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SINNLICHE BEGEGNUNG IM PALAST von MAUREEN CHILD Am liebsten würde Securityboss J.T. Wainright seine aufsässige Ex am Palasttor mit Küssen zum Schweigen bringen! Denn die schöne Reporterin will unbedingt ins Schloss. Was er als royaler Bodyguard nicht zulassen darf. Aber typisch: Jade bekommt immer, was sie will. Ein Interview mit der Königin – und J.T.? DAS GEHEIMNIS DES THRONFOLGERS von ELIZABETH BEVARLY Im Auftrag der Krone sucht die junge Sara Wallington Bauleiter Shane Cordello auf. Könnte der verboten attraktive, bodenständige Amerikaner wirklich der heimliche Thronfolger von Penwyck sein? Und warum fühlt sie sich ausgerechnet zu ihm so erotisch hingezogen wie zu keinem anderen je zuvor? DER PRINZ UND DIE SCHÖNE LÜGNERIN von BARBARA MCCAULEY „Wer bin ich?“ Besorgt betrachtet Prinz Dylan die zarte Frau im Krankenhausbett, die offenbar ihr Gedächtnis verloren hat. Er ist schuld an ihrem Unfall, also kümmert er sich um sie – und verfällt restlos ihrem Charme. Der Prinz ahnt nicht: Die Schöne ist eine raffinierte Spionin!
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Seitenzahl: 578
Maureen Child, Elizabeth Bevarly, Barbara McCauley
JULIA PRÄSENTIERT CROWN & GLORY BAND 3
IMPRESSUM
JULIA PRÄSENTIERT CROWN & GLORY erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© Deutsche Erstausgabe 2024 in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT CROWN & GLORY, Band 3
© 2002 by HARLEQUIN ENTERPRISES ULC Originaltitel: „The Royal Treatment“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SILHOUETTE DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Julia Lambrecht
© 2002 by HARLEQUIN ENTERPRISES ULC Originaltitel: „Taming the Prince“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SILHOUETTE DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Julia Lambrecht
© 2002 by HARLEQUIN ENTERPRISES ULC Originaltitel: „Royally Pregnant“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SILHOUETTE DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Julia Lambrecht
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751525428
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Jeremy Thomas Wainwright schaute auf seine Armbanduhr, hob den Kopf und ließ den Blick über den Palast schweifen. Das dreistöckige Gebäude sah aus wie ein Ort aus dem Märchen. In der kühlen, klaren Novemberluft schien der graue Kalkstein zu flimmern. Die Nachmittagssonne ließ die glänzenden Sprossenfenster blinken. Er hatte das Gefühl, das Klirren von Schwertern und Fanfarenstöße eines Ritterturniers vergangener Zeiten hören zu können, wenn er ein bisschen genauer lauschte.
Schon immer hatte er sich diesem Ort und seiner Geschichte verbunden gefühlt. Seit mehr als zweihundert Jahren lebten die Wainwrights auf Penwyck, beschützten die Königsfamilie und bewachten den Palast. Jeder einzelne von ihnen hatte tapfer und stolz dem Königshaus gedient, und J.T. bildete da keine Ausnahme.
Der Wind, der vom Meer her wehte, war kühl. J.T. war dankbar für den dicken blauen Pullover, den er trug. Die Bäume im Hof und außerhalb der Palastmauern trugen noch einen Rest von Herbstlaub. Rote, goldene und gelbe Blätter raschelten im Wind, lösten sich von den Zweigen und landeten als Farbtupfer im Palasthof.
Aber J.T. war nicht hier, um sich vom Anblick des Palastes fesseln zu lassen. Stattdessen blieb er aufmerksam und hielt nach Anzeichen möglichen Ärgers Ausschau. Ein kurzer Rundblick zeigte nichts Auffälliges: Alles war, wie es sein sollte. Die Wachen des königlichen Sicherheitsdienstes patrouillierten, die Gewehre über die Schulter geschlungen. Die Tore des Eisenzauns, der den Palast schon seit Jahrhunderten umgab, waren verschlossen und wirkten unüberwindlich. Gerade verließen die letzten Touristen den öffentlichen Teil des Palastes, in dem eine Führung stattgefunden hatte.
Gut. J.T. konnte sich nie ganz entspannen, bis alle Besucher weg waren. Dabei wusste er, wie wichtig es für die Bürger Penwycks – und die internationalen Touristen – war, den Palast besichtigen zu können. Zumindest die Räume, die der Öffentlichkeit zugänglich waren.
Sicherheitstechnisch waren solche Touren allerdings ein Albtraum. Es konnte einfach zu viel schiefgehen. Wenn auch nur ein Besucher es schaffte, eine Waffe am Checkpoint vorbeizuschmuggeln, konnte sich in der Folge ein Geiseldrama abspielen. Und dann die Möglichkeit, dass ein verirrter Tourist sich verlief und es bis in den privaten Palastflügel schaffte. Ganz zu schweigen von der Angewohnheit der Königin, gelegentlich unangekündigt bei solchen Führungen aufzutauchen …
J.T. schüttelte den Kopf. Er behielt die Besuchermenge im Auge, die durch das Tor strömte, und wandte den Blick nicht ab, bis es wieder geschlossen war. Erst danach stand er auf und gönnte sich zum Dienstschluss einen Becher Kaffee.
Er nahm einen Schluck von der starken, schwarzen Flüssigkeit und ließ sich von innen wärmen. Stimmen drangen vom Tor zu ihm. Das war erst mal kein Grund zur Besorgnis. Seine Leute würden damit fertigwerden. Sie hatten alle eine militärische Ausbildung und gehörten zur Elite ihres Landes. Er selbst hatte sie für den Dienst im Palast mit ausgebildet. Es war ihre Pflicht, das Königspaar und seine Familie zu beschützen, und es gab keinen unter ihnen, dem Jeremy nicht zutraute, im Notfall sein Leben für sie zu geben.
Aber etwas an diesem speziellen Austausch machte ihn hellhörig. Er stellte die Tasse auf dem Schreibtisch ab, trat aus dem Pförtnerhäuschen und lauschte auf die erhobenen Stimmen.
Verdammt, hätte der Ärger nicht fünf Minuten warten können?
Er stellte sicher, dass seine Pistole griffbereit war, aber unter dem Pullover in ihrem Holster verborgen blieb, und machte sich auf den Weg zum Tor.
Die Frau hörte er zuerst. Das war nicht weiter verwunderlich, da sie sich keine Mühe gab, leise zu sprechen.
Doch dann erkannte er die Stimme und blieb wie angewurzelt stehen.
Es war ein Schock – so wie jedes Mal, wenn er von ihr träumte.
Jade Erickson.
Seine Ex-Freundin.
Seine Ex-Frau.
Eine Nervensäge.
Noch war es nicht zu spät. Er konnte in sein Auto steigen und das Drama der nächsten Schicht überlassen. Sein Arbeitstag war vorbei. Sollte sich doch Lieutenant Gimble darum kümmern. J.T. schnaubte verächtlich. Das wäre so, als würde er ein Kind mit einer Wasserpistole bewaffnet gegen einen Panzer in die Schlacht schicken. Das konnte er Gimble nicht antun.
Penwyck war einfach zu klein, das war das Problem. Es hatte Nachteile, in einem winzigen Inselstaat zu leben. Drei Jahre lang war es ihm gelungen, eine direkte Begegnung mit der Frau zu vermeiden, der er einst geschworen hatte, sie zu lieben und zu ehren bis ans Ende seiner Tage. Aber er sah sie trotzdem dauernd. Immer wenn er die Nachrichten einschaltete. Jade Erickson war PEN-TVs neuer Liebling.
Früher war sie sein Liebling gewesen. Aber die Tage, sagte er sich, waren schon lange vorbei.
Und da stand sie, live und in Farbe. Eins fünfundsechzig groß, mit reichlich Kurven. Kurven, an die er sich nur zu gut erinnerte …
Der kalte Wind trieb ihr das schulterlange, rotbraune Haar ins Gesicht. J.T. wusste noch genau, wie es sich anfühlte, wenn die seidige Fülle über seine Haut strich. Es juckte ihn in den Fingern, es erneut zu berühren. Und er erinnerte sich, wie rauchig und weich ihre meergrünen Augen wirkten, wenn sie miteinander schliefen, wie betäubt vor Lust.
Dieselben Augen, die jetzt zornig verengt waren und Blitze auf den Lieutenant schossen.
Jade war dünner, als er sie in Erinnerung hatte. Sie trug einen schwarzen Hosenanzug, der sich eng an ihren Körper schmiegte, eine weiße Bluse und eine Diamant-Anstecknadel. Als sie zusammen gewesen waren, hatte sie keine Diamanten getragen. Jeremy hatte sich keine leisten können. Stattdessen hatte er ihr einen kleinen Aquamarin in der Farbe ihrer Augen gekauft. In einem goldenen Verlobungsring.
Aber den trug sie nicht mehr.
Ihre schlanken Finger waren um die Eisenstäbe des Tors geschlungen, und sie rüttelte heftig daran. Ihm entwich ein leises Lachen. So sehr hatte sie sich also nicht verändert. Offenbar war sie immer noch so launisch und temperamentvoll wie früher.
Sie war ein Hingucker, und J.T. war Manns genug, das einzugestehen. Allerdings stellte sie im Moment ein Problem dar, das er lösen musste. In Gedanken arbeitete er schon an einer Strategie, sie loszuwerden.
