Kaltes Land unter heißer Sonne (Teil 1) - Patricia Bastian-Geib - E-Book

Kaltes Land unter heißer Sonne (Teil 1) E-Book

Patricia Bastian-Geib

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Beschreibung

Unterhaltsam und persönlich porträtiert die Autorin das Land, teilt ihre Eindrücke und Gedanken mit dem Leser, nimmt ihn mit auf die Reise. Ob im quirligen Souk einer malerischen Medina oder in einer bezaubernden Oase, ob in der Stille der Wüste oder in einer lebhaften Küstenstadt, der Leser ist mittendrin und bekommt das Gefühl, dabei zu sein. Marokko - Scharnier zwischen Europa und Afrika, zwischen Orient und Okzident. Ein Land voller Gegensätze, für das man sich vielleicht etwas mehr Zeit nehmen muss. Dann kann schon die erste Reise der "Beginn einer wunderbaren Freundschaft" werden. Redaktionelle Information: Der Titel des Buches wurde geändert. Dies ist die 2. überarbeitete Auflage des alten Titels Marokk ´n´ Roll.

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Seitenzahl: 98

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Zur Autorin:

Ballast abwerfen. Zu neuen Ufern aufbrechen. Zeit haben. Reisen.

Die Autorin und ihr Ehemann wagten es und tauschten ihren festen Wohnsitz gegen ein Nomadenleben. Sechs Jahre lang waren sie mit ihrem Reisemobil in Europa und Nordafrika unterwegs. Die Straße war ihr Zuhause. Heute leben sie in Idstein im Taunus, sind aber immer noch die meiste Zeit unterwegs.

Man merkt es den stimmungsvollen Berichten an, dass Patricia Bastian-Geib das Reisen liebt und sich Neugier und Offenheit bewahrt hat. Schon immer wollte sie wissen, wie es "woanders" ist. Ihre Reise-eindrücke verarbeitet die Autorin in Erzählungen und in Multivisionsschauen, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann gestaltet und präsentiert.

Mehr über ihren Ausstieg auf Zeit und ihre Reisen erfahren Sie unter www.zweiaufachse.de

Dort gibt es auch weitere Leseproben.

Inhaltsverzeichnis

Trommelklänge in der Nacht

Alles ist möglich

Sehr süß, mit leichtem Bitteraroma

„Fragen Sie nach Herrn Farragh!“

Jeans-Währung

Blaue Boote und ein rosa Dromedar

Sternschnuppenregen

Marock ´n´Roll

„Wind of change!“

Couscous in Tafraoute

Mit einem zarten Flattern

Fata Morgana

Trommelklänge in der Nacht

Meine Mutter reiste nicht. Mein Vater nur selten.

Nie streiften sie durch die verwinkelten Gassen in Marrakesch. Oder wunderten sich über Eisschollen aus Salz inmitten der Wüste. Schaut, der Große Wagen steht Kopf!

Ob sie je davon träumten in Farben und Düften zu schwelgen? Den Sog der Stille zu erfahren oder die laute Hektik in Casablanca? Sie schliefen nie in fensterlosen Katen im Windschatten der Berge. Oder lehnten an einer morbiden Mauer aus Lehm. Hätten auch sie gezweifelt beim Wandeln zwischen Ruinen und Palästen?

Mandelblütenzauber? Trommelklänge in der Nacht? Die Welt in den sanftmütigen Augen eines Dromedars? Das alles haben sie nie vermisst.

Meine Mutter reiste nicht. Mein Vater nur selten. Woher nur kommt dieses Fernweh in mir?

Alles ist möglich

Schon im Hafen von Genua begegnet uns orientalisches Flair. Männer im Kaftan stehen schwatzend in Grüppchen zusammen, und in bunte Tücher gehüllte Frauen schlendern umher oder haben sich um einen mit Couscous gefüllten Topf auf dem Asphalt niedergelassen. Fasziniert beobachte ich, wie sie mit den Fingerspitzen aus dem Getreide mundgerechte Kugeln formen und diese dann mit einer schnellen Bewegung in den Mund befördern. Schon Stunden vor der Abfahrt der Fähre nach Tanger ist der Parkplatz auf der Mole überfüllt mit Kleintransportern und PKW. Auf den Dächern der Fahrzeuge türmt sich alles, was in Marokko einen Marktwert hat. Stühle, Matratzen, Kleinmöbel, Leitern, Werkzeuge und immer wieder Fahrräder sind zu abenteuerlichen Gebilden hoch aufgestapelt.

