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Er gehört zu den schillerndsten Figuren in der bunten Welt der Formel 1: Kai Ebel ist TV-Reporter mit Kult- und Star-Status, und dies seit Jahrzehnten. Sein exklusiver Bekleidungsstil macht ihn ebenso wie seine überlegten, ungewöhnlichen Fragen einzigartig. Nun blickt er zurück auf 30 Jahre an den Rennstrecken dieser Welt, kehrt sein Inneres nach außen und berichtet von Erlebnissen, Erfahrungen und Erkenntnissen.
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Seitenzahl: 151
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Impressum
1. Auflage2021© Kai Ebel
Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise,nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Rechteinhabers.ISBN: 978-3-903376-00-7ISBN E-Book: 978-3-903376-01-4Lektorat: Dr. Gudrun StecherCover: Lukas Gorys, APA-PicturedeskBilder: Lukas Gorys, Privatarchiv Ebel, APA-PicturedeskGrafische Gestaltung: DI (FH) Ing. Clemens ToscaniPrinted in the EU
Gesamtherstellung:egoth Verlag GmbHUntere Weißgerberstr. 63/121030 WienÖsterreich
KAI EBEL
VON SCHUMACHER BIS SCHUMACHER
MEINE ZEIT IN DER FORMEL 1
VON SCHUMACHER BIS SCHUMACHER
ICH HABE VON DIESEM SPORT KEINE AHNUNG!
VON AUFRICHTIGKEIT, ARBEIT UND ARROGANZ
VOM LAIEN ZUM „MR. BOXENGASSE“
SCHNAUZBART ALS TARNUNG, (ZU-)FLUCHT IM KOFFERRAUM
LIVE UND WELTEXKLUSIV: MICHAEL WIRD PAPA!
KEIN EXKLUSIVVERTAG UND RTL-MILLIONEN
„SCHUMMEL-SCHUMI“ TRIFFT MICHAEL HART …
ERNSTE DREHUNG MIT AMÜSANTER WENDE
SCHUMI KLAUT REIFEN AUS DEM MÜLL
RAUS AUS DER ROTEN GURKE
DAS LETZTE ABENDMAHL MIT SCHNAPS UND WITZEN
SCHLIMMER GEHT´S NIMMER: IMOLA 1994
DER „UNFALLTEUFEL“ SITZT WEITER IM COCKPIT: KARL IM KOMA!
(UN-)SICHERHEIT MACHT SICH IM NACKEN BREIT
„(DAUER)FEUER“ IN DER FORMEL 1
„BODYCHECKS“ UND „KÖRPERKONTAKT“
NUR EINHEITSBREI MIT ABZIEHBILDERN
HERRLICHES LEBEN MIT „DAMENBEGLEITUNG“
MR. HAMILTON ALS CHAMÄLEON: MODEL, MUSIKER, MÖCHTEGERN
WER EIN ARSCH IST, IST EIN ARSCH, EGAL WELCHER HAUTFARBE
„BIG BUSINESS BERNIE“ UND „EINNAHMEN-ECCLESTONE“!
„DAS IST MEINE WIESE UND DARUNTER VERGRABE ICH MEINE FEINDE!“
„SCHURKENSTAATEN“, TODESSTRAFE, MENSCHENRECHTE, SCHWELLENLÄNDER
AMERIKANISIERUNG MIT WILD-WEST-METHODEN
EIN GESCHENK VON FRAU ECCLESTONE
DER RITTERSCHLAG: GANZ RAUF AUF DAS PODEST
VOM FIELD REPORTER BIS ZUM ACTION WALK
FALSCHES INTERVIEW, SO RICHTIG PEINLICH!
ICH WAR NIE EINER VON DEN FERNGESTEUERTEN
MIT 50 LEUTEN UM DEN ERDBALL
QUOTEN-DUELL ZWISCHEN PAY- UND FREE-TV
DIE GRAND-PRIX-EXOTEN INDIEN, AIDA, SOTSCHI …
„AIDA“ WIRD ZUM TRIUMPHMARSCH
MONTEZUMAS RACHE AUF DER ÜBERHOLSPUR
PLEITEN, PECH UND PANNEN AUF MEINEN WELTREISEN
MESSER AN DER KEHLE, PUMPGUN AM FENSTER
OFT WEISS ICH GAR NICHT, WO ICH BIN
ICH HATTE IMMER DIE WAHL, NEHME ICH DAS HALBVOLLE ODER DAS HALBLEERE GLAS.