Er fing Lieutenant Gimbles Blick auf und nickte ihm zu. „Ich kümmere mich darum.“
„Ja, Sir.“ Hastig – und dankbar – suchte der Lieutenant das Weite.
J.T. wandte sich zu Jade um, und einen Moment lang stockte ihm der Atem. Als er in ihre meergrünen Augen blickte, war es wie ein Schlag in die Magengrube. Verflucht. Wieso hatte sie immer noch diesen Effekt auf ihn?
Er musste sich zwingen zu sprechen. „Jade.“
„J.T.“
Nur seine Familie nannte ihn so, für alle anderen war er Jeremy. Es tat gut, die vertraute Anrede von ihren Lippen zu hören, und wenn es noch so kühl klang.
Sie räusperte sich. J.T. fragte sich, ob sie das gleiche Gefühl eines Déjà-vus hatte wie er. Dann entschied er, dass er es lieber nicht wissen wollte.
„Was machst du hier, Jade?“
„Du weißt, wieso ich hier bin.“
Ja, das tat er.
„Wenn es um das Interview geht, verschwendest du deine Zeit. Und noch schlimmer: meine.“
„Ach, hör auf, J.T.!“ Sie rüttelte noch einmal am Gitter. „Du solltest mir lieber helfen.“
„Warum sollte ich das tun?“
„Um der alten Zeiten willen?“
J.T. schaute an ihr vorbei zu dem mageren, älteren Mann, der ein Stück hinter ihr stand und eine Kamera auf einer knochigen Schulter trug. Er senkte die Stimme und sah ihr wieder ins Gesicht.
„Um der alten Zeiten willen? Willst du mich veralbern?“
Jade stieß den Atem aus, und der Luftzug ließ die Haarsträhne flattern, die ihr in die Stirn hing.
„Schon gut.“ Sie ließ das Tor los und starrte ihn böse an. „Keine alten Zeiten. Aber du könntest zumindest höflich sein.“
„Alle waren höflich zu dir“, erinnerte er sie. „Die ersten drei Male, als du um dieses Interview gebeten hast.“
Er wusste von ihren Anfragen. Sie waren bei den internen Briefings zur Sprache gekommen.
„Ich dachte, wenn ich persönlich herkäme, könnte ich vielleicht mit jemandem sprechen und der Palast würde seine Meinung ändern.“
„Falsch gedacht.“
„Der König ist krank, J.T., und die Königin …“
„Die Königin kümmert sich um ihren Ehemann und möchte keine Interviews geben.“
„Sie muss irgendetwas sagen!“
„Das hat sie schon, als die Meldung ganz frisch war, und sie wird es wieder tun, wenn sie es für richtig hält.“
„Ich versuche nur, meinen Job zu machen.“
„Das tue ich auch.“
„Die Bürger haben ein Recht, es zu erfahren.“
„Die Bürger haben ein Recht, über Staatsangelegenheiten informiert zu werden. Das Privatleben der Königsfamilie geht sie nichts an.“
„Der König ist krank!“, wiederholte sie.
„Und er wird medizinisch versorgt.“
„Von wem?“
„Weißt du, wenn du auch nur mit einem Bruchteil dieser Entschlossenheit an unserer Ehe festgehalten hättest …“
Sie errötete.
Gut zu wissen, dass sie das noch konnte.
Ihr Kameramann kam näher. Ein kleines rotes Licht blinkte an seinem Gerät.
J.T. hob eine Hand und deutete auf ihn.
„Machen Sie das bitte aus“, forderte er.
„Tu es, Harry“, sagte Jade, ohne den Mann auch nur anzusehen.
Der Kameramann gehorchte und entfernte sich ein paar Schritte.
Als sie wieder allein waren, strich sie sich das Haar aus der Stirn und schaute zu J.T. auf.
„Ich will nur fünf Minuten mit ihr.“
„Die Königin ist beschäftigt. Sie kümmert sich um ihre Familie. Für sie hat das nämlich Priorität, weißt du?“
Jade verzog das Gesicht. „Das war unter der Gürtellinie.“
„Vielleicht“, gab J.T. zu. Es wäre wahrscheinlich besser, keinen alten Groll zu schüren. Was sollte das auch bringen? „Aber ich lasse dich trotzdem nicht durch dieses Tor.“
„In dieser Sache ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“
„Ich weiß.“
„Es ist mir wichtig.“
„Ich kann dir nicht helfen.“ Das machte ihn nicht so glücklich, wie er gedacht hatte.
Verdammt. Sie ging ihm immer noch unter die Haut. Allein ihr so nahe zu sein und den Blumenduft ihres Parfüms einzuatmen, reichte, um die letzten Jahre auszulöschen und ihn in die kleine Wohnung zurückzuversetzen, in der sie zusammen gelebt hatten.
Damals, als sie gedacht hatten, sie hätten eine Zukunft.
Als sie jung und naiv gewesen waren.
Als sie beide geglaubt hatten, Liebe wäre genug.
Jades Blick wanderte an ihm vorbei, schweifte zu den Palasttüren und den Gärten. Dann sah sie ihn wieder an, und er konnte erkennen, wie sich die kleinen Rädchen in ihrem Kopf drehten. Sie war noch lange nicht bereit, aufzugeben, das war ihm klar. Eine sturere Frau als sie hatte er noch nie getroffen.
Seltsamerweise war das eins der Dinge gewesen, die ihm am besten an ihr gefallen hatten.
„Das bedeutet also Krieg?“, fragte sie.
J.T. kannte diesen Tonfall. Immer wenn Jade Angst hatte oder sich in die Ecke gedrängt fühlte, gab sie sich steif und hochmütig.
„Wenn du das unbedingt willst …“
Er unterdrückte ein Lächeln, als er zusah, wie sie gegen den Drang ankämpfte, ihrem Ärger Luft zu machen. Doch es gelang ihr, sich zu beherrschen, das musste er anerkennen. Früher war es ihr nicht immer geglückt, ihr Temperament im Zaum zu halten. Er hatte immer noch die Narbe auf seiner Stirn von damals, als sie mit einem Teller nach ihm geworfen hatte. Und das in ihren Flitterwochen!
Aber neben der Narbe hatte er auch die Erinnerung an die langen, leidenschaftlichen Stunden ihrer Versöhnung. Und die waren es wert gewesen.
Sie holte tief Luft. „Du musst jemand anderen hier am Tor postieren. Dein kleiner Soldat ist ein Schwachkopf.“
Er hob eine Augenbraue – und verbannte die Erinnerung an ihre Leidenschaft wieder in den Hintergrund, wo sie hingehörte.
„Ist er das?“
„Er wollte mich einfach nicht reinlassen!“, fauchte sie. „Außerdem hat er auf meine Fragen überhaupt nicht geantwortet!“
„Ich würde sagen, damit hat er seine Intelligenz unter Beweis gestellt.“
Sie seufzte und stemmte beide Hände in die einladend geschwungenen Hüften.
J.T. lachte leise, überkreuzte die Arme vor der Brust und stellte sich ein wenig breitbeiniger hin.
„Du kannst genauso gut gehen, Jade. Du kommst nicht rein.“
„Weißt du …“ Sie musterte ihn hochmütig von oben bis unten. „… du solltest wirklich an deiner Kommunikation arbeiten, J.T. Das war noch nie deine Stärke.“
„Oh, und das kommt ausgerechnet von dir! Deiner ‚Unterhaltung‘ mit Lieutenant Gimble nach zu urteilen, bist du nicht in der Position, andere Leute darüber zu belehren, wie man Freundschaften schließt.“
Sie sog scharf die Luft ein.
„Okay, ja, es tut mir leid“, entschuldigte sie sich dann. „Ich habe schon lange nicht mehr so die Beherrschung verloren.“
Er berührte die Narbe über seiner Augenbraue. „Schade eigentlich. Wut steht dir bekanntlich sehr gut.“
Sie warf ihm einen warnenden Blick aus verengten Augen zu, aber die Tore zwischen ihnen waren stabil genug, um einen Panzer aufzuhalten. Sie würden ihn auch vor einer einzelnen wütenden Reporterin schützen. Selbst vor Jade Erickson.
„Mit meiner Art, zu kommunizieren, ist alles in Ordnung“, versicherte er ihr. „Es ist mein Umgang mit aufdringlichen Pressevertretern, der dir zu missfallen scheint. Und wenn das der Fall ist, mache ich meine Arbeit richtig.“
„Charmant wie immer, wie ich sehe.“
„Früher hast du mich sehr charmant gefunden.“
„Früher habe ich auch an den Weihnachtsmann geglaubt. Doch dann bin ich erwachsen geworden.“
Es fiel Jade schwer, die Frustration und den Ärger zu beherrschen, die in ihr köchelten. Von allen Männern auf dieser Insel musste es ausgerechnet ihr Ex-Ehemann sein, der zwischen ihr und ihrem Ziel stand.
Sie sah hoch in J.T.s harte braune Augen, die ihr keinen Funken Hoffnung machten. Stattdessen weckten sie eine süße, verführerische Begierde in ihr. Schon in dem Moment, als sich ihre Blicke das erste Mal getroffen hatten, hatte sie es gefühlt. Eine Welle des Verlangens, so stark, dass sie darin fast unterging. Und sie war sich sicher, dass er es auch spürte.
