nein?“ Sie ärgerte sich selbst über die Enttäuschung in ihrer Stimme.
„Wir treten nur in der Öffentlichkeit als Paar auf. Zuhause haben wir getrennte Schlafzimmer.“
Warum verletzte sein Vorschlag sie so? Schließlich wollte sie nie wieder mit ihm schlafen. Gut, ihr verräterischer Körper hätte es liebend gern getan, aber ihr Verstand sagte Nein. Und sie musste ihr körperliches Begehren unbedingt in den Griff bekommen, denn sie durfte auf keinen Fall jemals wieder mit Vinn ins Bett gehen.
„Sobald die drei Monate um sind“, fuhr er fort, „willige ich ohne weitere Bedingungen in die Scheidung ein.“
Sie schluckte. Seit fast zwei Jahren wartete sie nun schon darauf, dass er die Scheidungspapiere unterschrieb. Wenn sie sich drei Monate auf das Spielchen einlassen würde, hätte sie endlich ihre Freiheit wieder. „Aber wenn wir uns zusammen in der Öffentlichkeit blicken lassen, dann müssen wir nach englischem Recht weitere zwei Jahre voneinander getrennt leben.“
„Dann verzögert sich die Scheidung eben noch um zwei Jahre. Das wäre schließlich nur ein Problem, wenn du wieder heiraten möchtest.“ Er wartete eine Sekunde, bevor er hinzufügte: „Oder hast du diesbezüglich Pläne?“
Sie zwang sich dazu, ihm in die Augen zu schauen. „Hängt davon ab.“
„Wovon?“
„Ob ich einen Mann finde, der mich nicht wie eine Zuchtstute, sondern wie eine gleichberechtigte Partnerin behandelt.“
Er erhob sich von seinem Stuhl. „Um Gottes willen, Ailsa. Ich habe das Thema Kinder damals doch nur angeschnitten, weil ich fand, dass wir darüber reden sollten.“
„Aber du kanntest meine Meinung schon, als du mir den Heiratsantrag gemacht hast“, erwiderte sie. „Du hast mir das Gefühl vermittelt, dass es für dich in Ordnung ist, keine eigene Familie zu haben. Hätte ich gewusst, dass du dir, sobald die Tinte auf der Heiratsurkunde getrocknet war, einen Stall voll Kinder wünschst, hätte ich dich niemals geheiratet.“
Seine Miene verdüsterte sich. „Das Wort Kompromiss kommt in deinem Wortschatz wohl nicht vor, oder?“
Sie lachte spöttisch. „Dass ausgerechnet du das sagst, ist echt stark. Hast du jemals angeboten, dich zuhause um die Kinder zu kümmern, während ich arbeiten gehe? Nein! Stattdessen hast du ernsthaft geglaubt, ich würde mit einem dicken Bauch durch deine Küche schleichen, während du wichtige Geschäftstermine auf der ganzen Welt wahrnimmst.“
Ausdruckslos sah er sie an. „Ich habe nie verstanden, warum eine Frau aus einem ganz normalen, liebevollen Umfeld sich mit Händen und Füßen gegen eine eigene Familie wehrt.“
Ganz normal? Wie sehr er sich doch täuschte. Nach außen hin machte ihre Familie vielleicht einen normalen Eindruck, und ihre Eltern waren selbst nach der Scheidung noch respektvoll miteinander umgegangen. Aber in Wahrheit verband sie ein schreckliches Geheimnis.
Dabei konnte Ailsa die Entscheidung ihrer Mutter, der Tochter zu verheimlichen, dass sie das Ergebnis einer Vergewaltigung war, durchaus verstehen. Ein entfernter Bekannter hatte sich nach einer Party an Ailsas Mutter vergangen. Und ihre Mutter war von dem Erlebnis derart traumatisiert gewesen, dass sie nicht zur Polizei gegangen war und auch ihrem damaligen Freund Michael, Ailsas späterem Stiefvater, nichts davon erzählt hatte. Erst als es für einen Schwangerschaftsabbruch zu spät war, hatte sie sich ihrem Freund anvertraut. Michael hatte zu ihr gehalten und sie noch vor der Geburt des Kindes geheiratet. Und mit fünfzehn war Ailsa eines Tages von der Schule nach Hause gekommen und hatte ihre Eltern im Schlafzimmer lautstark diskutieren hören. Der Streit hatte sich um Ailsa gedreht. Und so war die Wahrheit über sie ans Licht gekommen. In diesem Moment waren sämtliche Lebensträume und Hoffnungen von Ailsa geplatzt.
Sie spürte Vinns fragenden Blick. „Ich hoffe doch, du wirst Isaac unterstützen, auch wenn ich nicht auf deine Forderung eingehe. Er bewundert dich sehr und wäre furchtbar enttäuscht, wenn …“
„So läuft das in meinem Geschäft aber nicht“, fuhr er ihr ins Wort.
„Und ich lasse mich nicht erpressen.“
Ihre Blicke fochten einen Kampf aus. Merkwürdigerweise hatten Ailsa diese kleinen Auseinandersetzungen in den letzten beiden Jahren mit am meisten gefehlt. Tatsächlich hatte sie die Streitereien genossen, weil sie immer zu stürmischem Versöhnungssex geführt hatten. Ob Vinn manchmal auch an ihr leidenschaftliches Sexleben zurückdachte? Oder hatte er sie längst vergessen, weil er jede Nacht eine andere Gespielin in seinem Bett hatte?
Der Klingelton seines Handys riss sie aus ihren Gedanken. Vinn unterbrach den Blickkontakt und nahm das Gespräch entgegen. „Nonno?“ Sein Großvater war dran. Die beiden Männer unterhielten sich auf Italienisch, und Ailsa sah den angespannten Zug um Vinns Kinn. Nach wenigen Minuten beendete er das Gespräch und starrte durch Ailsa hindurch, als wäre sie Luft.
„Alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt. „Oder ist was mit deinem Großvater?“
„Es steht eine Spenderleber zur Verfügung.“ Seine Stimme klang hohl. „Ich hatte gehofft, wir könnten uns etwas länger darauf vorbereiten, aber die Operation soll noch heute stattfinden.“ Mit der einen Hand langte er nach dem Autoschlüssel auf dem Tisch und zog mit der anderen das Jackett von der Stuhllehne. „Tut mir leid, dass ich unser Treffen beenden muss, aber ich will sofort zu ihm, bevor …“ Er schluckte schwer. „… bevor es zu spät ist.“
Sie hatte ihn noch nie so durcheinander gesehen. Schlug in seiner unverschämt breiten Brust vielleicht doch ein Herz?
„Ich darf ihn nicht enttäuschen“, sagte er mehr zu sich selbst.
„Möchtest du, dass ich mitkomme?“ Das Angebot war ihr herausgerutscht, bevor sie darüber nachdenken konnte. „Mein Flieger geht erst in drei Stunden …“
Im Bruchteil von Sekunden verwandelte sich seine Miene in die eines knallharten Geschäftsmannes zurück. „Wenn du mitkommst, dann als meine Frau. Und das möchte ich schriftlich.“
„Ich begleite dich ins Krankenhaus, weil ich deinen Großvater immer sehr gernhatte. Vorausgesetzt natürlich, er will mich auch sehen.“
„Das will er“, erwiderte Vinn und begann, etwas auf dem Schreibtisch zu suchen.
„Vinn?“
Er legte ein Stück Papier vor ihr hin und drückte auf einen Kugelschreiber. „Ich möchte, dass du hier unterschreibst.“
Sie ignorierte den angebotenen Stift. „Muss das jetzt sein? Dein Großvater ist …“
„Unterschreib.“
Ailsa spürte, wie sich ihr Rückgrat versteifte. „Ich unterschreibe nichts, das ich nicht vorher gelesen habe.“
„Verdammt, Ailsa, wir haben keine Zeit.“ Er ließ eine Faust auf den Tisch niedersausen. „Ich muss sofort zu meinem Großvater. Vertrau mir. Nur einmal in deinem Leben. Ich darf nonno nicht im Stich lassen. Seine Genesung hängt von mir ab. Ich werde nicht nur Isaac als Sponsor unterstützen, sondern zahle dir zusätzlich eine Abfindung von zehn Millionen.“
Erstaunt riss sie die Augen auf. „Zehn … Millionen?“
Er presste die Lippen aufeinander. „Wenn du nicht sofort unterschreibst, kannst du den Deal vergessen.“
Sie trat zu ihm und nahm ihm den Stift aus der Hand. Dabei streiften sich ihre Finger. Die Berührung sandte einen Stromstoß durch Ailsa. Dort, wo Vinn den Stift gehalten hat, war er noch warm. Sie konnte sich gut an die Wärme seiner Haut erinnern. Damals hatte sie ihre Lust entzündet, wie ein Streichholz, das an trockenes Holz gehalten wird. Die kurze Berührung reichte aus, um Hunderte von sinnlichen Erinnerungen in ihr zu wecken.
Erinnerungen, die sie seit zwei Jahren zu unterdrücken versucht hatte.
Sie holte tief Luft und schaute auf den Vertrag. Da stand es schwarz auf weiß: Wenn sie für drei Monate zu Vinn zurückkehrte, würde er Isaac als Sponsor unterstützen und ihr eine einmalige Abfindung von zehn Millionen Euro zukommen lassen. Einerseits fühlte sie sich beleidigt, weil er sie für käuflich hielt. Andererseits waren zehn Millionen eine Menge Geld. Ihr Geschäft lief sehr gut, aber mit der Abfindung würde sie überall in Europa Filialen aufbauen können.
Dann wurde ihr klar, dass sie sich mit einer Unterschrift zu seiner Gefangenen machte. Sie würde drei Monate in Vinns Nähe verbringen müssen. Damals hatte sie sich zur Hochzeit drängen lassen. Ein zweites Mal durfte das nicht geschehen. Entschlossen schob sie den Zettel von sich weg. „Das ist viel Geld, aber ich brauche ein paar Tage, um über das Angebot nachzudenken.“
Er zuckte nicht einmal mit einer Augenbraue. „Wir reden später weiter, nachdem wir im Krankenhaus waren.“ Er legte den Stift auf den Vertrag, nahm Ailsas Reisetasche und schob Ailsa aus seinem Büro.
Als sie in seinem Auto saßen, war es Ailsa, die als Erste das Wort ergriff. „Das mit deinem Großvater tut mir wirklich leid. Ich weiß, wie sehr du an ihm hängst. Es muss schlimm für dich sein, ihn leiden zu sehen …“
Vinn schwieg lange Zeit, bevor er antwortete: „Er ist alles, was ich habe. Ich könnte es nicht ertragen, ihn zu verlieren.“
Gern hätte sie seine Hand genommen oder tröstend über sein Knie gestreichelt. Aber vermutlich wollte er ihren Trost nicht und hätte ihre Hand wieder weggeschoben.
„Dir bleibt immerhin noch dein Vater“, sagte sie leise.