SEI DEMÜTIG. NÜTZE DIE ZEIT. FÜGE NIEMANDEM SCHADEN ZU.
ICH BIN NICHT IMMER AUF DIE FORMEL 1 ABGEFAHREN
DIE FORMEL 1 IST SO VIEL MEHR ALS NUR IM KREIS HERUMKURVEN
KEIN STREBER, SONDERN EIN „ÖKONOMISCHER ARBEITER“
STATT BAUSTELLE STUDIUM IN KÖLN
ZUR RICHTIGEN ZEIT AM RICHTIGEN ORT!“
OHNE FERRARI-FLAGGEN KEINE FORMEL 1
„WE DON’T SELL CARS. WE SELL DREAMS.“
WIE BEI FERRARI DIE „LICHTER“ AUSGEHEN
OHNE SCHUMACHER KEIN VETTEL MÖGLICH
KEINE ERINNERUNG AN ERSTES VETTEL-TREFFEN
STURKOPF SEBASTIAN: KEIN RTL-INTERVIEW
REGENT ROSBERGS RÜCKTRITT STATT RIESEN-RTL-REKLAME
ICH BIN MEGAENTTÄUSCHT, ALS NICO NACH DEM TITEL SEINE LAUFBAHN BEENDET!
WIE ES SICH ANFÜHLT, IM COCKPIT ZU SITZEN
KEIN ENTWEDER-ODER: FORMEL 1 UND BOXEN
„NACHHALTIGKEIT“ DER KÖNIGSKLASSE
„KAI-LIGHTS“ AUF YOUTUBE
MIT VOLLGAS AB IN DEN BALLSAAL
JACHT UND CHAMPAGNER STATT BÜRO UND KAFFEE
VON KUH BIS KITSCH: KLEIDER MACHEN KAI
ALLES EINE FRAGE DES PERSÖNLICHEN STILS
MIT „MICK UND MAX“ SCHLIESST SICH DER KREIS
DER NAME SCHUMACHER: FLUCH ODER DOCH SEGEN?
VON DEN BOXEN ZURÜCK ZUM BOXEN
ANHANG
„In der Zeit vor Michael Schumacher war das einzig Deutsche in der Formel 1 die Zündkerze von Bosch!“ An dieses Zitat des damaligen RTL-Chefs Dr. Helmut Thoma muss ich immer denken, wenn ich mich an den Weg in die Boxengasse – sprich an meine Anfänge – erinnere.
Ganz ehrlich, zu diesem Zeitpunkt ist die Formel 1 im deutschen Fernsehen nicht mehr als eine Randsportart. Bitte das nicht als Kritik an den Fahrern wie Bernd Schneider, Jockel Winkelhock oder Christian Danner zu verstehen. Aber sehen wir der Wahrheit ins Auge: Deutschland und die Formel 1 sind in dieser Phase einfach zwei Paar Schuhe. Und zwar verschiedene. Milde betrachtet: Die mediale Aufmerksamkeit ist höchst überschaubar. Und auch die Fans werfen nur ab und zu einen Blick auf das Geschehen.
Rückblende. Zu Beginn der 1990er-Jahre verliert RTL die Rechte am Fußball. Der Sender muss sich daraufhin umorientieren und neu strukturieren. Der damalige Sportchef Burkhard Weber bittet mich zum Vier-Augen-Gespräch: „Kai, du als Box-Spezialist. Wir haben gerade mal drei oder vier Kämpfe pro Jahr. Das ist ein bisschen wenig und wird arbeitstechnisch wohl nicht ausreichen. Aber wir besitzen ja jetzt die Formel-1-Rechte – bisher mehr oder weniger ein Ein-Mann-Unternehmen, das möchte ich größer aufbauen. Ich denke, dass du da gut reinpasst.“
Zwei Buchstaben fehlen vom Box- zum Boxen-Spezialisten. Dennoch ist es ein Riesenschritt. Ähnlich wie der ORF mit Kommentatoren-Legende Heinz Prüller besteht auch RTL nur aus einer „One-Man-Show“: Willy Knupp, Gott hab ihn selig.