Es war, als hätte es die letzten drei Jahre nie gegeben. Drei lange Jahre, in denen sie ihn nicht gesehen, seine Stimme nicht gehört, ihn nicht berührt hatte.
Ein Blick von ihm, und sie war startklar. Wie eine Rakete.
„Jade?“ Harry, ihr Kameramann. Sie schaute zu ihm. „Ich gehe zurück zum Van.“
Jade nickte. In J.T.s Gesicht zeigte sich der Hauch eines zufriedenen Lächelns.
Nachdem Harry gegangen war, widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Muskelberg, der zwischen ihr und ihrem Schicksal stand. Sie hatte es auf die nette und auf die herrschsüchtige Weise versucht, doch nichts hatte funktioniert.
„Hör mal.“ Sie versuchte, versöhnlich und freundlich zu klingen. „Wir können doch bestimmt irgendeinen Kompromiss schließen.“
Um seine Mundwinkel zuckte es, allerdings so kurz, dass sie sich nicht sicher sein konnte, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte. Dennoch klammerte sie sich an den Funken Hoffnung und sprach auf dieselbe sanfte Weise weiter.
„Wir sind doch erwachsene Menschen. Und Profis. Es gibt bestimmt einen Weg, eine Einigung zu erzielen.“
J.T. schnaubte und nahm seine verschränkten Arme herunter. Dadurch gewährte er ihr einen Blick auf seinen breiten Oberkörper, der die weibliche Fantasie beflügelte.
„Du bist wirklich unnachahmlich.“ Sein Blick wanderte über ihren ganzen Körper, schnell und dabei so gründlich, dass es sich fast wie eine Berührung anfühlte.
Jade musste dem Drang widerstehen, unruhig das Gewicht zu verlagern. Die Hitze, die in ihr aufstieg, machte sie ein wenig benommen, aber sie blieb gerade stehen. Sie hatte sich nicht durch Einschüchterung abschrecken lassen; und die Erregung, die seine Nähe in ihr weckte, würde sie auch nicht dazu bewegen, zu gehen.
„Danke.“
„Das war kein Kompliment.“
Sie holte scharf Luft und ballte die Hände zu Fäusten, grub die manikürten Fingernägel in ihre Handflächen.
„Jade“, fuhr er fort, bevor ihr eine passende Antwort einfiel, „man hat es dir schon mehrfach gesagt: Du kommst nicht in den Palast. Warum tust du uns beiden nicht den Gefallen und gehst?“
„Ich versuche nur, meinen Job zu machen“, wiederholte sie.
„Ich auch.“
„Schön.“ Sie konnte großzügig sein. Gemeinsamkeiten herausarbeiten. „Das verstehe ich.“
„Weißt du“, sagte er und kniff skeptisch die Augen zusammen, „das glaube ich nicht.“
„Dein Job ist es, die Königsfamilie zu beschützen. Aber ich bin keine Bedrohung.“
„Gewalt ist nicht die einzige Gefahr.“
Jades Ärger wuchs. Ihr Puls stieg in die Höhe.
„Ich möchte einfach nur ein Interview mit meiner Königin.“
„Und meine Königin hat kein Interesse“, erwiderte er.
„Sie kann sich nicht für immer verstecken.“
„Sie ist die Königin. Sie kann tun und lassen, was sie will.“
„Wir leben nicht mehr im Mittelalter.“ Ihre hilflose Wut angesichts seiner Sturheit, an der es einfach kein Vorbei gab, raubte ihr die Beherrschung. „Wir sind keine hörigen Kleinbauern mehr, die sich abends auf dem Dorfplatz ums Lagerfeuer versammeln.“
„Schade eigentlich. Wie ich mich entsinne, siehst du im Feuerschein sehr hübsch aus.“ J.T. winkte Lieutenant Gimble zurück. „Es war schön, dich wiederzusehen, Jade.“
„Es ist noch nicht vorbei, J.T.“
„Doch, das ist es.“ Noch einmal ließ er den Blick über sie wandern. „Du hast immer noch fantastische Beine, Babe.“
„Du kannst mich nicht einfach hier stehen lassen wie …“
Sie brach ab. Es brachte nichts zu streiten, wenn der Mann, dem man liebend gern den Hals umgedreht hätte, einem einfach den Rücken kehrte, ohne dass man ihn davon abhalten konnte.
Wenn nur dieser Zaun nicht gewesen wäre!
Der junge Lieutenant warf ihr einen misstrauischen Blick zu und hielt einen Sicherheitsabstand.
Jade starrte J.T. hinterher. Wenn Blicke töten könnten …
J.T. verschwand durch die doppelflügelige Tür in den Palast.
Angewidert gab sie dem Drang nach, einmal kräftig gegen das Eisentor zu treten, doch das bewirkte nur, dass sie sich fast den Fuß brach.
Sie humpelte zurück zu dem Van, der auf dem Seitenstreifen auf sie wartete. Na toll. Fünf Minuten mit J.T., und all ihre Professionalität war in einem Meer von Hormonen und hitzigem Temperament untergegangen.
Manchmal bedeutete die Vorsilbe „Ex“ nicht das, was sie sollte.
Jade betrat ihr Apartment, warf ihre Handtasche und die Schlüssel auf den Schrank im Flur und knallte die Tür hinter sich zu. Mit routinierten Handgriffen schloss sie beide Schlösser ab und legte die Kette vor. Den neuen Riegel vorzuschieben, ging noch nicht ganz so fix.
Reg dich ab, sagte sie zu sich selbst. Sie streifte ihre Schuhe ab, schob sie beiseite und humpelte auf Strümpfen durch den Raum. Die Zehen taten ihr weh.
„Was für ein Mist“, schimpfte sie. „Warum ausgerechnet J.T.?“
Der königliche Sicherheitsdienst hatte Dutzende Mitarbeiter, und sie musste sich ausgerechnet mit ihrem Ex herumschlagen.
Der dicke malvenfarbene Teppich tat ihren Füßen gut. Durch ihr aufgeräumtes Wohnzimmer ging sie zu der gläsernen Schiebetür, die auf den Balkon führte. Sie schloss sie auf und trat hinaus.
Ein Windstoß ließ sie erzittern, aber die Kälte war willkommen. Sie musste sich innerlich ein bisschen abkühlen. Die Chancen, dass ihr das gelang, standen allerdings schlecht. Ob es ihr nun gefiel oder nicht, J.T. konnte mit nur einem Blick Gefühle in ihr wecken, die andere Männer selbst mit der sinnlichsten Berührung nicht in ihr wachriefen.
Jade seufzte und rieb sich mit den Fingerspitzen die Augen, als könnte sie damit die Erinnerung an J.T.s durchdringenden Blick beiseitewischen. Ihn wiederzusehen hätte nicht so schmerzlich sein sollen. Immerhin waren seither drei Jahre vergangen. Drei lange, arbeitsreiche, einsame Jahre. Das war doch eigentlich mehr als genug Zeit, um über ihn hinwegzukommen. Doch nichts an ihrer Beziehung mit J.T. war jemals einfach gewesen.
Jade schloss die Augen und sah sein Gesicht vor sich. Die schokoladenbraunen Augen, die alle Geheimnisse des Universums in ihren Tiefen zu bergen schienen. Das dunkle, weiche Haar. Die markanten Züge.
Sie atmete lange und ein bisschen zittrig aus. Das Haar wehte ihr ins Gesicht. Sie strich sich mit den Händen die langen Strähnen zurück, hielt ihr Gesicht in den Wind und atmete die Meeresluft ein, lauschte den Wellen und den Möwen.
Allmählich verlangsamte sich ihr Herzschlag, und ihr Magen entkrampfte sich. Die feuchte Herbstluft war genau das, was sie brauchte. Sie half immer, zumindest gegen ihr hitziges Temperament. Die Erregung, die immer noch in ihr köchelte, war etwas anderes.
Meistens konnte Jade hier draußen, vom Wind liebkost, ihre Sorgen vergessen. Der große, private Balkon mit Blick auf das Meer war der Grund, warum sie diese Wohnung gemietet hatte. Aber natürlich war J.T. das eine Problem, das sich nicht abschütteln ließ.
Sie stützte die Unterarme auf das Geländer und schaute auf die Welt zu ihren Füßen. Obwohl ihr Apartment nur im dritten Stock lag, war der Ausblick fantastisch. Es war, als könnte sie die ganze Welt sehen, alles schien voller Möglichkeiten zu sein. Und in dieser Höhe war sie sicher vor …
Denk nicht daran.
Aber es war längst zu spät. Natürlich dachte sie daran. Die Herausforderungen, denen sie sich auf der Arbeit gegenübersah, reichten nicht. Oder das Wiedersehen mit J.T. Nein, im Hintergrund lauerte immer die Beunruhigung wegen der Briefe, die sie bekam. Der Briefe, die sie so sehr ängstigten, dass sie an der Tür einen zusätzlichen Riegel angebracht hatte.
Der letzte Brief hatte sie auf der Arbeit erreicht, und sie hatte sich den Inhalt bereits eingeprägt.
Meine wunderschöne Jade. Bald werden wir zusammen sein. Bald wird die Welt wissen, was ich weiß: dass wir zusammengehören.
Bald, meine Geliebte, bald.
Bei der Polizei hatte man ihr versichert, dass sie nicht in akuter Gefahr sei. In den meisten Fällen, sagten sie, seien es nur besonders enthusiastische Fans, denen in Wirklichkeit der Mut fehlte, den Prominenten direkt anzusprechen. Aber das half Jade nicht, sich besser zu fühlen. Der Gedanke, einen Stalker zu haben, war unheimlich und beunruhigend.
