Junker Schlörks tolle Liebschaften - Ewald Gerhard Seeliger - E-Book

Junker Schlörks tolle Liebschaften E-Book

Ewald Gerhard Seeliger

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Beschreibung

1663 Zeit der Türkenkriege und der Pest Junker Schlörk aus dem Geschlecht derer von Schlurkheim, deren Stammsitz am Fuße der Hohen Tatra liegt, muss des Mordes verdächtigt seine Heimat verlassen. Er flieht von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, verdingt sich als einfacher Soldat und lernt dabei nicht nur Krieg, Armut und Pest, sondern als begehrter Liebhaber auch Prunk, Reichtum und Wohlstand kennen. Seine Wege führen ihn in die Metropolen seiner Zeit, Venedig, Mailand, Paris, Wien, Amsterdam und London. Gefährlichen Abenteuern begegnet er mit Mut und Tapferkeit, schönen Frauen mit seinen reichen Erfahrungen in der Kunst der Liebe. Ein prachtvoller, lebendiger und spannender historischer Roman der Barockzeit.

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Ewald Gerhard Hartmann (Ewger) Seeliger

geboren am 11. Oktober 1877 in Schlesien, zu Rathau, Kreis Brieg, gestorben am 8. Juni 1959 in Cham/Oberpfalz, zählt zu den erfolgreichsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.

Zu seinen bekanntesten Werken gehört „Peter Voß der Millionendieb“. Seine schlesische Heimat beschreibt er in „Siebzehn schlesische Schwänke“, „Schlesien, ein Buch Balladen“, „Schlesische Historien“ und in vielen Romanen.

Seine erotischen Barockromane „Junker Schlörks tolle Liebschaften“ und „Vielgeliebte Falsette“ wurden in der Adenauer-Ära der BRD auf den Index gesetzt und somit verboten.

Seeligers skurrile Autobiographie ist unter dem Titel „Messias Humor“ erschienen.

Inhaltsverzeichnis

Wie sich Eustachius in einer Jungfernfalle fing

Wie er in einer Woche dreimal hochzeitete

Wie er vermeinte mit der Zofe zu kosen

Wie die drei Brüder in einer Nacht zur Welt kamen

Wie ihn der Janitscharenaga zurichten ließ

Wie Junker Cyprian aufwuchs

Wie er von seinem Vater verstoßen wurde

Wie er der Heimat entrann

Wie er noch einmal in die Lehre ging

Wie er sich als Buschklepper versuchte

Wie er das Reich Gottes aufrichten half, und warum es keinen Bestand hatte

Wozu ihm das Goldene Kalb dienen musste

Wie er zu Venedig seine Liebeshändel fortsetzte

Was ihnen zu Mailand widerfuhr

Wie teuer ihm das Pariser Pflaster zu stehen kam

Warum er dem Kalbsfell folgen musste

Wie er seine Tapferkeit nicht länger verkaufen wollte

Wie er sich dreimal verdingte

Wie er ins Pfefferland fuhr und was ihm daselbst blühte

Welches Abenteuer ihm zu Amsterdam bevorstand

Wie er in London handelte und wandelte

Wie er unter die Gaukler geriet

Was er als Bauernknecht erlebte und weswegen er in den Kerker geworfen wurde

Weshalb er an den Galgen kommen sollte und wer ihn davor bewahrte

Wie er in der Heimat alles fand, was er in der Fremde vergeblich gesucht hatte

Nachwort

In deinen Drüsen haust die Brut der Ahnen,

Und was dich treibt, das haben sie getrieben:

Ein Heer von Kurtisanen und Galanen

Hat tief sich in dein Stammbuch eingeschrieben,

In deinem Blute flattern ihre Fahnen,

Du magst sie fürchten, und du darfst sie lieben,

Sie schufen dich, und ihr gesipptes Feuer

Spornt dich in immer neue Abenteuer.

Wie sich Eustachius in einer Jungfernfalle fing

Seit der Wende des dreizehnten Jahrhunderts saßen die Schlörke, deren Ahnherr mit seinem reisigen Haufen aus Thüringen gekommen war, in der ungrischen Zips, und ihre Zwingburg, ein mit Wartturm, Zinnenmauern und Wallgräben gesicherter Edelhof, lag auf einem Hügel halbwegs zwischen den beiden munteren Marktstädten Leutschau und Käsmark.

Eustachius Ritter Schlörk von Schlurkheim war der Zwölfte dieser feudalen Reihe und gebot als einer der reichsten Grundherren über fünf große Dörfer, von denen das neben dem burggekrönten Hügel und an beiden Ufern des raschen Bergbaches Gellau gelegene Schlurkheim das bedeutendste war.

Obwohl Eustachius bereits sechsunddreißig Jahre zählte, hatte er noch nicht das geringste zur Fortpflanzung seines edlen Geschlechtes unternommen, dieweil er noch immer damit beschäftigt war, die Zahl seiner Untertanen aus eigener Kraft zu vermehren, eine Gepflogenheit, der sich auch feine Vorfahren nach Laune und Vermögen befleißigt hatten, also dass in allen fünf Dörfern und sogar darüber hinaus die hohe sehnige Gestalt der Schlörke, ihre scharfe Adlernase, ihr volles straffes Blondhaar und ihre hellblauen lebenshungrigen Augen selbst unter dem niedrigsten Hüttendach zu finden waren. Diese ebenso herablassende und fruchtbare Tätigkeit, sein ritterliches Blut und damit seine vornehmen Anlagen und Gaben der gesamten Untertanenschaft einzuflößen und zugute gelangen zu lassen, hatte Eustachius bisher daran gehindert, seinen Stammbaumschuldigkeiten nachzukommen.

Zwar pflegte er jenen volksschöpferischen Pflichten, ein wahrer Vermehrer des Landes zu sein, nicht ohne Unterbrechung zu frönen, und so kamen denn immer wieder Tage und Wochen, in denen er es vorzog, sich mit dem edlen Waidhandwerk die Zeit zu vertreiben oder nach Leutschau hinüberzureiten, um sie dort mit Wein, Würfeln und Karten totzuschlagen. Hier nämlich traf er sich mit seinen lieben Nachbarn und mit den anderen Zipser Hochzunftgenossen, die alle mit heiratslüsternen Töchtern gesegnet und eifrig darauf bedacht waren, sie standesgemäß zu bemannen. Aus diesem triftigen Grunde mied Eustachius geflissentlich ihre Schlösser, so oft und herzlich er auch eingeladen wurde. Denn vor dem Freien wie vor dem christlichen Ehestand hatte er ein nicht gelindes Grausen.

Und so streifte er denn, die steife Hahnenfeder am Hut, ledig, frei und ungebunden durch die Dörfer und Fluren, um die inzwischen herangewachsenen Jungfern aufzustöbern, mit Groschen zu betören und mit Talern zur Strecke zu bringen.

„Unser gnädiger Herr hat den Koller!“, sprachen die Untertanen untereinander und beeilten sich, ihre mannbare Brut vor ihm zu verstrecken, soweit sie weiblichen Geschlechts und einigermaßen genießbar geraten waren.

Die Mädchen freilich waren ganz anderer Meinung. Denn je wohler sie ihrem Herrn gefielen, umso eher konnten sie hoffen, unter die Haube zu kommen.

Also, dass Eustachius auch auf dieser Jagd ein Schütze war, der niemals danebentraf. Und da er stets dafür Sorge trug, dass jedes der von ihm ins Dasein gerufenen Landeskinder auch einen Vater erhielt, durfte er sich eines Gewissens erfreuen, das sich bisher immer als ein ganz vorzügliches Ruhekissen erwiesen und bewährt hatte.

