Romana Exklusiv Band 377 - Rebecca Winters - E-Book

Romana Exklusiv Band 377 E-Book

Rebecca Winters

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

SANFT WEHT DER WIND AUF MYKONOS von REBECCA WINTERS Der griechische Milliardär Nik Angelis ist Fran unglaublich dankbar. Nur durch ihr beherztes Eingreifen hat seine süße Nichte das Unwetter überlebt. Er bittet Fran, eine Weile bei ihm und dem Baby auf Mykonos zu bleiben. Schon bald möchte er sie nie mehr gehen lassen … DAS ERSTE MAL IST FÜR IMMER von NINA HARRINGTON Sam ist wieder in London? Glamourmodel Amber DuBois weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll. Damals hat der Journalist sie verlassen, weil er in New York Karriere machen wollte. Jetzt möchte er sie interviewen. Amber ist bereit - unter einer rachesüßen Bedingung … NACH EINER NACHT WIE IM MÄRCHEN … von CARA COLTER „Das Leben ist kein Märchen!“ Da ist sich Millionär David sicher – bis er seine Jugendliebe Kayla wiedertrifft. Sofort fühlt er dasselbe Verlangen wie damals. Und in einer Nacht unterm Sternenhimmel scheint alles möglich. Aber dann macht Kayla ihm ein erschütterndes Geständnis …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 525

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Rebecca Winters, Nina Harrington, Cara Colter

ROMANA EXKLUSIV BAND 377

IMPRESSUM

ROMANA EXKLUSIV erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage 2024 in der Reihe ROMANA EXKLUSIV, Band 377

© 2013 by Rebecca Winters Originaltitel: „Baby out of the Blue“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Christiane Bowien-Böll Deutsche Erstausgabe 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe ROMANA EXTRA, Band 13

© 2013 by Nina Harrington Originaltitel: „The First Crush is the Deepest“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gisela Blum Deutsche Erstausgabe 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe ROMANA EXTRA, Band 20

© 2014 by Cara Colter Originaltitel: „The Millionaire’s Homecoming“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Victoria Werner Deutsche Erstausgabe 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe ROMANA EXTRA, Band 34

Abbildungen: PeopleImages / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751524025

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

Sanft weht der Wind auf Mykonos

1. KAPITEL

Nach jeder Kurve auf der Küstenstraße eröffnete sich vor Fran Myers ein neues faszinierendes Panorama. Die azurblaue Ägäis, die endlosen weißen Strände, das frische Grün der dahinterliegenden Pinienwälder – es war fast unwirklich schön. Gleichzeitig zogen dunkle Wolken über den Himmel und gaben der Szene etwas Dramatisches.

„Ich wusste nicht, dass es an der griechischen Riviera so schön ist, Kellie. Alles wirkt so unberührt.“

„Genau darum hat mein Mann sein Resort ja in dieser Gegend bauen lassen. Im Persephone finden die Reichen und Schönen Ruhe und Erholung.“

„Hast du mich deshalb von Athen hierher gebracht?“, erwiderte Fran. „Weil du glaubst, ich brauche Entspannung und Abgeschiedenheit?“

„Ganz im Gegenteil. Hier machen viele Mitglieder von Königsfamilien Urlaub. Bestimmt begegnest du einem attraktiven ledigen Prinzen. Du wirst sehen, es wird Liebe auf den ersten Blick sein.“

„Das wird nie passieren. Nicht nach dieser Ehe.“

Frans beste Freundin warf ihr einen fragenden Blick zu.

„Schau mich nicht so überrascht an, Kellie.“

„Ich bin nicht überrascht. Ich sehe nur, dass du wirklich, wirklich Urlaub brauchst. Seit deiner Scheidung arbeitest du wie verrückt in der Klinik, und wenn ich dich anrufe, hast du kaum Zeit, mit mir zu reden. Du brauchst eine leidenschaftliche Romanze, um wieder ins Leben zurückzufinden.“

„Du bist gut! Es stimmt zwar, dass ich mich in meiner Arbeit vergrabe, um mich abzulenken, aber es ist inzwischen ein Jahr her. Mir geht es viel besser.“

„Ach was. Du brauchst eine Pause. Ich werde dafür sorgen, dass du zur Abwechslung mal so richtig verwöhnt wirst. Wir werden faulenzen, schwimmen, segeln und wandern und uns natürlich nach Männern umschauen.“

„Du bist unverbesserlich, Kellie, aber deshalb habe ich dich ja auch so gern. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass du so einen Aufwand für mich betreiben würdest. Ich dachte, wir würden in Athen bleiben, um uns die Sehenswürdigkeiten anzuschauen, die ich damals bei deiner Hochzeit verpasst habe. Was sagt eigentlich dein Göttergatte zu unserem Urlaub zu zweit?“

Kellie winkte ab. „Im Juli hat Leandros immer am meisten zu tun. Im Moment sucht er auf dem Peloponnes nach neuen Standorten für seine Hotels. Außerdem ist es einfach die beste Jahreszeit. Deshalb wollte ich unbedingt jetzt mit dir Urlaub machen und nicht erst im September. Wir haben so viel nachzuholen.“

„Das stimmt.“

Die beiden Frauen waren befreundet, seit sie in Philadelphia dieselbe Grundschule besucht hatten. Sie verstanden einander ohne Worte und waren sich näher als Schwestern.

Fran wurde allerdings das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte. Normalerweise verreiste ihre Freundin nie ohne ihren Ehemann.

Zwei Jahre zuvor hatte Kellie in Athen den schwerreichen griechischen Geschäftsmann Leandros Petralia geheiratet. Fran war ihre Trauzeugin gewesen. Seitdem hatten sie zwar oft telefoniert und sich geschrieben, sich jedoch nur gesehen, wenn Kellie für ein paar Tage ihre Familie in Pennsylvania besuchte. Eine längere Trennung von ihrem Ehemann ertrug Kellie nicht.

Jetzt schien das ganz anders zu sein. Kellie wirkte angespannt und ihre Fröhlichkeit irgendwie aufgesetzt. Sie war noch schlanker als bei ihrem letzten Treffen, und während der fünfstündigen Fahrt zu ihrem Hotel im Süden Thessalonikis hatte sie ungewohnt einsilbig auf Frans Fragen reagiert.

Fran beschloss, noch einen Tag zu warten, bevor sie ihrer Freundin auf den Zahn fühlte. Jetzt sollte Kellie sich erst einmal auf das Steuern dieser Luxuskarosse konzentrieren – für Frans Geschmack fuhr sie ohnehin viel zu schnell. Sie blickte hoch zum Himmel. „Ist dir aufgefallen, wie schwarz die Wolken da vorne sind?“

„Ja, richtig unheimlich. Und der Wind ist so stark, dass ich den Wagen kaum in der Spur halten kann. Merkwürdig. Diese Gegend ist berühmt für ihre vielen Sonnentage. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet dann, wenn du hier ankommst, dunkle Wolken aufziehen?“

„Vielleicht ist das ein schlechtes Omen: Dein Mann ist nach Athen zurückgekehrt und wütend, weil du nicht da bist.“

„Red keinen Unsinn“, erwiderte Kellie erstaunlich brüsk. „Er ist mit seiner Sekretärin unterwegs. Vielleicht sind sie ja gerade irgendwo auf den Dodekanes-Inseln, dort entspannt er sich am liebsten.“

Mit Mrs. Kostas? War die nicht mindestens Ende vierzig? Warum reagierte Kellie so heftig?

„Lass uns lieber über dich reden, Fran. Hat Rob schon angerufen und möchte, dass ihr euch wieder versöhnt?“

„Nein. Ich habe gehört, dass er eine Neue hat, eine Arbeitskollegin.“

„Er wird bald merken, dass er das Beste verloren hat, was ihm je im Leben begegnet ist.“

Kellie war ihrerseits auch Trauzeugin bei Frans Hochzeit gewesen. Vor vier Jahren hatte Fran Rob Myers geheiratet, einen ehrgeizigen Anwalt, der sich auf die Planung von Immobilienprojekten spezialisiert hatte und bei einer renommierten Kanzlei arbeitete.

Sie hatten sich durch gemeinsame Freunde in Philadelphia kennengelernt. Bei ihrem dritten Date hatte Fran Rob erzählt, dass sie keine Kinder bekommen konnte und sie Verständnis dafür hätte, wenn er den Kontakt abbrechen wolle.

Er hatte allerdings kein Problem damit, Kinder zu adoptieren. Das sei doch eine gute Möglichkeit für kinderlose Paare. Außerdem gehe es ihm um sie – Fran. Und das bewies er auch, indem er sie heiratete. Nach einem Jahr hatte sie dann vorgeschlagen, erste Schritte einer Adoption einzuleiten, doch Rob war der Meinung, es sei noch zu früh. Immer wieder hatte er sie vertröstet.

Schließlich hatte sie sein Zögern nicht mehr ertragen und vorgeschlagen, eine Eheberatung aufzusuchen. Aber dabei hatte sich herausgestellt, dass Rob inzwischen so in seiner Arbeit aufging, dass er gar nicht mehr an der Gründung einer Familie interessiert war. Fran genüge ihm völlig. Sie jedoch sehnte sich sehr nach Kindern.

Nach drei Jahren Ehe, in der sie beide nicht glücklich waren, beschlossen sie, sich scheiden zu lassen. Fran war inzwischen überzeugt, dass diese Ehe nicht das Richtige für sie war.