Sie schlang die Arme um sich und lehnte sich gegen das Steingeländer, zwang sich dazu, nicht länger über etwas nachzudenken, das sich ihrer Kontrolle entzog. Stattdessen widmete sie sich ihrem eigentlichen Problem.
Wie konnte sie sich Zugang zum Palast verschaffen?
Irgendwie musste es ihr gelingen, an ihrem Ex-Mann vorbeizukommen. Das war eine Herausforderung.
Der Gedanke an J.T. ließ ihren Puls sofort wieder in die Höhe schnellen. Und dafür war nicht nur der Ärger verantwortlich. Das Leben wäre viel einfacher, wenn es so wäre.
Während der König im Koma lag, wollte die Öffentlichkeit wissen, dass sich jemand um das Land und seine Interessen kümmerte. Und es war Jades Job, darüber zu berichten. Zumindest, wenn sie als Journalistin je ernst genommen werden wollte. Wenn sie ihrem Vater jemals beweisen wollte, dass …
Nein, hier ging es nicht um ihren Vater oder all den Ballast, den sie mit sich herumschleppte. Es ging um ihre Ziele. Ihre Pläne. Ihre Zukunft.
Das hatte J.T. nie begriffen.
Und jetzt stand er einmal mehr zwischen ihr und ihrem Vorhaben, dieser Fels von einem Mann. Es hatte sich nichts geändert. Vor drei Jahren hatte er ihr auch schon im Weg gestanden. Er hatte eine traditionelle Ehe gewollt. Eine Frau, die jeden Abend um sechs das Essen auf den Tisch zauberte und nur für ihn und ihre gemeinsamen Kinder da war.
Daran war zwar nicht zwangsläufig etwas Falsches, aber Jade wollte mehr. Sie hatte immer mehr gewollt. Und als er es einfach nicht in seinen dicken, chauvinistischen Schädel bekommen hatte, dass ihre Karriere genauso wichtig war wie seine, hatte sie ihn verlassen.
Nur leider hatte sie damit auch ihr Herz hinter sich zurückgelassen.
Im Rückblick konnte sie erkennen, dass sie hätte bleiben sollen, um an einer Lösung zu arbeiten. Zumindest hätte sie es versuchen sollen. Aber sie war so viel jünger gewesen, voller Feuer und Ungeduld, und J.T. war auch nicht besser gewesen.
Jade seufzte und stellte sich der Realität: Sie hatte ihn verlassen, um Karriere zu machen. Aber jetzt, da sie kurz vor einem echten Durchbruch stand, machte es sie nicht glücklich, obwohl sie es so verzweifelt gewollt hatte. Vielleicht würde sich das ändern, wenn sie endlich die Chance bekam, ein Interview mit der Königin zu führen. Doch im Moment fühlte sich Jade, als hätte sie einen schlechten Tausch gemacht, als sie ihre Ehe für ihren beruflichen Ehrgeiz aufgegeben hatte.
J.T. wiederzusehen hatte wehgetan. Immer noch spürte sie den Schock des ersten Blickkontakts. Es hatte sich angefühlt, als hätte sie etwas wiedergefunden, von dem sie nicht gewusst hatte, dass sie es verloren hatte.
Selbstmitleid, sagte sie sich, wandte sich ab und ging wieder hinein. Sie ließ die Glastür offen, und die weißen Vorhänge blähten sich im Wind wie ein Segel. Aber ebenso wie sie selbst waren sie in Wirklichkeit fest verankert und gelangten nirgendwo hin.
Es klopfte an ihrer Wohnungstür, und sie zuckte zusammen. Als sie zur Tür ging, hatte sie ein Flattern im Magen. Aber jede Unterbrechung war besser, als weiter über J.T. nachzudenken – und über das, was sie verloren hatten. Die Hand auf der Türklinke hielt sie inne.
Die Tage, in denen sie ihre Tür einfach unbeschwert aufgerissen hatte, waren vorüber.
Sie schaute durch den Spion und atmete erleichtert auf, als sie ihren Pförtner erkannte.
„Charles?“
Er trat zurück, lächelte und hielt einen Umschlag hoch.
„Ein Paket für Sie. Vom Sender. Ich stelle es vor die Tür.“
„Danke.“ Schnell entriegelte und öffnete sie, doch Charles war schon wieder auf dem Rückweg zum Fahrstuhl.
Jade nahm den Umschlag, ging wieder hinein und schloss ab. Dem Gewicht und Format nach zu urteilen, schien sich eine DVD darin zu befinden. Beim Auspacken bestätigte sich ihre Vermutung. Allerdings war die DVD unbeschriftet, und es lag keine Nachricht bei. Jade ging direkt zu ihrem DVD-Player und legte sie ein.
Ein Bild vom Palast erschien auf dem Bildschirm, und sie erzitterte. Plötzlich überkam sie eine düstere Vorahnung, und die Härchen an ihrem Unterarm richteten sich auf.
Man hörte nur Verkehrsrauschen, Vogelgesang und den Wind. Der unsichtbare Kameramann zoomte näher heran, und auf einmal sah Jade sich selbst zusammen mit Harry vor den Palasttoren stehen. Die Aufnahme zeigte, wie sie mit dem Lieutenant sprach und dann an dem Eisentor rüttelte. Sie sah ihre Auseinandersetzung mit J.T., zu verblüfft, um auf Stopp zu drücken. Der Kameramann behielt sie im Fokus – ihr Haar, ihr Gesicht. Bis nur noch sie zu sehen war, abgeschnitten von J.T. und dem Rest der Welt.
Nur sie.
Allein für ihn.
Die Kamera glitt von ihrem Kopf abwärts und wieder aufwärts. Jade konnte die Besessenheit ihres Stalkers in dieser Aufnahme sehen, sie spüren, als wäre sie mit Händen greifbar. Und dann rückte die Kamera noch näher, verweilte auf ihren Augen, ihrem Mund. Sie konnte die heftigen Atemzüge des Kameramanns hören, während er sie filmte, und bekam kaum noch Luft.
Als sie sich vom Palasttor abwandte, endete auch die Aufnahme. Der leere Bildschirm riss sie endgültig aus ihrer Lähmung. Mit zitternden Fingern drückte sie auf Stopp und ließ die Fernbedienung fallen, als wäre sie giftig.
Das Schweigen rings um sie herum war ohrenbetäubend. Die Vorhänge, die sich leise im Wind bewegten, machten ihr bewusst, dass die Balkontür offen stand. Sie eilte durch den Raum. Um auf ihren Balkon zu gelangen, hätte ihr Stalker Spiderman sein müssen, aber Jade fühlte sich besser, als die Glastür geschlossen war.
Verängstigt drehte sie den Schlüssel herum, wandte der Balkontür den Rücken zu und sah sich um. Zum ersten Mal sah sie nicht die gemütlichen und hübschen Möbel, den weichen Teppich. Sie sah nur, dass jemand irgendwie in ihre Zuflucht eingedrungen war, ein Unbekannter, der gerade sehr viel gefährlicher geworden war.
Und sie wollte J.T. anrufen. Der Impuls war so stark, dass ihr das Herz wehtat.
Für J.T.s Geschmack passierte im Palast gerade zu viel, was sich seiner Kontrolle entzog.
Er saß seinem Vorgesetzten gegenüber, Franklin Vancor, und ließ die Gedanken schweifen, während der General telefonierte. Vancor war in den Fünfzigern, wirkte aber so fit wie ein halb so alter Mann. Zweifellos kam das von seinen langen Dienstjahren beim Militär. Für Vancor waren die Pflicht und der Dienst an seinem Land genauso wichtig wie für J.T. Das sorgte für gegenseitiges Verständnis.
Die Morgensonne fiel durch die Fenster in das Büro des Sicherheitsdienstes im Erdgeschoss des Palastes. Die holzvertäfelten Wände waren frisch poliert und glänzten. Gerahmte Zertifikate und königliche Verlautbarungen hingen an den Wänden, und die Glasscheiben funkelten im Sonnenlicht. An einer Seite standen Bücherregale mit Hunderten in Leder gebundenen und oft gelesenen Bänden und Erinnerungsstücken, die frühere Kommandeure dort hinterlassen hatten.
Die Palastwache war für die Sicherheit der königlichen Familie verantwortlich. Alle Wachen, auch J.T., stammten aus verschiedenen Abteilungen des Militärs und waren in den Palast abgeordnet worden. Jeder Mann hier gehörte zu den Besten der Besten.
Nebenan lag das offizielle Büro des Königs. Auch ohne dass man es ihm mitgeteilt hatte, wusste J.T., dass Sir Selwyn dort war und sich um Staatsangelegenheiten kümmerte. Der Privatsekretär war ein schlanker, stets eleganter Mann, der sich dem König zutiefst verpflichtet fühlte. Selwyn war auch Mitglied des RET, des Royal Elite Team, der engsten Berater des Königs, die in dessen Abwesenheit versuchten, Prinz Broderick im Zaum zu halten, den Mann, der so gern König sein wollte.
