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Rudolf von Habsburg, ein unbedeutender Graf aus dem Schweizer Aargau, begründete eine Dynastie, die über Jahrhunderte hinweg Europa, ja zeitweise ein Weltreich beherrschen sollte. Die Habsburger strahlten kaiserlichen Glanz aus – doch wer waren diese vielbewunderten Herrscher? Wie lebten sie, wen liebten sie, was glaubten sie, wie regierten sie und woran starben sie – diese Fragen beantwortet die Habsburg-Expertin Sigrid-Maria Größing in diesem Buch. Beginnend im 13. Jahrhundert bis zum letzten Kaiser Karl am Ende der Donaumonarchie im Jahre 1918 werden die Herrscher vorgestellt und spannende und intime Einblicke in ihr Privatleben gewährt.
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Seitenzahl: 320
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Rudolf von Habsburg, ein unbedeutender Graf aus dem Schweizer Aargau, begründete eine Dynastie, die über Jahrhunderte hinweg Europa, ja zeitweise ein Weltreich beherrschen sollte. Die Habsburger strahlten kaiserlichen Glanz aus – doch wer waren diese vielbewunderten Herrscher? Wie lebten sie, wen liebten sie, was glaubten sie, wie regierten sie und woran starben sie – diese Fragen beantwortet die Habsburg-Expertin Sigrid-Maria Größing in diesem Buch.
Beginnend im 13. Jahrhundert bis zum letzten Kaiser Karl am Ende der Donaumonarchie im Jahre 1918 werden die Herrscher vorgestellt und spannende und intime Einblicke in ihr Privatleben gewährt.
Meiner Familie gewidmet
Zum Geleit
Vorwort
Rudolf von Habsburg – Der Überraschungskönig
Albrecht I. – Ein Gezeichneter auf dem Königsthron
Friedrich der Schöne – Herrscher mit Handschlagqualität
Albrecht II. – Die Kaiserwürde blieb ihm verwehrt
Ladislaus Postumus – Königssohn ohne Chancen
Friedrich III. – Die Krone war ihm eine Last
Maximilian I. – Kaiser, Künstler, Kämpfer
Karl V. – Herrscher über ein Weltreich
Ferdinand I. – Der „Spanier“ erobert die Herzen der Wiener
Maximilian II. – Geheimer Protestant im Hause Habsburg?
Rudolf II. – Ein Zauderer auf dem Kaiserthron
Matthias – Sieger im Bruderzwist
Ferdinand II. – Der „Cattolichissimo“ unter Habsburgs Kaisern
Ferdinand III. – Friedensbringer und Förderer
Leopold I. – Ein Künstler musste die Türkenkriege führen
Joseph I. – Reformer und Schöngeist
Karl VI. – Österreichs Barockkaiser der Pragmatischen Sanktion
Maria Theresia – Die Mutter Europas
Joseph II. – Der unverstandene Volkskaiser
Leopold II. – Er regierte das Reich nur zwei Jahre lang
Franz II. (I.) – Der „gute“ Kaiser
Ferdinand I. – Ein Opfer der Familientradition
Franz Joseph I. – Der „ewige“ Kaiser
Karl I. – Ein Herrscher, den niemand wollte
Quellen- und Literaturauswahl
Mit diesem Buch bekommen wir jeweils für einen Herrscher des k. k., ab 1867 des k. u. k. Österreich-Ungarns, das mehr umfasste als diese beiden Länder, kleine, feine Einblicke in persönliche Begebenheiten dieser Personen.
Man muss viel gelesen haben, um hier in der Lage zu sein auszuwählen, was uns eifrige Beobachter und Autoren von damals erschlossen haben oder uns mitgeben wollen. Wir können keine Zeugen mehr befragen, wie es war, aber nachfühlen kann man als historisch interessierter Mensch besser, wenn man Vergleiche von belesenen Personen mit Autorenqualität hat, die uns vermitteln, was woanders und zu anderen Zeiten beobachtet, beachtet und beschrieben worden ist.
Der Leser durchschreitet hier persönliche Verhältnisse der Regenten und deren Umgebung, deren Auseinandersetzung in den Nöten, in den Anfordernissen ihrer Epochen, oft auch ihre Begegnung mit anderen Ländern und deren Umstände. Gekrönte Könige erließen Dekrete, unterschrieben Akten oder Ernennungen, einige hörten zu: Sie versuchten sich hineinzudenken, entschieden im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des vermittelten Wissens oder auch über Einflüsterungen. Das alles war umgeben von einem Gepräge, von vielen Regeln der Gesellschaft, den ausgewählten oder gegebenen Beratern und manchmal auch von Eltern der betreffenden Herrscher oder der fernen Könige im Ausland und den brieflichen Nachbarn, mit denen die hier geschilderten Personen in Kontakt gestanden haben. Es geht aber vielleicht nicht immer um die Politik, sondern oft genug auch um Reaktionen und Veranlagung oder auch um die Bereitschaft oder die Wahrnehmung der Betreffenden.
Den Glanz dieser vergangenen Zeiten hat weder die Autorin gesehen noch erlebt, aber sie hat ihn gefühlt und mit dem Herzen wahrgenommen oder registriert. Sie erleichtert uns die Erschließung von Welten, die wir nicht in allen Bereichen aus dem Fernsehen kennen können, noch vielleicht von dort akzeptieren wollen, obwohl sich auch viele Personen mit und für dieses Medium bemühen, um uns von jenen Zeiten zu berichten.
Die Zeugen der Vergangenheit sind nicht nur Museumsobjekte, sondern auch Briefe, Berichte, bezeugte Erlebnisse, Denkmäler und Überkommenes. Diese Kostbarkeiten sind hier im Buch aufgezählt und werden uns aufgedeckt: Sonderliches und vielleicht auch Alltägliches oder Liebenswertes.
Unsere Gegenwart erlaubt vieles, aber vergessen wir nicht, dass alles erkämpft und geschaffen werden musste, ja auch was verloren gegangen ist durch schnelle Entscheidungen und Unachtsamkeit oder Verdrehung und falsches Erkennen. Auch die Altvorderen – ihre und meine Ahnen – sind auf einem Waagbalken geschritten und er hat reagiert. Die Nachwelt darf hier urteilen und steht unter dem Ausschlag der vorangegangenen Ergebnisse und Entscheidungen.