Auf solche Weise wusste er rund um sich herum eine glückliche Ehe nach der anderen zu stiften, und Jeremias Fürtrefflich, der betagte Dorfseelenhirte von Schlurkheim und Umgegend, der im Gegensatz zu seinem Kirchenpatron nur auf das Herz und nicht auf die Nieren sah, hütete sich wohl davor, einer von ihm gar zu sichtbarlich gesegneten Braut nach dem Kränzlein zu greifen, und gab die Paare zusammen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Denn was der Herr tut, das ist all zumal und immerdar wohlgetan.

Die von Eustachius solcherart angestifteten Ehen blieben von ihm vollkommen unbehelligt, dieweil er lediglich auf Jungfern erpicht war. Und da sie ihm in seinem fünfdörflichen Herrschsuchtsbereich lange nicht so schnell heranreifen wollten, wie er sie zum Altar zu bringen beflissen war, sah er sich oft genug genötigt, über die Grenzen vorzustoßen, wobei er jedoch, um den nachbarlichen Frieden nicht zu gefährden, jedes unliebsame Aufsehen zu vermeiden wusste.

Also war es denn weiter kein Wunder, dass der Ruhm seiner ebenso unwiderstehlichen wie verschwiegenen Galanterie immer mehr ins Kraut schoss und ins Weite drang, und dass er bei den Zipser Edelfräulein in einen immer bedenklicheren, geradezu aufreizenden Ruf gelangte. In Krakau bei den Ursulinerinnen, von denen die polnischen Adeligen seit alters her die Erziehung ihrer heranwachsenden Töchter besorgen ließen, war Eustachius bald ebenso berüchtigt wie bei den Grauen Nonnen in Kaschau, denen die ungrischen Edelherren, obschon sie zumeist dem widerrömischen Glauben anhingen, ihren weiblichen Nachwuchs, dessen Keckheit auch kaum etwas zu wünschen übrigließ, anzuvertrauen pflegten. Denn diese graugewandeten Gottesbräute wussten ganz genau, wo Barthel den Most holt und rechneten nicht nach Weihwassertropfen und Rosenkranzperlen, sondern nur nach harten Talern und blanken Gulden.

„Herr, mein Gott, beschere mir den Eustachius!“, beteten die Zipser Edeljungfrauen zu Krakau und Kaschau, wenn sie des Abends in ihren weißen Betten lagen.

Alle ließen es hübsch bei dem Beten bewenden und stellten das Weitere der göttlichen Allmacht anheim, bis auf Anastasia, die verschmitzte, nicht sonderlich hübsche, dafür umso feurigere Polin, die älteste der vier Töchter des als erfolgreichen Pferdezüchter weithin bekannten Edelmannes Kasimir von Kalinsky aus Skupine, das von Schlurkheim aus in drei Trabstunden zu erreichen war.

„Ich will und muss den Eustachius haben!“, tuschelte sie kurz vor der Entlassung ihrer bildschönen Busenfreundin E-piphania ins reizende Ohr. „Koste es, was es wolle!“

„Heilige Mutter Gottes!“, hauchte Epiphania und erbleichte schaudernd. „Du bist ja nicht bei Sinnen! Einen solchen Sünder!“

„Sünder sind wir alle!“, behauptete Anastasia trotzig. „Und wenn alle Stricke reißen, er muss mein werden! Ich habe schon einen Plan. Und er soll mir gelingen! Eine schlechte Stute, die nicht zehnmal klüger wäre als der Hengst.“

Drei Tage später wurde Anastasia von ihrem Vater abgeholt und in der wappengeschmückten, von einer Rotte bewaffneter Knechte gesicherten Kutsche nach Skupine zurückgebracht. Schon unterwegs weihte sie ihn in ihren Plan ein, der ihm zuerst gar nicht einleuchten wollte, so verschlagen er sich auch sonst zu benehmen wusste. Aber sie ging listig zu Werke, dass er endlich alle seine Bedenken dahinfahren ließ und ihr zustimmte.

Noch schneller wurde sie mit der Mutter einig, die es nun kaum noch erwarten konnte, den reichen Schlurkheimer zum Schwiegersohn zu bekommen, um dann mit ihm herumprahlen zu können.

Uns so begann denn Kasimir von Kalinsky mit Eustachius zunächst um einen Zuchthengst zu handeln, den er in Leut-schau zum Verkauf ausgeboten hatte, und bald darauf nahmen Vater und Tochter diese günstige Gelegenheit wahr, um in Schlurkheim einzureiten.

Eustachius empfing sie nach Gebühr der landesüblichen Gastfreundschaft und half Anastasia, die ihm trotz ihrer Schweigsamkeit nicht übel gefiel, aus dem Sattel, wobei er sich nicht verkneifen konnte, ihr ein wenig an die Wade zu kommen.

Sie warf ihm dafür einen strafenden Blick zu, woran er erkannte, dass er eine Jungfrau vor sich hatte, denn in diesem Punkte war er überaus scharfsichtig, und sogleich begann ihn schon wieder der ewige Hafer zu stechen.

Nachdem der Hengst besichtigt und der Kauf durch Handschlag besiegelt und durch klingende Münze vollendet worden war, ließ Eustachius ein leckeres Frühmahl anrichten, lud die beiden Gäste zu Tisch, wobei er Anastasia gegenüber Platz nahm, trank ihr zu und gab sich die redlichste Mühe, unter dem Tisch mit ihr in Berührung zu gelangen, was ihm aber zunächst gründlich misslang.

„Die holde Jungfrau ist schlechter Laune“, wandte er sich an den Vater. „Was kann ich tun, um ihr Wohlgefallen zu erregen?“

„Nichts für ungut, Herr Nachbar“ gestand der Vater, „aber sie hat einen kleinen Kummer, dieweil sie in vier Wochen hochzeiten muss.“

„Ei der Tausend!“, verwunderte sich Eustachius und riss die Augen auf. „Wer ist denn der Glückliche?“

„Einer, den ich nicht mag!“, seufzte Anastasia und schlug die Augen nieder.

„Larifari!“, fiel der Vater unwirsch ein. „Dafür liebt er dich umso heißer! Untersteh dich, mir noch länger zu trotzen! Was sagt Ihr, Herr Nachbar, zu einem solch unchristlichen Benehmen?“

„Ja nun“, antwortete Eustachius, „es will mir scheinen, dass Ihr mit diesem sanften Kind doch etwas zu hart umgeht.“

Ein dankbarer Blick aus Anastasias tränenschwangeren Pupillen belohnte ihn dafür und spornte ihn an, sich noch kräftiger für sie ins Zeug zu legen.

„Ich bitte Euch inständig, Herr Nachbar“, flehte der Vater, „sie nicht in ihrem gottlosen Eigensinn zu bestärken!“

„Und ich nehme ihn doch nicht!“, rief Anastasia plötzlich und stampfte zur Bekräftigung mit dem Fuße auf, wobei sie wie von ungefähr so nahe an den Stiefel des Gastgebers kam, dass ihn sofort ein freudiger Schreck durchzuckte.

„Dann stecke ich dich ins Kloster!“, donnerte der Vater. „Ohne Gnade und Barmherzigkeit!“

„Oh weh!“, sprach Eustachius und trat Anastasia so sanft auf den Fuß, dass sie über seine hochgalanten Absichten nicht länger im Zweifel sein konnte. „Wer wird mit hübschen Jungfrauen so unzärtlich umgehen! Ihr seid ein gar zu hartherziger Vater!“

„Zum Kuckuck und seinem Küster!“, erboste sich Kasimir von Kalinsky, bekam einen roten Kopf und sprang auf. „Wenn Ihr mir so kommt, Herr Nachbar, wie könnte ich dann noch länger unter Eurem Dach weilen?“

„Also machen wir eine Sauhatz!“, schlug Eustachius vor, um ihn wieder zu besänftigen, da er im gleichen Augenblick A-nastasias zustimmenden Druck auf seiner Stiefelspitze verspürte.