Aber Morgan selbst hatte verfügt, dass sein Zwillingsbruder im Fall seiner Handlungsunfähigkeit seine Stelle einnehmen sollte, und als er unvermittelt ins Koma gefallen war, war Broderick aus seinem freiwilligen Exil auf der Nachbarinsel Majorco nach Penwyck zurückgekehrt. Zwar hatte das RET dafür gesorgt, dass seine Befugnisse begrenzt blieben, aber da die Königin nur wenig Interesse an den Regierungsgeschäften zeigte, hatte Broderick sich in den letzten Monaten immer mehr ins Rampenlicht gedrängt.
J.T. konnte nicht verstehen, wie sich eineiige Zwillinge so wenig ähneln konnten. Morgan war ein gerechter, pflichtbewusster Staatsmann mit einem ausgeprägten Sinn für Anstand. Broderick hingegen konnte man nicht über den Weg trauen. Aber da es nun einmal J.T.s Aufgabe war, die Königsfamilie zu beschützen, musste er seine Meinung für sich behalten und seinen Job erledigen.
Als General Vancor aufgelegt hatte, lehnte er sich in seinem schwarzen Ledersessel zurück. Er musterte J.T.
„Was habe ich da von Ihnen und dieser Reporterin gehört? Irgendetwas von einem Streit am Palasttor, in aller Öffentlichkeit?“
Es hätte ihn nicht überraschen sollen. Vancor wusste fast alles, was im Palast vor sich ging. In seiner Position war das auch richtig so.
„Es war kein richtiger Streit.“ J.T. legte den rechten Fuß auf das linke Knie. „Sie wollte unbedingt durch das Tor. Ich wollte sie nicht durchlassen und habe mich durchgesetzt.“
Vancor hob die buschigen grauen Augenbrauen. „Davon habe ich gehört. Aber die Sache ist die, wir können es uns im Moment nicht leisten, die Presse zu verärgern.“
„Sie zu verärgern?“ J.T. wollte leise lachen, aber er wusste, dass Vancor kein Verständnis dafür hätte. „Sie soll froh sein, dass niemand auf sie geschossen hat. Gimble verdient eine Medaille dafür, dass er sich ihre Tirade so lange angehört hat.“
Vancor seufzte und schüttelte den Kopf. „Ms. Erickson ist aktuell sehr beliebt.“
J.T. verlagerte unbehaglich das Gewicht. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, welche Richtung das Gespräch nahm.
„Die Königin schaut jeden Tag ihre Sendung Land und Leute.“
„Ja“, sagte J.T. gedehnt. „Echter Investigativ-Journalismus. Worum ging es noch in dem letzten Beitrag? Katzen auf dem Palastgelände?“
„Das spielt keine Rolle“, entgegnete Vancor. „Worum es geht, ist, dass Ihre Ex-Frau sich einen Namen macht.“
„Das ist mir bewusst.“ Es gab nur eine Handvoll Leute auf der gesamten Insel, die wussten, dass er und Jade verheiratet gewesen waren. Sie hatten sich scheiden lassen, bevor sie einen Job vor der Kamera bekommen hatte. Vancor wusste es nur wegen des Sicherheitschecks, den J.T. hatte durchlaufen müssen, bevor sie ihn befördert hatten. Aber dies war das erste Mal in zwei Jahren, dass der General es erwähnte.
Ein ganz dummer Verdacht beschlich ihn. Er richtete sich gerade auf.
„Sie wollen doch nicht etwa vorschlagen, sie tatsächlich für ein Interview mit der Königin in den Palast zu lassen, oder?“
„Nein.“ Vancor legte die Fingerspitzen aneinander. „Jedenfalls noch nicht. Aber bald. Wir können es nicht viel länger aufschieben. Das RET schlägt vor, dass wir Ms. Erickson erst mal eine persönliche Führung geben.“ Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht reicht das schon, damit sie zufrieden ist.“
J.T. bezweifelte das. „Bestimmt nicht. Sie will ein Interview und wird nicht lockerlassen, bis sie es bekommt.“
„Kein Interview. Noch nicht.“
In seinem Tonfall lag etwas, was J.T. aufhorchen ließ.
„Gibt es etwas Neues vom König?“
Vancor musterte ihn eine Weile. Offiziell hatte J.T. nicht die nötige Sicherheitsstufe, aber er wusste, dass Vancor ihn für vertrauenswürdig hielt. Und in diesem Büro, hinter verschlossenen Türen, konnten sie offen miteinander reden, ohne dass sie Angst haben mussten, belauscht zu werden.
Schließlich nickte Vancor. „Die Ärzte beobachten Anzeichen für eine Besserung seines Zustands. Möglicherweise erwacht er bald aus dem Koma.“
„Das sind gute Neuigkeiten.“ Es waren fantastische Neuigkeiten. J.T. hatte sich enorme Sorgen um den König gemacht – wie alle anderen auch. „Heißt das, Prinz Brod…“
„Nein.“ Vancor erhob sich. „Der Bruder des Königs wird weiterhin hierbleiben.“ Er ging auf und ab und schien sehr sorgfältig zu überdenken, was er sagen wollte. „Und um ehrlich zu sein, je leichter wir es der Königin machen, desto besser. Ihre Majestät hat genügend Probleme, und Broderick kann ihr zumindest ein paar repräsentative Pflichten abnehmen.“
J.T. nickte und wartete darauf, dass Vancor fortfuhr.
„Das RET und der Nachrichtendienst tun, was sie können, aber die Sicherheit im Palast ist unsere Sache.“
Darin stimmt J.T. ihm zu. Und ein gewisses Kompetenzgerangel gab es auch in einer Monarchie wie Penwyck.
„Ich verstehe“, sagte er. Allerdings war er sich nicht ganz sicher, worauf Vancor hinauswollte.
Vancor lachte und blieb stehen. „Das denke ich nicht, sonst wären Sie nicht so gelassen.“
„Was geht hier vor sich, General?“
„Sie sollen Ihre Ex-Frau ablenken.“
„Das steht nicht in meiner Stellenbeschreibung.“ Es kostete ihn Mühe, seinen Ärger herunterzuschlucken.
„Sie kennen sie am besten. Sie wissen, wie man sie beschäftigt und glücklich macht.“
Wenn er das gewusst hätte, dachte J.T., wären sie noch verheiratet. Es war eine schlechte Idee. Eine wirklich schlechte. Und es bereitete ihm keinerlei Probleme, das offen zu sagen.
„Es wird nicht funktionieren. Jade ist nicht gerade mein größter Fan.“
„Verschaffen Sie uns nur ein paar Tage Zeit.“
„Und dann?“
„Bekommt sie ihr Interview, und Sie müssen sich nie wieder mit ihr abgeben.“
Das wären gute Neuigkeiten. Allerdings hatte J.T. an nichts anderes als an sie gedacht, seit er sie gestern am Tor gesehen hatte. Er konnte sie nicht aus dem Kopf bekommen, nicht aus seinen Träumen verbannen. Selbst wenn er einatmete, meinte er, ihren Geruch wahrzunehmen.
Jetzt, da er sie nach drei langen, einsamen Jahren wiedergesehen hatte, hatte er es gar nicht eilig damit, sie wieder loszuwerden. Und das überraschte ihn selbst wahrscheinlich mehr, als es sie überraschen würde.
Vancor hielt seinen Blick fest. „Ich brauche Ihre Unterstützung, Wainwright. Der König braucht sie.“
J.T. schaute ihn an. In Vancors Augen lag etwas, was den Ernst der Situation verdeutlichte. Sie standen alle unter enormem Druck, seit der König so plötzlich erkrankt war.
Jade ablenken.
Aus rein männlicher Sicht war das keine unangenehme Aufgabe. Aber es stand so viel zwischen ihnen. So viel Schmerz und Verletztheit und Elend. Bevor damals alles schiefgelaufen war, hatte eine Verbindung zwischen ihnen bestanden, stärker und tiefer als alles, was er davor oder danach erlebt hatte. Allerdings weckte ihr Widerspruchsgeist selbst in dem geduldigsten Mann den Drang, sie zu erwürgen.
Allein die Erinnerung daran, wie sie am Tor gestanden, daran gerüttelt und böse zu ihm aufgesehen hatte, hätte ihn fast zum Lächeln gebracht. Einem Mann mit seiner Körpergröße passierte es selten, dass sich jemand gänzlich unbeeindruckt von ihm zeigte. Aber Jade hatte sich nie einschüchtern lassen, und das bewunderte er an ihr.
Es würde nicht leicht werden, sie zu manipulieren. Und wenn Vancor glaubte, ein Spaziergang durch die Palastgärten würde sie von ihrem Ziel abbringen, dann irrte er sich leider.
Andererseits … wenn ein paar Tage Aufschub tatsächlich alles waren, was der Palast brauchte, konnte J.T. das vielleicht bewerkstelligen. Vielleicht würde Jade so beschäftigt sein, dass sie nicht bemerkte, wie wenig sie in Wirklichkeit zu sehen bekam. Und wenn er genug Zeit in ihrer Gegenwart verbrachte, würden seine Gefühle für sie sich vielleicht endgültig verflüchtigen. Vielleicht war es für sie beide die Chance, endlich mit der Vergangenheit abzuschließen. Zu begreifen, dass nichts mehr zwischen ihnen war.
Und vielleicht war er ein Masochist.
Jedenfalls wäre es eine Abwechslung zu seinen üblichen Pflichten hier im Palast.