„Leider nein“, antwortete er, während er in einen höheren Gang wechselte. „Er ist gestorben. Autounfall. Es war Alkohol im Spiel. Seine neue Freundin und er sind ums Leben gekommen, und ein Paar mit zwei kleinen Kindern, die im entgegenkommenden Wagen saßen, wurde schwer verletzt.“
„Wie schrecklich …“, stieß sie entsetzt hervor. „Ich hatte ja keine Ahnung.“
Es schmerzte sie, dass Vinn nach ihrer Trennung einen solchen Verlust hatte verkraften müssen und sie nichts davon gewusst hatte. Sonst hätte sie ihm wenigstens eine Beileidskarte geschickt.
Vinn wischte ihr Mitleid mit einer Handbewegung beiseite. „Seit dem Tod meiner Mutter hat mein Vater sich gehen lassen. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis etwas Schlimmes passiert.“
Vinn hatte den Tod seiner Mutter Ailsa gegenüber nie groß erwähnt. Aber sie wusste, dass das Verhältnis zu seinem Vater zerrüttet gewesen war, seit dieser wegen Betrugs ins Gefängnis gewandert war. Vinn war zu dem Zeitpunkt knapp zwanzig Jahre alt gewesen. Aber er hatte die Ehre der Familie gerettet und es zu seinem Lebensziel gemacht, aus der Möbelfirma seines Vaters einen internationalen Marktführer zu machen.
„Es kann nicht jeder den besten Vater der Welt haben“, sagte sie, während Vinn den Wagen in die Einfahrt des Krankenhauses lenkte. „In dieser Hinsicht haben wir wohl beide Pech gehabt.“
Vinn fuhr in eine Parklücke und schaute Ailsa stirnrunzelnd an. „Was erzählst du da? Dein Vater ist einer der großartigsten Menschen, die ich kenne.“
Sie hätte sich selbst ohrfeigen können, weil ihr die Bemerkung herausgerutscht war. „Ja … ich weiß“, versuchte sie die Situation zu retten. „Auch nach der Scheidung hat er sich immer Mühe gegeben …“
„Dann sag so etwas nicht“, unterbrach Vinn sie. „Scheidung hin oder her – er wird immer für dich da sein.“
„Ach, vergiss es einfach. Ich habe nicht nachgedacht.“ Sie war froh, dass Vinn so in Eile war, weil er seinen Großvater vor der Operation noch einmal sehen wollte. Sonst hätte er sicherlich nachgehakt, was genau sie mit ihrer unbedachten Aussage gemeint hatte.
Und es erinnerte sie daran, dass sie in seiner Gegenwart auf jedes Wort achten musste.
Noch kannte er ihr schreckliches Geheimnis nicht. Aber wenn sie nicht auf der Hut war, würde er eines Tages dahinterkommen.
Vinn wusste nicht, was nervenaufreibender war: Ailsa nach zwei Jahren ohne Vorankündigung wiederzusehen oder ins Krankenhaus zu fahren, um seinen Großvater vielleicht zum letzten Mal zu sehen. Natürlich war er innerlich darauf gefasst, seinen Opa eines Tages für immer zu verlieren. Aber als Ailsa ihre Ehe von heute auf morgen für beendet erklärt hatte, da hatte ihn das völlig unvorbereitet getroffen. Gut, sie hatten sich hin und wieder gestritten. Aber welches frisch vermählte Paar tat das nicht?
Allerdings wäre er nicht im Traum darauf gekommen, dass sie ihn verlassen würde.
Ihre Ehe hatte nicht einmal bis zum ersten Hochzeitstag gehalten, und das ärgerte ihn mehr als alles andere. Er hatte Ailsa alles gegeben, was man für Geld kaufen konnte. Er hatte sie mit Geschenken und teurem Schmuck überhäuft und ihr allen erdenklichen Luxus geboten. Vielleicht hatte er sie nicht so geliebt, wie es die meisten Frauen von ihrem Ehemann erwarteten. Aber sie hatte ihn ebenfalls nicht aus Liebe geheiratet. In erster Linie war es die Leidenschaft gewesen, die sie miteinander verbunden hatte. Ihm hatte das fürs Erste gereicht, und er hatte geglaubt, ihr würde es nicht anders ergehen. Schließlich hatte sie die berühmten drei Worte nie zu ihm gesagt.
Als er mit Ailsa über das Thema Kinder reden wollte, hatte sie dichtgemacht. Zwar hatte er gewusst, wie wichtig ihr die eigene Karriere war, aber er hatte sie für erwachsen genug gehalten, um das Thema wenigstens mit ihm zu besprechen. Bei seinem Heiratsantrag hatte er zwar gesagt, dass ihm eine eigene Familie nicht wichtig sei, aber kurz nach ihrer Hochzeit hatten sich bei seinem Großvater erste gesundheitliche Probleme eingestellt. Eines Tages hatte er Vinn gestanden, wie gern er vor seinem Tod ein Urenkelkind in den Armen halten würde. Seitdem hatte Vinn das Gefühl, er würde die Familie hängen lassen, wenn er keinen Erben zeugte. Und dass er ein Versager wäre, wenn er den Familienbetrieb nicht an die nächste Generation übergab.
Die Familie hängen lassen.
Ein Versager.
Diese Worte verfolgten Vinn bis heute. Sein Vater war ein Versager gewesen und hatte sogar im Gefängnis gesessen. Vinn durfte seinen Großvater nicht auch noch enttäuschen. Außerdem brauchte er jemanden, dem er sein gigantisches Vermögen hinterlassen konnte. Denn was nützte es, jeden Tag sechzehn und mehr Stunden zu arbeiten, wenn es keinen Erben gab?
Aber als er das Thema Ailsa gegenüber erwähnt hatte, war sie wie ein bockiges Kind davongelaufen und hatte nur noch über ihre Anwältin mit ihm kommuniziert. Ihretwegen hatte er in einem weiteren Punkt versagt – als Ehemann.