Aber Kellie hatte ihr versprochen, den Richtigen für sie zu finden, koste es, was es wolle.

„Kellie, ich bin durstig, du nicht? Lass uns im nächsten Dorf anhalten und in einer dieser entzückenden kleinen Tavernen etwas trinken.“

„Es sind nur noch zwölf Meilen bis zum Persephone“, erwiderte ihre Freundin. „Wir lassen uns alles aufs Zimmer bringen, dann können wir uns total entspannen. Aber, wenn du natürlich unbedingt willst …“

„Wenn es dir nichts ausmacht …“

Kellie krallte ihre Finger um das Lenkrad, so als ob es ihr schwerfiele, ruhig zu bleiben. „Natürlich nicht.“

Ihr Ton war immer noch harsch, und sie lächelte nicht einmal. Fran begann, sich ernsthaft Sorgen um ihre Freundin zu machen. Normalerweise fuhr sie nie so schnell. Wenn sie anhielten, um etwas zu trinken, könnte sie Kellie vielleicht überreden, sie den Rest der Strecke fahren zu lassen. Sie würde einfach sagen, sie hätte sich schon immer gewünscht, einmal am Lenkrad eines Mercedes zu sitzen.

Fran wollte nur, dass sie beide wohlbehalten das Hotel erreichten. Bei diesem Wind konnte es gefährlich werden. Kellie achtete ja nicht einmal richtig auf die Straße. Mit ihrer ach so glücklichen Ehe schien wirklich etwas nicht zu stimmen.

Nicht auch noch Kellie.

Als sie das nächste Dorf erreichten, war der Wind so stark geworden, dass Müllfetzen durch die Luft wirbelten. „Halt vor dem Hotel an der Ecke an, Kellie. Du liebe Güte, es fängt an zu hageln. Wir rennen einfach ganz schnell zum Eingang.“

Im Nu vertrieb der Hagel die Menschen aus den Straßen. Geschäfte und Cafés hatten bereits ihre Auslagen, Tische und Stühle in Sicherheit gebracht. Als Fran mit Kellie die Hotelbar betrat, war diese voller Menschen. Touristen und Angestellte redeten und gestikulierten aufgeregt.

„Kellie? Du verstehst doch Griechisch. Was sagen die Leute?“

Fran folgte ihrer Freundin zum Tresen. Diese winkte einen Kellner herbei und erhielt eine wortreiche Antwort auf ihre Frage. Sie drehte sich zu Fran um. „Im Radio wurde eine Sturmwarnung durchgegeben. Es gibt im Moment keinen Fernsehempfang. Man soll im Haus bleiben, bis die Gefahr vorüber ist. Gut, dass du darauf bestanden hast, hier anzuhalten.“

In Anbetracht der Gewalt der Elemente erschien es wie ein Wink des Schicksals, dass sie gerade jetzt in diesem Dorf angekommen waren.

Sie bestellten Drinks und fanden sogar noch einen freien Bistrotisch. Der Hagel hatte mittlerweile aufgehört, stattdessen schüttete es jetzt wie aus Kübeln.

„Vielleicht solltest du Leandros anrufen“, schlug Fran vor. „Sag ihm, dass dir nichts passiert ist.“

Kellies Gesichtszüge verhärteten sich. „Das weiß er. Wann immer ich unsere Wohnung verlasse, folgt mir mein Bodyguard Yannis. Außerdem kann mein Mann mich anrufen, wenn er will.“ Sie zog ihr Handy aus der Tasche. „Keine verpassten Anrufe, keine Nachrichten. Siehst du?“ Sie hielt Fran das Display unter die Nase.

„Kellie …“, Fran legte ihrer Freundin die Hand auf den Arm, „… sag mir, was los ist. Ich wollte eigentlich bis morgen warten, bevor ich dich danach frage, aber da wir wohl nicht so schnell von hier wegkommen, frage ich dich jetzt. Ich möchte wissen, was aus der glücklichsten aller Ehefrauen geworden ist.“

Kellie wandte den Blick ab. „Vielleicht solltest du diese Frage besser Leandros stellen.“

„Er ist nicht hier. Du schon. Also … was ist los?“

Kellies Gesicht nahm einen schmerzlichen Ausdruck an. „Ich verliere ihn, Fran. Ja, ich habe festgestellt, dass ich ihn nie gehabt habe. Und ich weiß nicht, wie ich das ertragen soll.“

Sie wirkte so am Boden zerstört, dass Fran kaum wagte, weiter nachzuhaken. „Hat das vielleicht etwas damit zu tun, dass du noch nicht schwanger bist? Du setzt dich wahrscheinlich zu sehr unter Druck. So etwas braucht seine Zeit.“

„Das ist die Untertreibung des Jahres. Ich wollte eigentlich mit niemandem darüber sprechen. Aber vor dir will ich nichts verheimlichen. Man hat bei mir eine sogenannte seminale Plasma-Hypersensitivität festgestellt. Mit unserer Ehe ging es steil bergab, als ich feststellen musste, dass der Juckreiz und der Ausschlag, die ich jedes Mal nach dem Sex hatte, daher kommen, dass mein Körper allergisch auf Leandros’ Sperma reagiert. Weltweit leiden vielleicht hundert Frauen unter dieser extrem seltenen Allergie. Warum muss ausgerechnet ich eine von ihnen sein?“

Fran schüttelte den Kopf. „Ich hatte ja keine Ahnung.“

„Tja, ich wusste früher gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Es muss niederschmetternd für Leandros gewesen sein, aber er hat sich großartig verhalten. Er hat jedes Mal ein Kondom benutzt, aber ich weiß, insgeheim hasst er es.

Der Arzt wusste, dass ich ein Kind wollte. Er meinte, wir könnten es mit künstlicher Befruchtung versuchen, die Chancen stünden gut. Man müsse nur Leandros’ Sperma von allen Proteinbestandteilen reinigen. Das haben wir probiert, ein Jahr lang. Leider hat es nicht funktioniert. Leandros sagt, er sei bereit, ein Kind zu adoptieren. Wie klingt das für dich, Fran, nach allem, was du durchgemacht hast? Inzwischen denke ich, es hat sowieso alles keinen Sinn.“ Kellie starrte düster vor sich hin.

Fran war fassungslos. „Was meinst du damit?“

„Ich rede von Karmela Paulos. Sie arbeitet seit einem Monat als Sekretärin für Leandros.“

Ah. Karmela. Nachdem sie es anders nicht geschafft hatte, an Leandros heranzukommen, versuchte sie es jetzt auf diese Weise.

Karmela Paulos war die jüngere, umwerfend attraktive, schwarzhaarige Schwester von Leandros’ erster Frau Petra, die bei einem Hubschrauberabsturz über dem Meer ums Leben gekommen war. Als das Unglück geschah, war Petra schwanger gewesen.

Zwei Jahre später war Leandros in Athen dann Kellie begegnet, im Cassandra, einem der berühmten Fünfsternehotels der Petralia-Kette. Bald darauf hatten sie geheiratet. Seit dem Begräbnis seiner Frau schien sich Karmela jedoch die Rolle der ständigen Begleiterin anzumaßen und ließ Leandros kaum aus den Augen.

Fran war ihr damals bei der Hochzeit begegnet, und ihr dominantes Verhalten hatte sie da schon abgestoßen. Obwohl Leandros inzwischen mit Kellie verheiratet war, gab Karmela anscheinend nicht auf und suchte weiterhin seine Nähe. Offenbar trieb sie ein intrigantes Spiel. Und als ihr Schwager war es für Leandros schwierig, sie abzuweisen.

„Mir war damals bei deiner Hochzeit schon klar, dass du mit deiner Heirat ihren Plan durchkreuzt hattest, selbst Mrs. Leandros Petralia zu werden.“ Was immer sich hier abspielte, Fran war davon überzeugt, dass Karmela die Ursache allen Übels war. Diese Frau wollte Leandros für sich selbst, so viel war klar.

Nun, Pech für sie. In zwei Wochen würde Fran nach Pennsylvania zurückfliegen, aber nicht ohne vorher dafür zu sorgen, dass dieses Problem ein für alle Mal gelöst wurde.

„Da wir das Haus nicht verlassen sollen, warum nehmen wir uns nicht gleich ein Zimmer für die Nacht? Wir besorgen uns etwas zu essen, und dann können wir die ganze Nacht reden. Ich habe eine Idee, wie wir Karmela vertreiben können, ohne dass dein Mann überhaupt merkt, was los ist.“

„Ich weiß nicht, wie das gehen soll.“

Fran lächelte. „Warte, bis du meinen Plan gehört hast.“ Sie stand auf. „Ich rede mit dem Hotelbesitzer und buche ein Zimmer. Wenn der Regen aufhört, holen wir unsere Koffer aus dem Auto.“

Leandros war inzwischen bestimmt schon von Kellies Bodyguard kontaktiert worden und würde sie hoffentlich bald anrufen. Fran spürte deutlich, dass Kellie entsetzlich unter ihren Eheproblemen litt. Niemand konnte das besser nachfühlen als sie selbst.

Nik Angelis hatte gerade sein Penthouse in Athen betreten, als sein Handy klingelte. Das Display zeigte die Nummer eines seiner Brüder an. „Sandro? Was gibt’s?“ Sie hatten sich heute bereits auf einer Vorstandssitzung der Angelis Corporation gesehen. Den Vorsitz hatte Nik erst vor Kurzem von seinem Vater übernommen, der jetzt im Ruhestand war.