Er schaute Vancor an. „Ein paar Tage?“
Der General nickte. „Höchstens.“
„Ich werde mein Bestes tun.“
„Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann.“
Ein paar Minuten später verließ er das Büro und ging wieder zurück zu dem Pförtnerhaus, das auf halbem Weg zwischen dem Palast und dem Tor lag. Die Herbstsonne strahlte von einem klaren Himmel herab, und er sagte sich, dass er das schöne Wetter genießen sollte, solange es anhielt. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass es demnächst stürmisch werden würde.
Am nächsten Morgen saß J.T. in der morgendlichen Besprechungsrunde, in Gedanken mehrere Meilen weit weg. Fünf, um geografisch genau zu sein. Er stellte sich Jade in einem eleganten Büro vor, wie sie einer Horde Assistenten Anweisungen erteilte. Wie sie sich, während alle wie ein Haufen aufgeschreckter Hühner davonstoben, in ihrem bequemen Stuhl zurücklehnte, eine Tasse Tee trank und überlegte, wie sie sein Leben ruinieren konnte. Und das alles mit einem Lächeln auf den verführerischen Lippen.
Rings herum saßen die anderen Mitglieder des Sicherheitsdienstes und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Was J.T. anging, hatten sie den einfacheren Job. Den Palast abzusichern, war eine Routineaufgabe. Er dagegen würde sich mit einer Frau herumschlagen müssen, die ihm immer schon hart zugesetzt hatte.
Er umklammerte den Stift in seiner rechten Hand. Ausschließlich, um sich selbst zu foltern, hatte J.T. den Tag begonnen, indem er ihre allmorgendliche Sendung auf PEN-TV geschaut hatte. Journalismus vom Feinsten, dachte er spöttisch und zwang sich, den Stift lockerer zu halten. Jade Erickson hatte in die Kamera geblickt, gestrahlt und eine uralte Geschichte über die alten Schmugglerhöhlen an der Küste erzählt. Anschließend hatte sie sogar ernsthaft berichtet, viele Leute vor Ort glaubten, die Geister lange toter Piraten würden immer noch in den feuchten Löchern in den Klippen herumspuken.
Seine Belustigung schwand rasch, als er daran denken musste, dass sie ihn für die Gelegenheit, in eine Kamera zu lächeln, verlassen hatte.
Er wollte nicht darüber nachdenken, wie hübsch sie ausgesehen hatte, dort auf den Klippen im Wind, während das Meer hinter ihr rauschte. Wie ihr rotbraunes Haar ihr ins Gesicht geweht war, wie ihre meergrünen Augen direkt in seine geblickt hatten.
Er schob die Gedanken von sich. Zwecklos, jetzt an Jade zu denken.
Vor allem, weil er sie ohnehin bald wiedersehen würde.
Nach einer schlaflosen Nacht war Jade nicht in der Stimmung, noch einmal gegen verschlossene Türen zu rennen. Sie hatte lange und ausgiebig darüber nachgedacht, zu Hause, beim Auf- und Abgehen, ihren Golfschläger, das Mittel der Wahl zur Selbstverteidigung, in der Hand.
Schon seit Wochen bekam sie diese Briefe, doch erst in letzter Zeit waren sie unheimlich geworden. Das Video war definitiv eine neue Eskalationsstufe. Aber sie durfte nicht zulassen, dass dieser Stalker, wer auch immer er war, ihre Arbeit beeinträchtigte. Wenn sie sich in irgendeinem Loch verkroch, hatte er gewonnen. Außerdem gab es keine Garantie, dass es helfen würde. Vielleicht war es sogar sicherer, sich möglichst viel in der Öffentlichkeit zu zeigen. Es würde schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sein, sie während der Arbeit zu entführen.
Nein, sie würde ihr Leben weiterleben, als ob nichts wäre. Sie würde dem Stalker keine Macht über sie geben. Dafür hatte sie zu lange für ihre Karriere, ihre Träume gekämpft. Sie hatte den Mann aufgegeben, den sie liebte. Und diese Entscheidung würde nicht umsonst gewesen sein.
Am Morgen war sie gar nicht erst in den Sender gefahren, zumal ohnehin einer ihrer bereits aufgezeichneten Berichte auf dem Programm stand. Stattdessen hatte sie angerufen und Harry und den Van zu ihrem Apartment bestellt. Sie konnte sich J.T. genauso gut gleich stellen.
„Alles in Ordnung?“, fragte Harry, während er in die von Bäumen gesäumte Hauptstraße einbog, die zum Palast führte.
„Fantastisch“, behauptete sie und zog den Saum ihres hellbraunen Rocks über die Knie.
„Du siehst nicht so aus.“
„Na toll, danke, Harry.“ Jade grinste ihn an. Sie arbeiteten seit zwei Jahren zusammen, und er war im Sender ihr bester Freund. „Du bist so ein Charmeur.“
Er murmelte etwas Unverständliches, dann holte er tief Atem. „Ich finde nur, dass du müde wirkst.“
So viel dazu, dass Make-up Wunder wirkte. Sie klappte die Sonnenblende herunter und schaute sich im Spiegel an. Er hatte recht. Seufzend klappte sie die Blende wieder hoch.
„Ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen.“
„Schon wieder ein Brief?“ Seine Stimme verriet Beunruhigung.
„Nein“, sagte sie schnell. „Kein neuer Brief.“
Sie hatte sich schon entschieden, ihm nichts von der DVD zu erzählen. Weder die Polizei noch ihre Redaktion hatten sich wegen der Briefe sonderlich alarmiert gezeigt, Harry schon. Aber sie wollte ihn nicht beunruhigen. Sie hatte die DVD bei sich und würde sie heute Nachmittag persönlich zur Polizei bringen.
Außerdem war der Stalker nur einer der Gründe, weshalb sie Probleme mit dem Einschlafen gehabt hatte. J.T. war der andere. Erinnerungen an ihn, seine Berührungen …
„Das ist gut.“ Harry scherte aus, um ein Auto zu überholen, das am Straßenrand hielt. „Und warum sind wir schon so früh unterwegs zum Palast? Das hätte doch auch warten können.“
„Vielleicht“, räumte sie ein und unterdrückte ein Gähnen. „Aber warum warten? Wenn ich ihn frühmorgens erwische, ist er vielleicht weniger auf Zack.“
„Wainwright?“ Harry hielt, um eine Gruppe Schulkinder über den Zebrastreifen gehen zu lassen. Er warf ihr einen Seitenblick zu. „Ich glaube nicht, dass du so einen Mann jemals überrumpeln könntest.“
„Wenn du nur wüsstest“, murmelte sie und schaute geradeaus auf die Straße. „Nichts ist unmöglich.“
„Ja“, murmelte er. „Man kann vom Blitz getroffen oder von einem Auto überfahren werden …“
„Haargenau.“ Sie lachte.
Harry schüttelte den Kopf. Er suchte sich einen Parkplatz und stellte den Motor aus.
„Wenn sie dich im Palast nicht wollen, wirst du nicht reinkommen, Jade. Da kannst du noch so charmant sein.“
Sie starrte durch die Windschutzscheibe auf das Palasttor, das etwa dreißig Meter vor ihnen lag. Die uniformierten Wachen standen davor, und durch das Eisentor sah sie weitere Patrouillen. Die Männer wirkten nicht sehr freundlich, und das war auch nicht ihre Aufgabe.
Doch dies war immerhin ihr Land. Als Einwohnerin von Penwyck hatte sie jedes Recht der Welt, den Palast zu betreten. Und sie konnte auch jederzeit eine Besichtigungstour buchen.
Bei diesem Gedanken ging ihr auf einmal ein Licht auf. Wenn sie das tat, konnte sie sich rein zufällig „verirren“. Und wenn sie dann versehentlich in den Privatflügel geriet, würde man ihr sicher nicht gleich den Prozess machen, oder? Es war ja nicht so, als ob sie jemanden enthaupten würden. Was hatte sie also zu verlieren?
„Oh“, sagte Harry leise. „Dieser Blick gefällt mir ganz und gar nicht.“
„Ich schaffe es heute in den Palast“, versicherte sie ihm. „Offiziell oder nicht.“
„Und wenn sie uns verhaften?“
Jade schaute ihn an, dann streckte sie die Hand aus und tätschelte seinen Unterarm.
„Dann bitten wir darum, dass sie uns in benachbarte Zellen stecken.“
„Sehr tröstlich, vielen Dank.“
„Entspann dich, Harry.“ Jade lächelte. „Wann habe ich uns je ernsthaft in die Bredouille gebracht?“
„Schauen wir mal …“ Harry hob die Hand und zählte an den Fingern ab. „Das eine Mal, als du unbedingt einen Insiderbericht über die Marine schreiben wolltest und wir als blinde Passagiere an Bord dieses Flugzeugträgers mitgefahren sind …“
Sie winkte ab. „Man hat uns ja fast sofort gefunden.“
„Dann das Mal, als du aus einem Heißluftballon berichten wolltest und versehentlich an der Schnur gezogen hast, die die Luft ablässt. Wir …“
„… haben eine sichere Landung hingelegt“, sagte sie schnell.
Es war ein toller Bericht gewesen. Sie hatte sich in den letzten Jahren einiges einfallen lassen, um Beachtung zu finden, sich von den anderen hübschen Gesichtern abzugrenzen.