Ich fühle mich rund um den Box-Ring wohl wohler als in einer Boxengasse und antworte Burkhard mit angezogener Handbremse: „Naja, ich weiß nicht recht. Die fahren da so im Kreis herum. Ich habe kein Benzin im Blut. Ist das wirklich was für mich?“ Burkhard lässt nicht locker und gibt weiter Gas: „Doch, doch, doch. Guck es dir einfach mal an. Da kann bestimmt jede Menge daraus gemacht werden.“
Gesagt, geguckt. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr positive Facetten fallen mir auf: „So ein paar Auslandstrips könnten ganz spannend sein. Da lernst du sicher viele interessante Leute kennen.“
Gedacht, gereist. Ich trete also die erste „Fahrt“ an. Ich weiß es noch genau, es ist der Große Preis von Spanien in Barcelona 1992 – „Gran Premio de España“. Meine Premiere. So wie die Piloten habe auch ich alle Hände voll zu tun. Orientierungsphase. Einlernen der Abläufe. Einhalten der Regeln. Studieren der Sitten und Gebräuche. Schnell bemerke ich: Der Formel-1-Zirkus ist ein richtiges Big Business. Als Journalist hast du die Möglichkeit, aus dem Vollen zu schöpfen. Alle und alles da! Einfach hinlangen. Die weltweit größten Autokonzerne zeigen vor Ort ihr riesiges Potenzial. High-Tech an allen Ecken und Enden – ohne Ende. VIPs, sonst nur auf den TV-Bildschirmen ersichtlich, erscheinen hier als ganz „normale“ Gäste. Die „Scorpions“ sind zum Beispiel zugegen, jene legendäre Band, die kurz zuvor mit dem Song „Wind of Change“ in den absoluten Musik-Olymp aufgestiegen ist. Ein Ohrwurm, trotz dröhnender Geräuschkulisse. Alles „stürmt“ auf mich ein. Ich bin beeindruckt. Spätestens jetzt befällt mich das Formel-1-Fieber. Bis heute hat es mich nicht losgelassen.
Neben all den Promis, den Autos, dem Showbusiness taucht ein vielversprechendes Talent aus Deutschland auf: Michael Schumacher. Er debütiert 1991 in der Formel 1 und zieht gleich von Beginn an das Interesse auf sich. Der Name ist mir natürlich ein Begriff. Das erste Interview muss her. Ich versuche, vorab so viel wie möglich in Erfahrung zu bringen. Sein Manager heißt Willi Weber. Michael sitzt in einem Benetton. Ein paar große Namen sind mir aus der Vergangenheit geläufig: Niki Lauda, Jody Scheckter, Michele Alboreto.
Um ehrlich zu sein: Ich habe von diesem Sport so gut wie keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob ein Pilot jetzt schnell oder langsam unterwegs ist. Wann geht er ans Limit? Hat er noch Spielraum? Und überhaupt: Was ist ein Qualifying? Warum wird das freie Training im Fernsehen übertragen? Beim Fußball schaut sich doch auch niemand das Training an. Alle wollen das Spiel sehen! Zu meiner Verteidigung muss ich sagen: Ich war erfrischend uninformiert über das ganze Geschehen! Gut so. So ist es mir nämlich gelungen, etwas völlig Neues auf die Beine zu stellen.
Es ist so weit. Das erste Kennenlernen mit Michael Schumacher. Rasch stelle ich fest: Er ist ein meganetter und lieber Mensch. So wie ich ein Rheinländer. Sofort fällt mir sein typischer Dialekt auf. Ich habe das Gefühl, wir sind einander von Anfang an sympathisch. Das Interview findet nach dem Freitagstraining statt. Schumacher wird Zweitschnellster. Wir unterhalten uns über seine Leistung, aber auch über das Wetter. Damals war es noch so: Wenn das Wetter am Samstag schlecht war, galt die Zeit vom Freitag für die Startaufstellung beim Rennen. Genau dieser Fall tritt ein. Michael geht als Zweiter an den Start und kommt hinter Sieger Nigel Mansell ins Ziel.
Von diesem Tag an lernen wir einander Stück für Stück besser kennen. Schumacher bemerkt, dass dieser Typ mit dem gelben Mikrofon immer dabei ist, ob im Training, beim Rennen oder auch bei diversen anderen Veranstaltungen abseits der Rennstrecken.