Gedankenverloren sitze ich auf einer Mauer und schaue zufrieden seufzend über die bunte und lebendige Szenerie. „Du siehst so glücklich aus“, meint Peter und legt seinen Arm um meine Schultern. „Ja, bin ich auch!“ Übermütig breite ich meine Arme aus. „Weil wir wieder unterwegs sind!“ „Du Zigeunerin!“, lacht Peter. Es stimmt, ich bin gern auf Achse. Immer will ich wissen, wie es woanders ist. Und nun wagen wir endlich den Sprung nach Nordafrika. Lange haben wir uns gegen Marokko gesträubt. Man hört so viel Negatives über das Land: Lästige Händler, schlechte Wasserqualität, heruntergekommene Campingplätze, Armut und bettelnde Kinder neben luxuriöser Pracht. Marokko, ein Land der Extreme, provoziert auch extreme Urteile. Entweder begeisterte Faszination oder ein „Nie wieder!“ „Wenn es allzu schlimm wird, sind wir ja in einer knappen Stunde in Spanien“, tröste ich mich. Aber zu einer unserer Reiseprinzipien gehört, nicht zu schnell zu resignieren. Manchmal versperren nämlich Enttäuschung und Stress der ersten Tage den Blick. Dann muss man sich etwas mehr Zeit gönnen, länger hinschauen, um sich an das Fremde in der Fremde zu gewöhnen.

Die Hafenatmosphäre versetzt mich regelmäßig in eine Art kribbelige Vorfreude. Dröhnende Schiffsmotoren und donnernde LKW. Verkehrslärm aus der angrenzenden Stadt. Sirenen, Musik und laute Stimmen. Nicht schön, und doch hat das Warten in dieser lauten, hektischen Betriebsamkeit eine aufregende Seite. Gefühle tausender Menschen auf den Punkt gebracht, auf diese Mole am Hafen konzentriert. Stress, Termindruck, Aufbruch, Abschied, Freude, Hoffnung. Sie laden die Atmosphäre auf, bringen die Luft zum Vibrieren. Alles ist möglich.

Im Kontrast dazu die zwei Tage dauernde Überfahrt. Das monotone Brummen der Schiffsdiesel und der Ausblick auf die Weite des Meeres lassen uns innerlich zur Ruhe kommen. Wir haben für einen geringen Aufpreis eine „Dogcabin“ gebucht, dürfen Kara also mit in die Kabine nehmen. Das erspart der manchmal etwas ängstlichen Hündin den Stress einer engen Box auf dem Oberdeck. Nachdem sie die neue Umgebung ausgiebig beschnüffelt hat, liegt sie völlig entspannt vor den Betten. „Ich glaube, wir können sie jetzt allein lassen und uns um die Einreiseformalitäten kümmern“, schlägt Peter vor. Wenige Minuten später blicken wir entsetzt auf die Menschenmenge vor der Borddisco, die vorübergehend zum Einreisebüro umfunktioniert wurde. „Das kann ja Stunden dauern, bis wir endlich dran sind!“ Wir wollen schon resigniert umkehren, als ein junger Marokkaner freundlich auf uns zukommt: „Madame, allez, privilège!“ Verständnislos schauen wir ihn an. „Privilège! Privilège!“ Peter schiebt mich in Richtung Tür auf das Knäuel von Leuten zu. „Geh´ nur, Frauen werden offensichtlich bevorzugt behandelt.“ „Da soll ich allein hineingehen? Nur Männer! Und schau doch mal, wie grimmig die alle aussehen!“ In diesem Moment teilt sich die wartende Menschenschlange und gibt eine Gasse für mich frei. Unvermittelt stehe ich in dem großen Raum. Ein Mann eilt herbei, weist mir einen Stuhl zu und gibt mir mit Gesten zu verstehen, ich sei die Nächste. An einer langen Tischreihe sitzen die Angestellten der Behörde hinter ihren Laptops und lassen ihre Machtmuskeln spielen. Schroff und überheblich behandeln sie ihre Landsleute und ein paar Minuten später auch mich. Ohne ein Wort mit mir zu wechseln oder mich auch nur eines Blickes zu würdigen, zieht der Beamte die Reisedokumente aus meiner Hand, gibt die Daten in den Computer ein, stempelt die Pässe ab und lässt mich mit einem unmerklichen, herablassenden Kopfnicken wissen, ich sei fertig. Sobald ich mich dem Ausgang nähere, bildet sich wieder eine Schneise, durch die ich das Büro verlasse, um gleich darauf einem völlig verdutzten Peter gegenüber zu stehen. „Sag´ nur, Du bist schon fertig?“, fragt er erstaunt. Interessanterweise gibt es drei Jahre später diese privilegierte Behandlung von Damen nicht mehr. Ganz emanzipiert stehen nun Männer und Frauen geduldig hintereinander in einer langen Warteschlange.