Ich danke der Autorin, in ihren Kapiteln lesen zu dürfen und freue mich gemeinsam mit den Leserinnen und Lesern, hier Geschehenes als Nachkomme zu erfahren. Herzlichen Dank.
Mag. Markus Habsburg-Lothringen,
Urenkel von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth
Mit diesem Buch will ich für meine Leserinnen und Leser eine Lücke schließen, denn immer wieder taucht bei persönlichen Gesprächen die Frage auf, wo eine biografische Darstellung aller Könige und Kaiser aus dem Hause Habsburg zu finden ist, die leicht lesbar und zudem noch übersichtlich verfasst ist. Kriterien, die ich mit diesem Buch zu erfüllen suche. Die Leichtlesbarkeit steht für mich genauso wie historische Treue an vorderster Stelle, weshalb so manche Kritiker mir vorwerfen, im „Courths-Mahler-Stil“ zu schreiben. Sie erkennen dabei nicht meine Ambitionen, historische Bücher nicht für Fachkollegen, sondern für ein breites, historisch interessiertes Publikum verfassen zu wollen, wobei es sicherlich schwieriger ist, historische Fakten korrekt in allgemein verständlichem Stil zu Papier zu bringen als im wissenschaftlich nüchternen. Alle, die nur noch wenig Erinnerung an den Geschichtsunterricht in der Schule haben, sollen an meinen Büchern Gefallen finden und sie nicht nach ein paar Seiten aus der Hand legen. Daher sind die Biografien in diesem Buch bewusst so abgefasst, dass jede Leserin, jeder Leser einen Überblick über die Könige und Kaiser aus der ältesten Dynastie Europas bekommen kann. Weil ich mich an eine vom Verlag vorgegebene Seitenzahl halten muss, habe ich mich auf wesentliche Fakten im Leben der einzelnen Herrscher beschränkt und deshalb Schlachten und Verträge nur so weit erwähnt, als sie für die weitere historische Entwicklung von Bedeutung sind. Und damit die Vertreter der Habsburger Dynastie menschliche Züge bekommen, habe ich nach jedem Kapitel eine Anekdote aus dem Leben der Persönlichkeiten angefügt.
Heutzutage sind viele Habsburger der Frühzeit in Vergessenheit geraten, obwohl auf sie die spätere Monarchie, die ein Weltreich umspannte, aufbauen konnte. Ihr Leben und ihre Verdienste wollte ich genauso aufzeigen wie die der Nachgeborenen.
Ich beginne meine Geschichte(n) mit dem ersten internationalen Vertreter des Erzhauses, mit Rudolf von Habsburg, dem Grafen aus dem Schweizer Aargau, und ende mit dem tragischen Tod des letzten Kaisers Karl auf Madeira. Daneben biete ich der Leserin, dem Leser eine Übersicht über die Vertreter des Habsburger Hauses und deren Ehepartner sowie Kinder.
Ich beschränke mich in meinem Buch auf diejenigen Habsburger, die im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und später in der Österreichisch-ungarischen Monarchie die Königs- oder Kaiserkrone trugen. Die spanische Linie der Habsburger ist deshalb nicht berücksichtigt.
Meinen Leserinnen und Lesern wünsche ich angenehme informative, aber dennoch unterhaltsame Stunden.
Großgmain, im Mai 2019
Sigrid-Maria Größing
Es war sicherlich die größte Überraschung im Leben des bis dahin unbedeutenden Grafen Rudolf von Habsburg gewesen, als er ganz plötzlich ins Rampenlicht der Öffentlichkeit geriet. Die Kurfürsten, die mächtigsten Männer im Heiligen Römischen Reich, hatten ausgerechnet ihn, einen keineswegs reichen und bekannten Mann, der bislang in allerlei Kleinkriege verwickelt gewesen war, zum deutschen König gewählt.
Von seinem Stammsitz im Aargau in der heutigen Schweiz hatte er immer wieder versucht, sein Gebiet an den Rändern zu erweitern, was natürlich seinen Nachbarn missfiel und wodurch er über Jahre in Scharmützel geriet. Dabei war er ein einfacher Mann, der weder der Oberschicht im Reich angehörte noch besondere Ambitionen hatte. Erstaunlicherweise war die Wahl der Kurfürsten auf ihn gefallen, wodurch er plötzlich ausersehen war, in der chaotischen Zeit die deutsche Königskrone zu tragen. Eine kaum bewältigbare Aufgabe!
Denn jahrelang war die Situation im Reich in der „kaiserlosen, der schrecklichen Zeit“ völlig unüberschaubar. Willkür und Rechtlosigkeit hatten sich breitgemacht, sodass jeder, der über Waffen verfügte, sich selbst schützen musste und sich sein Recht oder das, was er dafür ansah, größtenteils mit unlauteren Mitteln erkämpfte. Die beiden Scheinkönige, die man nach dem Ableben der Staufer gewählt hatte, Richard von Cornwall und Alfons von Kastilien, waren nichts als Marionetten, wobei der Spanier niemals den Boden des Reiches betreten hatte. Das Reich war zum Spielball der vielfältigen Interessen geworden. Dennoch lockte der Königsthron so manchen Abenteurer, sodass Karl von Anjou, der die Staufer zu Fall gebracht hatte, versuchte, seinen Neffen Philipp III. von Frankreich in Deutschland zu etablieren. Aber auch Friedrich von Thüringen, der Enkel von Kaiser Friedrich Barbarossa, erhob Anspruch auf die Königskrone, indem er auf die hohe Verwandtschaft hinwies, und selbst König Ottokar von Böhmen erinnerte sich plötzlich, dass er mütterlicherseits ein Enkel des Stauferkönigs Philipp von Schwaben war. Für sie alle war die deutsche Krone ein Wunschobjekt, wobei keiner der Thronprätendenten konkrete Vorschläge und Pläne unterbreiten konnte, um die verworrene Situation in den Griff zu bekommen. Denn das Land schien unregierbar zu sein.
Es musste eine Lösung herbeigeführt werden, darüber waren sich nicht nur die mächtigen Kurfürsten im Klaren. Auch der Papst fühlte sich berufen, in die deutschen Geschicke einzugreifen, wobei er sich an die Reichsfürsten wandte, von denen ihn jeder durch reichliche Geldgeschenke bei Laune halten wollte. Die heimlichen Gelder, welche im Dunkel der Nacht nach Rom wanderten, gaben schließlich den Ausschlag, dass den jeweiligen Erzbischöfen von Köln, Mainz und Trier die Würde eines Erzkanzlers verliehen wurde.