Aber Kasimir von Kalinsky wies diese freundliche Einladung mit einer solchen Entschiedenheit zurück, dass der Aufbruch nicht mehr verhindert werden konnte.

Während der zornige Vater von den Reitknechten die Auslieferung des gekauften Hengstes heischte, half Eustachius der Jungfrau Anastasia in den Sattel, wobei er sich das Recht herausnahm, ihr zärtlich ins Weichere zu greifen.

Und sie warf ihm dafür einen so feurigen Blick zu, dass er sich nicht nur den Schnurrbart strich wie ein Tambourmajor vor dem entscheidenden Sturmangriff, sondern sich auch wörtlich also erkeckte: „Ihr werdet ihn wohl nehmen müssen! Aber welche Macht der Erde könnte Euch dazu zwingen, ihm das zu opfern, wonach es ihn gelüstet? Und wenn Ihr nur den Mut habt und es Euch auch sonst wohlgefällt, so bin ich noch in dieser Nacht Eurer ergebener Diener. Ihr braucht mir nur einen Wink zu geben.“

„Ja, kommt!“, hauchte sie ihm erglühend zu. „Ich lasse das Licht brennen. Und am Birnbaum gleich unter meinem Fenster steht eine Leiter. Aber seid ganz leise und macht kein Geräusch, denn die Mutter schläft nebenan!“

Darauf ritt sie mit ihrem Vater auf und davon.

Eustachius schaute ihr triumphierend nach, schlug sich an die Brust und bärschte sich also auf: Was bin ich doch für ein Tausendsassa und Teufelskerl! Wo gibt es auf dieser Welt eine Jungfer, die mir zu widerstehen vermöchte!

Kasimir von Kalinsky ritt unterdessen mit Anastasia und dem Hengst heimwärts, aber auf dem Umweg über Pobratje, wo er bei seinem Schwager Sigismund von Laklos einkehrte, der sogleich bereit war, nach Skupine mitzukommen, um den neuen Wein zu probieren.

Eustachius jedoch konnte es kaum erwarten, dieses neue Abenteuer zu bestehen, bei dem nichts weiter zu wagen war, weil es auf Rechnung eines andern ging. Kaum war die Sonne hinabgesunken, riss er den Hut mit der steifen Hahnenfeder vom Nagel, pfiff dem Jagdhund, schwang sich auf sein Ross und sprengte in die Nacht hinaus.

In Skupine angekommen, ließ er in einem dichten Gebüsch Ross und Hund zurück und pirschte sich sodann an das erleuchtete Fenster heran, was ihm nicht viel Mühe machte, dieweil dieses Feudalgewese nur durch einen leicht übersteigbaren Zaun gesichert war. Er fand den Birnbaum und die Leiter, lehnte sie an, entledigte sich seiner Stiefel und klomm unverzagt empor.

„Nur leise, ganz leise!“, hörte er, als er sich in das Gemach schwang, Anastasias Flüsterstimme vom Himmelbett her, auf dem sie ihn erwartete.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die beiden Türen, die aus diesem Raum hinausführten, verriegelt waren, zog er den langen Raufdegen, auf den er sich unter allen Umständen verlassen durfte, legte ihn griffbereit auf die Kommode, streifte die Kleider ab und tappte, während Anastasia das Licht löschte, mit der ihm eigenen Tapferkeit in die ihm von ihr mit so viel List und Umsicht gestellte Jungfräulichkeitsfalle hinein.

„Oh Gott!“, hauchte sie unter seinen stürmischen Anmarschbemühungen. „Das Bett knarrt!“

Infolge dieser Warnung musste sich Eustachius wohl oder übel zu einem bedeutend gelinderen Verfahren bequemen, als es sonst seine Gewohnheit war. Aber das Bett knarrte trotzdem weiter und immer vorlauter, und noch bevor er dazu gekommen war, seine erste Lust an ihr zu büßen, tat sich die eine der beiden Türen auf, und auf ihrer Schwelle erschien die besorgte Mutter mit einer dreiarmigen Leuchte und fragte leise: „Was ist dir, mein Kind? Hast du schwere Träume? Warum bist du so furchtbar unruhig?“

Verflucht und zugenäht, hier stimmt was nicht! blitzte es Eustachius durchs Hirn. Wie kann sie durch eine verriegelte Tür hineinkommen? Worauf er Knall und Fall seine galanten Bemühungen abbrach, bevor er ans letzte Ziel gelangt war.

Unterdessen war die Mutter ans Himmelbett getreten, und da sie nun die darin veranstaltete Bescherung in Augenschein genommen hatte, stellte sie die kerzliche Dreieinigkeit auf den Tisch, eilte hinaus und ließ ihre Stimme also aufgellen: „Kasimir, Kasimir, herbei! Sie hat den Verstand verloren! Der Schlurkheimer ist über ihr! Sie will sich von ihm noch vor der Hochzeit entjungfern lassen!“

Nun aber fiel es Eustachius wie Schuppen von den Augen.

„Verdammte Hexe!“, schnaubte er und verabreichte A-nastasia zwei Maulschellen, die sie hinnahm, ohne zu mucken, worauf er Degen und Kleider an sich raffte und sich über die Leiter auf den Rückzug zu begeben trachtete.

Aber dazu war es bereits zu spät, denn schon schob sich die breite massige Gestalt des Schwagers Sigismund von Laklos durch das Fenster, in der Rechten den blanken Degen, in der Linken die beiden Stiefel, die Eustachius vor der Leiter zurückgelassen hatte.

„Guten Abend, Herr Nachbar!“, grinste er, indem er ihm die Stiefel vor die Füße warf und ihm den spitzen Stahl auf die Brust richtete. „Was steht sonst noch zu Diensten?“

Im gleichen Augenblick platzte von der anderen Seite Kasi-mir von Kalinsky herein und brüllte wutschäumend und degenschwingend: „Jungfernschänder! Friedensbrecher! Hundeblut!“

„Er kommt nur mit dem Leben davon“, kreischte die hinter ihm nun wieder auftauchende Mutter, „wenn er ihr sofort die Ehe verspricht!“

Eustachius beguckte sich die beiden nach seinem Ritterblut lechzenden Degenspitzen, zwischen die er so gänzlich unversehens geraten war, steckte das Schwert in die Scheide zum Zeichen, dass er den Kampf gegen diese Übermacht nicht aufzunehmen gewillt sei, begann sich anzukleiden und knirschte: „Verfluchte Komödie! Ihr steckt alle zusammen unter einer Decke!“

Anastasia benutzte diese Pause, um sich unter herzzerreißendem Schluchzen an die schützende Mutterbrust zu flüchten.

„Hör auf zu plärren!“, brüllte Kasimir von Kalinsky seine Tochter an. „Der Herr Nachbar ist ein Edelmann und wird deine Ehre wieder herstellen!“

„Zum Teufel und seiner Großmutter!“, knurrte Eustachius, während er sich den Degen umschnallte. „Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, ihre Ehre zu verletzen.“

„Wagt Ihr Eure Schandtat zu leugnen angesichts dieser Beweise?“, schnaubte Kasimir von Kalinsky und deutete mit der Degenspitze auf das blutbefleckte Bettlaken.