Sein ganzes Leben lang war er in allem, was er angefasst hatte, stets der Beste gewesen. Aber in der Ehe hatte er auf ganzer Linie versagt. Und dafür hasste er sich. Denn es gab ihm das Gefühl, die Dinge nicht unter Kontrolle zu haben.
Doch das Scheitern seiner Ehe hatte nicht nur ihn schwer getroffen. Auch sein Großvater war geschockt und enttäuscht gewesen. Dass es mit seiner Gesundheit seitdem bergab ging, überraschte Vinn nicht. Zu allem Überfluss war Vinns Vater, nur wenige Tage nachdem Ailsa ihn verlassen hatte, ums Leben gekommen. Allerdings hatte sein Großvater den Tod des eigenen Sohnes besser verkraftet als Vinns gescheiterte Ehe. Er schien alle seine Hoffnungen in die Ehe des Enkels gesetzt zu haben. Sie sollte die Zukunft seiner Familie sichern. Aber diese Hoffnung war ihm genommen worden, als Ailsa aus Vinns Leben verschwunden war.
Und je näher der Scheidungstermin rückte, desto schwächer wurde sein Großvater. Für den alten Mann hatte die Familie immer an erster Stelle gestanden. Er war seiner Frau Maria bis zu deren Tod vor fünf Jahren treu geblieben. Wenn es Vinn gelang, seinen Großvater davon zu überzeugen, dass Ailsa zu ihm zurückgekehrt war, dann würde der alte Mann die Operation vielleicht überstehen. Das war seine letzte Hoffnung.
Außerdem hatte Vinn sich fest vorgenommen, dieses Mal nicht die Kontrolle über seine Beziehung mit Ailsa zu verlieren. Aus diesem Grund wollte er die „Versöhnung“ auf drei Monate begrenzen und während dieser Zeit nicht mit Ailsa schlafen – eine Regel, die er zu seinem eigenen Schutz aufgestellt hatte. Und das war auch gut so, denn als Ailsa vorhin ohne Vorwarnung in sein Büro marschiert war, hatte es in seinen Lenden sofort vor Lust pulsiert. Das Verlangen war so stark gewesen, dass es ihn beinahe umgehauen hätte.
Genau so war es bei ihrer ersten Begegnung auf einer Pariser Möbelmesse gewesen. Ihre natürliche Schönheit zog ihn magisch an: die langen silberblonden Haare, die blasse Haut, die schlanke Modelfigur und die betörenden graublauen Augen, die je nach Laune die Farbe zu wechseln schienen.
Besonders fasziniert hatte ihn auch die Tatsache, dass Ailsa sich nicht so leicht um den Finger wickeln ließ. Für einen Mann wie ihn, der über ein gigantisches Vermögen und internationales Ansehen verfügte, war es eine erfrischend neue Erfahrung gewesen, auf eine Frau zu stoßen, die nicht sofort mit ihm ins Bett gehen wollte. Ailsa hatte sich extrem lange geziert. Sie zu erobern war die größte Herausforderung gewesen, der er sich je hatte stellen müssen. Und wenn er ganz ehrlich zu sich war, war das vermutlich auch der Grund gewesen, warum er sich nicht mit einer Affäre begnügt, sondern ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Und als sie endlich seinen Ring am Finger trug, war das für ihn der größte Sieg seines Lebens gewesen.
Aber dann hatte Ailsas eiserne Entschlossenheit, die es ihm so angetan hatte, das Ende ihrer Ehe bedeutet. Als er mit ihr über Kinder reden wollte, hatte sie auf ihrem Entschluss beharrt, niemals eine eigene Familie zu gründen, und ihn verlassen.
Doch wenn es darum ging, seine eigenen Interessen durchzusetzen, konnte Vinn ähnlich halsstarrig sein. Das würde er ihr in den kommenden drei Monaten beweisen.
Im Krankenhaus folgte Ailsa Vinn in das Einzelzimmer, in dem Domenico Gagliardi auf den lebensrettenden Eingriff wartete. Als Vinn an sein Bett trat, öffnete er die Augen und lächelte schwach. „Du hast es noch geschafft …“
Vinn ergriff die Hand des alten Mannes und hielt sie zärtlich in seiner. Gerührt nahm Ailsa die Zuneigung und Liebe in dem Blick, den Vinn seinem Großvater schenkte, zur Kenntnis. Hatte er sie jemals so angesehen, als würde sie ihm mehr bedeuten als alles andere auf der Welt? Bei dem selbstsüchtigen Gedanken verspürte sie Gewissensbisse. Schließlich war sein Großvater sterbenskrank.
„Ich bin hier, nonno“, sagte Vinn. „Und ich habe jemanden mitgebracht.“
Domenico schaute zu Ailsa, und seine Augen leuchteten auf. „Ailsa? Bist du es wirklich?“
Sie trat einen Schritt vor und legte die Hand auf seinen rechten Unterarm. „Guten Tag, Dom.“
Seine Augen füllten sich mit Tränen, und er blinzelte ein paar Mal dagegen an. „Meine Liebe … Du weißt ja gar nicht, wie sehr ich mich freue, dass du zu Vinn zurückgekehrt bist. Ich habe jeden Tag dafür gebetet.“
„Aber ich bin doch gar nicht …“ Sie sprach nicht weiter, weil sie es nicht übers Herz brachte, Dom zu enttäuschen. Der alte Mann musste sich in wenigen Minuten einer komplizierten Operation unterziehen, von der er sich vielleicht nicht mehr erholen würde. Da konnte sie ihm gegenüber wenigstens so tun, als wäre sein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen.