Die sieben Kurfürsten, deren Rechte und Pflichten Kaiser Karl IV. 1356 im Reichsgesetz der Goldenen Bulle festschreiben sollte, besaßen die größte Macht im Reich. Nur sie waren in der Lage, die „kaiserlose, die schreckliche Zeit“ zu beenden. Und da sie selbst keinerlei Machteinbußen akzeptieren wollten, stellten sie intensive Überlegungen an, wen sie zum König wählen sollten, der später in Rom durch den Papst zum Kaiser gekrönt werden konnte. Für sie kam nur ein Mann infrage, der keinem der sieben gefährlich werden konnte. Daher fiel ihre Wahl auf den einfachen Grafen Rudolf von Habsburg, dessen Ruf als tapferer Krieger ihm zwar vorauseilte, der aber nur eine geringe Hausmacht besaß. Er schien den Kurfürsten der Richtige zu sein, er würde für Recht und Ordnung sorgen müssen, ohne andere Kompetenzen überschreiten zu können.
Rudolf befand sich gerade in einer Fehde mit dem Bischof von Basel, als ihn die Nachricht erreichte, dass man ihm die deutsche Königskrone anbieten wollte. Als der Basler Bischof von der Wahl Rudolfs erfuhr, soll er spontan die Worte geäußert haben: „Herrgott im Himmel, sitze fest, sonst nimmt Dir dieser Rudolf Deinen Platz!“
Rudolf beendete den Konflikt mit Basel sofort, er söhnte sich mit Bischof Heinrich aus, was bei den damaligen kriegerischen Usancen schnell und unbürokratisch vonstattenging. Denn selbst während der Kämpfe machte man kurze Pausen, unterhielt sich mit dem Gegner, während man miteinander tafelte, um später, sobald die „Friedenszeit“ vorüber war, sich wieder die Köpfe einzuschlagen.
Basel wurde in den nächsten Jahren zu Rudolfs Lieblingsaufenthaltsort, 26 Mal besuchte er die Stadt und verfügte, dass seine erste Gemahlin Gertrud und sein Sohn Hartmann im Basler Münster beigesetzt werden sollten.
Obwohl der 55-jährige Rudolf nur den wenigsten der ungefähr 100 geistlichen und 13 weltlichen Reichsfürsten bekannt war, wurde sein Zug in Richtung Frankfurt am Main, wo die offizielle Wahl zum deutschen König stattfand, zu einem wahren Triumph. Endlich hatte man einen König, dessen Aufgabe es war, für Ordnung und Ruhe im Reich zu sorgen.
Am 29. September 1273 erklärte Ludwig, der Pfalzgraf bei Rhein, offiziell: „Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit, mit Willen aller Kurfürsten verkünde und wähle ich den Grafen Rudolf von Habsburg zum römischen König.“
Nach der Krönung am 24. Oktober 1273 in Aachen sah sich Rudolf zunächst mit schier unlösbaren Problemen konfrontiert. Denn es galt Geld aufzutreiben, das die Kurfürsten mehr oder weniger offiziell von ihm für die Wahl forderten: Der Erzbischof von Trier 1555 Mark, jener von Mainz 2000 Mark in Silber, der von Köln gab sich mit zwei Städten, die ihm übereignet werden sollten, zufrieden, aber auch die anderen Fürsten mit und ohne Kurwürde hielten die Hände weit auf und verlangten Geld von einem Mann, der zwar jetzt den Königsmantel trug, aber darunter eine geflickte Montur. Auch der Erzbischof von Salzburg verlangte für nicht geleistete Dienste 20.000 Mark, dazu kam, dass auch der renitente böhmische König Přemysl Ottokar mit seiner Forderung von 100.000 Mark den finanziellen Bogen absolut überspannte.
Eigentlich war Rudolf, der am 1. Mai 1218 in einem Stadthaus in Brugg im Aargau das Licht der Welt erblickt hatte, nie ein reicher Mann gewesen. Da sein Vater Albrecht die Habichtsburg vorübergehend verlassen hatte, war der Knabe wie ein einfacher Bürger aufgewachsen. Ungewöhnlich leutselig, kannte er die Sorgen des „kleinen Mannes“, mit dem er manchmal bei einem Becher Wein zusammensaß. Auch als König behielt er diese Gewohnheit bei. Er schaute, wo sich ihm die Gelegenheit bot, dem Volk im wahrsten Sinn des Wortes „aufs Maul“, was ihm die Sympathien der Menschen einbrachte. Jetzt hatte man einen König, der zum Wohle aller regieren würde!
Die Leutseligkeit Rudolfs machte sich für ihn bezahlt, auf seinen Zügen quer durch Deutschland strömten ihm die einfachen Leute zu, sodass er niemanden zwingen musste, sich ihm anzuschließen. Denn eine größere Kontroverse mit dem mächtigen Böhmenkönig Přemysl Ottokar bahnte sich schon sehr bald an. Der Böhme hatte die Wahl Rudolfs angefochten, obwohl er als einer der sieben Kurfürsten über einzelne Details informiert war. Ottokar hatte als junger Mann Margarethe, die Witwe des Staufers Heinrich VII., beinahe mit Gewalt geheiratet, um in den großen Babenberger Besitz zu kommen. Denn die Länder des letzten Babenbergers Friedrich II. des Streitbaren waren nach dessen Tod in der Schlacht an der Leitha an seine Schwester Margarethe gefallen, wie es seinerzeit im Privilegium minus festgelegt worden war. In seinem Machtstreben hatte sich Ottokar darüber hinweggesetzt, dass er ungefähr halb so alt wie Margarethe war und dass sie nach dem Tod ihres Gemahls einen Eid geschworen hatte, nie mehr zu heiraten.