So auch bei einem Event 1993 in Mönchengladbach. Michael ist zu Gast und kommt geradewegs auf mich zu: „Ach, da bist du ja wieder. Gehen wir mal einen Kaffee trinken?“ Das Kennenlernen nimmt weiter Fahrt auf. In einem Lokal am Alten Markt tauschen wir Neuigkeiten aus. Das Beste kommt allerdings nach der Plauderei. Gegenüber unserer „Kaffeetratsch-Örtlichkeit“ entdeckt Schumi einen Westernstiefel-Laden. Er will dort unbedingt hin. Ich darf ihn begleiten. Für gefühlte fünf Minuten bin ich plötzlich sein persönlicher Modeberater. Nicht auszudenken, was ich alles aus ihm hätte machen können! Auf diesen Zug springt Michael dann aber doch nicht auf. Der Verkäufer erkennt seinen prominenten Kunden, will allerdings bei mir auf Nummer sicher gehen: „Ist das nicht Michael Schumacher, der Rennfahrer?“
Er ist bekannt, aber noch kein Weltmeister. Noch ist es durchaus möglich, in Ruhe eine Tasse Kaffee zu trinken und anschließend ein Paar Westernstiefel zu kaufen. Ohne Paparazzi. Ein Bild geschossen hat höchstens der Verkäufer.
Ich lerne Michael als äußerst bodenständigen und sympathischen Kerl kennen. Bis heute frage ich mich, woher sein zweifelhafter Ruf stammt, arrogant zu sein. Das kann ich in keiner Weise bestätigen. Nicht einmal ansatzweise.
Michael ist stets ein aufrechter Mann. Auch sein Körper ist immer aufgerichtet. Vielleicht wirkt das arrogant? Kommt es möglicherweise ebenfalls „falsch“ rüber, wenn er auf der Rennstrecke zu hundert Prozent fokussiert und konzentriert seinen Job erledigt? Eben ein absoluter Vollprofi, durch und durch. Ein Perfektionist. Ihm deswegen Arroganz zu unterstellen, finde ich nicht in Ordnung.
Die Mitbewerber sitzen längst beim Essen, da hat er das Geschehen noch gar nicht richtig „verdaut“ und mit seinem Team als „Nachspeise“ über Verbesserungen diskutiert. Nichts überlässt er dem Zufall.
Ein Satz von ihm ist mir bis heute im Gedächtnis: „Erfolg ist planbar!“ Auf der Suche nach „Kleinigkeiten“ taucht er nach dem Rennen oft bei uns im Übertragungswagen auf mit der Bitte, sich die eine oder andere Sequenz noch einmal vor Augen führen zu dürfen. Die Rennställe hatten damals noch keine eigenen Aufzeichnungen. Zeitweise wird er von Teamchef Ross Brawn begleitet. Das Duo lässt sich Zeitlupen zeigen, verschiedene Streckenabschnitte immer und immer wieder vorspielen und hört nicht auf, die Konkurrenz zu beobachten. Beim Regenrennen in Japan studiert Schumacher die Fahrt von Damon Hill: „Da, wie geht das? Guck dir das an! Der Asphalt ist total nass, trotzdem gleitet er wie auf Schienen dahin.“ Als „Andenken“ geben wir Michael meist eine Kassette von der TV-Übertragung mit auf den Heimflug. Schon im Flieger dreht er sich nicht im Schlaf um, sondern analysiert hellwach Kurve für Kurve. Ein Besessener bis ins Kleinste. Nur so wirst du ein Großer. Genau das macht einen Weltmeister aus – einen siebenfachen!
Und noch eines möchte ich klipp und klar festhalten: Egal, was die Leute über ihn reden, ob sie ihn verehren, lieben oder hassen, ihn unsympathisch und arrogant finden: Den Einfluss, den Anteil, die Bedeutung, die Deutschland in der Formel 1 erlangt hat, geht einzig und allein auf Michael Schumacher zurück.
Doch wer dermaßen erfolgreich und populär in der Öffentlichkeit steht, muss sich irgendwann eine Art Schutzpanzer zulegen. Jeder Schritt wird verfolgt. Es gibt de facto kein Privatleben mehr. Ich finde, die eine oder andere patzige Antwort von ihm im Fernsehen macht ihn zutiefst menschlich.
Durch Schumachers akribische Arbeit nehme ich enorm viel mit. Mehr oder weniger lerne ich durch ihn die Formel 1 von Tag zu Tag besser kennen. Training und ab ins Hotel – damit ist es nicht getan. Da gibt es nachher noch ein Briefing und ein Debriefing.