„Mag sein“, murmelte Eustachius, „dass ich ihre Jungfernschaft schon ein wenig beschädigt habe.“

„Also bequemt Euch dazu“, polterte Sigismund von Laklos, „ihr die Hand zu reichen, um das angefangene Werk zu vollenden!“

Eustachius tat wohl das eine, da es sich leider nicht mehr umgehen ließ, aber nicht das andere, weil er in der Hochzeitsnacht auch noch etwas zu tun haben wollte.

Und als er am nächsten Morgen mit schwerem Kopf und geknickter Hahnenfeder nach Schlurkheim zurückkehrte, deuchte es ihm, als hätte er nach einem schweren Zechgelage, bei dem ein halbes Fass Heuriger geleert worden war, seine Unterschrift nebst Siegel auf ein mit vielen schwarzen Zeilen bedecktes Pergament gesetzt, darin er Ritterehre und Seligkeit gelobt hatte, die Jungfrau Anastasia von Kalinsky binnen vier Wochen als seine ihm von Gott bestimmte Ehefrau heimzuführen.

Sei's drum! knirschte er in sich hinein. Einmal hätte ich ja doch in den sauren Apfel des christlichen Ehestandes beißen müssen. Sie hat mich überlistet. Und ich bin so dumm gewesen, ihr auf den Leim zu kriechen. Aber das Blättlein wird sich schon wenden, sobald sie aufgehört hat, eine Jungfrau zu sein!

Denn er war fest entschlossen, auch als Ehemann seine vaterländischen Pflichten zu erfüllen und der Schürzenjagd nach Laune und Vermögen weiterhin obzuliegen, genauso wie bisher.

Wie er in einer Woche dreimal hochzeitete

Am Sonntag Exaudi zur selben Stunde, als in der Skupiner Schlosskapelle die Trauung nach römischem Muster vollzogen wurde, predigte Jeremias Fürtrefflich in der Schlurkheimer Kirche über die Heiligkeit des christlichen Ehestandes, und die fromme Gemeinde hörte ihm andächtig zu, und alle Väter, Mütter und Burschen freuten sich, dass ihnen der liebe Gott nun endlich auch eine gnädige Herrin zu bescheren geruht hatte.

Die Mädchen freilich beseufzten diese plötzliche Veränderung im Stillen, weil sie befürchteten, dass das Heiraten von nun an bedeutend schwieriger werden würde.

Und dieser heimliche Kummer wollte auch nicht von ihnen weichen, als sie auf der großen Gänsewiese vor dem Schlosshügel zum Tanze antreten durften. Denn an diesem Tage war das ganze Dorf von Eustachius zu Gaste geladen worden, und bald begann auch bei hellem Sonnenschein der allgemeine Trubel und Jubel.

Unter den flinken Fingern der Zigeuner jauchzten und schluchzten die Geigen, und der Dudelsack pfiff und brummte dazwischen. Bunte Zelte umsäumten den grünen Plan, Kränze und Fahnen winkten im Winde und der Wein schäumte kostenlos aus den Fässern in die Kannen und in die Kehlen. Auch an Bier, Branntwein, Pfefferkuchen und Würsten herrschte keinerlei Mangel, doch wer die haben wollte, der musste den Beutel ziehen.

Vor der Auffahrt zur Burg stand eine hohe Ehrenpforte, an der zwischen Birkengrün und Tannenzweigen allerhand Glück wünschende Sinnsprüche zu lesen waren. Daneben hatte der Förster Janos Schellhorn sieben Böllerröhren aufgebaut, um die stolze Hochzeitskutsche auf Waidmannsart gebührend begrüßen zu können.

Dieser wackere Waldhüter und Wildheger war erst kürzlich von Eustachius nach Schlurkheim berufen worden und hatte diese Bevorzugung vor seinen nicht minder gut beleumdeten Mitbewerbern nur dem herzerfreulichen Umstand zu verdanken, dass er den eine gute Stunde tief im Walde gelegenen Forsthof nicht nur mit einer tüchtigen Hausfrau, sondern auch mit sechs hoffnungsvollen Töchtern zu bevölkern vermochte.

Nicht weit von ihm hielt, mit dem Taktstock in der Hand, der junge, noch gänzlich unbeweibte Kantor Pontian Ziechner, von dem die sinnreichen Sprüche auf der Ehrenpforte stammten. Er stand vor den zum Chor versammelten Schulkindern, mit deren Hilfe er den edlen Patron und seine junge Gattin, die noch immer auf sich warten ließen, durch die fleißig eingeübte, vom guten Hirten handelnde Festkantate zu erfreuen gedachte.

„Wenn es nur kein Donnerwetter gibt!“, warnte Janos Schellhorn, denn es wurde immer schwüler und deutete auf die kleine schwarze Wolke, die sich vom hoch gegipfelten Gebirge her über das nordöstlich gelegene Skupine auf den Schlurkheimer Wald heranschob, und Pontian Ziechner wischte sich den Schweiß von der Stirn und seufzte: „Möge uns der Herrgott gnädiglich davor bewahren!“

„Gott lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte“, meinte Simone Plinz, die eben vorbeikam, worauf ihr Janos Schellhorn missbilligend nachschaute und in den Bart brummte: „Und über die jungen wie über die alten Hexen!“

Simone Plinz, die mit ihrer feuerlockigen und verteufelt hübschen Tochter Jutta in einer kleinen abgelegenen Hütte hauste, war die Wehmutter von Schlurkheim. Von ihrer einstigen großen Schönheit war so wenig übriggeblieben, dass sie von jedem, der es noch nicht wusste, dass sie eine große Zauberin war, für eine alte böse Hexe gehalten werden konnte.

Sie wusste die allerwirksamsten Tränklein zu brauen, und wer einen kräftigen Bannspruch brauchte, den ließ sie nicht vergeblich an ihre Tür pochen.

Heute machte sie sich ein gutes Geschäft daraus, selbstgebackene Zuckernüsse und Leckerbissen zu verkaufen, und bald war der große Korb, den sie am linken Arme trug, bis auf den Boden geleert.

Sie heischte darauf eine große Kanne Wein und setzte sich damit unter die breite, Schatten spendende Dorflinde. Denn für den gegorenen Traubensaft, der nach den Worten des Psalmisten wohl geeignet war, dass er des Menschen Herz erfreue, hatte sie eine nicht geringere Schwäche und Vorliebe wie für das Aufsagen von Bibelsprüchen, mit denen sie sich davor zu schützen wusste, als Hexe und Teufelsbuhlerin verschrien zu werden.

Also begann sie tapfer zu zechen und schaute dem Tanzgewühl zu, in dem sich ihre Tochter Jutta, nach der sich die Burschen schier die Köpfe einstießen, unermüdlich drehte und immer aus einem Arm in den anderen flog.

Eine Stunde später verfinsterte sich plötzlich der Himmel, und die Sonne verschwand. Hals über Kopf flüchteten die Schlurkheimer unter die schützenden Dächer. Auch die Schulkinder waren nun nicht länger zu halten. Schreiend stoben sie von dannen.

„Ein böses Omen!“, rief Pontian Ziechner und eilte ihnen nach.

Janos Schellhorn aber wich nicht von seinen Böllerrohren, die er sorglich zudeckte, um sie vor dem heraufziehenden Unwetter zu schützen.

Unter Sturm, Blitz, Donner und Regengüssen rollte die von sechs Schimmeln gezogene Hochzeitskutsche durch die Ehrenpforte in den Burghof.

Die sieben Böller versagten, obschon sich Janos Schellhorn alle Mühe gab, sie zu entzünden. Nur der letzte von ihnen zischte ein wenig.