Obwohl Rudolf anlässlich seiner Krönung gelobt hatte, „von nun an Schirmer des Friedens zu sein, wie ich bisher ein unersättlicher Kriegsmann gewesen“, sah er sich schon bald genötigt, König Ottokar aufzufordern, ihm als dem neuen deutschen König den Lehenseid zu leisten. Auf dem Reichstag von Nürnberg, der im Jahre 1274 einberufen worden war, forderte er den Böhmen auf, sich belehnen zu lassen oder die Gebiete, die er sich angeeignet hatte, herauszugeben. Für Ottokar geradezu eine Provokation! Denn für den „eisernen“ oder „goldenen“ König, wie er von seinen Untertanen genannt wurde, klang die Aufforderung Rudolfs, des „Krämerkönigs“, wie ein Hohn. Über die angedrohten Folgen der Verweigerung, „binnen Jahr und Tag“ die Reichsacht über Ottokar zu verhängen, vermochte er nur zu spotten. Was Ottokar in dieser Situation nicht erkannte oder falsch einschätzte, war die Tatsache, dass nicht der kleine Graf Forderungen an ihn stellte, sondern der deutsche König, der aufgrund seines Amtes bei der Durchsetzung seiner Anliegen von allen Seiten Unterstützung erhielt. Denn als Rudolf zum Feldzug gegen den unbotmäßigen Böhmenkönig aufrief, schlossen sich seinem Heer nicht nur überall in Schwaben und Franken Männer an, auch Heinrich von Niederbayern stellte eine Ritterschar zur Verfügung, der sich noch weitere 2000 Ritter hinzugesellten. Als Ottokar erfuhr, dass Graf Meinhard Kärnten, Krain und die Steiermark besetzte und von Osten Ladislaus IV. von Ungarn mit einem Einmarsch in die österreichischen Gebiete drohte, kam er zur Besinnung und bat um Frieden. Rudolf nahm das Angebot an und belehnte Ottokar mit den Ländern, in denen er regierte. Ob sich bei der Belehnungszeremonie tatsächlich die Zeltwand öffnete, sodass alle Anwesenden den vor Rudolf knienden Ottokar erblickten, ist nach wie vor nicht erwiesen, aber birgt in sich immerhin eine gewisse Dramatik.
Um die scheinbare Versöhnung zu besiegeln, fanden zwei Eheversprechen statt: Rudolfs Tochter Guta wurde dem Sohn Ottokars Wenzel zugesprochen, während Rudolf, der Sohn des deutschen Königs, Ottokars Tochter ehelichen sollte.
Persönliche Bande spielten in Rudolfs Leben eine besondere Rolle. Er selbst war seit 1253 mit Gertrud von Hohenberg verheiratet, die aus einem nicht unbedeutenden schwäbischen Geschlecht stammte. Sie hatte nach der Krönung in Aachen den christlichen Namen Anna angenommen und verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens auf der Burg Stein. 14 Kinder entsprossen dieser Verbindung, davon allein sechs Töchter, die Rudolf, man könnte sagen, politisch gewinnbringend überall im Reich verheiratete. Die älteste Tochter Mathilde wurde die Gemahlin des Pfalzgrafen bei Rhein, Ludwig II. des Strengen, ihre Schwester Hedwig ehelichte Otto IV., Markgraf von Brandenburg, Agnes Gertrud wurde die Gemahlin von Albrecht II. von Anhalt, Herzog von Sachsen und Wittenberg, die Hochzeit von Katharina und Otto III., Herzog von Niederbayern, fand in Wien statt. Den weitesten Brautzug unternahm zweifelsohne Klementia, die in Neapel mit dem Titularkönig von Ungarn Karl Martell, einem Nachkommen des berühmt-berüchtigten Karl von Anjou, vermählt wurde.
Da aber Rudolf auch danach trachtete, dass die Söhne politisch klug an die Frau gebracht wurden, bestand der Plan, durch eine Heirat seines Lieblingssohnes Hartmann mit Johanna, der Tochter des englischen Königs Eduard I., verwandtschaftliche Beziehungen auf europäischer Ebene zu knüpfen. Der Tod machte allerdings einen dicken Strich durch die Rechnung. Zum großen Leidwesen der Eltern ertrank Hartmann, den Rudolf gerne als seinen Nachfolger gesehen hätte, in den Fluten des Rheins. Hartmann wäre wegen seines fröhlichen, unkomplizierten, umgänglichen Wesens der richtige Mann auf dem Thron gewesen.
Man kann aufgrund der Heiratspolitik, die Rudolf betrieb, mit Fug und Recht behaupten, dass er der Erfinder des späteren Wahlspruches der Habsburger „bella gerant allii, tu felix Austria nube“ hätte sein können.
Die Absicherung durch die verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb des Reiches konnte Rudolf gut gebrauchen, denn der Friede mit Přemysl Ottokar war nur von kurzer Dauer. Der ehrgeizige Böhmenkönig hatte die Belehnung durch den von ihm verachteten Rudolf von Habsburg als einzige Schmach angesehen, die es galt, auf kriegerische Weise zu rächen. Vom Geist der Rache beseelt, stellte Ottokar ein gewaltiges Heer auf, wobei er sich nicht nur auf die böhmischen Untertanen verlassen konnte. Es war ihm zusätzlich gelungen, einige Reichsfürsten auf seine Seite zu ziehen, sodass es für Rudolf ein gewagtes Abenteuer bedeutete, gegen den Böhmen zu ziehen. Und da sein Heer zahlenmäßig unterlegen war, baute er nicht nur auf die Hilfe Gottes, sondern ließ sich eine neue Strategie für die kommende Schlacht einfallen. An einem Freitag, Rudolfs Glückstag, am 26. August 1278 trafen die Ritterheere im Marchfeld zwischen Dürnkrut und Jedenspeigen aufeinander. Die Stunde der Machtübernahme der österreichischen Gebiete durch die Habsburger war mit dem Tod Ottokars, den er nicht als Kämpfender, sondern aus Privatrache gefunden hatte, besiegelt.
Als Sieger war Rudolf in Wien eingezogen, wo er vier Jahre lang blieb, um die Angelegenheiten in diesen neu erworbenen Gebieten zu regeln, wobei er zunächst seinen Sohn Albrecht 1282 als Statthalter einsetzte, da nur noch zwei seiner Söhne am Leben waren, deren Zukunft es abzusichern galt. Obwohl vor allem der Erzbischof von Köln unmissverständlich zeigte, dass er mit der „Hauspolitik“, die Rudolf betrieb, nicht einverstanden war, belehnte der König sowohl Albrecht als auch seinen Sohn Rudolf – beide erhob er in den Reichsfürstenstand – „zur gesamten Hand“ mit Kärnten, Krain, Österreich und der Steiermark. Es stellte sich aber bald heraus, dass diese Entscheidung den Keim zukünftiger Zwistigkeiten in sich trug. Daher änderte der königliche Vater 1283 die Machtverhältnisse in der Rheinfeldener Hausordnung und bestimmte Albrecht zum alleinigen Herrscher über die neu gewonnenen Gebiete.