„Schalt deinen Fernseher ein. Auf allen Kanälen berichten sie über den Tornado.“

Es war das Gesprächsthema in der Angelis-Zentrale. Nik hatte sich am Morgen von seiner Schwester und ihrer Familie verabschiedet, die mit dem Firmenjet nach Thessaloniki geflogen waren. Danach war er zum internationalen Luftfrachtzentrum gefahren, um einige Lieferungen zu überprüfen. Während er mit einem seiner Manager redete, war ein Wirbelsturm über das Zentrum hinweggefegt.

Nach ein paar Minuten war der Spuk vorbei gewesen, doch der Sturm hatte erhebliche Schäden verursacht. Zum Glück war niemand verletzt worden. Nik hatte gleich den Piloten des Jets kontaktiert, aber dieser hatte bereits seine Fluggeschwindigkeit erreicht und war außer Reichweite des Sturms. Seine Schwester und ihre Familie waren also in Sicherheit und auf dem Weg nach Norden.

„Nein, nein“, rief Sandro aufgeregt. „Den Sturm meine ich nicht. Es gibt noch einen, und der hat vor ein paar Minuten die Gegend von Thessaloniki erreicht.“

Noch ein Wirbelsturm?

„Lass uns beten, dass Melina und Stavros in Sicherheit sind.“

Niks Herz blieb fast stehen. „Warte.“ Er rannte in sein Arbeitszimmer und schaltete den Fernseher ein. Tatsächlich – auf allen Kanälen Bilder und Berichte über die beiden Tornados.

… und dann gab es um 17:13 Uhr einen weiteren Tornado, diesmal an der griechischen Riviera. Er hat sich bereits aufgelöst, aber bis jetzt gibt es noch keine zuverlässigen Informationen über das wahre Ausmaß der Verwüstungen. Es heißt, ein Dutzend Villen und einige Bungalows des weltberühmten Persephone-Resorts, das im Besitz der Petralia Corporation ist, seien zerstört worden …

Nik fühlte sich, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. Das Persephone war das Resort, in dem Melina, Stavros und ihr kleines Töchterchen die ersten beiden Nächte ihres Urlaubs verbringen sollten. Leandros Petralia, der Besitzer des Hotels, war sowohl Niks Geschäftspartner als auch privat ein guter Freund.

„Ich habe die Nummer von Melinas Handy gewählt, aber im Moment funktioniert kein Mobilfunknetz.“ Sandro hörte sich ganz panisch an.

Nik gefror das Blut in den Adern.

… Bis jetzt gelten zwanzig Personen als vermisst. Wir bitten alle, sich von dieser Gegend fernzuhalten und die Polizei und die Suchtrupps ihre Arbeit machen zu lassen. Handys funktionieren zurzeit nicht. Wir haben die Nummern mehrerer Hotlines eingeblendet, für alle, die Informationen über Freunde und Angehörige benötigen oder weitergeben können …

Nik war entsetzt. „Glaubst du, Cosimo ist schon zu Hause?“

„Ich weiß nicht, aber ich werde versuchen, ihn zu erreichen.“

„Sag ihm, dass wir uns am Flughafen treffen, Sandro.“ Er wollte seine beiden Brüder bei sich haben. „Wir fliegen nach Thessaloniki.“

„Bin schon unterwegs!“

Nik rief seinen Fahrer an. Als er das Apartment verließ, telefonierte er mit dem Piloten und wies ihn an, den Jet für einen weiteren Flug nach Thessaloniki vorzubereiten. In etwas mehr als einer Stunde könnten er und seine Brüder dort sein.

Auf dem Weg zum Flughafen telefonierte er mit seinen Eltern, die sich in ihrer Villa auf Mykonos befanden. Sie hatten gerade die Nachrichten gehört und waren ganz aufgelöst. „Unsere allerliebste Melina, unsere Demitra.“ Seine Mutter schluchzte fast.

„Mana, vielleicht wurde ihr Bungalow ja gar nicht zerstört. Außerdem hat Stavros sie sicher beschützt. Wir dürfen den Kopf nicht hängen lassen. Sandro und Cosimo werden jetzt mit mir dorthin fliegen. Ruf eine dieser Hotlines an und versuche, Näheres herauszufinden! Hoffentlich funktioniert das Telefonnetz bald wieder. Ich rufe dich an, sobald ich mehr weiß.“

Ein energisches Klopfen an der Zimmertür weckte die beiden jungen Frauen am nächsten Morgen. Stundenlang hatten sie am Abend über Karmela geredet. Bevor sie einschliefen, hatte Fran ihre Freundin endlich so weit, dass sie den Plan nach dem Urlaub in die Tat umsetzen wollte.

Kellie hob den Kopf und blickte auf ihre Armbanduhr. „Schon zehn nach zehn!“

„Vielleicht ist es eins der Zimmermädchen.“ Fran sprang aus dem Bett, sie trug einen einfachen Baumwollpyjama. „Wer ist da?“, rief sie.

„Yannis.“

„Ich rede mit ihm“, murmelte Kellie und eilte zur Tür. Der dunkelhaarige Bodyguard blieb draußen im Flur stehen, während sie sich auf Griechisch unterhielten. Es dauerte etwa eine Minute, dann schloss Kellie die Tür wieder. Ihr Gesicht war kreidebleich.

Fran befürchtete, ihre Freundin könnte in Ohnmacht fallen. Sie packte Kellie bei den Schultern. „Was ist los? Komm, setz dich hier in den Sessel und erzähl es mir.“

Doch Kellie blieb stehen. Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Ein Tornado hat gestern Abend zwölf Meilen weiter nördlich neun Menschen getötet. Unter ihnen fünf Gäste des P… Persephone.“

Fassungslos starrten sich die beiden Frauen an. „Ich kann es nicht glauben“, flüsterte Fran entsetzt. „Wenn wir gestern Abend nicht hier angehalten hätten …“ Sie selbst hätten unter den Toten sein können.

„Yannis sagt, dass Leandros durch die Fernsehnachrichten davon erfahren hat. Er ist sofort hierhergeflogen, aber selbst mit eigenem Jet und Polizeieskorte hat er es erst um Mitternacht geschafft, beim Resort zu sein. Drei der zwölf Bungalows sind zerstört. Von ihnen ist nichts mehr übrig.“

Fran stieß einen entsetzten Laut aus. „Das ist ja schrecklich.“

„Leandros sagt, es ist ein Albtraum. Es funktionieren dort weder Telefone noch Handys oder Fernsehen. Er hat Yannis nur mithilfe der Polizei kontaktieren können. Ich soll hierbleiben, bis er kommt. Yannis sagt, das dürfte nicht mehr lange dauern.“ Kellie zitterte.

„Komm, wir müssen uns anziehen und hinuntergehen. Dein Mann ist sicher am Boden zerstört und braucht dich jetzt mehr als je zuvor.“ Nun war genau der richtige Zeitpunkt, in dem Kellie Leandros’ Nähe suchen und den Plan umsetzen musste, über den sie in der Nacht geredet hatten.

Innerhalb kürzester Zeit duschten sie und zogen sich an. Fran wählte eine weiße Leinenhose und ein grün-weiß gemustertes Top. Sie band ihr honigblondes Haar im Nacken mit einem weißen Chiffonschal zusammen und schlüpfte in ein Paar weiße Sandaletten. Sie hatte das Gefühl, als wäre alles nur ein schlechter Traum, während sie ihre Sachen packten und mit den Koffern die Treppe hinunterstiegen, um dort auf Leandros zu warten.

Zu Frans Überraschung war der Haupteingang geöffnet, und draußen an den Tischen saßen Hotelgäste und frühstückten. Warme Luft strömte herein und draußen lachte die Sonne vom strahlend blauen Himmel. Das Leben schien seinen gewohnten Gang zu gehen. Nichts deutete darauf hin, dass nur zwölf Meilen von hier eine Naturkatastrophe stattgefunden hatte.

Ein Kellner kam zu ihnen. „Die Tische an der Vorderseite sind alle besetzt. Aber im Innenhof werden Sie auch bedient.“

„Danke“, sagte Fran und nahm Kellie beiseite. „Yannis sitzt draußen in seinem Wagen, er hat neben deinem geparkt. Ich schlage vor, wir verstauen die Koffer im Auto und du sagst Yannis Bescheid, dass wir hinter dem Haus frühstücken. Wir müssen etwas essen, und ein wenig in der Sonne zu sitzen, tut uns sicher auch gut, meinst du nicht?“

„Ja, bestimmt“, erwiderte Kellie etwas steif.

Kurz darauf ging Fran den mit Steinplatten ausgelegten Weg zur Rückseite des Hotels. Hier waren Stühle und Tische blau, und die Tischdecken blau-weiß kariert. Über dem Hintereingang hing ein Topf mit Bougainvillea, und hinter der Terrasse befand sich ein kleiner Garten. Schade, dass der Wind die meisten Blüten abgerissen hatte.

Fran setzte sich auf einen Stuhl in der Sonne, während sie auf ihre Freundin wartete. Plötzlich hörte sie ein merkwürdiges Geräusch – es klang wie ein Wimmern. Überrascht blickte sie sich um, dann schaute sie nach oben. Vielleicht kam es ja aus einem der Zimmer im oberen Stockwerk.

Wieder hörte sie das Wimmern. Es hörte sich ziemlich schwach an und schien aus dem Garten zu kommen. Vielleicht hatte sich ein Kätzchen im Sturm verletzt. Armes Ding. Fran sprang auf und machte sich auf die Suche.