Großzügig und modern begrüßt uns der neue Hafen östlich von Tanger. Ich befürchte, dass sich die Formalitäten auch aufgrund unserer mangelnden Französischkenntnisse endlos in die Länge ziehen werden. Reiseführer und Erzählungen von Freunden haben uns auf stundenlanges Warten und eventuelle Schikanen vorbereitet. „Es ist schon später Nachmittag und es wird früh dunkel“, seufze ich, während wir uns in die lange Fahrzeugkolonne einreihen. Nach einer Weile werden wir auf eine der rechten Fahrspuren dirigiert. Sogleich spricht uns ein Bursche an, er könne uns gegen ein kleines Entgelt bei der Abfertigung behilflich sein. Darauf sind wir vorbereitet und lehnen dankend ab. Marokkokenner haben uns versichert, dass die Formalitäten nicht kompliziert und auch für Neulinge gut zu bewältigen sind. Jetzt kommt ein freundlicher Herr in Uniform auf uns zu und deutet auf eines der mit „Police“ gekennzeichneten Häuschen. Dort müssten wir unsere Pässe vorlegen, meint er. Dann reicht er uns ein grünes Formular, das wir anschließend zur Deklaration unseres Fahrzeuges beim Zoll abgeben sollen. „Da“, sagt er und deutet auf ein Büro mit dem Schild „Douane“. Dort überprüft eine Viertelstunde später der nicht ganz so freundliche Zollbeamte etwas mürrisch unsere Papiere und fragt: „Moto?“ „Oui“, antwortet Peter, „komm mit!“ Er geht um das Reise-mobil herum, öffnet die Heckklappe und deutet auf unseren Roller. „Ah, Piaggio!“ ruft der Beamte aus, hebt den Daumen und strahlt jetzt über das ganze Gesicht. Dabei nickt er immer wieder mit dem Kopf und meint: „Gut! Gut!“ Schließlich wirft er noch einen kurzen Blick ins Fahrzeuginnere, um uns dann mit einem „Bon Voyage“ durchzuwinken. Die ganze Prozedur der Einreise hat kaum mehr als eine halbe Stunde gedauert und so geht es nun auf der gut ausgebauten Autobahn Richtung Asilah.

Sehr süß, mit leichtem Bitteraroma

Obwohl es bereits dunkel ist, finden wir den Parkplatz in Asilah sofort. Freundlich-überschwänglich, als hätte er den ganzen Abend nur auf uns gewartet, heißt uns der Wächter willkommen. Seine Lachfältchen um die Augen und das rundliche Kindergesicht flößen sogleich Vertrauen ein. Mit einer Decke über den Schultern sitzt er auf einem Hocker und raucht eine Zigarette nach der anderen. Vor ihm köchelt sein Abendessen, eine Tajine. Später wird er sich in einen Bretterverschlag auf eine Matratze zurückziehen. Kühl und feucht ist die Nacht, erhellt von einem gelb leuchtenden Vollmond. Spät am Abend hören wir Stimmen und Lachen vor unserem Reisemobil. Wir löschen das Licht und schauen vorsichtig aus dem Fenster. Auf einem Felsbrocken sitzen drei junge Burschen und trinken Bier. Zwei Frauen, jede eine Bierdose in der Hand, gehen langsam auf sie zu. Eine hat dunkle Haare und trägt Jeans, die andere ist blond, ein hübsches, buntes Kleid mit gewagtem Dekolleté umspielt ihren schlanken Körper. „Bier in der Öffentlichkeit und so freizügig gekleidet? Das kann doch keine Marokkanerin sein“, murmele ich.