Der Herrgott kann es eben besser! grollte Janos Schellhorn in sich hinein, warf die Lunte weg, begab sich ins Schloss und trat zu dem Gesinde, das sich, um den Herrn und der Herrin seine Glückwünsche darzubringen, unter Anführung des Gutsverwalters bereits versammelt hatte.

„Des Herrn Wege sind wunderbarlich und führet es herrlich hinaus!“, sprach in diesem Augenblick die Wehmutter Simone Plinz zu ihrer Tochter. „Schon einmal hat der Herr sein Auge auf dich geworfen. Und sobald er es wiederum tut - „

„Aber er hat doch jetzt eine Frau!“, fiel Jutta ein.

„Ei, was tut das?“, lachte die verschmitzte Mutter und leerte die Weinkanne bis auf die Nagelprobe. „Ein tüchtiger Kater vermag das Mausen nimmermal zu lassen! Darum, wenn er sich noch einmal anschickt, dir unter die Röcke zu greifen, so laufe nicht wieder davon, sondern halte ihm wacker stand, wie es die Jungfrau Maria getan hat, als sich der Heilige Geist auf sie herniedergelassen hatte, um uns den Heiland zu bescheren. Zuerst magst du dich wohl ein wenig sträuben, damit er merkt, dass du wirklich noch eine Jungfrau bist, dann aber schließe die Augen und lass alles mit dir geschehen, was ihm behagt und ergötzt. Denn hernach kannst du ihn um den Finger wickeln, und er wird dir alles gewähren, was dein Herz begehrt.“

„Den Kantor möchte ich haben!“, schmollte Jutta und leckte sich die Lippen wie ein Kätzchen vor der Rahmschüssel.

„Wenn sich kein besserer findet“, winkte die Mutter ab. „Aber das soll deine Sorge nicht sein. Dir geziemt es vor allem, mir zu gehorchen. Denn der Segen der Eltern bauet den Kindern Häuser und Schlösser. Ich werde auch weiterhin auf der Hut sein und jegliche Gelegenheit wahrnehmen, um dich immer höher hinaufzubringen.“

Um diese Zeit, da sich das Unwetter bereits vergrollte und der Abend herniedersank, wandte sich Lioba, des Försters Janos Schellhorn älteste und schönste Tochter, die unterdessen ihre fünf Schwestern zu Bett gebracht und sie in den Schlaf gesungen hatte, an ihre beim Schein des Herdfeuers rüstig mit Nadel und Schere hantierende Mutter und sprach: „Nun wird auch der Vater bald heimkommen.“

„So es dem Herrn wohlgefällig ist“, antwortete sie und ließ die fleißigen Hände in den Schoß sinken. „Denn er ist ein treuer Diener, und seine Ehre ist der Gehorsam. Wie geschrieben steht: Es ziemt dem Knecht, gehorsam zu sein um Gottes Willen, also dass ein ungehorsamer Knecht keinen guten Herrn finden kann und ihn gar bald die Rute trifft, die er sich selber gebunden hat. Desgleichen sollen auch die Mägde zu allen Stunden und in allen Stücken Gehorsam üben, nicht aufbegehren, sondern sich willig in alles fügen, was der Herr von ihnen heischt, auf dass sie einen Schatz im Himmel erwerben.“

Darauf nähte sie weiter und kam nun auf die Dinge des Alltags zu sprechen und auf die Arbeiten, die in und außer dem Hause getan werden mussten.

„Diese Woche“, ließ sie sich weiter vernehmen, „werden auch die Erdbeeren reif. Da müsst ihr euch tapfer rühren, um den Segen einzusammeln. Und wenn der Herr daherkommt, dem der Wald gehört, dann müsst ihr ihm artiglich einen guten Tag wünschen und ihm die Hand füllen und alles tun, was er euch gebietet.“

„Aber woran soll ich erkennen“, fragte Lioba gespannt, „dass es der Herr ist, der daherkommt?“

„Er geht daher“, antwortete die Mutter, „fast wie ein König, trägt ein grünes Prachtgewand, das mit goldenen Litzen verziert ist, und hat eine Hahnenfeder am Hut. Er gebietet über uns an Gottes Statt, denn er ist der Herr des alltäglichen Brotes und sinnt allezeit nur darauf, dass es uns wohl gehe und wir lange leben auf Erden.“

Lioba lag schon im Bett, als der Vater heimkehrte. Nun erst schloss sie die Lider, bewegte noch einmal die von der Mutter empfangenen Lehren in ihrem Herzen, nahm sich vor, sie genauestens zu beobachten, versank mit einem Seufzer in tiefen Schlummer und begann von dem Herrn des Waldes, der Wiesen und der Felder zu träumen, auf denen das tägliche Brot für alle wuchs, und der so hold und gütig war, dass ihn alle seine Untertanen mit tausend Freuden liebten und ehrten.

Drei Tage mühte sich Eustachius, seinen Stammbaumobliegenheiten nachzukommen, und da er sich für einen vorbildlichen Kavalier hielt, ließ er es sich nicht anmerken, wie sauer ihm dabei zu Mute war.

„Ich werde Euch einen Sohn gebären“, behauptete A-nastasia am vierten Morgen.

„Wohlan!“, sprach er und erhob sich vom Lager. „Ich habe getan, was ich vermochte, und Ihr habt erreicht, was ihr wolltet. Ein zweites Mal werdet Ihr mich nicht hinters Licht führen. Und damit Gott befohlen!“

Also schied er sich von ihr ab mit dem festen Vorsatz, sie nie wieder zu berühren, steckte sich nach dem Frühstück eine neue Hahnenfeder an den Hut, ergriff die Büchse und schritt in den Wald hinein auf die kleine Jagdhütte zu, wohin er die willigen Mädchen, die sein Wohlgefallen erregt hatten, zu locken pflegte.

Auf dem halben Wege dahin stieß er plötzlich auf Jutta, die hier ihre roten Locken im Frühlingswinde flattern ließ.

„He, Jutta!“, herrschte er sie an. „Was tust du hier in meinem Walde?“

„Ich suche die Ziegen, Gnädiger Herr!“, girrte sie mit niedergeschlagenen Lidern. „Sie sind mir davongelaufen, und ich kann sie nicht finden.“

„Ei, lass die Ziegen und komm mit!“, befahl er. „Was zögerst du? Oder fürchtest du dich vor mir?“

„Ein wenig wohl, Gnädiger Herr!“, seufzte sie schämig.

„Ich schenke dir auch einen Groschen!“, lockte er sie. „Für jeden Kuss einen guten Groschen!“

„Wie viele Groschen, Gnädiger Herr“, fragte sie schelmisch, „habt Ihr im Sack?“

Dann ging sie mit ihm zur Jagdhütte, und sie verschwanden darin für etliche Stunden.

Als Jutta gegen Abend mit den beiden Ziegen, die sie am Waldrande wiedergefunden hatte, nach Hause zurückkehrte, erkannte die Mutter sogleich, was geschehen war und rief: „Wie siehst Du aus? Hat er dich beschlafen?“

„Oh nein!“, lachte Jutta und zählte siebzehn gute Groschen auf den Tisch. „Er hat es im Wachen getan. Und jedes Mal hat er mir einen Groschen geschenkt. Und übermorgen um dieselbe Zeit soll ich wieder hinkommen.“

„Potztausend!“, rief die Mutter und schlug die Hände zusammen. „Das ist fürwahr der nobelste aller Kavaliere! Schnell, lauf zum Kretschmer und hol mir eine Kanne Tokajer!“

Jutta gehorchte, kehrte zurück, und die Mutter begann sich wiederum zu laben.