Er runzelte die Stirn. „Dann war da das eine Mal, als …“
„Schon gut!“ Sie hob die Hände. Es hatte seine Nachteile, immer mit dem gleichen Kameramann zu arbeiten – jedenfalls, wenn er ein so gutes Gedächtnis hatte wie Harry. „Okay, ich gebe zu, es gab ein paar unglückliche Zwischenfälle.“
„Unglückliche Zwischenfälle?“
„Wir haben überlebt.“
„Es heißt, Gott beschützt die Betrunkenen und die Narren.“
Sie lächelte schief. „Da ich nicht trinke, weiß ich, zu welcher Kategorie du mich zählst.“
„Tja, Jade. Allerdings sage ich nach einem Drehtag mit dir manchmal nicht Nein zu einem Drink.“
„Aber wir haben immer eine gute Story daraus gemacht, oder?“
„Das stimmt.“
„Und jetzt haben wir die Chance auf einen Knüller.“
Er umklammerte das Lenkrad fester. „Warum machst du so eine große Sache daraus, Jade? Warum unbedingt jetzt ein Interview? Wenn es dem König wieder besser geht, ist die Königin bestimmt eher bereit, mit der Presse zu sprechen.“
„Genau das ist der Grund, Harry.“ Jade rutschte hin und her. „Wenn ich jetzt ein Interview bekomme, während es sonst niemand kann, ist das die Chance, auf die ich seit drei Jahren hingearbeitet habe.“ Die Chance, für die ich meine Ehe aufgegeben habe, ergänzte sie in Gedenken, doch es gelang ihr, das nicht laut auszusprechen. „Meine Chance, dem Sender zu zeigen, dass ich mehr als Unterhaltung kann.“
Sie hatte über Stars und Sternchen berichtet. Über vermisste Hunde und heldenhafte Feuerwehrleute. Während sie Paraden, Volksfeste und die Eröffnungsfeier eines Supermarkts begleitet hatte, hatte sie sich die ganze Zeit gesagt, dass sie irgendwann den Durchbruch schaffen würde, irgendwann ihren Traumberuf haben würde.
Wenn nicht, dann hätte sie versagt und J.T. umsonst verlassen.
Und das war etwas, womit sie nicht leben könnte.
Schnell schnallte sie sich ab, öffnete die Tür und stieg aus. Nachdem sie die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, beugte sie sich noch einmal durch das offene Fenster.
„Erster Zwischenstopp ist das Tor. Also hol die Kamera. Wenn wir an J.T. – ich meine Jeremy Wainwright – vorbeikommen, umso besser.“ Sie trommelte mit den Fingern gegen die Tür. „Wenn nicht, melde ich mich heute für eine offizielle Tour an.“
„Eine Tour? Ich habe ein mieses Gefühl bei der Sache.“
Sie richtete sich auf, strich ihre hellbraune Wildlederjacke glatt, schüttelte ihr Haar zurück und schenkte ihm ein Lächeln. „Ignoriere es. Ich sehe dich gleich am Tor.“
„Ich bin gleich bei dir“, sagte er, obwohl es ihn offensichtlich nicht glücklich machte.
Jade nickte. Ihre Absätze klapperten laut auf dem mit Blättern bedeckten Gehweg, als sie sich auf den Weg zum Palast machte.
Harry schaute ihr einen Moment hinterher, dann schüttelte er den Kopf und stieg aus, um seine Kamera auszupacken. Sie würde sich nicht aufhalten lassen, das wusste er. Ihm blieb nur, die Kamera auf sie gerichtet zu halten.
Jade sah fantastisch aus. Besser als in seinen Träumen, dabei hätte J.T. wetten mögen, dass das unmöglich war.
Er sah sie näher kommen. Es überraschte ihn nicht, dass sie heute schon so früh am Morgen hier auftauchte. Diese Frau war so dickköpfig wie ein Elefant. Eine Eigenschaft, die er zu schätzen wusste und die er ebenfalls hatte. Er hatte schon gestern gewusst, dass sie wiederkommen würde. Sie hatte nie so leicht aufgegeben – außer als es um ihre Ehe gegangen war.
Was für eine Naturgewalt sie war! Ihr Körper konnte einen Heiligen in Versuchung führen. Ihr Haar flatterte im Wind. Er hatte nie verstanden, wie Frauen es in hohen Schuhen aushielten, so unbequem, wie die Dinger aussahen. Aber als Mann war er dankbar für das Opfer, das sie erbrachten.
Sein Blick wanderte über ihre Beine. Als ihr Rocksaum ihm die Sicht nahm, hob er den Blick und sah ihr ins Gesicht. Selbst aus der Ferne erkannte er das entschlossene Funkeln in ihren meergrünen Augen.
Sie war nicht die Einzige, die einen Job zu erledigen hatte, sagte er sich, als er auf das Tor zuging. Seine Ex-Frau abzulenken, mochte auf dem Papier keine Aufgabe sein, die seinen besonderen beruflichen Qualifikationen als Sicherheitsoffizier entsprach, aber er hatte bisher noch nie die Anweisungen seiner Vorgesetzten infrage gestellt. Er würde tun, was Vancor von ihm erwartete. Niemand musste wissen, dass er sich fast auf die Konfrontation mit Jade freute.
J.T. winkte den Soldaten, der gerade Wache hielt, beiseite und blieb selbst vor dem Tor stehen, um auf sie zu warten. Es dauerte nicht lange, bis sie auf der anderen Seite vor ihm stand. Ihr Blick wanderte über das verzierte Tor und verweilte kurz auf dem Schloss, bevor sie ihn ansah.
„Guten Morgen, J.T.“
Er nickte. „Jade.“
Sie deutete auf das Tor. „Anscheinend ist es immer noch eine Pattsituation.“
„Ganz im Gegenteil“, sagte er und sah einen Funken Neugier in ihren Augen aufleuchten.
„Wirklich? Denn ich stehe immer noch auf der falschen Seite.“
„Wir stehen auf gegenüberliegenden Seiten. Das scheint bei uns unausweichlich zu sein.“
„J.T. …“
„Aber heute zumindest lässt sich das korrigieren.“
Das Misstrauen in ihren Augen verschaffte ihm eine gewisse Befriedigung. Ein paar wenige Handgriffe, und das Tor war offen. Er öffnete es einen Spaltweit, damit sie hindurchschlüpfen konnte, aber sie tat es nicht. Stattdessen schaute sie von ihm zu dem Spalt und wieder zurück.
„Was passiert hier gerade?“
Er legte den Kopf in den Nacken, und sein Gesicht nahm einen verletzten Ausdruck an.
„Also wirklich, Jade, vertraust du mir etwa nicht?“
„Sagte die Spinne zur Fliege.“
J.T. lachte. Gott, er hatte sie vermisst. Er vermisste alles an ihr. Das Streiten, die Liebe, das Lachen. Es war so schwer gewesen, an einen Punkt zu gelangen, an dem er nicht ständig an sie dachte. Jetzt war er hier und lief Gefahr, das alles noch einmal von vorn durchzumachen.
Er konnte es kaum abwarten.
„Jade, Schatz, du verletzt mich.“ Er schlug sich mit der Hand auf die Brust.
Sie hob eine ihrer zarten rotbraunen Augenbrauen. „Nicht ohne einen Flammenwerfer, würde ich sagen.“
Er lachte wieder, ohne dem Soldaten, der neben ihm stand, Beachtung zu schenken. Durch das Tor trat er auf den Bürgersteig und blieb vor Jade stehen. Er war ihr so nahe, dass er das Gefühl hatte, die Hitze zu spüren, die von ihr ausging. Ihr Parfüm stieg ihm in die Nase. Ein flüchtiger, süßer Blumenduft, der ihn ganz schwach machte.
J.T. schaute auf, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung sah. Der hagere ältere Mann, der sie gestern schon begleitet hatte, kam den Weg entlanggehastet, seine Kamera im Arm wie ein kostbares Baby.
Jade folgte seinem Blick. „Das ist mein Kameramann, Harry. Du hast ihn gestern schon gesehen.“
„Ja, habe ich.“ Allerdings gefiel ihm die Aussicht, dass der Mann ihnen den ganzen Tag mit der Kamera hinterherlaufen würde, ganz und gar nicht. Er schaute zu Jade. „Hör zu, man hat mir gesagt, dass ich dich in den Palast lassen und dir eine Tour durch die privaten Gärten geben darf. Ich kann dich ein bisschen herumführen. Aber ohne Kamera.“
Sie schaute zu ihm auf. Er genoss es, größer zu sein als andere. Es war auch nützlich, wenn er seine Autorität geltend machen musste.
Nicht, dass Jade sich je davon hätte beeindrucken lassen.
„Wie bitte? Eine Tour durch die Gärten?“, wiederholte sie. „Was ist mit einem Interview mit Ihrer Majestät? J.T., ich habe letzten Monat erst über die Palastgärten berichtet. Es interessiert die Leute nicht, ob jetzt noch ein paar verspätete Rosen blühen.“
„Das ist alles, was du bekommst.“
„Ich brau… ich will einen Artikel mit Nachrichtenwert, J.T. Und wenn ich ihn nicht bekomme, schickt der Sender höchstens einen anderen Reporter.“
„Ist das eine Drohung?“
„Es ist ein Versprechen.“ Mit zusammengebissenen Zähnen sagte sie: „Wahrscheinlich Vince Battle.“
„Den Barrakuda?“ Das würde dem Palast gar nicht gefallen. Vince „Barrakuda“ Battle machte aus jedem Interview eine Schlagzeile. Er grub und grub, bis er das letzte bisschen Dreck gefunden hatte. Und was er nicht fand, dachte er sich aus.