Nun zieht die Blonde ihr Kleid bis zur Hüfte hoch und setzt sich neben die Männer auf den Felsen. Mir wird klar: Das kann nur eine Prostituierte sein. Nach einem kurzen Gespräch schlendern die Fünf davon und sind wenig später in einer der Gassen verschwunden.

Ungewohnte Klänge wecken uns am nächsten Morgen. Es ist noch dunkel und wir brauchen eine kleine Weile, um die Geräusche einzuordnen: Durch Lautsprecher verzerrt, ruft der Muezzin zum ersten Gebet. Verschlafen schauen wir aus dem Fenster und wundern uns, dass schon so viele Menschen und Fahrzeuge unterwegs sind. „Schau mal, die Mopeds mit den vorgebauten Karren. Solche Gefährte habe ich ja noch nie gesehen!“ Beladen mit Gemüse, Abfallsäcken oder auch Käfigen voll Hühnern rattern sie am Parkplatz vorbei. Zufrieden lege ich mich zurück und räkle mich wohlig unter der Decke, dabei das Glückgefühl auskostend, das mich regelmäßig durchströmt, wenn neue Eindrücke meine Neugier und Begeisterung wecken.

Später winkt uns der Wächter vom Vorabend zum Abschied fröhlich zu, bevor sein Kollege die nächste Schicht übernimmt. Dieser schlurft mürrisch und grußlos an uns vorbei. Seine Hände sind ständig in Bewegung. Mal kratzt er sich am Bein, dann wischt er sich über den Mund, um anschließend mit einer fahrigen Bewegung seine langen, fettigen Haare hinters Ohr zu streichen. Eine Wolke aus Schweiß und Alkohol umgibt ihn. Kara knurrt.

Mit Hund und Kameras stehen wir bereit zur Stadtbesichtigung. Ob das gutgeht? Wahrscheinlich werden wir mehr damit beschäftigt sein, Kara vom Tauben- und Katzenjagen abzuhalten als zu fotografieren. Und in der Tat: Wenn der Fokus zwangsläufig auf dem Hund und nicht auf dem besten Motiv liegt, macht Fotografieren keinen Spaß. „Das nächste Mal lassen wir sie im Fahrzeug“, meint Peter und ich stimme ihm vorbehaltlos zu. Zum Trost nehmen wir in der gut erhaltenen Medina Asilahs ein zweites Frühstück ein. Lange Zeit stand die Stadt unter spanischer Herrschaft, und so erinnern die weißen Mauern ein wenig an Andalusien. Viele Hauswände sind farbenfroh bemalt. Im Rahmen des jährlichen Kulturfestivals bringen die Künstler immer wieder neue Malereien an. So steht es zumindest im Reiseführer.

Skeptisch deute ich auf die abblätternde Farbe der Kunstwerke: „Die sind doch nie und nimmer erst vor vier Monaten entstanden.“ Drei Jahre später werde ich die neuen Gemälde an den weißen Mauern bestaunen und beschämt feststellen: „Die werden ja tatsächlich immer wieder neu bemalt.“ Zufrieden sitzen wir vor dem kleinen Café, genießen die Sonne und beobachten amüsiert, wie am Nachbartisch eine Großmutter ihren kleinen Enkel innig liebkost. Mit lauten, schmatzenden Geräuschen küsst sie den kleinen Kerl auf Wange und Kopf, auf Nase und Ohr und wieder auf die Wange. Ein possierliches Kätzchen hüpft über den Platz und versucht eine im Wind tanzende Plastiktüte zu fangen. „Nun trinken wir unseren ersten marokkanischen Pfefferminztee“, schlage ich vor. „Weißt Du, dass das Getränk hier scherzhaft Whiskey Marocain genannt wird?“