Sie ging nur ein paar Schritte – und da, im Gebüsch, lag ein schwarzhaariges Baby, fast nackt und übersät mit Kratzern.

Fran war fassungslos. Das kleine Mädchen trug nichts weiter als ein zerrissenes rosafarbenes Unterhemdchen. Es konnte nicht älter als sieben Monate sein. Wie um alles in der Welt war es hierhergekommen? Wie lange das Kind wohl schon hier lag?

So vorsichtig wie möglich hob sie den kleinen Körper hoch. Das Baby musste ja entsetzlich frieren. Seine olivfarbene Haut wirkte bleich und die Augen waren geschlossen.

„Fran?“ Kellie betrat gerade den Innenhof. „Was um alles in der Welt …?“

Fran drehte sich zu ihr um, sie hatte Tränen in den Augen. „Sieh nur – ich habe hier gerade dieses Baby gefunden.“

Kellie stieß einen überraschten Laut aus. „Das sehe ich, aber ich kann nicht glauben, was ich sehe.“

„Ich weiß. Schnell – bring eine Decke und lass uns in eine Klinik fahren. Ich fürchte, die Kleine stirbt.“

Kellie riss die Augen auf, aber dann drehte sie sich um, rannte ins Haus und rief auf Griechisch um Hilfe. Innerhalb von Sekunden kamen mehrere Personen aus dem Haus. Jemand brachte eine Decke und Fran hüllte das Baby vorsichtig darin ein und ging zurück zum Parkplatz vor dem Hotel. Kellie rannte voraus und redete mit Yannis.

„Er wird uns in die Klinik bringen.“

Der Bodyguard half Fran beim Einsteigen. Sein Gesicht war genauso bleich wie Kellies. Die setzte sich auf den Beifahrersitz und drehte sich zu Fran um. „Was meinst du, wie das Baby dort hingekommen ist?“

„Wer weiß? Vielleicht war die Mutter mit ihr auf der Straße unterwegs und eine Sturmböe hat die Kleine gepackt.“

„Aber sie trägt nur ein zerrissenes Hemdchen.“

Beide waren ratlos. „Stimmt, das ergibt keinen Sinn.“

„Meinst du, sie hat die ganze Nacht dort gelegen?“

„Ich weiß nicht.“ Frans Stimme zitterte. „Aber es sieht ganz danach aus, oder? Ihr ganzer Körper ist mit Kratzern übersät.“

„Ich kann es immer noch nicht fassen. Meinst du, die Mutter liegt auch irgendwo im Hotelgarten? Bewusstlos?“

„Meine Güte“, murmelte Fran. „Das wäre möglich. Wir wissen, was ein Tornado anrichten kann. Der in Dallas hat damals große Trucks durch die Luft fliegen lassen wie Streichhölzer. Nur von einem Tornado in Griechenland habe ich noch nie gehört.“

„Doch, es passiert von Zeit zu Zeit. Leandros hat mir erzählt, dass sie meistens vor der Küste auftreten.“

Das Baby war ganz still geworden, es fühlte sich fast an wie eine Puppe. „Sag Yannis, er soll sich beeilen, Kellie. Sie gibt keinen Laut mehr von sich. Die Polizei muss benachrichtigt werden. Man muss die Eltern ausfindig machen.“

Als sie den Eingang der Notaufnahme erreichten, ging alles sehr schnell. Jemand nahm das Baby aus Frans Armen und ein Angestellter der Klinik stellte ihnen Fragen.

Er sagte, niemand habe bis jetzt nach einem vermissten Baby gefragt. Es seien auch keine verletzten Eltern eingeliefert worden, nur ein junger Mann, dessen Auto im Regen von der Straße abgekommen war.

„Ein Kollege hat bereits die Polizei kontaktiert“, fuhr der Mann fort. „Man wird dort alles tun, um das Baby wieder zu seinen Eltern zu bringen. Ein Polizeibeamter wird kommen und Ihre Aussagen aufnehmen. Nehmen Sie einfach im Warteraum Platz oder in der Caféteria am Ende des Ganges.“

Fran und Kellie setzten sich ins Wartezimmer und blickten gedankenverloren aus dem Fenster. „Wenn das Baby überlebt, hat es das nur dir und deiner schnellen Reaktion zu verdanken.“

Fran kamen die Tränen. „Sie muss überleben, Kellie. Wenn nicht, dann hat das Leben wirklich keinen Sinn.“

„Ich weiß. Ich denke genauso.“ Kellie hatte vergeblich darum gebetet, schwanger zu werden, und Frans Schicksal war ja ähnlich. Was für ein Paar sie doch abgaben!

„Ich wünschte, Leandros würde herkommen. Jetzt, da ich dieses Baby gesehen habe, frage ich mich, was er wohl durchgemacht hat. Es hat schließlich Tote in seinem Resort gegeben.“

„Es ist einfach zu schrecklich, um darüber nachzudenken. Ich kann immer noch nicht glauben, was geschehen ist. Als ich das kleine Wesen im Gebüsch liegen sah, dachte ich, dass ich eine Halluzination habe.“

Bald darauf erschienen zwei Polizisten, um sie zu befragen. Es gab noch immer keine Nachricht von den Eltern. Als die Männer wieder gegangen waren, sprang Fran auf. „Ich kann nicht mehr stillsitzen. Ich muss wissen, wie es dem Baby geht.“

Kellie stand auf. „Dann schau mal, ob du einen Arzt findest. Ich gehe derweil hinaus und rede mit Yannis. Vielleicht hat er etwas von Leandros gehört.“

Fran eilte durch die Tür zur Notaufnahme.

„Das werden wir erst in ein paar Stunden wissen“, erwiderte Dr. Xanthis, der diensthabende Arzt, auf ihre Frage, ob das Baby überleben würde. Er sprach mit starkem griechischen Akzent.

„Kann ich sie sehen?“

Er schüttelte den Kopf. „Nur Familienmitglieder dürfen die Säuglingsintensivstation betreten.“

„Aber die Angehörigen des Babys sind bis jetzt nicht ausfindig gemacht worden. Ich habe es im Gebüsch gefunden, im Garten hinter unserem Hotel.“

„Davon habe ich gehört. Sehr außergewöhnlich.“

„Kann ich nicht bei ihr bleiben, bis die Eltern gefunden werden?“

Der Arzt blickte sie eindringlich an. „Weshalb denn?“

Fran biss sich auf die Lippen. „Sie ist doch noch so klein. Ich … ich denke, sie braucht jemanden.“ Ihre Stimme bebte.

Plötzlich wurde der Gesichtsausdruck des Mannes freundlicher. „Kommen Sie, ich bringe Sie hin.“

Der Arzt führte sie durch eine Tür zu einem Aufzug, der sie zur Säuglingsstation in die zweite Etage brachte. Dr. Xanthis stellte Fran einer der Krankenschwestern vor. „Ich habe Mrs. Myers erlaubt, bei dem Baby zu bleiben, bis man die Eltern gefunden hat. Sorgen Sie dafür, dass sie Schutzkleidung anzieht.“

„Ich danke Ihnen sehr, Dr. Xanthis“, sagte Fran.

„Danke, dass Sie so hilfsbereit sind.“

„Das tue ich gerne, glauben Sie mir.“

2. KAPITEL

Fran folgte der Schwester in einen Vorraum, wo sie sich die Hände desinfizieren konnte. In Kliniken kannte sie sich aus, schließlich arbeitete sie selbst seit dem College in einem Krankenhaus. Sie kümmerte sich um Patienten, die nach der Entlassung zu Hause Unterstützung und Pflege brauchten.

Nachdem sie einen sterilen Kittel übergezogen hatte, folgte sie der Schwester durch eine weitere Tür. Das Baby lag im Brutkasten, der in einer Ecke des Raumes stand. Der kleine Körper war an eine Infusion angeschlossen und das Gesicht halb verdeckt von einer Sauerstoffmaske. Ein Monitor zeichnete den Herzschlag des kleinen Mädchens auf.

Fran war erleichtert, dass die Klinik angemessen ausgestattet war, um das Baby gut zu versorgen. Doch als sie das kleine Wesen dort so liegen sah, still und hilflos, da musste sie ein Schluchzen unterdrücken. Das Baby war von Kopf bis Fuß mit Kratzern übersät, doch die Wunden waren gereinigt und gut versorgt worden.

Die Schwester zog einen Stuhl heran, sodass Fran sich direkt an den Brutkasten setzen konnte. „Wir hoffen alle, dass sie bald aufwacht. Sie können ruhig ihren Arm berühren und mit ihr reden. Ich bin gleich wieder da.“

Fran betrachtete das zarte Gesicht des Babys. Es war so perfekt. Und was für lange Wimpern die Kleine hatte. Offenbar war sie ganz gesund gewesen, bevor der Tornado über die Region hinweggefegt war.