Um mitreden zu können, muss ich wissen, worüber die Teams sprechen. Ich will mich auskennen, wie dieser Sport funktioniert und abläuft. Formel 1 ist nicht nur der Kampf eins gegen eins wie beim Boxen. Da steckt mehr dahinter. Zusätzlich zum rein Sportlichen kommt noch das Technische hinzu. Da sitzen die klügsten Köpfe der Welt beieinander und zermartern sich stundenlang die Gehirne, um irgendwo auf dem Asphalt ein paar Tausendstelsekunden rauszuholen. Im Laufe der Zeit greift bei mir ein Rad ins andere. Ich kann langsam an gewissen Schrauben drehen, um die Zusammenhänge zu verstehen.
Fest steht ebenso: Wir alle profitieren vom rasanten Schumacher-Aufstieg. Je größer sein Erfolg, desto höher unsere TV-Quoten. Und auch mein Bekanntheitsgrad steigt. Es passiert etwas völlig Unerwartetes: Plötzlich werde ich in Deutschland für den Formel-1-Experten schlechthin gehalten und obendrein als „Mr. Boxengasse“ tituliert. So fühle ich mich allerdings ganz und gar nicht. Die Leute machen etwas aus mir, was ich gar nicht bin. Ich empfinde und bezeichne mich weiterhin eher als interessierten Laien. Kein leichter Job. Klar ziehe ich mir die harten Fakten rein. Ich vermeide es, „weiche“ Fragen zu stellen. Natürlich will ich wissen, was auch das Formel-1-Publikum hören möchte. Selbstverständlich kriege ich mit, was ich vor der Kamera von mir gebe. Aber deswegen wache ich doch nicht nachts mit Benzin im Blut in der Nordschleife auf. Die wahren Helden sitzen in den Autos. Die echten Fachleute schuften in den Garagen. Das ist ein ganz anderer Wissensstand als mein bescheidenes Niveau.
Bis heute bezeichne ich mich nicht als Formel-1-Experten. Lieber beschreibe ich diese Phase als gemeinsame Reise mit Michael Schumacher. Vieles erleben wir parallel. Zum Glück existiert da ein Riesenunterschied zwischen uns: die Leitplanke! Wir halten verschiedene Dinge in Händen. Er das Lenkrad, ich das Mikro. Ich wollte nie mit ihm tauschen. Ich denke, er auch nicht.
Trotz der vielen Arbeit kommt der Spaß nie zu kurz. Eine meiner Lieblingsstorys ereignet sich nach Schumachers erstem WM-Titel mit dem Benetton. Ich bin gerade dabei, für RTL einen Trailer zu drehen. Gewohnt in „trockener“ Position vor der Kamera, taucht Michael plötzlich von hinten auf und macht mich „nass“: mit einer Dusche aus Hopfensaft! Sein „bierernster“ Kommentar dazu: „Und das alles live bei RTL!“ Es wird noch flüssiger – wir beide lachen Tränen.
Der Champion nimmt seinen mittlerweile weltweiten Bekanntheitsgrad meist mit Humor. Mit einem aufgeklebten Schnauzbart versucht er, sich zu „verschleiern“. Rasch bröckelt die Verkleidung ab. Hilft nix. „Rasiert“ – dieses Bild werde ich nie vergessen.
Ebenso unvergessen ist unser gemeinsames Abendessen im japanischen Suzuka. Sein „Zwischenstopp“ verbreitet sich mit Höchstgeschwindigkeit im ganzen Lokal. In Windeseile stehen die Fans vor seinem Sushi Schlange. Kein Stäbchen passt mehr dazwischen. Keine Chance, das Restaurant zu verlassen. Seine Anhänger sind nicht zu stoppen. Einziger Schlupfwinkel: Rein mit dem Retourgang, raus durch den Hinterausgang in der Küche.
Doch damit nicht genug. Die Fans heften sich an Schumis Fersen. Michael versucht, die Motorsportbegeisterten erneut auszubremsen: Er legt sich auf die Wagenrückbank. Wir chauffieren ihn nicht per Ideallinie, sondern auf Schleichwegen zurück ins Circuit-Hotel.