„Ich bin hier“, sagte sie und ergriff Vinns Hand. „Wir sind beide hier. Zusammen.“
Eine Träne lief dem alten Mann über die Wange. Schnell zog Ailsa ein Taschentuch aus dem Spender neben dem Bett und tupfte sie sanft weg. Ihre eigenen Augen fühlten sich verräterisch feucht an, und ihre Brust schnürte sich zusammen.
„Falls ich die Operation nicht überlebe, habe ich wenigstens Gewissheit, dass ihr euch versöhnt habt“, sagte Dom mit zitternder Stimme. „Ihr seid füreinander geschaffen. Das wusste ich in dem Moment, als Vinn dich mir vorgestellt hat. Du bist eine starke Frau, Ailsa. Und mein Enkel braucht eine Frau, die ihn zu nehmen weiß.“
Bevor Ailsa etwas erwidern konnte, betrat ein Krankenpfleger das Zimmer, um den alten Mann für die Operation abzuholen.
Vinn beugte sich über das Bett und küsste seinen Großvater auf beide Wangen. „Viel Glück, nonno. Wir besuchen dich, sobald du den Aufwachraum verlassen hast.“
Falls du den Aufwachraum jemals wieder verlässt …
Ailsa konnte den unausgesprochenen Satz förmlich hören. Vinn hatte seine Mutter in jungen Jahren verloren. Vor fünf Jahren war die Großmutter gestorben, die ihn quasi großgezogen hatte, und während der letzten beiden Jahre war dann auch noch sein Vater ums Leben gekommen. Jetzt musste er sich gegen die Aussicht wappnen, auch noch den Großvater zu verlieren, der für ihn mehr wie ein Vater gewesen war als der eigene.
Sosehr sie Vinn auch dafür hassen wollte, dass er sie nicht aus Liebe geheiratet hatte, in diesem Moment empfand sie nur Mitgefühl für ihn.
Sie beugte sich zu dem alten Mann hinunter und küsste ihn auf beide Wangen. Als sie wieder hochkam, legte Vinn ihr einen Arm um die Taille und zog sie an seine Seite. Obwohl sie mehrere Stoffschichten trennten, ging die Berührung wie ein Stromstoß durch Ailsas Körper. Vinn war so groß, dass sie ihm selbst in High Heels gerade eben bis zur Schulter reichte. Nie war sie sich ihrer Weiblichkeit so bewusst wie in seiner Nähe. Die Wärme seiner Hand auf ihrer Hüfte ließ sie erschauern und sandte eine sinnliche Botschaft an das Zentrum ihrer Lust. Ihre Brüste prickelten, als würden sie sich an die Liebkosungen seiner Hände erinnern …
In Gedanken gab Ailsa sich eine Ohrfeige und löste sich aus Vinns Umarmung, sobald der Krankenpfleger den alten Mann zur Tür hinausgeschoben hatte. Erst als sie allein waren, drehte sie sich zu Vinn um. „Hast du ihm etwa, noch bevor du mit mir gesprochen hast, gesagt, wir wären wieder zusammen?“
Er runzelte die Stirn. „Nein, aber er muss eins und eins zusammengezählt haben, als er dich an meiner Seite gesehen hat.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Danke. Du hast einen kranken alten Mann sehr glücklich gemacht.“
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Und was machen wir, wenn er aus der Narkose aufwacht? Er wird sofort merken, dass bei uns nicht eitel Sonnenschein herrscht. Auch wenn er todkrank ist, zum Narren lässt er sich ganz bestimmt nicht halten.“
Das Funkeln in Vinns Augen verriet ihr, dass sein Kampfgeist zurückgekehrt war. „Du wirst dich eben anstrengen müssen, um ihm zu beweisen, dass du in mich verliebt bist.“
„Dann schlage ich vor, du zeigst mir, wie das geht“, konterte sie.
Langsam ließ er den Blick zu ihrem Mund wandern, und etwas in ihrem Inneren zerschmolz wie Butter. Es war derselbe Blick, mit dem ihre sinnlich-heiße Geschichte damals begonnen hatte. Doch im nächsten Moment schien Vinn wieder einzufallen, dass sie in einem öffentlichen Krankenhaus waren, denn er wandte den Blick von Ailsa ab. „Du wirst deine schauspielerische Ader sicher entdecken, sobald die zehn Millionen auf deinem Konto eingegangen sind.“ Er zog das Handy aus der Tasche. „Ein Viertel der Summe überweise ich gleich, den Rest bekommst du, wenn du den Vertrag unterschrieben hast.“
Der Gedanke, dass er sie für käuflich hielt, ließ Ailsa vor Empörung beinahe aufschreien. „Und wenn du mir zwanzig Millionen überweist, ändert das nichts an der Tatsache, dass ich dich abgrundtief hasse. Außerdem unterschreibe ich nichts, das ich nicht vorher gelesen habe.“
Er blickte von seinem Handy hoch. „Wenn wir allein sind, kannst du mich gern hassen, cara. Aber in der Öffentlichkeit wirst du so tun, als wärst du meine glückliche Ehefrau. Sonst wirst du die Folgen zu spüren bekommen.“
„Dein Machogetue kannst du dir sparen“, entgegnete sie wütend.
Er verzog die Mundwinkel zu einem spöttischen Grinsen, trat noch einen Schritt näher und hob Ailsas Kinn mit dem Daumen an. Obwohl sie den Kopf sofort hätte wegdrehen sollen, konnte Ailsa sich nicht rühren. Seine dunklen Augen, in denen ein Feuer der Wut oder der Lust loderte – genau konnte sie das nicht sagen –, hypnotisierten sie förmlich.