Fran schob ihre Hand durch die kleine Öffnung im Brutkasten und berührte den Unterarm des Mädchens. „Woher kommst du nur? Bitte komm zurück ins Leben, mein kleiner Schatz. Mach die Augen auf. Ich will sehen, welche Farbe deine Augen haben.“

Keine Reaktion. Es brach ihr fast das Herz. Aber selbst wenn das Baby sie hören könnte, es würde ja kein Englisch verstehen. „Natürlich willst du deine Mom und deinen Daddy. Die Leute tun alles, um sie zu finden. Aber bis dahin bleibe ich bei dir, mein kleiner Schatz.“

Sanft streichelte sie über die weiche Haut. „Ich weiß, du gehörst zu jemand anderem, aber weißt du, wie sehr ich mir so ein Baby wie dich wünsche? Du hast keine Ahnung, wie wunderhübsch du bist.“

Fran kamen die Tränen. „Du darfst nicht sterben. Du darfst einfach nicht.“ Schließlich kehrte die Schwester zurück. „Ich bin sicher, dass ihr das guttut“, sagte sie, „aber man hat unten in der Notaufnahme nach Ihnen gefragt. Sie können jederzeit wiederkommen.“

Fran hob den Kopf. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass inzwischen mehrere Stunden vergangen waren. „Danke.“ Zögernd zog sie die Hand zurück und stand auf. „Ich komme wieder, mein Schatz.“

Ein paar Minuten später betrat sie das Wartezimmer der Notaufnahme. Leandros war gekommen, er und Kellie unterhielten sich leise. Er wirkte sehr angespannt.

Als Kellie Fran entdeckte, sprang sie auf und eilte auf sie zu. Leandros folgte ihr. „Wird das Baby überleben?“, fragte Kellie ängstlich.

„Ich weiß es nicht. Sie liegt fast leblos im Brutkasten, aber sie atmet und ihr Herz schlägt regelmäßig. Hat die Polizei inzwischen die Eltern ausfindig gemacht?“

„Bis jetzt nicht.“

Leandros streckte die Arme aus. „Fran …“, flüsterte er. Sie umarmten einander.

„Es ist so schön, dich wiederzusehen, Leandros, aber ich wünschte, die Umstände wären erfreulicher. Das tut mir alles so leid“, sagte Fran.

Er nickte und blickte gequält zu seiner Frau. Fran hatte das Gefühl, dass der Tornado nicht die einzige Ursache seines Kummers war. Sie spürte die negative Spannung zwischen ihm und Kellie. Die Eheprobleme der beiden schienen doch ernster zu sein, als Fran sich vorgestellt hatte.

„Fünf Hotelgäste sind tot“, murmelte Leandros. „Mr. Pappas, der ehemalige Vorstand der Hellenic Bank, und seine Frau haben ihren sechzigsten Hochzeitstag gefeiert.“

„Wie schrecklich, dass es so enden musste. Und das andere Paar?“, fragte Fran, als sie spürte, dass Leandros zögerte.

Leandros’ Gesichtsausdruck wurde noch düsterer. „Die Schwester meines Freundes Nikolos Angelis war gerade erst mit Mann und Baby angekommen.“

„Mit einem Baby?“

„Ja, aber als die Leichen geborgen wurden, fand man keine Spur von dem Kind. Die Polizei hat Suchtrupps eingesetzt. Du kannst dir vorstellen, wie entsetzt die ganze Angelis-Familie ist. Sie alle stehen unter Schock. Die Gegend wird noch immer durchkämmt.“

„Nik ist der jüngste der Angelis-Brüder“, erklärte Kellie. „Er ist der Chef der milliardenschweren Firma, die die Familie vor fünfzig Jahren gegründet hat. Er war im Ausland, als Leandros und ich geheiratet haben, deshalb hast du ihn auf unserer Hochzeit nicht gesehen.“

„Freiwillige durchkämmen seit Stunden die Gegend, aber bisher ohne Erfolg“, erklärte Leandros. „Niks Eltern sind am Ende. Sie haben nicht nur ihre Tochter und ihren Schwiegersohn verloren, sondern auch ihre kleine Enkelin.“

Enkelin?

Fran musste an das Baby denken, das zwei Etagen über ihnen um sein Leben kämpfte.

„Wie alt ist das Baby?“

„Sieben Monate.“

„Was für eine Haarfarbe hat es?“

„Schwarz.“

Fran stieß einen verblüfften Laut aus. Vielleicht war die Kleine ja doch nicht vom Himmel gefallen. War es möglich, dass sie von dem Wirbelsturm bis in den Hotelgarten des Persephone-Resorts getragen worden war? Bei Wirbelstürmen rund um die Welt hatten sich schon die unglaublichsten Dinge ereignet.

„Kellie?“

„Ich weiß, was du denkst, Fran …“, sagte Kellie. Die beiden Freundinnen schauten sich an. „Erinnerst du dich an das kleine Mädchen im Mittleren Westen, das vor ein paar Jahren zehn Meilen von zu Hause entfernt auf einem Feld gefunden wurde? Wach und lebendig? Während die übrige Familie tot war?“

„Ja, das Wunderbaby. Es war in allen Zeitungen.“

„Das könnte alles erklären.“

Leandros zog die Brauen zusammen. „Wovon redet ihr?“

„Schnell, Kellie. Erzähl es ihm. Ich gehe wieder hinauf zu dem Baby. Vielleicht ist es jetzt wach. Ich glaube, die Kleine ist das vermisste Kind! Bestimmt ist sie es. Es gibt gar keine andere Erklärung. Sie muss überleben!“

Die Polizei hatte einen Plan für die freiwilligen Suchtrupps ausgearbeitet. Nik und seinen Brüdern war ein Gebiet in den Pinienwäldern hinter dem Hotel zugeteilt worden. Sie suchten schon seit Stunden. Mit jeweils einigen Metern Abstand gingen sie nebeneinanderher und suchten nach der kleinen Demi.

Der Tornado hatte auf seinem Weg alles zerstört, was ihm im Weg war, selbst Menschenleben. Nik wusste nicht, wie er den Tod seiner Schwester und seines Schwagers ertragen sollte.

Und wo, in Gottes Namen, war bloß das Baby?

Seine Brüder hatten jeweils zwei Kinder, alles Jungen. Ihre Ehefrauen machten zurzeit mit den Kindern im Haus von Niks Eltern Urlaub auf Mykonos. Er wusste, Sandro und Cosimo dankten ihrem Schicksal, dass ihre Familien weit weg waren, als der Tornado über die Region hinweggefegt war, aber im Moment waren sie so betrübt über den Tod ihrer Schwester und ihres Schwagers, dass keiner von ihnen zum Reden aufgelegt war.

Demi war das einzige kleine Mädchen in der Familie, und sie war so schön – genau wie ihre Mutter. Nik war noch unverheiratet und kinderlos und war nicht zuletzt deshalb ganz und gar hingerissen von seiner kleinen Nichte. Seit dem Tag ihrer Geburt war er ihrem Charme verfallen, so klein, lieb und zerbrechlich war sie.

So ein Kind hätte er selbst gern, falls er jemals eine Familie gründen sollte. Aber dazu müsste er erst einmal eine Frau finden, die bereit wäre, hinter die Fassade zu blicken, und die sich nicht so leicht durch sein Bild in der Öffentlichkeit abschrecken ließe. Dann würde er auch gerne heiraten.

Bis jetzt war er aber so einer Frau noch nicht begegnet und deshalb musste er vorerst allein damit fertigwerden, dass die Öffentlichkeit ein falsches Bild von ihm hatte. Im vergangenen Jahr hatten Klatschmagazine mehrfach nicht autorisierte Fotos von ihm auf ihren Titelseiten präsentiert, mit Schlagzeilen wie „Vielversprechender Newcomer auf Griechenlands Businessparkett“ oder „Begehrtester Playboy des Jahrzehnts“. Ihm war es zuwider, er legte keinen Wert auf diese Art von Publicity. Doch momentan hatte er sowieso andere Sorgen, seine persönlichen Probleme waren unwichtig, jetzt ging es nur um seine kleine Nichte.

Noch vor zwei Wochen hatte er Demi ein Spielzeug gekauft, sie hatte es geliebt. Demi konnte schon ohne Hilfe sitzen und krabbeln, und sie nahm alles, wonach sie greifen konnte, in den Mund. Ihr Lächeln war göttlich. Sie niemals wiederzusehen … einfach unvorstellbar.

Nik musste gegen seine Tränen ankämpfen. Seine Schwester Melina, die Mutter des Babys, hatte ihm viel bedeutet. Sie hatte ihm in der dunkelsten Stunde seines Lebens beigestanden. Und nun konnte er nicht einmal ihr Baby finden.

Sandro ergriff seinen Arm. „Mit diesem Abschnitt sind wir jetzt fertig.“

„Lass uns das nächste abgesteckte Gebiet in Angriff nehmen.“

„Das ist schon abgesucht worden“, brummte Cosimo.

„Ist mir egal“, erwiderte Nik scharf. „Dann suchen wir eben noch einmal, und diesmal gründlicher. Untersucht jeden einzelnen Baum, jeden Strauch.“

Sie gehorchten. Es waren etwa fünf Minuten vergangen, als Niks Handy klingelte. Er blickte aufs Display. „Petralia.“

Die Köpfe seiner Brüder fuhren herum. Hatte einer der Freiwilligen die Leiche des Babys gefunden?