Rudolfs vorrangiges Ziel bestand nach seinem Kampf gegen Přemysl Ottokar darin, die Sicherheit und Ordnung im Reich herzustellen, wobei er rigoros gegen die Raubritter vorging, die immer noch den Handel zum Erliegen brachten.
Daneben musste er sich mit seltsamen Problemen beschäftigen, denn in Köln war ein Mann aufgetaucht, der sich als illegitimer Sohn von Kaiser Friedrich II. ausgab, was besonders in den Gebieten am Rhein für große politische Verwirrung sorgte. Rudolf ließ diesen überaus eloquenten „falschen Friedrich“, der ihm gefährlich werden konnte, vorladen. Nach der hochnotpeinlichen Befragung unter der Folter gestand er seinen bürgerlichen Namen Dietrich Holzschuh. Sein Tod war dadurch besiegelt; Rudolf kannte keine Gnade und ließ den Betrüger grausam hinrichten. Nicht nur innerpolitisch kam Rudolf nicht zur Ruhe, auch mit dem französischen König bahnten sich Schwierigkeiten an, da Rudolf nach wie vor zu erkennen gab, dass er vor allem seine Gebiete im Westen des Reiches zu erweitern trachtete. Vielleicht legte er den Grundstein für die jahrhundertelangen Konflikte mit Frankreich.
Seit seiner Wahl zum deutschen König ging Rudolfs Bestreben dahin, vom Papst zum Kaiser gekrönt zu werden. Obwohl sich Rudolf von Anfang an intensiv bemühte, einen der sieben Päpste, die während seiner Regierungszeit auf dem Stuhl Petri saßen, dafür zu gewinnen, ihm die Kaiserkrone aufzusetzen, scheiterte jeder geplante Romzug an den finanziellen Mitteln. Denn für diese Krone verlangten die Päpste viel Geld! Dabei war es nicht persönliche Eitelkeit, die Rudolf bewog, sich intensiv um die Kaiserkrone zu bewerben, es war vielmehr eine dynastische Angelegenheit. Denn trug der Vater die Kaiserkrone, konnte sich einer der Söhne zum König wählen lassen, was die Kurfürsten aber wahrscheinlich verhindert hätten. Schließlich waren die Schatten der staufischen Vergangenheit noch zu präsent!
Rudolf von Habsburg wurde als uralter Mann auf den Thron berufen. Er muss ein unwahrscheinlich aktiver, dynamischer Mensch gewesen sein, der Erstaunliches in jenen 18 Jahren, in denen er die deutsche Königskrone trug, erreichte. Er schien aber in jeder Hinsicht vital gewesen zu sein, denn nach dem Tod seiner ersten Gemahlin Gertrud heiratete er mit 66 Jahren die erst 14-jährige Agnes von Burgund. Über diese seltsame Ehe, durch die Rudolf eine Verbindung nach Frankreich suchte, ist wenig bekannt. Ob die junge Frau mit ihrem alten Gatten, so wie es ein Leben lang Rudolfs Gewohnheit gewesen war, ununterbrochen durch die Lande zog, ist in den Chroniken nirgendwo vermerkt.
Allmählich hinterließ das Wanderleben des Königs seine Spuren. Rudolf war zu einem alten illusionslosen Mann geworden, der sich bewusst auf den nahen Tod vorbereitete. Längst hatte er beschlossen, dass er in Speyer beigesetzt werden wollte, wo einige deutsche Kaiser ihre letzte Ruhe gefunden hatten. Er verfolgte das Ziel, noch als Lebender in Speyer einzuziehen, um seine letzten Angelegenheiten persönlich zu regeln. Dies sollte ihm nicht mehr vergönnt sein. Als er von Germersheim kommend in den frühen Morgenstunden in Speyer einritt, waren seine körperlichen Kräfte am Ende. Noch am selben Tag, am 15. Juli 1291, ereilte ihn der Tod.
Über Rudolf von Habsburg erzählte man sich schon zu Lebzeiten zahlreiche Histörchen und Anekdoten. Er galt als ungewöhnlich bescheiden und leutselig, mit einer auffallend langen Nase, die seine Zeitgenossen zu Scherzen hinreißen ließ. So soll Rudolf in einem schmalen Hohlweg durch ein Fuhrwerk behindert worden sein, das nicht ausweichen wollte. Als man den Kutscher aufforderte, Platz zu machen, rief der erboste Mann, der den König nicht erkannt hatte, dass er an so einer langen Nase nicht vorbeikäme. Worauf der König an seine Nase fasste, sie zur Seite bog und lachend fragte: „Nicht wahr, so geht’s?“
Bei aller Leutseligkeit aber war Rudolf ganz im Stil der Zeit eine gewisse Grausamkeit nicht abzusprechen. Gnade mit den Besiegten kannte auch er nicht, vor allem vor Basel wüteten die Männer des Königs in dessen Auftrag mit unvorstellbarer Brutalität.
Durch List und Tücke konnte man vieles erreichen. Das wusste auch Rudolf. So soll er einen Ritter, dessen Besitz er haben wollte, zu einem festlichen Essen eingeladen haben, in dessen Verlauf plötzlich Schergen des Königs auftauchten, die den verblüfften jungen Mann gefangen nahmen. Sie schleppten den Unglücklichen zu einem gefrorenen Teich und versenkten ihn unter der Eisdecke.
Der König bezeichnete sich selbst als Fuchs, was er bei Gelegenheit auch seinen Untertanen in Form eines Gleichnisses klarmachte: Er erzählte, dass vier Tieren der Vorschlag gemacht wurde, in eine Höhle zu gehen. Drei der Tiere befolgten den Rat, nur der Fuchs wartete ab, ob die Tiere wieder ans Tageslicht kämen. Der schlaue Fuchs war der einzig Überlebende, denn keines der Tiere wurde je wieder gesehen!
Sein Vater Rudolf von Habsburg hatte ihn zwar zum Nachfolger ausersehen, aber die mächtigen Kurfürsten dachten nicht daran, Albrecht zum deutschen König zu küren.