„Aber müde macht es!“, seufzte Jutta. „Und hungrig bin ich! Alle Knochen im Leibe tun mir weh!“

„Ei, das geht vorüber!“, tröstete sie die Mutter. „Nimm einen herzhaften Schluck und leg dich nieder. Ich rühre dir schnell ein stärkendes Süpplein zusammen.“

„Und übermorgen“, flüsterte Jutta, als sie das Süpplein genossen hatte, „wird er mich mit süßem Kuchen und Wein bewirten.“

Am folgenden Morgen, kaum dass es getagt hatte, schwang sich Eustachius in den Sattel, pfiff dem Jagdhund und sprengte in den Wald, um ein paar Fasanen zu schießen.

Unterwegs, noch bevor er die Jagdhütte erreicht hatte, traf er auf Janos Schellhorn, der vier seiner Töchter nach Schlurkheim begleitete, um sie bei Pontian Ziechner zum Unterricht anzumelden.

Eustachius hielt an, beschaute sich die Mädchen, ließ sich ihre Namen sagen, schenkte jedem von ihnen einen blanken Dreier, ritt, nachdem er den Vater noch über dies und das befragt hatte, kreuz und quer durch das lichte Tannicht und über die Waldwiesen und hatte dabei das Glück, sieben Fasanen zur Strecke zu bringen.

Er hing die Beute an den hinteren Sattelknopf und ritt dann auf den Forsthof zu, um auch da ein wenig nach dem Rechten zu sehen. Aber noch bevor er ihn erreicht hatte, spürte der Hund die Erdbeeren pflückende Lioba auf, die sich bereits auf dem Heimweg befand.

„Heda, mein Schätzchen!“, rief Eustachius, ritt hin und neigte sich ihr zu, dieweil ihn schon wieder einmal der Hafer stach, und das heftiger denn jemals, denn sie war so schön und sanft, dass es ihm völlig wider die Natur gegangen wäre, ihrer nicht zu begehren.

„Guten Morgen, Gnädiger Herr“, sprach sie und schlug die großen, dunkelblauen Augen strahlend zu ihm empor, wobei sie der mütterlichen Mahnung gedachte, wonach sich auch die Mägde willig in alles zu schicken und zu fügen hätten, was der Herr von ihnen heischt, um sich einen Schatz im Himmel zu erwerben.

„Was tust du hier in meinem Walde?“, herrschte er sie an.

„Was mir meine Mutter, die Försterin, geboten hat, Gnädiger Herr!“, antwortete sie lächelnd und deutete auf den vollen Korb, der ihr am Arme hing.

„Und wie ist dein Name, schönes Kind?“, befragte er sie weiter und beugte sich noch tiefer zu ihr hernieder.

„Lioba, Gnädiger Herr!“, flüsterte sie verschämt und errötete unter seinem Blick, der ihr schier bis ins Innerste dringen wollte.

„Komm an mein Herz, holde Jungfrau!“, rief er feurig, indem er den Arm um sie schlang und sie vor sich in den Sattel hob. „Und gib mir einen Kuss! Oder hast Du Angst, mit mir ein wenig durch den grünen Wald zu traben?“

„Mitnichten, Gnädiger Herr!“, lächelte sie, während sie den gefüllten Korb auf ihrem Schoße festhielt, und bot ihm die blühenden Lippen dar. „Denn ich bin nach Gottes Willen zu allen Stunden in allen Dingen Eure gehorsame Magd.“

Da küsste er sie, gab dem Rosse die Sporen und sprengte mit ihr auf die Jagdhütte zu.

Als Lioba gegen Abend mit dem gefüllten Korb nach Hause zurückkehrte, erkannte die Mutter, die sich schon sehr beunruhigt hatte, auf den ersten Blick, was geschehen war, und rief: „Wie siehst du aus? Wo hast du gesteckt? Was hast du solange getrieben?“

„Der Herr“, bekannte Lioba, „hat mich auf sein Ross genommen und ist mit mir bis zur Jagdhütte geritten. Und übermorgen um dieselbe Stunde soll ich wieder dahin kommen. Das hat er mir anbefohlen.“

„Unglückselige!“, jammerte die Mutter händeringend. „Du hast dich von ihm zur Sünde verführen lassen!“

„Ich weiß von keiner Sünde, herzliebste Mutter“, verteidigte sich Lioba, „denn ich habe nur getan, was du mir anbefohlen hast. Ich bin ihm gehorsam gewesen in allen Stücken.“

„Gott im Himmel!“, wehklagte die Mutter. „Welche Schande hast du über dich und uns gebracht! Wenn es der Vater erfährt, er schlägt dich auf der Stelle tot!

„Ich weiß auch von keiner Schande“, beharrte Lioba auf ihrer Meinung, „und der Herr weiß auch nichts davon. Sonst hätte er mich wohl davor gewarnt. Er hat doch nur das mit mir getan, was der Heilige Geist mit der Jungfrau Maria getan hat. Wie könnte das Sünde und Schande sein, herzliebste Mutter?“

„Und du willst“, stammelte sie und raufte sich voller Verzweiflung das Haar, „übermorgen wieder zu ihm gehen, um dich von ihm beschlafen zu lassen.“

„Wie sollte ich es nicht tun, da er es mir doch anbefohlen hat?“, fragte die Tochter mit erhobener Stimme. „Oder willst du eine ungehorsame Magd zur Tochter haben, die auf dieser Erde keinen guten Herrn finden kann und die gar bald von der Rute getroffen wird, die sie sich selbst gebunden hat? Gebietet er nicht über uns an Gottes Statt, ist er nicht der Herr des täglichen Brotes und sinnt er nicht unablässig darauf, dass es uns wohl gehe und wir lange leben auf Erden? Er hat mir geboten, ihn zu lieben. Was konnte ich anderes tun, als stille zu halten? Und danach hat er mich gelabt mit süßen Kuchen und feurigem Wein. Und übermorgen wird er mir ein goldenes Halskettlein schenken. Soll ich mich von ihm wenden, um dich Lügen strafen zu können? Das sei ferne von mir!“

„Und wenn du in neun Monden mit einem Kindlein niederkommst?“, ächzte die Mutter und ließ ihre Tränen fließen.

„Der Herr ist mein Hirte“, bekannte Lioba, faltete die Hände auf dem Herzen und richtete den Blick himmelwärts, „mir wird nichts mangeln. Alle meine Sorge habe ich auf ihn geworfen, denn er sorget für mich und wird seine gehorsame Magd nicht im Stich lassen. Das ist so gewiss, wie der Wind weht und wie der Regen vom Himmel fällt. Amen.“

Darauf setzte sie sich an den Tisch, verzehrte ihr Abendbrot und begab sich zur Ruhe.

Als Janos Schellhorn, Liobas Vater, bald danach von seinem abendlichen Pirschgang heimkehrte und vernahm, was sich inzwischen zugetragen hatte, wiegte er das Haupt und sprach: „Wessen Brot wir essen, dessen Lied wir singen, so sauer es uns auch werden mag. Denn die Zeit liegt im Argen wegen der Hoffart, die es Gott gleichtun will und immer noch an dem Turm baut, dessen Spitze bis an den Himmel reichen soll. Den Hoffärtigen harrt das Gericht, und nur die Demütigen dürfen auf Gnade hoffen. Darum setze ich meine Zuversicht wie bisher so auch weiterhin allein auf den allmächtigen Herrn der Herren, der nicht ruht und rastet, bis er den Sünder an dem gestraft hat, womit er gesündigt hat. Wie geschrieben steht: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr. Und am anderen Orte: Ihr Kindlein, liebet euch untereinander.“

„So willst du als Vater“, begehrte sie auf, „diese sträfliche Liebe dulden?“

„Was kann ich dagegen tun?“, fragte er zurück. „Soll ich mich auf die Lauer legen und ihm hinterrücks eine Kugel durch das Herz jagen? Soll ich Herrenblut vergießen, damit auch mein Blut von Herren vergossen werde? Die Sache ist schlimm genug, soll ich sie noch schlimmer machen? Soll ich dem Allmächtigen in den Arm fallen, der uns diese Prüfung auferlegt hat, damit wir uns darin bewähren und im Glauben gestärkt und befestigt werden?“

Und sie verstummte.