„Du willst dich wohl unbedingt mit mir streiten. Dabei weißt du doch, wo unsere Auseinandersetzungen in den meisten Fällen enden. Im Bett. Und dann zerkratzt du mir den Rücken, während ich dich wieder und wieder kommen lasse.“
Ailsa spürte, wie sich ihre Wangen dunkelrot färbten. Dieser Mann besaß die Unverschämtheit, sie daran zu erinnern, wie willenlos sie in seinen Armen wurde. Bei ihm überkam sie eine Lust, die noch kein anderer Mann in ihr geweckt hatte.
Sie musste so schnell wie möglich von ihm weg, damit sie wieder klar denken konnte.
„Träum weiter, Vinn. Ich suche inzwischen die Toilette auf. Wenn du mich für einen Augenblick entschuldigst …“ Sie schob sich an ihm vorbei und hatte fast Angst, er würde sie zurückhalten. Aber er hatte den Kopf schon wieder über das Handy gebeugt und tippte darauf herum.
Ailsa lief an der Tür zu den Besuchertoiletten vorbei und trat in den ersten Aufzug, der neben ihr aufglitt. Sie musste so schnell wie möglich hier raus. Leider hatte sie ihre Reisetasche in Vinns Auto gelassen, aber immerhin steckte ihr Personalausweis in der Handtasche. Wie würde es jetzt weitergehen? Wenn sie nach London zurückflog, konnte ihr Bruder Vinns finanzielle Unterstützung vergessen. Sie wusste, wie knallhart Vinn in seinen Entscheidungen war. In ihrer kurzen Ehe hatte sie sich oft mit ihm gestritten und fast immer den Kürzeren gezogen. Nur ein einziges Mal hatte sie einen Kampf gewonnen – als sie ihn verließ.
Wie eine Siegerin fühlte sie sich trotzdem nicht.
Es war jetzt fast zwei Jahre her, aber insgeheim hatte sie immer gehofft, er würde versuchen, sie zurückzuerobern. Eigentlich hätte ihr ein kleines Zeichen genügt, dass er sich etwas aus ihr machte. Tatsächlich hatte sie damals ein wenig übertrieben reagiert, weil sie sich von ihm vernachlässigt fühlte. Er arbeitete täglich sechzehn Stunden und mehr. Als er ihr gegenüber das Thema Kinder angesprochen hatte, war sie von ihren Ängsten eingeholt worden. Wie konnte sie an eigene Kinder auch nur denken, wenn sie nicht einmal wusste, wessen Blut durch ihre Adern floss?
Aber Vinn hatte keinen einzigen Versuch gestartet, sie zurückzuerobern.
Der Fahrstuhl war im Erdgeschoss angelangt, und die Tür glitt auf. Beim Aussteigen schaute Ailsa zum Eingang des Krankenhauses, vor dem sich eine Menschentraube versammelt hatte. Paparazzi. Eine Sekunde lang fragte sie sich, ob ein Promi ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Dann dämmerte ihr, dass sie selbst dieser Promi war. Schließlich war sie noch immer mit einem der reichsten Männer Italiens verheiratet.
Einer der Paparazzi hatte sie erkannt und sagte etwas zu einem Kollegen. Sofort setzte sich der gesamte Pulk in Bewegung und rannte auf den Eingang des Krankenhauses zu.
Ailsa wirbelte herum und drückte wie wild auf den Fahrstuhlknopf. Als sie zur Anzeige hochblickte, stellte sie entsetzt fest, dass der Fahrstuhl in den vierten Stock gefahren war. Schnell lief sie zur zweiten Kabine, doch in dem Moment, als sie den Knopf drücken wollte, glitt die Tür auf, und Vinn stand vor ihr.
Er ergriff Ailsas Hand und hakte sich bei ihr unter. Seiner Miene war nichts anzumerken, aber der kräftige Druck seiner Hand verriet, wie zornig er war. „Schön, dass du Zeit gefunden hast, mich zur Pressekonferenz zu begleiten“, sagte er betont höflich.
Ailsa hatte keine andere Wahl, als ein Lächeln aufzusetzen. Vinn drehte sich um und erklärte den lauernden Pressevertretern, wie glücklich er sich schätzte, dass seine Frau zu ihm zurückgekehrt war.
„Bitte, ein Kuss für die Kameras“, rief ein Fotograf.
Bei der Vorstellung, dass sich Vinns Lippen gleich auf ihre senken würden, raste Ailsas Herz. Zum Glück hob er abwehrend die Hand in die Höhe. „Bitte respektieren Sie unsere Privatsphäre. Es war ein anstrengender Tag, denn mein Großvater muss sich einer lebensrettenden Operation unterziehen.“
Als Vinn Ailsa zum Ausgang führte, teilte sich die Meute der Paparazzi. Draußen zog er Ailsa zu seinem parkenden Wagen und hielt die Tür für sie auf. Wortlos stieg sie ein. Er setzte sich hinter das Lenkrad und warf ihr einen grimmigen Blick zu. „Du hast zwar den Vertrag noch nicht unterschrieben, aber meinem Großvater gesagt, dass wir wieder zusammen sind. Wenn du noch mal versuchst wegzulaufen, dann ziehe ich nicht nur mein Sponsorenangebot zurück, sondern sorge dafür, dass dein kleiner Bruder sich auf keinem Golfplatz der Welt mehr blicken lassen kann. Haben wir uns verstanden?“
Am liebsten hätte Ailsa den Vertrag und die zehn Millionen Euro vor Vinns Augen zerrissen und ihm ins Gesicht geworfen. Aber sie liebte ihren Bruder mehr, als sie Vinn hasste. Dennoch gab sie den Kampf nicht auf. „Du denkst vielleicht, du kannst mich erpressen und in dein Leben zurückholen. Aber ich werde dich immer hassen. Daran werden auch zehn, zwanzig oder gar fünfzig Millionen nichts ändern.“
„Wenn ich gedacht hätte, dass du fünfzig Millionen wert bist, hätte ich dir fünfzig geboten.“
Die grausamen Worte trafen Ailsa wie eine Ohrfeige. Sie war den Tränen nahe und drehte den Kopf weg, damit Vinn nicht merkte, wie sehr er sie getroffen hatte.