Als Albrecht, der älteste Sohn des unbedeutenden habsburgischen Grafen aus dem Aargau und seiner Ehefrau Gertrud von Hohenberg, im Juli 1255 in Rheinfelden das Licht der Welt erblickte, war sein politischer Aufstieg, den er nach dem Tod seines Vaters nach vielen Schwierigkeiten und Hindernissen machte, nicht absehbar.
Da Albrecht selbst engste Familienmitglieder durch sein düsteres, unnahbares Wesen immer wieder brüskierte, stand ihm sogar der Vater, wenn es um die Nachfolgefrage ging, skeptisch gegenüber. Hartmann, der zweitgeborene Sohn, war König Rudolfs Liebling, ein fröhlicher, umgänglicher junger Mann – ihn hielt der König für besser geeignet, die Krone des Heiligen Römischen Reiches zu tragen.
Die Kurfürsten allerdings hatten andere Motive, Albrecht zunächst nicht den deutschen Thron anzubieten. Man wollte unter allen Umständen eine Erbmonarchie wie zur Zeit der Staufer verhindern. Aber letztlich kam alles anders als geplant, denn Hartmann ertrank bei einem Schiffsunglück im Rhein und der von den Kurfürsten nach dem Tode Rudolfs gewählte Adolf von Nassau erwies sich als unfähiger Glücksritter. Albrecht wurde daher doch noch – und sogar zwei Mal – zum deutschen König gewählt.
Obwohl Albrechts Vater mehr als genug Probleme zu lösten hatte, kümmerte er sich vorbildlich um das Wohl seiner Kinder. Selbst die Braut hatte er frühzeitig für seinen ältesten Sohn ausgesucht, wenngleich Albrecht erst zehn Lenze zählte. Dabei waren nicht Schönheit und Liebreiz der Tochter des mächtigen Grafen Meinhard von Tirol für die Wahl ausschlaggebend, sondern einzig und allein politische Überlegungen. Zudem war der zukünftige Schwiegervater ein reicher Mann, der auch bei der Mitgift seiner Tochter Elisabeth nicht knauserte, als im Jahre 1274 die Hochzeitsglocken läuteten. Sie kündigten den Beginn einer glücklichen Ehe an, aus der 21 Kinder hervorgingen. Elisabeth war eine ungewöhnliche Frau, die wie durch ein Wunder nicht nur die beinah alljährlich stattfindenden Geburten überlebte, sondern wo immer sie konnte, ihren Gemahl begleitete und ihm mit Rat und Tat zur Seite stand.
Es gab im Leben Albrechts nicht sehr viele Menschen, auf die er sich felsenfest verlassen konnte. Dabei zweifelte der Vater nicht an den politischen Fähigkeiten seines Sohnes, denn schon vor der Schlacht auf dem Marchfeld hatte er den erst 19-jährigen Albrecht in den Oberen Landen, den eigentlichen Hausgütern der Habsburger, als Stellvertreter eingesetzt.
In seinem Charakter war Albrecht, der neue Herr von Österreich und der Steiermark, sicherlich ungewöhnlich zwiespältig, anders lassen sich seine Reaktionen nicht verstehen. Denn auf die Empörung der Wiener und die damit verbundenen Revolten, die 1288 ein charismatischer Mann namens Paltram angezettelt hatte, reagierte er mit ungewöhnlicher Brutalität, zerriss außerdem vor den Augen der gedemütigten Bevölkerung die Urkunde, auf der die Reichsfreiheit garantiert war, um dann plötzlich milde gestimmt den Wienern ein umfangreiches Privilegium im Jahre 1297 zu verleihen, das bis 1526 seine Gültigkeit haben sollte.
Herzog Albrecht war ein glänzender Organisator, der, als er erkannte, dass er die anfallenden Probleme unmöglich selbst lösen konnte, eine bestens funktionierende Kanzlei einrichtete, die aus zwei Oberbeamten, dem Pronotar, einem Notar und einigen Schreibkräften bestand. Sie sollten sich mit grundrechtlichen Fragen beschäftigen und hatten die Befugnis, auch in anderen Landesteilen in Rechtsstreitigkeiten einzugreifen. Dass dies das Missfallen manch konservativer Landesherren hervorrief, verwunderte kaum. Aufstände in allen Teilen des Landes waren die Folge von Albrechts zentraler Politik, sowohl in Ungarn als auch an der Leitha und in den Oberen Landen. Besonders gefährlich war die Revolte in der Steiermark, die vom Erzbischof von Salzburg und dem Herzog von Niederbayern nicht nur durch Mundpropaganda unterstützt wurde.
Albrecht statuierte ein Exempel: Wider jegliche militärische Strategie zog er mit einem bunt zusammengewürfelten Heer bei tiefem Schnee und klirrender Kälte mitten im Winter über den, wie es schien, unpassierbaren Semmering – ein Unterfangen, das man in der Steiermark nie erwartet hätte. Nach seinem Sieg über die unbotmäßigen Steirer tat Albrecht etwas völlig Überraschendes: Er schonte die Besiegten!
Und dennoch eilte Herzog Albrecht kein guter Ruf voraus. Landauf, landab wurde er im Reich in den düstersten Farben geschildert, und das in einer Zeit, in der die Kurfürsten nach dem Tod von König Rudolf zur Wahl eines neuen Königs schritten. Albrecht sah sich einer Phalanx gegenüber, die es zu überwinden galt.
Zunächst sah alles so aus, als würde er nie die deutsche Königskrone tragen, denn die Kurfürsten wählten als Nachfolger Rudolfs einen Mann, dem sie gar nichts zutrauten, am wenigsten Machtgelüste: Adolf von Nassau. Obwohl sie damit das Risiko größerer Zwistigkeiten mit Albrecht in Kauf nahmen, verhielt sich der Habsburger überraschend friedlich, ja er händigte dem neuen König sogar die Reichsinsignien aus, die sich in seinem Besitz befanden, und ließ sich offiziell belehnen. Diese öffentlich zur Schau gestellte Friedfertigkeit Albrechts war letztlich bloß eine schlaue Taktik, denn der Habsburger wartete nur darauf, bis die Kurfürsten erkannten, dass auch ein Adolf von Nassau sein Stammgebiet zulasten einzelner Gebiete in Thüringen zu erweitern trachtete. Das war den Kurfürsten eindeutig zu viel! Sie beschritten daher einen Weg, der bisher undenkbar gewesen wäre: Sie setzten den von ihnen auserkorenen und gekrönten deutschen König ab! Und wählten den ihnen unsympathischen Albrecht, den man noch als das kleinere Übel ansah.