Ein anderes Mal verlagert sich Schumachers Schwerpunkt noch weiter nach hinten – in den Kofferraum des Fluchtautos. Er versucht so, möglichst unentdeckt ins Fahrerlager zu gelangen. Bei der Einfahrt zum Paddock bleibt der Schranken zu. Die Sicherheitskräfte bitten um Öffnung der Heckklappe. Die prominente Ladung wird entdeckt. Vor Staunen bleibt dem Securitypersonal der Mund offen …
Michael ändert seine Taktik. Er steigt von vier auf zwei Räder um. „Getarnt“ auf dem Motorrad, kommt er aber auch hier nicht weit. Sein folgenschwerer „Fahrfehler“: Michael setzt seinen Rennhelm auf. Verräterisch! Sogar dieser wird sofort erkannt. Trotz „(An)Gesichtsschutz“ gerät der Weltmeister blitzschnell ins „Vollvisier“ der Schaulustigen.
Ich bin dankbar, dass ich bei solchen „Versteckspielen“ des Öfteren dabei sein durfte!
Eines meiner schönsten Erlebnisse mit Michael Schumacher dreht sich rund um die Startaufstellung 1996 in Monza, hat aber Nullkommanix damit zu tun. Michael gewährt vor dem Rennen maximal zwei Interviews. Eines davon gehört immer mir. In Italien sprechen wir zunächst über den bevorstehenden Grand Prix, als er auf einmal meint: „Warte mal kurz, da gibt es noch etwas zu verkünden.“
Es knistert zwischen uns. „Ich habe immer gesagt, wenn es so weit kommt, dann melde ich mich.“ Die Spannung steigt. „Der Zeitpunkt ist da. Corinna und ich erwarten Nachwuchs!“ Das crasht. Mir bleibt die Sprache weg: Michael verkündet live und weltexklusiv vor meiner Kamera, dass er Vater wird. Das Kind ist geschaukelt. Ein großartiger Moment – auch für mich. Binnen Minuten verbreitet sich diese Nachricht rund um den Globus. Vor meinem Mikrofon. Ich wusste nichts von seinem Vorhaben. Erst später erfahre ich von seinem damaligen Pressesprecher, dass Michael es genau so wollte. Er hat es sich ganz präzise überlegt: Wo? Wann? Und bei wem? Die beiden sind sämtliche Möglichkeiten durchgegangen. In der BILD exklusiv? Bei der Pressekonferenz? Nach dem Rennen? „Nein, das machen wir beim Kai! Und zwar beim Interview während der Startaufstellung live vor dem Rennstart.“ Das musst du dir vorstellen. 15 Minuten, bevor die Ampel auf Grün springt. Der Mann hat Nerven. Was für ein Typ! O Baby, was für eine Ehre für mich!
Wie bereits erwähnt, habe ich durch Michael den Formel-1-Zirkus kennengelernt. Umgekehrt durfte ich ihm näherbringen, wie sich die Medienwelt so dreht. Er interessierte sich immer für die Berichterstattung rund um seine Person. Ebenfalls sehr wichtig war es ihm, zu wissen, wie er auf dem TV-Bildschirm rüberkommt. Nicht jedem schenkte er sein Vertrauen. Michael hielt sich oft zurück und machte komplett dicht.
Irgendwann einmal hat er dann aber kapiert, dass die Medien so sind, wie sie sind. Mit der BILD-Zeitung erlebte Schumi viele Höhen und Tiefen. Ein ständiges Auf und Ab. Dennoch hatte er mit den Jungs dort im Großen und Ganzen ein recht gutes Verhältnis, einmal mehr, einmal weniger. Er hat begriffen, dass es in diesem Business ein Geben und Nehmen ist. Beide Seiten brauchen einander. Mit ihm „verkaufte“ die BILD Schlagzeilen. Andererseits ist es nicht schlecht, wenn das mächtigste deutsche Boulevardmagazin hinter dir steht.
Auch ich stand immer hinter ihm. Das wusste er. Darum kam er stets zu mir. Viele Leute meinten, wir hätten einen Exklusivvertag mit Schumacher in Millionenhöhe, damit er vor dem Kai-Ebel-Mikro als Erster auftaucht. Blödsinn. Michael wusste ganz einfach, dass der Großteil seiner Fans bei RTL mitfieberte. Einzig und allein aus diesem Grund teilte er seine Botschaften über diesen Kanal mit. Heutzutage läuft das ja ein bisschen anders ab. Da gibt es eine genaue Reihenfolge, wann jemand wo zum Interview erscheinen muss. Ein, zwei, höchstens drei Fragen und ab zum nächsten Termin. So eine Art „Durchreiche“.