„Leandros?“, sagte Nik. „Gibt es etwas Neues?“

„Könnte sein. Wenn man an Wunder glaubt.“

Niks Herz schlug schneller. „Was soll das heißen?“

„Ich bin hier mit meiner Frau in der Klinik von Leminos, das ist zwölf Meilen südlich von dort, wo ihr jetzt seid. Ihr müsst unbedingt herkommen. Heute Morgen hat ihre beste Freundin – sie kommt aus den Vereinigten Staaten und macht gerade Urlaub bei uns – ein Baby gefunden. Halbtot. Im Garten eines Hotels.“

Niks Finger umklammerten das Handy. „Habe ich dich eben richtig verstanden?“

„Ja. Ist es zu fassen? Sie lag im Gebüsch, hinter dem Haus. Als die beiden gestern auf dem Weg zum Persephone waren, wurde der Sturm ganz plötzlich so schlimm, dass sie sich in Leminos ein Hotelzimmer genommen haben.“

„Du meinst, deine Frau und ihre Freundin …“

„Hätten unter den Opfern sein können“, ergänzte Leandros. Seine Stimme zitterte. „Fran hat nach einem freien Tisch auf der Terrasse hinter dem Haus gesucht. Dabei hat sie ein leises Wimmern gehört und ist dem Geräusch nachgegangen.“

„Was?“

„Wirklich unglaublich, diese Geschichte. Das Kind hat Prellungen und Kratzer, und nichts am Leib bis auf ein zerrissenes Unterhemd. Sie brachten sie hier in die Klinik und Fran ist bei ihr auf der Baby-Intensivstation geblieben. Bis jetzt hat noch niemand nach ihr gefragt.“

„Du hast sie gesehen?“, rief Nik.

„Ja. Sie ist etwa sieben Monate alt und sieht euch ähnlich, was Haar- und Hautfarbe betrifft. Sie lebt, aber sie ist noch nicht zu sich gekommen. Das sind gute Nachrichten, denn die Ärzte meinten am Anfang, sie würden sie verlieren. Komm, so schnell du kannst.“

Nik schaute zu seinen Brüdern. „Wir sind schon unterwegs, Leandros … Ich bin dir so dankbar.“

„Danke mir noch nicht. Vielleicht ist das Baby ja gar nicht deine Nichte.“

„Bestimmt ist sie es. Sie muss es sein.“

Nik und seine Brüder rannten durch den Wald. Dabei wiederholte er die unglaubliche Geschichte, die Leandros ihm erzählt hatte. Bald hatten sie den Polizeiposten erreicht, wo ihr Mietwagen stand. Nik brach jeden Geschwindigkeitsrekord, als sie nach Leminos fuhren.

In der Notaufnahme der Klinik wurden sie von Leandros und seiner Frau erwartet. Kellie, seine hübsche Frau, konnte nicht aufhören zu weinen über das, was Niks Familie zugestoßen war. Ihre Anteilnahme rührte ihn. Schließlich stellte sie ihn und seine Brüder dem behandelnden Arzt vor.

„Kommen Sie mit. Vielleicht gehört die Kleine ja zu Ihnen.“ Als sie mit dem Lift hinauffuhren, berichtete der Arzt, dass das Baby vor etwa einer halben Stunde die Augen geöffnet hatte. „Ich glaube, das hat etwas mit der rührenden Fürsorge von Fran Myers zu tun. Sie hat sie die ganze Zeit gestreichelt und ihr vorgesungen.“

Nur mit Mühe brachte Nik genug Geduld auf, um die notwendige Schutzkleidung anzulegen. Dieses Baby musste einfach seine Nichte sein.

In einer Ecke des Raumes saß eine Frau neben einem der Brutkästen und streichelte sacht das Baby darin. Da sie ihnen den Rücken zuwandte und die gleiche Schutzkleidung trug wie er und seine Brüder, konnte Nik nur ihr dunkelblondes Haar sehen, das sie mit einem transparenten Schal zusammengebunden hatte. Sie sang dem Kind vor, wie eine Mutter es für ihr eigenes geliebtes Kind tun würde.

Es war rührend, wie sehr sie sich um das Kind bemühte. Nik trat näher und blickte auf das Baby. Ein dicker Kloß saß in seiner Kehle.

„Demi …“

Seine Brüder folgten ihm. Sie waren genauso fassungslos wie er, als sie tatsächlich ihre Nichte erkannten. Da lag sie, mit Schläuchen an medizinische Apparate angeschlossen, aber quicklebendig. Sie wand sich hin und her, als ob es ihr gar nicht recht wäre, so gefesselt zu sein. Immer wieder riefen die Männer mit halb erstickter Stimme Demis Namen. Doch die Kleine fing sofort an zu weinen.

Die Frau streichelte ihre Ärmchen und Beinchen und redete beruhigend auf sie ein. Nik konnte es kaum glauben. Obwohl die Frau englisch redete, reagierte Demi und beruhigte sich.

Nach einer Minute zog die Frau ihre Hand aus dem Inkubator und stand auf. Sie war mittelgroß, und als sie sich zu ihnen umdrehte, stellte Nik fest, dass ihre Augen blau waren. Wundervoll strahlend blau, wie die Blumen, die in manchen Winkeln auf Mykonos wuchsen.

„Mrs. Myers? Ich bin Nik Angelis“, sagte er durch seinen Mundschutz hindurch. „Das sind meine Brüder Sandro und Cosimo. Man hat mir gesagt, Sie sind es, der wir für die Rettung unserer Nichte danken müssen.“

„Ich war zufällig die Erste, die sich auf der Terrasse an der Rückseite des Hotels einen Tisch suchte“, erwiderte sie. „Als ich das Wimmern hörte, dachte ich zunächst, es sei vielleicht ein Kätzchen, das im Sturm verletzt wurde. Ich bin fast in Ohnmacht gefallen, als ich sah, dass ein Baby im Gebüsch liegt.“ Sie schaute Nik an. „Wie heißt sie denn?“

„Demitra, aber wir nennen sie Demi.“

„Ein wunderschöner Name. Ich kann gar nicht sagen, wie leid es mir tut, was mit Ihrer Schwester und ihrem Mann passiert ist, Mr. Angelis. Aber ich bin froh, dass Sie nun wenigstens Ihre Nichte gefunden haben. Sie ist das süßeste Kind, das ich je gesehen habe.“ Ihre Stimme zitterte leicht. Nik konnte ihr nur zustimmen.

„Leandros hat mir gesagt, dass Sie hier Urlaub machen. Umso großzügiger ist es von Ihnen, dass Sie sich so intensiv um Demi kümmern. Wir wissen das sehr zu schätzen, mehr, als Sie sich vorstellen können. Die Kleine wird für unsere Eltern der Grund sein, weiterzuleben.“

„Das stimmt“, sagten seine Brüder und bekundeten ebenfalls ihre Dankbarkeit.

Nik trat näher. „Ich hoffe, Sie wissen, dass unsere Familie zutiefst in Ihrer Schuld steht.“

Mrs. Myers schüttelte den Kopf. „Was für eine Belohnung könnte man sich denn wünschen, außer dass dieses entzückende kleine Wesen wieder mit seiner Familie vereint ist? Es ist offensichtlich, dass sie eine Angelis ist.“

Nik schmunzelte. Bis vor wenigen Augenblicken hätte er nicht geglaubt, jemals wieder einen Grund zum Lächeln zu haben.

Mrs. Myers trat einen Schritt zurück. „Nun, dann werde ich Sie jetzt mit Ihrer Nichte allein lassen. Wenn Sie mit ihr reden, wird sie das beruhigen, schließlich kennt sie Ihre Stimmen.“

Nik war da nicht so sicher. „Wohin gehen Sie?“

„Hinunter zu meiner Freundin.“

„Bitte bleiben Sie noch in der Klinik. Ich muss noch mit Ihnen sprechen.“

„Ich bin Kellies und Leandros’ Gast und muss mich nach deren Plänen richten.“

Nik handelte aus einem Impuls heraus, als er sagte: „Dann komme ich mit Ihnen. Ich muss unsere Eltern anrufen und ihnen die frohe Nachricht verkünden. Sie werden Ihnen auch danken wollen.“

Im Vorraum legten sie beide ihre Schutzkleidung ab. Auch wenn sie verheiratet war, Nik war ein Mann, der immer einen Blick für eine schöne Frau übrig hatte. Wie sie wohl ohne diese „Verkleidung“ aussah?

Sie war sehr schlank und trug etwas grün-weiß Gemustertes, das ihr sehr gut stand. Außerdem war sie zierlich gebaut, und ihr Gesicht war so schön wie ihre Augen strahlend. Mit einem Wort, sie raubte ihm den Atem.

„Und, wie fällt Ihr Urteil aus?“, fragte er belustigt, als er bemerkte, dass auch sie ihn musterte.

Sie wurde rot, doch sie wandte nicht den Blick ab. „Ich habe im Flugzeug Ihr Foto auf der Titelseite einer Zeitschrift gesehen.“ Diese Bemerkung ließ Nik kurz zusammenzucken. Er erwartete, dass sie etwas über seinen Ruf sagen würde. Aber sie schien nur an Demi zu denken.

„Wenn man Demi betrachtet, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass Ihre Schwester eine echte Schönheit gewesen sein muss.“

Nik holte seine Brieftasche heraus und zeigte Fran ein Foto. „Das wurde an Melinas dreißigstem Geburtstag vor zwei Monaten aufgenommen. Sie und Stavros hatten vier Jahre vergeblich auf ein Kind gewartet.“

Das muss ich Kellie erzählen, dachte Fran. Nicht jede Frau empfängt so schnell, wie sie es sich wünscht. Sie betrachtete das Foto. „Was für eine nette Familie. Ich finde, die Kleine sieht Ihrer Schwester sehr ähnlich.“

Nik hatte einen Kloß im Hals. „Ja. Sie wird durch Demi weiterleben. Wollen wir hinuntergehen?“

„Ich komme mit Ihnen“, sagte Dr. Xanthis, als sie auf den Flur hinaustraten. „Wir müssen Ihre Verwandtschaft mit dem Baby durch einen DNA-Test bestätigen.“

„Natürlich. Ich werde die Klinik in Athen bitten, Ihnen das Material zuzuschicken, damit Sie den Test machen können.“

„Sehr gut. Ich werde das Labor bitten, Ihren Fall vorzuziehen.“

Fran fragte sich, was für eine Verletzung oder Krankheit wohl so schwer gewesen war, dass Nik in einer Klinik gewesen und eine DNA-Probe abgegeben hatte. Aber das ging sie nichts an. Sie wünschte, dieser Mann würde sie nicht so nervös machen.