Albrecht erkannte zum einen die Animositäten, die die Kurfürsten Adolf gegenüber entwickelt hatten, zum anderen musste er sich den Rücken frei machen, um einen Kampf auf Leben und Tod mit seinem immer noch amtierenden Gegenkönig Adolf zu wagen. Der Habsburger war durch und durch Realpolitiker, der die Situation im Reich und in den angrenzenden Ländern richtig einschätzte. Durch kluge Schachzüge brachte er die Verehelichung seiner zahlreichen Nachkommen zustande, eine Tochter heiratete den ungarischen König und ein Sohn die Tochter des französischen Königs Philipp des Schönen, wodurch er sowohl im Osten als auch im Westen den Rücken frei hatte. So abgesichert, konnte er Adolf von Nassau zum Kampf herausfordern. Bei Göllheim in Rheinhessen trafen die Ritterheere bei glühender Hitze aufeinander. Obwohl Adolf von Nassau heldenhaft um seine Königsehre kämpfte, verloren er und viele seiner Anhänger im Kampf ihr Leben, wobei eine nicht geringe Anzahl der Ritter in der eisernen Rüstung der Schlag traf.
Nun war der Weg frei für eine nochmalige Wahl, in der man Albrecht als deutschen König bestätigte und ihn am 24. August 1298 in Aachen krönte. Wenn auch Albrecht von den meisten Chronisten als Machtmensch geschildert wurde, der seine Ziele ob im Westen oder Osten mit brutalen Methoden durchsetzte, so war er doch vor allem ein Kind seiner Zeit, die an unvorstellbaren Grausamkeiten nur noch im Dreißigjährigen Krieg überboten wurde. Allein schon durch seinen düsteren unnahbaren Gesichtsausdruck war es ihm beinah unmöglich, wahre Freunde zu finden. Einzig und allein in Schwaben rekrutierte er seine Anhänger und verteilte sie über seine Herrschaftsgebiete in den späteren österreichischen Ländern. Er zeigte sich auch seinen wenigen Freunden gegenüber rigoros und stellte – selbst ein treuer Ehemann – hohe moralische Ansprüche. Da er sich rühmte, nie untreu gewesen zu sein, verachtete er unkeusche billige Weiber, was im Chronicon Austriacum eigens vermerkt ist: „Unter den übrigen deutschen Fürsten erstrahlte er wie die Sonne unter den Gestirnen durch seine ausgezeichnete Tugend, besonders weil er, zufrieden mit der angetrauten Gattin, die eheliche Keuschheit hielt und ausgelassene Zusammenkünfte vermied.“
Bei allem politischen Gespür und seinem Realitätssinn fehlten dem hünenhaften, athletisch gebauten König Eigenschaften, die sein Vater und auch sein Bruder Hartmann besessen hatten: Man vermisste bei Albrecht jegliches Gefühl der Wärme, er besaß nicht einen Funken Charme. Wo der düstere Mann auftauchte, entstand ein Gefühl der Furcht. Dazu trug natürlich auch die Verletzung des linken Auges bei, die er sich durch die Behandlungsmethoden der Ärzte zugezogen hatte. Albrecht war seit dem Jahr 1295 einäugig, eine Tatsache, die in der damaligen Zeit zu allen möglichen Spekulationen Anlass gab.
Wenngleich ihm von allen Seiten wenig Sympathien entgegengebracht wurden, stellte sich Albrecht mit dem Papst wider Erwarten gut, da er die Absicht verfolgte, von Bonifaz VIII. zum Kaiser gekrönt zu werden. Dabei war dieser Papst alles andere als ein umgänglicher Mann, wo immer er auftrat, spuckte er Gift und Galle. Daher war man allgemein im Reich überrascht, dass ausgerechnet der unzugängliche Albrecht in gutem Einvernehmen mit dem Mann auf dem Stuhle Petri zu sein schien. Aber zwei Machtpolitiker standen einander gegenüber und obwohl Bonifaz Albrecht mit allen möglichen Schimpfnamen bedachte – er bezeichnete ihn als Rebellen, Thronräuber, ja sogar als Majestätsverbrecher und Kirchenverfolger, den er mit dem Kirchenbann bedrohte –, ließ sich Albrecht nicht aus der Fassung bringen. Er gab sich lammfromm und erfüllte alle Forderungen, die der Papst stellte, bis ins Kleinste – sehr zur Verwunderung der Kurfürsten. Sein Ziel war nämlich, die Hände frei zu bekommen und die habsburgische Hausmacht sowohl im Osten als auch im Westen zu erweitern.
Albrecht hatte nicht schlecht kalkuliert, denn schließlich beruhigte sich der Papst und lud den deutschen König zur Kaiserkrönung ein. Allerdings machte der Tod einen Strich durch die Rechnung, denn der allseits unbeliebte Bonifaz wurde bei einem Attentat so schwer verletzt, dass er eine Woche später starb.
Der Traum von der Kaiserkrone war für Albrecht zunächst ausgeträumt. Es zeigte sich, dass auch die Königswürde keineswegs erstrebenswert war, denn die Kurfürsten warfen Albrecht Prügel in den Weg, wo sie nur konnten. Anlässe gab es genug, denn viele der Neuerungen, die Albrecht anordnete, verletzten die Kompetenzen der Kurfürsten. Albrecht sah sich selbst als rechtschaffenen Mann, woran aber viele seiner Kontrahenten zweifelten. Es fanden sich wenige, die seine Ambitionen verstanden, die etwas Positives in der Schaffung eines Beamtenapparats, in der Aufstellung einer funktionierenden Streitmacht sahen und die sein Gerechtigkeitsgefühl schätzten. Aber aufgrund seines herben Wesens stieß er so manchen vor den Kopf. Er war den Kurfürsten, aber auch den Bauern in der Schweiz, die fürchteten, unter Habsburgs Knute zu geraten, ein Dorn im Auge. Albrecht war unbeliebt, wo immer er auftauchte.