„Genau der.“
„Na, toll.“
„Siehst du, wir sind uns einig. Es wäre besser, wenn ich es mache.“
„Leider können wir beide nicht darüber entscheiden.“
Sie klappte den Kragen ihrer Jacke zurück und stemmte die Hände in die Hüften. Es war offensichtlich, dass sie versuchte, sich zu beherrschen, und J.T. bewunderte sie dafür. Aber er sah das Funkeln in ihren Augen und wusste, seine alte Jade war noch da.
Kurz verweilte sein Blick auf dem einladenden Schwung ihrer Hüften, dann wanderte er aufwärts zu den nicht weniger einladenden Rundungen ihrer Brüste unter der pfirsichfarbenen Seidenbluse.
Er strich sich mit einer Hand über die Stirn, um sich selbst aus dem Zustand betäubter Lust zu wecken, und sah ihr in die Augen.
„Okay. Ich kann dir nichts versprechen, aber wenn du vielleicht noch ein paar Tage Geduld hast …“
„Geduld.“ Sie sprach das Wort aus, als sei es ihrem Wesen völlig fremd.
Was stimmte, wie er nur zu genau wusste.
„Lass dich darauf ein, Jade. Ein besseres Angebot kann ich dir nicht machen.“
Sie wollte nicht geduldig sein. Er sah es in ihren Augen, in denen es blitzte wie bei einem Sturm auf hoher See.
„J.T.“, sagte sie schließlich, „ist es ein echtes Angebot, oder haben sie dir nur gesagt, du sollst mich wie ein Pony im Kreis herumführen?“
Harry trat hinter sie, aber Jade drehte sich nicht zu ihm um. Sie konnte ihren Blick nicht von J.T. abwenden, früher ihr Mann, jetzt Wachhund des Königs. Sie wollte ihm vertrauen.
„Führungen durch den Palast können … interessant sein.“ Seine Stimme lockte mit mehr als einer Führung.
Ihr war heiß, und sie wollte sich Luft zufächeln. Aber vielleicht deutete sie nur zu viel in seine Körpersprache und seine Stimme hinein. War sie die Einzige, die sich an ihre gemeinsame Vergangenheit erinnerte, an glücklichere Zeiten? Dachte er überhaupt manchmal an ihre kurze, aber wunderbare Zeit zusammen?
„Also, haben wir einen Deal?“, fragte er in ihre Gedanken hinein.
„Einen Deal?“, echote Harry. „Was für einen Deal?“
Jade schaute ihn nicht an. „Keine Kamera?“
„Keine Kamera?“ Harry klang entrüstet. „Das hier ist Fernsehen, nicht Radio!“
„Das ist die Bedingung“, sagte J.T. „Die privaten Teile des Palastes bleiben privat. Also, was sagst du?“
Jade schaute nicht zu Harry. Sie wusste, was er sagen würde. Seine Kamera war für ihn wie ein Körperteil, und er erwartete, dass sie ihn mitnahm. Zu Recht: Sie waren ein Team. Andererseits, wäre es nicht klüger, die Gelegenheit zu nutzen?
Sie schaute in J.T.s braune Augen, und er schaute in ihre. Sie spürte wieder diese unerwartete Verbindung zu ihm und war sich nicht sicher, was sie tun sollte.
Lange hatte sie sich gefragt, wie es wäre, den Mann wiederzusehen, den sie so verzweifelt geliebt hatte. Und jetzt, da es passierte, wollte ein Teil von ihr davonlaufen und sich verstecken. Aber sie war schon vor drei Jahren weggelaufen, und das hatte ihr keinen Frieden gebracht. Diesmal würde sie sich behaupten – und J.T. nicht wissen lassen, dass sie in seiner Gegenwart immer noch weiche Knie bekam.
Wenn ihre Hormone nur nicht verrücktspielen würden, wann immer sie in seiner Nähe war … Aber das war anscheinend ein unrealistischer Wunsch.
Okay, sie würde sich auf sein Angebot einlassen. Eine große Wahl hatte sie ohnehin nicht. Wenn J.T. sie führte, würde sie zumindest etwas mehr sehen als den öffentlichen Teil des Palastes und musste keine fünf Pfund ausgeben. Vielleicht bot sich trotzdem die Gelegenheit, sich heimlich davonzustehlen.
Sie streckte J.T. ihre rechte Hand hin. „Deal.“
Er nahm ihre Hand, und die Berührung ließ Hitze in ihr aufsteigen. Ihr ganzer Körper füllte sich mit Wärme.
Sein Blick verriet ihr, dass die Berührung auf ihn genau denselben Effekt hatte.
Als Jade die Hand zurückzog, fühlte es sich an wie ein unwiederbringlicher Verlust. Aber ein Teil der Wärme, die er seit drei Jahren vermisste und die erst ihre Berührung zurückgebracht hatte, blieb.
J.T. sah ihr in die Augen. Sie fühlte es auch, das sah er, aber sie war genauso entschlossen wie er, es zu ignorieren.
Nun, das war ihm recht. Sie hatte ihn einmal aus dem Himmel zurück auf den Boden stürzen lassen – das würde er nicht noch einmal riskieren.
Seltsam, dass sie sich gerade jetzt wiedertrafen. Und dass es ihre Karriere war, die sie auseinandergerissen hatte und jetzt wieder zusammenführte.
„Jade?“, rief der Kameramann.
Als sie sich zu ihm umdrehte, behielt J.T. die beiden im Blick.
„Ich mache die Tour“, sagte sie mit einem kurzen Blick über die Schulter zu J.T. „Mal schauen, was ich alles herausfinden kann.“
„Ohne Bildmaterial bringt uns das gar nichts.“
Jade hakte sich bei Harry ein und zog ihn ein kleines Stück beiseite, damit J.T. sie nicht hörte.
„Ich bekomme schon irgendwas. Erst mal spiele ich mit. Keine Sorge, wir kriegen Bildmaterial, bevor das alles vorbei ist.“
Harry schaute über ihre Schulter zu J.T., dann wieder zu ihr.
„Ich glaube nicht, dass du so leicht an ihm vorbeikommst, Jade.“
An J.T. war grundsätzlich kein Vorbeikommen, dachte sie. Sie warf einen Blick auf die Uhr.
„Fahr ruhig schon zurück zum Sender. Ich nehme mir ein Taxi, wenn ich hier fertig bin.“
Zögernd nickte Harry und machte sich auf den Rückweg zum Van. Sie sah ihm hinterher, und einen Moment lang wünschte sie sich, sie könnte mit ihm gehen. Auf einmal war die Idee, im Sender zu sitzen und die Reportagen der nächsten Wochen zu planen, deutlich angenehmer als die Vorstellung, die nächsten paar Stunden mit J.T. zu verbringen. Aber er war nun einmal ihre Eintrittskarte in den Palast, und sie brauchte dieses Interview. Also nickte Jade und ging zurück zum Tor. Direkt vor J.T. blieb sie stehen.
„Bereit?“
„So bereit, wie ich es je sein kann“, murmelte er, dann trat er zurück und winkte sie herein.
Anderthalb Stunden später hatte Jade so viele Rosenbüsche und Statuen gesehen, dass es für den Rest ihres Lebens reichte. Oh, die privaten Gärten waren wunderschön. Alle Grashalme hatten die perfekte Länge, und nicht ein einziges Laubblatt verunzierte die Wege. Jede verbleibende Rose war die reine Perfektion. Selbst das Sonnenlicht schien hier vornehmer und feiner. Die Marmorstatuen waren Jahrhunderte alt, aber so gepflegt, als hätte der Steinmetz die Arbeit gerade erst beendet. In den Brunnen plätscherte das Wasser, und eine leichte Meeresbrise zog über die hohen Außenmauern.
Doch das alles war Jade völlig egal.
Ihr Blick wanderte zu dem Gebäudeflügel, in dem die privaten Räume der Königsfamilie lagen. Der Menschen, mit denen sie unbedingt sprechen wollte.
So nah und doch so fern.
J.T. ließ sie nicht einen Moment lang aus den Augen.
Wie damals, sagte eine leise Stimme in ihrem Kopf.
Sie erinnerte sich noch genau an die Abendspaziergänge am Meer. Das Wissen, dass er da war, direkt neben ihr, hatte in ihr ein Gefühl des Friedens und der Geborgenheit hervorgerufen. Aber jetzt war alles anders. Zwischen ihnen bestand keine Vertrautheit. Was blieb, waren die Erinnerungen an eine kurze Ehe, die sie wahrscheinlich nie hätten eingehen sollen.
„Der Marmor, aus dem die Statuen bestehen, stammt aus einem Steinbruch in den Aronleigh Mountains“, sagte J.T., und Jade blieb stehen, um ihn anzusehen. „Was?“
„Das weiß ich schon.“
„Sorry.“
Er sah nicht aus, als ob es ihm leidtäte, sondern als ob es ihn amüsierte, wie frustriert sie war. So viel zu den schönen Erinnerungen.
„J.T. …“ Sie breitete die Arme aus und wies auf die Gärten. „Das ist alles sehr hübsch. Aber jedes Kind in Penwyck nimmt die Geschichte des Palastes schon in der Schule durch.“
„Aber nicht jedes Schulkind bekommt die privaten Gärten zu sehen, oder?“
„Alle Rosen sehen gleich aus.“
Er nickte, steckte die Hände in die Taschen und atmete tief ein. Sein Brustkorb dehnte sich zu beachtlicher Größe.