Zu Lioba aber sprach er am nächsten Morgen, als sie den Korb nahm und über die Schwelle ins Freie schreiten wollte: „Gott behüte dich! Und vergiss niemals, dass die Liebe die höchste aller Tugenden, die Wollust aber das schlimmste aller Laster ist.“

„Ich weiß es, Herr Vater“, antwortete sie, ohne die Augen vor ihm niederzuschlagen, „und darum kann ich nicht anders und muss tun, was mir von ihm anbefohlen worden ist.“

Dann eilte sie hinweg und entschwand seinem Blick zwischen den Stämmen des Waldes.

Wie er vermeinte mit der Zofe zu kosen

An diesem Abend brachte Jutta einen Taler nach Hause, und die Mutter sperrte ihn in die Truhe und sprach: „Einer heckt den anderen!“

Als Lioba am nächsten Abend aus dem Wald zurückkehrte, trug sie um den Hals ein goldenes Kettlein, an dem ein blitzendes Steinchen hing.

„Ach, Lioba“, seufzte die Mutter, nachdem sie das kostbare Schmuckstück gebührend bestaunt hatte, „wie soll das enden? Wenn du nun von ihm schwanger wirst?“

„Ich glaube, ich bin es schon!“, erklärte Lioba strahlenden Blickes. „Ich werde dem gnädigen Herrn einen Sohn gebären!“

„Mit einem Bankert“ jammerte die Mutter, „wirst du niederkommen! Und dann wird er dich verstoßen und dir fürderhin keinen Blick mehr schenken. Du bist ihm nicht mehr als ein Spielzeug, um der Wollust zu frönen!“

„Des Herrn Wille geschehe!“, erwiderte Lioba und faltete die Hände auf der Brust. „Und er wird seine starke Hand über mich halten, dass mir kein Unfall begegnet und mein Fuß nicht an einen Stein stößt.“

Dabei funkelte das Steinchen auf ihrer Brust, so stark pochte ihr das Herz ob der Dinge, die da kommen sollten.

„Er hat dich verhext!“, schluchzte die Mutter, aber Lioba schüttelte den Kopf und lächelte selig.

Am folgenden Abend brachte Jutta zwei Taler nach Hause und sprach zu ihrer Mutter: „Du sollst mit mir nach Leutschau gehen und mir ein neues Gewand kaufen. Ein purpurnes Mieder will ich haben und einen blauen Rock mit lauter weißen Sternchen. Soviel wie am Himmel stehen!“

„Des Herrn Wille geschehe!“, nickte die Mutter und legte ihren Sonntagsstaat zurecht.

Aber am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne aufging, kam der Bauer Nikolaus Vieweg herbeigesprungen, pochte an die Tür und rief: „Kommt schnell, kommt schnell, mein Weib liegt in den Wehen!“

Also musste sich Jutta allein nach Leutschau auf den Weg machen. Unterwegs wurde sie von Daniel Kretschmer eingeholt, der fünf Kälber auf dem Wagen hatte und dafür eine Ladung Kleie nach Hause bringen sollte. Er war der älteste Sohn seines Vaters und besaß eine solche Keckheit, dass er keine Umschweife zu machen pflegte und immer mit der Tür ins Haus zu fallen wusste.

Er ließ Jutta aufsitzen und begann sofort mit ihr zu schäkern und handgreiflich zu werden.

„Was willst du von mir?“, begehrte sie auf. „Bist du schon am hellen Morgen betrunken?“

„Ein Küsslein in Ehren kann niemand verwehren!“, grinste er augenzwinkernd und kniff ihr derb in die Hüfte. „Ich werde in Leutschau mit dir tanzen, und heute Abend gehst du mit mir ins Korn. Ich geb dir dafür einen halben Groschen.“

„Ei, du Tropf!“, schalt sie ihn aus. „Ein wenig tanzen will ich wohl mit dir, aber das andere schlag dir nur aus dem Kopf, wenn du nicht mehr im Sack hast als einen halben Groschen. Unter einem Taler tu ich es nicht! Das lass dir gesagt sein!“

„Fürwahr, du bist mir ein teures Schätzchen!“, lachte er, griff in die Tasche, zog einen Taler heraus und steckte ihn ihr ins Mieder. „Aber nimm dich in Acht und suche mich nicht zu betrügen! Dann hau ich dich braun und blau!“

„Warum sollte ich dich betrügen?“, girrte sie ihn an. „Wenn du doch den vollen Preis bezahlt hast.“

Und dann ließ sie sich von ihm küssen und küsste ihn wieder, da sie ja nun keine Jungfrau mehr war und durch die Gnade des Herrn erfahren hatte, wozu die Männer auf der Welt waren.

Wiehernd trabten die beiden Ackergäule vor ihnen her, während hinten die fünf Kälber kläglich nach der Leutschauer Schlachtbank brüllten.

Anastasia kam bald genug dahinter, wo und mit wem sich Eustachius die Zeit vertrieb, ohne auf seine ehelichen Pflichten Rücksicht zu nehmen. Und da sie ganz sichergehen wollte, gab sie ihrer Amme Duscha, die sie aus Skupine mitgebracht hatte, den Befehl, ihn heimlich zu beobachten.

Als sich Anastasia auf solche Weise Gewissheit verschafft hatte, dass ihr Verdacht vollauf begründet war, ging sie mit Duschas Hilfe daran, einen neuen Plan zu schmieden, der noch weit verschmitzter und durchtriebener war als jener, mit dem sie Eustachius in der Schlinge des christlichen Ehestandes gefangen hatte.

Darauf schrieb sie an ihre Busenfreundin Epiphania, auf deren Treue sie sich gleichfalls verlassen konnte, und lud sie herzlich ein, auf ein paar Wochen nach Schlurkheim zu kommen.

Und so erschien denn eines Tages mit ihr Duschas Nichte Monika im Schlurkheimer Schloss und wurde von Anastasia ohne Verzug als Zofe in Dienst genommen. Sie war so wunderschön und tat so keusch, dass Eustachius sogleich an ihr Feuer fing. Und sie verstand es, diese Brunst so heftig anzufachen, dass er bereits die Zeit für gekommen hielt, um Jutta wie Lioba schleunigst unter die Haube zu bringen.

Zu diesem Behufe bestellte er zunächst den Kantor und Schulmeister Pontian Ziechner zu sich und sprach zu ihm: „Es ist nicht gut, dass der Mann allein sei, und darum muss er sich beweiben. Ich gebe Ihm hiermit die Erlaubnis dazu.“

„Untertänigsten Dank, Euer Gnaden!“, antwortete Pontian Ziechner mit einer tiefen Verbeugung. „Spätestens übermorgen hat Er das Aufgebot zu bestellen!“ fuhr Eustachius gestrenge fort. „Er hat zu wählen zwischen der Jutta Plinz und der Lioba Schellhorn.“

Pontian Ziechner besann sich nicht und antwortete: „Die Lioba Schellhorn ist mir lieber.“

„Seid fruchtbar und mehret euch!“, rief Eustachius feierlich und schickte ihn zur Jagdhütte.