Auch in der eigenen Familie gab es Schwierigkeiten, die noch auf die Zeit zurückgingen, als der Vater, König Rudolf, Albrecht und Rudolf zur gleichen Hand belehnt hatte. Nachdem Albrecht nach dem Tod seines Bruders keine Anstalten gemacht hatte, dessen Sohn Johann, seinem Neffen, verschiedene Besitzungen zu übereignen, die ihm kraft des Vertrages von Rheinfelden zustanden, sann Johann auf Rache. Albrecht erkannte nicht die Gefahr, in der er schwebte, denn er sah in Johann zumindest einen zukünftigen Mitregenten. So wurde über das Verhältnis von Albrecht und Johann folgende Anekdote berichtet: Als beide gemeinsam ausritten, soll König Albrecht Zweige von einem Baum gepflückt, zu einer Krone gewunden und dem 16-jährigen Neffen aufs Haupt gesetzt haben, mit den Worten: „Dies lässt Euch der Zeit mehr erfreuen als die beschwerlichen Regierungssorgen. Sie werden Euch noch früh genug aufgebürdet werden!“
Es sollte ganz anders kommen. Johann konnte seinen Hass auf Albrecht kaum mehr im Zaum halten, als ihm dieser bei einem Festmahl, zu dem er geladen war, einen Kranz überreichte. Wutentbrannt schleuderte er das Gebinde von sich, indem er schrie, er wäre zu alt, um mit Blumen abgespeist zu werden. Er wolle endlich bekommen, was ihm zustünde.
Das empörende Verhalten des Neffen hätte den König aufrütteln müssen, aber er blieb ahnungslos. Als er am 1. Mai 1308 nach Brugg reiten wollte, um seine geliebte Gemahlin wiederzusehen, sprengten die Verschwörer unter Führung seines Neffen aus dem Hinterhalt. Den ersten Schlag führte Johann aus, der dem Onkel den Schädel spaltete. Um auf Nummer sicher zu gehen, stachen Johanns Kumpane Rudolf von Wart, Rudolf von Balm, Walter von Eschenbach und Konrad von Tegerfelden auf den vom Pferd gestürzten König wie besessen ein, der nicht die geringste Chance gehabt hatte, diesem Mordanschlag zu entgehen.
Die Reaktionen auf den Tod König Albrechts waren zweigeteilt: Viele Menschen fühlten sich von einem Unterdrücker befreit, der ihre Rechte, wo es nur ging, geschmälert hatte. Sie konnten Johann, der den Beinamen „Parricida“ (Königsmörder) erhielt, nicht genug danken. Andere, die die reformerischen Absichten des Toten erkannt hatten, weinten bittere Tränen und verurteilten den Königsmord als das größte Verbrechen, das Menschen begehen konnten.
Johann Parricida entzog sich Hals über Kopf durch Flucht einem ordentlichen Gerichtsverfahren. Erst im September 1309 fand die offizielle Ächtung des Königsmörders in Speyer statt. Johann wurde seines Lebens nicht mehr froh. Er verbrachte die Jahre bis zu seinem Tod hinter Klostermauern in Pisa, wo er von den Mönchen, die ihn bewachten, zutiefst verachtet wurde.
Albrecht war zeit seines Lebens in innere und äußere Kämpfe verwickelt gewesen, wobei sein Äußeres viel dazu beigetragen hatte, dass er beinahe von Freund und Feind gemieden wurde, denn er war ein Gezeichneter, ein Einäugiger – beim Aberglauben, der im Mittelalter herrschte, eine schreckliche Hypothek für einen Herrscher. Der einzelne unwissende Mensch erblickte in allem, was nicht den Normen entsprach, eine Verbindung zu dunklen Mächten, die die Welt beherrschten. Daher konnte ein Herrscher, der auf einem Auge blind war, nur mit dem Teufel im Bunde sein!
Es war eine Tragik für Albrecht, dass er nach einem opulenten Mahl plötzlich von schweren Krämpfen befallen wurde, die ihm die Besinnung raubten. Man verdächtigte die Köche, eventuell verdorbene Lebensmittel verarbeitet zu haben oder, nachdem die Untersuchungen in dieser Richtung kein Ergebnis brachten, dass eventuell Gift im Spiel war. Da Albrecht sich in Krämpfen wand, flößten die Ärzte ihm purgierende und abführende Mittel ein, wodurch die Koliken aber noch verstärkt wurden. Albrecht schien dem Tod geweiht! In dieser verzweifelten Situation kam man auf die Idee, den jungen Mann an beiden Füßen verkehrt aufzuhängen, damit das Gift aus dem Körper fließen konnte. Wie lange Albrecht so hing, ist nicht bekannt. Tatsächlich überlebte er die Prozedur, ein Auge aber war für immer zerstört. Das Schicksal hatte ihn zu einem Außenseiter gemacht!
Dass der zweitgeborene Sohn König Albrechts I. und seiner Gemahlin Elisabeth doch noch königliche Ehren erlangte, grenzte beinah an ein Wunder. Denn keiner konnte jemals glauben, dass der Habsburger Friedrich, der Jahrhunderte später erst den Beinamen „der Schöne“ erhielt, jemals Chancen haben würde, zumindest als Mitregent nach den langen Kämpfen mit seinem Cousin Ludwig dem Bayern auf dem deutschen Thron zu sitzen. Aber von Ehrgeiz getrieben, genügten Friedrich nicht die habsburgischen Länder, für die ihm sein Vater Albrecht 1306 die Verwaltung übertragen hatte. Sein vorrangiges Ziel war nach dem frühen Tod seines älteren Bruders Rudolf, der zum König von Böhmen erhoben worden war, zunächst die böhmische Krone zu erlangen, ein Unterfangen, bei dem er von seinem Vater jede Art von Unterstützung erhielt, aber dennoch scheiterte.
Als sein Vater völlig überraschend im Jahre 1308 ermordet wurde, war es für den 19-jährigen Friedrich klar, dass er sich um die deutsche Königskrone bewerben würde, obwohl er an den Reaktionen der Kurfürsten, mit denen schon sein Vater ununterbrochen Schwierigkeiten gehabt hatte, ablesen konnte, dass sie keineswegs unbedingt gewillt waren, wieder einen Habsburger zu wählen. Herzog Friedrich und seine Brüder, die im weiteren Verlauf noch eine große Rolle spielen sollten, mussten zunächst froh sein, dass der neue König Heinrich VII. von Luxemburg sie mit den habsburgischen Ländern belehnte.