Sie hatte schon Leandros immer unverschämt sexy gefunden, aber Nikolos Angelis war eine Klasse für sich. Seine typisch griechischen Gesichtszüge waren zwar im Moment angespannt, doch er war zweifellos der attraktivste Mann, dem sie je begegnet war. Die Fotos in den Zeitschriften wurden ihm nicht wirklich gerecht.

Er hatte eine sehr männliche Ausstrahlung, er wirkte wie ein Mann, der sein Leben unter Kontrolle hatte – ein Mann, dem alles gelingen konnte. Natürlich war es lächerlich, was Kellie sich erhoffte – dass sie, Fran, während dieses Urlaubs einem Prinzen begegnen und sich in ihn verlieben würde –, aber sie musste zugeben, dieser Nik Angelis hatte etwas.

Jetzt, da sie direkt vor ihm stand, musste sie zu ihm hochblicken, er war wohl über eins achtzig groß. Sie war nicht überrascht, dass seine Anzughosen schmutzig waren und sein blaues Hemd bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt. Natürlich hatten die drei Brüder alles stehen und liegen gelassen, als sie von dem Tornado hörten und nach Thessaloniki flogen. Und keiner von ihnen hatte in der Nacht geschlafen.

Er hatte einen Dreitagebart, und sein schwarzes, leicht gewelltes Haar reichte bis zum Kragen. Es glänzte so seidig, dass sie sich beherrschen musste, um es nicht zu berühren. Bevor sich die Tür öffnete, riskierte Fran noch einmal einen verstohlenen Blick.

Niks Augen waren sehr dunkel, und er hatte ziemlich lange Wimpern, ganz wie Demi. Sein Gesicht war sehr ebenmäßig und markant. Und sein Mund … sie musste aufhören, ihn anzustarren. Noch nie hatte ein Mann einen solchen Eindruck auf sie gemacht.

Aber er hatte gerade den Verlust seiner Schwester und seines Schwagers zu verkraften. Fran schämte sich für ihre Gedanken. Als sich der Aufzug öffnete, ging sie schnell voraus. Doch als sie um die Ecke zum Wartezimmer gehen wollte, fasste Nik nach ihrem Ellenbogen. Sofort wurde ihr heiß.

„Bitte kommen Sie mit nach draußen, dort habe ich besseren Empfang zum Telefonieren. Meine Eltern werden sich bei Ihnen bedanken wollen.“

Sie gingen durch die Schiebetüren hinaus in die Nachmittagssonne. Es war schon viertel vor fünf. Fran lauschte, als Nik auf Griechisch mit seinen Eltern telefonierte. Sie empfand tiefes Mitgefühl mit dieser Familie.

Nach ein paar Minuten spürte sie Niks intensiven Blick. Er gab ihr das Handy. „Sie sprechen Englisch und möchten unbedingt alles aus erster Hand hören.“

Fran nahm das Handy und meldete sich.

„Wir sind überglücklich, dass Sie unsere kleine Demitra gefunden haben“, sagte Niks Mutter mit starkem griechischen Akzent. Mit tränenerstickter Stimme fuhr sie fort: „Unser Sohn sagt, Sie sind in der Klinik die ganze Zeit bei ihr geblieben.“

„Ja. Sie ist das süßeste Kind, das ich je gesehen habe. Ein kleiner Engel. Inzwischen ist sie wieder wach und es scheint alles mit ihr in Ordnung zu sein.“

„Ah … Auf diese Nachricht haben wir gewartet“, meldete Niks Vater sich zu Wort. „Und natürlich möchten wir Sie kennenlernen. Ich habe Nik gesagt, dass er Sie und die Petralias nach Mykonos mitnehmen soll, wenn Demitra entlassen wird. Nach dem Begräbnis werden Sie unser Gast sein, solange Sie wollen. Er sagt, Sie haben gerade mit Ihrem Urlaub begonnen. Bitte verbringen Sie ihn mit uns. Ein Wunder ist geschehen und das haben wir Ihnen zu verdanken.“

„Jemand anders hätte Demitra gefunden, wenn ich es nicht getan hätte, Mr. Angelis. Trotzdem vielen Dank, Sie sind sehr freundlich. Ich gebe Ihnen jetzt wieder Ihren Sohn.“ Sie gab Nik das Handy zurück. „Ich gehe in das Wartezimmer“, flüsterte sie.

„Bis gleich.“ Allein der Klang seiner Stimme löste ein Prickeln in ihr aus. Rasch ging sie zurück zum Eingang.

Kellie und Leandros saßen dort zusammen am Fenster. Man musste keine Gedanken lesen können, um zu merken, dass sie sich gestritten hatten. Sie wirkten beide sehr angespannt. Als sie Fran sahen, standen beide auf.

Kellie eilte auf sie zu, als ob sie froh wäre über die Unterbrechung. „Dr. Xanthis war gerade da. Das Baby wird morgen entlassen, sobald der DNA-Test gemacht ist. Ich habe gerade zu Leandros gesagt, dass wir beide dann ja weiter Urlaub machen könnten, während er nach Rhodos zurückfliegt.“

Offensichtlich wollte sie, dass Fran ihr zustimmte, ganz gleich, was Leandros dazu sagen würde. Er presste die Lippen zusammen. Fran fühlte sich unbehaglich.

„Mein Projektmanager wird mich hier vertreten. Ein Helikopter steht bereit, um uns drei zurück nach Athen zu bringen. Einer meiner Angestellten wird den Wagen zurückfahren.“

Kellie warf ihr blondes Haar zurück. „Aber das ist doch lächerlich, Leandros. Ich will dich nicht bei der Arbeit stören. Außerdem wollten Fran und ich uns noch einige Dinge ansehen, die wir noch nie gesehen haben.“

„Welche denn genau?“, fragte er ruhig. Fran hatte ihn noch nie so angespannt erlebt … so streng.

„Wir wollen wandern gehen, aber wir haben noch nichts Genaues geplant. Nach dem Abendessen hole ich die Landkarte und wir überlegen uns, wo wir als Nächstes hinfahren.“

Als Fran glaubte, die Anspannung, die in der Luft lag, nicht länger ertragen zu können, betrat Nik den Raum. Er warf ihr einen fragenden Blick zu. „Haben Sie ihnen von der Einladung meines Vaters erzählt?“

Die Freundinnen tauschten einen Blick aus. „Dazu bin ich noch gar nicht gekommen“, erwiderte Fran.

Bevor sie noch etwas sagen konnte, lud Nik sie alle noch einmal in aller Form ein, am folgenden Tag mit ihm nach Mykonos zu fliegen und ein paar Tage im Haus seiner Eltern zu verbringen. „Meine Familie besteht darauf.“

„Ich wollte euch sowieso einen persönlichen Besuch abstatten, Nik. Es wird uns eine Ehre sein“, erwiderte Leandros schnell. „Unter diesen Umständen fahre ich uns natürlich selbst zurück nach Athen, in Kellies Wagen. Morgen fliegen wir dann zu euch.“

Oh, oh. Das bedeutete viele gemeinsame Stunden für die beiden. Aber Fran kam zu dem Schluss, dass das gar nicht schlecht war. Kellie könnte beginnen, den Plan umzusetzen, über den sie in der Nacht gesprochen hatten.

„Sehr gut.“ Nik warf Fran einen Blick zu. „Sie sind also hier, um Urlaub zu machen, aber wenn es Ihnen nicht allzu viel ausmacht, hätten Sie etwas dagegen, mit mir über Nacht in der Klinik zu bleiben? Wir könnten uns an Demis Bettchen abwechseln, während meine Brüder sich um die Überführung der Särge von Melina und Stavros kümmern. Ich wäre sehr froh, wenn Sie dabei wären, wenn wir Demi im Helikopter zum Flughafen von Thessaloniki bringen. Von dort werden wir das Flugzeug nach Mykonos nehmen.“

Frans Herz raste. Noch eine Nacht bei dem Baby – genau das hatte sie sich gewünscht.

Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Wenn Sie meinen, dass das nötig ist, ich bin gerne behilflich.“ Sie blickte zu ihrer Freundin. Es war klar, dass Kellie jetzt nicht mit ihrem Mann allein sein wollte. Die Situation war nicht einfach. „Was meinst du, Kellie? Würde dir das passen?“

Fran wusste, Kellie steckte jetzt in der Klemme. Sie konnte Niks Bitte schlecht abschlagen, hatte der doch gerade einen schmerzlichen Verlust zu verkraften. Aber das bedeutete, dass sie noch früher mit Leandros allein wäre, als sie erwartet hatte. Gut, dass sie letzte Nacht einen Plan ausgearbeitet hatten.