Er seufzte tief. „Das war nicht … nett. Tut mir leid.“
„Nicht nett?“ So leicht würde sie ihm nicht verzeihen. „Du hast doch nur die Wahrheit gesagt. In deinen Augen bin ich nämlich gar nichts wert. Mich wundert, dass du überhaupt zehn Millionen geboten hast.“
Er löste die rechte Hand vom Lenkrad und legte sie in Ailsas Nacken. Ihre Haut begann zu prickeln, als hätte sie nur auf die Berührung gewartet. „Ich würde alles Geld der Welt dafür geben, dass mein Großvater die Operation übersteht. Ich will ihn nicht verlieren.“
Mich zu verlieren hat dir nichts ausgemacht. Die Worte lagen ihr auf der Zunge, aber sie schluckte sie hinunter. „Du liebst ihn wirklich.“
Er streckte die Finger aus und fuhr Ailsa sanft über die Kopfhaut. „Er ist alles, was mir von meiner Familie geblieben ist.“
Erst in diesem Moment wurde Ailsa bewusst, dass er tatsächlich ganz allein dastand. Zwar hatte er etliche Cousins und Cousinen, aber die hatten sich von ihm abgewendet, als sein Vater ins Gefängnis gewandert war. War es nicht bezeichnend, dass heute keiner von ihnen an Domenicos Krankenbett gestanden hatte? Gab es überhaupt jemanden, der Vinn in schweren Zeiten tröstete? Aber vielleicht lag es auch nur daran, dass er keine Nähe zuließ.
Und war sie in dieser Hinsicht selbst so anders?
Obwohl sie fast ein Jahr lang das Bett geteilt hatten, wussten sie nicht viel über das Leben des anderen.
Ailsa spürte, wie sie innerlich ins Wanken geriet. Tatsächlich hatte sie in London keine wichtigen Termine. Daher machte es keinen großen Unterschied, wenn sie den Rückflug um ein, zwei Tage verschob. Nur so lange, bis Dom die Intensivstation verlassen durfte.
„Wann wirst du erfahren, ob dein Großvater über den Berg ist? Ich könnte für ein, zwei Tage ins Hotel ziehen … bis ich mir überlegt habe, ob ich auf dein Angebot eingehen will.“
Während er die Hand an ihrem Hinterkopf weiter nach oben wandern ließ, setzte sich das Kribbeln in Ailsas Nacken nach unten fort. „Wem traust du eigentlich nicht über den Weg? Mir oder dir?“ Seine Stimme klang dunkel und rau.
Mit all ihren Sinnen nahm Ailsa seine Nähe auf. Sein starker Körper zog sie an wie ein Magnet. Ihre Lippen fühlten sich plötzlich ganz trocken an, aber sie wagte es nicht, sie mit der Zunge zu befeuchten, weil sie Angst hatte, Vinn könne es als Aufforderung verstehen, sie zu küssen.
Himmel. Sie wollte nichts lieber, als von ihm geküsst zu werden. Doch sie musste an ihrem eisernen Willen festhalten. Kurz sah sie auf seinen Mund. Warum musste er so wunderschöne, unwiderstehliche Lippen haben? Ihr eigener Mund und andere Stellen ihres Körpers konnten sich noch sehr gut daran erinnern, wie sich seine Lippen angefühlt hatten.
Reiß dich zusammen.
„Glaubst du, ich würde dich noch begehren?“ Sie lachte gekünstelt. „Dein Ego ist wirklich überlebensgroß. Ich empfinde nichts für dich. Rein gar nichts.“
Er lächelte wissend, während er die Hand zurück zu ihrem Nacken gleiten ließ und mit den Fingerkuppen sanft darüber strich. Ein Schauer, warm wie geschmolzenes Karamell, rann über Ailsas Rücken und sammelte sich in ihrem Schoß. Vinn schaute zu ihrem Mund und wieder in ihre Augen, als könne er sich nicht entscheiden, ob er sie küssen sollte. Sofort begannen Ailsas Lippen vor sinnlicher Vorfreude zu prickeln. Es war fast zwei Jahre her, dass sie von einem Mann berührt worden war. Zwei Jahre, in denen sie das schmerzhafte Verlangen nach Vinn unterdrückt hatte. Und jetzt ließ sich jede Faser ihres Körpers von dem plötzlichen Ausbruch des Verlangens anstecken, bis sie das Gefühl hatte, innerlich zu brennen.
Doch im nächsten Moment zog Vinn die Hand weg. „Jemand wartet auf den Parkplatz. Fahren wir besser los.“
Vinn fuhr vom Parkplatz des Krankenhauses, obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte. Am liebsten wäre er auf der Station geblieben und hätte das Ende der Operation abgewartet. Aber er wusste, dass es etliche Stunden dauern würde, bis sein Großvater den Aufwachraum wieder verlassen durfte.
Falls er ihn wieder verlassen wird …
Wie sehr er Krankenhäuser hasste. Es waren Orte, in die über alles geliebte Menschen gingen, ohne jemals wieder herauszukommen. Als seine Mutter ins Krankenhaus eingeliefert worden war, war er erst vier Jahre alt gewesen. Er hatte nicht gewusst, wie schlimm es um sie stand. Aber als der Arzt mit ernster Miene mit seinem Vater gesprochen hatte, war ihm sofort klar gewesen, dass etwas Schlimmes geschehen sein musste. Den Gesichtsausdruck seines Vaters hatte er bis heute nicht vergessen. Trotzdem hatte sein Vater ihm versprochen, dass seine Mutter schon bald nach Hause kommen würde. Es war die erste von vielen Lügen gewesen, die ihm sein Vater im Lauf der Jahre aufgetischt hatte. Zum Glück hatte sein Großvater irgendwann ein Machtwort gesprochen und sich des Jungen angenommen.