Und hier stieß Pontian Ziechner auf Lioba, die ihn mit sichtlichem Befremden daherkommen sah und darob zu zittern begann.

„Jungfrau Lioba“, sprach er zu ihr, indem er ihr die Hand bot, „der Herr hat mich zu Euch gesandt und mir anbefohlen, Euch zu meiner Ehefrau zu nehmen. Und so ich nur ein wenig Gnade vor Eurem Angesicht gefunden habe, will ich damit sogleich mit Lust und Freuden beginnen.“

Da erbleichte sie und begann zu wanken, aber er fing sie auf und hielt sie fest, dass sie vor dem Fall bewahrt blieb.

„Rettet meine Seele!“, stammelte sie, indem sie sich wie eine Ertrinkende an ihn klammerte.

„Es ist vollbracht!“, flüsterte er ihr ins Ohr, küsste ihr die Tränen von den Wimpern und führte sie durch den Wald dahin.

„Gott sei gedankt!“, rief die Mutter, als sie Lioba und Pontian Ziechner, die sich eng umschlungen hielten, zwischen den Stämmen daherkommen sah, und sprang in die Küche, um ein Festmahl anzurichten.

Und sie aßen und tranken, bis sie satt waren.

Darauf hob Janos Schellhorn seinen Becher, stieß mit Pontian Ziechner an, deutete auf Lioba, die Tränen in den Augen hatte und trotzdem lächelte und sprach: „Der Herr hat ihr nichts genommen, der Herr hat sie Euch gegeben, der Name des Herrn sei gelobt!“

Um diese Zeit pochte der Herrschaftskutscher Zigos Wollnich, der vor etlichen Wochen seine junge Frau an den Schwarzen Blattern verloren und drei unversorgte Kindlein in seiner Hütte hatte, bei der Wehmutter Simone Plinz an und sprach zu ihr: „Der Gnädige Herr hat mich zu Euch gesandt und mir anbefohlen, Eure Tochter zum Eheweib zu nehmen.“

„Welch eine frohe Botschaft!“, rief Simone Plinz, begann aber sogleich darüber nachzudenken, wie sie diese ihr durchaus missfällige Verbindung hintertreiben könnte, ohne bei dem, der sie angeordnet hatte, in Ungnade zu fallen, schenkte Zigos Wollnich, ohne ihn erst zum Niedersitzen zu nötigen, ein Glas Wein ein und schickte ihn wieder fort.

Als Jutta am Abend mit den Ziegen heimkehrte und vernahm, was Eustachius über sie beschlossen hatte, geriet sie so außer sich, dass sie mit beiden Füßen aufstampfte und rief: „Nimmermehr nehm ich ihn, diesen krummbeinigen Lulatsch mit seinen drei Rotznasen! Ich will den Kantor haben!“

„Mach dich nach Käsmark davon“, riet die Mutter, „zu Tante Manja, aber muckse dich nicht und kehre nicht eher zurück, bis ich dir Nachricht sende!“

Nur zu gern gehorchte Jutta. Noch bevor der Tau fiel und die Sonne aufging, verschwand sie unbemerkt aus Schlurkheim.

Und als Zigos Wollnich um die Mittagszeit zum zweiten Mal bei Simone Plinz anklopfte, erhob sie ihre Stimme und jammerte händeringend: „Welch ein Unglück hat mich durch Euch betroffen! Sie will noch nicht unter die Haube. Sie ist mir entsprungen! Auf und davon! In die Nacht hinaus! In die weite Welt zu den fahrenden Leuten!“

Als Zigos Wollnich mit dieser betrüblichen Zeitung vor dem Angesicht seines Herrn erschien, rief er: „Sie wird schon wiederkommen! Hier hast du zwei Heller! Und nun troll dich!“

Denn inzwischen hatte die im Vorzimmer ihrer Herrin A-nastasia schlafende und Monika genannte Jungfrau und Zofe zu erkennen gegeben, dass sie nicht ganz abgeneigt sei, sich erweichen zu lassen. Doch erst als Eustachius auf dem Altar ihrer Tugend drei Dukaten geopfert hatte, war sie endlich dazu bereit, ihn zu erhören. Aber alle seine Versuche, sie in die Jagdhütte zu locken, waren vergeblich. Denn von morgens bis abends musste sie um Anastasia bemüht sein, also dass Eustachius nur die Nachtstunden übrigblieben, um zu dem von ihm so heiß begehrten Wonneziel zu gelangen.

Er ritt nach Leutschau, forderte in der Apotheke ein kräftiges Schlafmittel, kehrte zurück und händigte es in einem unbewachten Augenblick der Zofe aus, die vor der Tante Duscha genauso viel Angst hatte wie vor der Herrin Anastasia, und flüsterte verstohlen: „Fünf Tropfen genügen, aber gib ihr lieber sechs oder sieben, damit sie uns nicht stört.“

Und so konnte denn das wundervolle Vorhaben gar nicht mehr misslingen. Eustachius schlich sich kurz vor Mitternacht an die Tür des Vorzimmers, fand sie unverriegelt und durfte nun im Pechfinstern vollbringen, was sich durchaus nicht länger aufschieben ließ. Sogar das Bett blieb so stumm wie die beiden, die sich darin um das Venusglück bemühten.

Nach wohlgelungener Tat hob sich Eustachius so lautlos von dannen, wie er gekommen war.

So trieb er es Nacht für Nacht, und seine Begierde entzündete sich immer wieder von neuem, denn die Monika benamste Zofe erschien ihm mit jedem Tage jungfräulicher denn zuvor.

Es war ihm wie ein Wunder, und seine Laune wurde immer besser. Er ließ sich sogar schon herbei, an Anastasia das Wort zu richten. Und so erfuhr er denn bald, dass sie mit dieser Zofe, die ihn unterdessen mit ihren Blicken aufs angenehmste zu reizen wusste, über alle Maßen zufrieden war. Und er lachte sich über Anastasias gut gespielte Ahnungslosigkeit ins Fäustchen wie niemals zuvor.

Am folgenden Morgen nahm die Zofe sogar die Gelegenheit wahr, im zuzuflüstern: „Gnädiger Herr, das Kindlein ist schon unterwegs.“

„Ei, sag an, wo trägst du es?“, lachte er leise und suchte ihr mit einem galanten Griff an den schlanken Leib zu kommen.

Da aber schrie sie so gellend auf, dass alle Butzenscheiben flirrten, und schon im nächsten Augenblick trat Anastasia auf die Schwelle.

Nun erkannte er plötzlich, wo ihm das Kindlein heranwuchs und wie schmählich er zum anderen Male in die Falle gegangen war.

Wie ein Donnerschlag traf es ihn. Er taumelte zurück, die Augen quollen ihm aus den Höhlen, und die Kehle versagte ihm den Dienst.

„Was ist Euch, mein Herr Gemahl?“, fragte Anastasia mit triumphierenden Lächeln.

„Schlange! Furie! Betrügerin!“, keuchte er.

„Ich weiß von keinem Betrug!“, suchte sie sich zu rechtfertigen. „Ihr wolltet mich betrügen, aber ich habe Euch davor bewahrt, also dass Ihr allen Grund habt, mir dankbar zu sein.“

Nun begann er zu rasen und zu toben, dass der ganze Speisesaal in Trümmer ging. Darauf sprengte er racheschnaubend in den Wald und kam hier zu dem Entschluss, der trügerischen Venus zu entsagen und es fortan mit dem Mars zu versuchen.

Als er heimkam, rollte die von Zigos Wollnich gelenkte Kutsche mit Duscha und der Zofe gerade zum Dorfe hinaus.