„Natürlich. Wir sehen uns morgen, und dann geht es weiter mit dem Urlaub.“

Wenn Kellie und Leandros sich tatsächlich versöhnten, würde sie vielleicht gar kein Interesse mehr an einem gemeinsamen Urlaub haben. Genau darauf hoffte Fran. „Also dann, einverstanden.“

Leandros schien sich ein wenig zu entspannen. Bestimmt war er froh über die Gelegenheit, mit seiner Frau zu reden. „Fran? Ich hole deine Sachen aus dem Wagen.“

Nik schüttelte den Kopf. „Spar dir die Mühe, Leandros. Ich komme mit dir und packe alles in meinen Mietwagen.“ Er drehte sich zu Fran um. „Ich bin gleich wieder da.“

Als die beiden Männer hinausgingen, legte Fran den Arm um die Schultern ihrer Freundin. „Tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, dass Nik mich bitten würde zu bleiben. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, was ich sagen soll.“

„Keiner von uns hatte eine Wahl. Es wäre unhöflich gewesen, Nein zu sagen“, erwiderte Kellie.

„Wenn ich heute Nacht bei dem Baby bleibe, was wird dann aus dir?“

Kellie holte zitternd Luft. „Ich dachte, ich hätte jetzt zwei Wochen ohne Leandros, aber jetzt ist alles anders. Da kann man eben nichts machen. Wünsch mir Glück, wenn ich ihm vorschlage, was du dir ausgedacht hast.“

„Kellie, gestern Abend haben wir sehr viel über Karmela geredet, aber ich habe das Gefühl, da ist noch etwas, worüber du noch nicht gesprochen hast.“

Kellie senkte den Kopf. „Ich hatte Angst, es dir zu sagen. Vor zwei Tagen habe ich ihm gesagt, dass ich die Scheidung will.“

Fran war entsetzt. „Kein Wunder, dass er am Boden zerstört ist.“ War es tatsächlich schon so weit gekommen mit den beiden?

Kellies Lippen waren ganz schmal geworden. „Er meinte, ich wüsste wohl nicht, was ich da sage, und dann ist er aus dem Schlafzimmer gerannt. So wütend habe ich ihn noch nie gesehen. Wenn wir nach Athen zurückfahren, werde ich ihm sagen, was du vorgeschlagen hast. Ich werde ihm sagen, dass ich, nachdem ich nicht schwanger geworden bin, etwas anderes brauche, um mein Leben auszufüllen; dass ich mit ihm zusammenarbeiten möchte, in seinem Büro. Ich werde ihn daran erinnern, dass ich einmal Teilhaberin einer Werbeagentur war und durchaus qualifiziert bin.

Aber wenn er das ablehnt, dann fürchte ich, muss ich ihm sagen, was ich über das Tabuthema Karmela denke. Bis jetzt war ich sehr vorsichtig und habe nie etwas Negatives über sie gesagt, aber damit ist dann Schluss. Vielleicht fange ich auch jetzt gleich damit an.“

Fran wollte sie warnen, das Thema Karmela lieber nicht so schnell anzuschneiden, aber da kamen die beiden Männer schon zurück.

Leandros legte den Arm um die Schultern seiner Frau. „Es wird eine lange Fahrt. Wir müssen los.“

„Wir sehen uns morgen.“ Fran umarmte sie. „Sag ihm, du liebst ihn so sehr, dass du ihm auch bei der Arbeit nah sein willst“, flüsterte sie ihr zu. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das ablehnt.“

Kellie erwiderte nichts. Leandros nahm ihre Hand und sie verließen den Raum.

Fran spürte Niks Blick. „Wir sollten etwas essen gehen. Ich schlage vor, wir fahren zu dem Hotel, wo Sie übernachtet haben, und nehmen uns dort zwei Zimmer, damit wir duschen und etwas essen können. Danach wird es uns leichter fallen, die Nacht bei Demi zu verbringen.“

„Hört sich gut an.“

Nik Angelis führte sie hinaus zum Parkplatz und half ihr beim Einsteigen. Sein Blick war so intensiv, dass sie ganz nervös wurde. Dieser Mann, er sah einfach zu gut aus.

Körperliche Anziehung war eine starke Macht. Zum Glück hatte sie bei ihrem Exmann Rob ihre Lektion gelernt. Rob hatte verdammt gut ausgesehen, aber Fran wusste inzwischen, dass Attraktivität nicht ausreichte für eine gute Beziehung, ganz zu schweigen für eine Ehe.

Er hatte ihr zunächst versichert, Kinder adoptieren zu wollen, doch später hatte er es sich anders überlegt. Damit hatte er Fran sehr wehgetan. Sie hatte nicht nur die Hoffnung verloren, jemals Mutter zu werden, sie hatte auch die Fähigkeit verloren zu vertrauen.

3. KAPITEL

Nik hatte mit der Klinik in Athen telefoniert, geduscht und sich rasiert.

Nachdem sie gegessen hatten, fühlte er sich wieder fit und er hoffte, dass es Mrs. Myers ebenso ging. Fast hätte er sich vorhin verplappert und sie Fran genannt, doch ihm wurde klar, dass es besser war, wenn er an sie als Mrs. Myers dachte. So konnte er nicht vergessen, dass sie eine verheiratete Frau war.

Auf der Fahrt zur Klinik telefonierte er mit Sandro, der ihm sagte, der Arzt habe Demi in ein Einzelzimmer in der Kinderabteilung verlegt. Mundschutz und sterile Kittel wären ab sofort nicht mehr nötig, und sie dürften das Baby jetzt auch auf den Arm nehmen.

Fran reagierte erleichtert, als Nik ihr das sagte. „Nach allem, was sie durchgemacht hat, braucht sie unbedingt Körperkontakt.“

Das sah Nik genauso. Er parkte beim Seiteneingang der Klinik, von dort würden sie die Kinderstation schneller erreichen.

Schon während der Fahrt war ihm das blumig-frische Parfüm seiner Begleiterin in die Nase gestiegen. Als sie ausstiegen und das Gebäude betraten, gelang es ihm kaum, den Blick von ihr zu lösen. Sie hatte eine fantastische Figur und der bunte Sommerrock mit weißer Bluse und weißen Ledersandaletten stand ihr ausgezeichnet. Ihr Haar trug sie jetzt offen, mit Seitenscheitel. Es fiel ihr bis über die Schultern. Ob ihr bewusst war, wie aufregend weiblich sie wirkte?

Merkwürdig, dass sie ganz allein in Griechenland war. Na ja, amerikanische Frauen waren eben ziemlich selbstständig. Dass sie und Leandros’ Frau allein unterwegs waren, war also nicht weiter überraschend. Aber Frans Ehemann musste ein Narr sein, dass er seine attraktive Frau allein in ein fremdes Land reisen ließ.

Im Grunde schämte er sich ein bisschen dafür, dass er überhaupt solche Gedanken in Bezug auf Mrs. Myers und Kellie Petralia hatte. Wären die beiden Frauen nicht zusammen unterwegs gewesen, dann hätte Fran Myers niemals seine geliebte kleine Demi gefunden. Das an sich war schon ein Wunder, und dass sie sich anschließend so um das Baby gekümmert hatte, ein weiteres.

Einen Moment lang dachte er an Lena, die Frau, mit der er zuletzt ausgegangen war. Er fragte sich, was wohl geschehen wäre, wenn sie Demi gefunden hätte. Hätte sie auch alles stehen und liegen gelassen, um für das Baby da zu sein?

Er bezweifelte es, doch es war unfair, andere Frauen, die er gekannt hatte, mit Fran zu vergleichen. In dem Augenblick, da sie Demi entdeckt hatte, hatte sie eine besondere Verantwortung gegenüber dem Kind empfunden. Die ganze Situation war einzigartig, ließ sich mit nichts anderem vergleichen. Aber er musste aufhören, solchen Gedanken nachzuhängen. Fran war die Frau eines anderen. Das durfte er nicht vergessen, sonst geriet er noch in Schwierigkeiten.

Im Grunde war es schon passiert. Tief in seinem Inneren spürte er, dass sie die Frau war, der er genug vertrauen könnte, um ihr sein trauriges Geheimnis zu offenbaren. Warum sie? Und warum jetzt?

Bald hatte er Demis Zimmer gefunden. Als er mit Fran zusammen hineinging, lag Sandro schlafend in einem Sessel und ein völlig erschöpft wirkender Cosimo ging mit Demi auf dem Arm auf und ab. Sie schien sich gar nicht beruhigen zu können.

Sofort nahm Nik ihm die Kleine ab. Selbst jetzt konnte er es immer noch nicht fassen, dass sie überlebt hatte. Sie erkannte ihn zwar, doch sie lächelte nicht. Sie war nicht sie selbst. Ihre Welt war buchstäblich durcheinandergewirbelt worden.

„Ich bin es, Demi, dein Onkel Nikolos. Ich bin da.“ Er küsste ihre Stirn und ihre Wangen, vorsichtig, um nicht die Kratzer zu berühren, die bereits angefangen hatten zu heilen. „Wo ist mein kleiner Sonnenschein? Hmm?“ Aber sie beruhigte sich kein bisschen.

Fran trat zu ihm und streichelte Demis schwarze Locken. „Hi, Demi. Erinnerst du dich? Ich bin es, Fran.“

Das Baby drehte den Kopf und schaute sie an. Plötzlich begann sie, laut zu weinen, und streckte die Ärmchen nach Fran aus. Nick konnte nicht glauben, wie schnell sich eine Bindung zwischen den beiden aufgebaut hatte. Noch erstaunlicher war, wie schnell Demi sich beruhigte und ihr kleines Gesicht an Frans Hals schmiegte. So hatte er das auch immer bei Melina gesehen.