Sein Großvater hatte ihn gerettet. Ihm hatte er alles zu verdanken.
Auch als Vinns Vater, nur zwei Tage nachdem Ailsa ihn verlassen hatte, gestorben war, hatte nonno ihn nach Kräften unterstützt. Dabei musste es sehr schmerzhaft für den alten Mann gewesen sein, den eigenen Sohn zu verlieren. Vinn hatte damals den Eindruck gehabt, die Welt würde an ihm vorbeirauschen. Trotzdem hatte er die Trauerfeier für seinen Vater organisiert und dort eine Rede gehalten, in der er seine Leistungen gewürdigt hatte. Das war er ihm schuldig gewesen.
Doch der Tod des Vaters hatte ihn auch davon abgelenkt, dass Ailsa ihn verlassen hatte. Wochenlang war er zu beschäftigt gewesen, um sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass seine Frau nie mehr zu ihm zurückkommen würde. Eigentlich hatte er geglaubt, sie würde es sich noch einmal anders überlegen, nachdem der erste Zorn verraucht wäre.
Aber sie hatte ihn nicht angerufen und keine SMS geschickt.
Auch Vinn hatte sie nicht angerufen, um ihr vom Tod seines Vaters zu erzählen. Wozu auch? Ailsa hatte seinen Vater nie kennengelernt, und Vinn hatte während ihrer kurzen Ehe kaum Kontakt zu ihm gehabt. Er ging davon aus, dass sie in der Zeitung vom tödlichen Autounfall seines Vaters gelesen hatte. Aber vielleicht hatten die englischen Zeitungen gar nicht darüber berichtet.
Jetzt war es ohnehin egal, denn Ailsa war zu ihm zurückgekommen. Falls sie es sich in den drei Monaten anders überlegen und ihn ein zweites Mal verlassen sollte, dann zu seinen Bedingungen. Er würde sie dazu zwingen, den Vertrag zu unterschreiben. Und wenn es das Letzte war, was er im Leben tat.
Ailsa hatte erwartet, dass Vinn sie zu einem Hotel in der Mailänder Innenstadt fahren würde. Als er stattdessen in die Straße einbog, die zu seiner Villa in einem exklusiven Vorort führte, warf sie ihm einen wütenden Blick zu. „Ich habe doch gesagt, ich will ins Hotel.“
„Sei nicht albern. Stell dir vor, was die Presse schreiben würde, wenn du im Hotel übernachtest. Schließlich haben wir heute verkündet, dass wir uns wieder versöhnt haben“, warf er ein. „Am Ende erfährt nonno noch davon. Nein. Du wohnst bei mir. Das ist das Vernünftigste.“
Vernünftig? Es wäre absolut unvernünftig, im selben Haus wie Vinn zu schlafen. Allerdings war die Villa geräumig genug, dass sie sich bequem aus dem Weg gehen konnten.
In den wenigen Monaten ihrer Ehe hatte es Ailsa die größte Freude bereitet, seine Villa nach ihren Vorstellungen umzugestalten. Allerdings war sie dabei ständig auf den Widerstand seiner mürrischen Haushälterin Carlotta gestoßen. Carlotta hatte sich gegen jede Veränderung mit Händen und Füßen gesträubt. Am Ende hatte Ailsa die Einwände der älteren Frau einfach ignoriert und das Haus trotzdem modernisiert.
Hatte Vinn es in seinen ursprünglichen Zustand zurückverwandelt? Hatte er jeden Gegenstand, der ihn an seine Frau erinnerte, aus der Villa entfernt? Bei dem Gedanken zog sich ihre Brust schmerzhaft zusammen.
Dann fiel ihr das Zimmer wieder ein, das letztlich das Scheitern ihrer Ehe eingeläutet hatte.
Sie hatte es für das perfekte Lesezimmer gehalten, aber Vinn hatte gesagt, es würde ein wunderbares Kinderzimmer abgeben. Zuerst hatte sie geglaubt, er mache nur einen Witz. Aber Vinn hatte einfach keine Ruhe gegeben.
Irgendwann war es ihr zu viel geworden, und sie hatte ihn verlassen.
„Du hast dich kein bisschen verändert“, sagte sie jetzt. „Du kommandierst mich herum, als wäre ich ein kleines Kind. Hast du nicht was vergessen? Ich habe den Vertrag nämlich noch nicht unterschrieben …“
Geräuschvoll stieß er den Atem aus. „Ist es vielleicht möglich, in den nächsten vierundzwanzig Stunden nicht zu streiten? Ich bin wirklich nicht in der Stimmung.“
Schuldbewusst verstummte Ailsa.
Knapp dreißig Minuten später steuerte Vinn den Wagen in die Auffahrt der Villa. Er sprang heraus und hielt Ailsa die Autotür auf. Zögernd stieg sie aus, weil die Erinnerungen plötzlich auf sie einprasselten. An dem Tag, als sie von der Hochzeitsreise zurückgekehrt waren, hatte Vinn sie über die Türschwelle getragen.
Jetzt schloss er die Haustür auf und bedeutete ihr mit einem Nicken, einzutreten. Als sie an ihm vorbeiging, stieg ihr sein Duft in die Nase. Er roch betörend nach Zitrone und Sandelholz.