Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die alten Rezepte für beruflichen Erfolg haben heute keine Gültigkeit mehr. G8, Elitedruck, Weiterbildung, und trotzdem nicht ganz vorn? Wer tatsächlich erfolgreich sein will, braucht ein neues System, um die Anforderungen des Arbeitsmarkts und die eigenen Ziele in Einklang zu bringen. Das Kapital der Topjobber: ein ganz neues Selbstbewusstsein, verbunden mit einem Knowhow-Vorsprung. Dieses Know-how kann technisch, methodisch oder branchenbezogen sein. Selten ist es Wissen, das an der Uni gelehrt wurde. Die Karriereexpertin Svenja Hofert zeigt, wie man mithilfe von 7 Strategien seinen Wert an der Karrierebörse steigert und das passende Karriereumfeld findet. Dabei werden wahre Geschichten und Hintergrundstorys mit Informationen über die Entwicklung der Arbeitswelt zusammengebracht.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 262
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Svenja Hofert
Karriere mit System
Die 7 besten Strategien für Ihren Erfolg
Campus Verlag Frankfurt/New York
Über das Buch
SO GEHT ERFOLG HEUTE
Sie haben das Gefühl, zwar im richtigen Job, aber im falschen Unternehmen zu sein?
Dann ist es höchste Zeit, dass Sie das für Sie passende System finden. Doch nicht immer ist es einfach, sich im Karrieredschungel zurechtzufinden.
Die Karriereexpertin Svenja Hofert beschreibt sieben Karrieresysteme und zeigt, wie Sie die Ihren Bedürfnissen entsprechende Arbeitsumgebung finden. Zudem gibt sie wertvolle Hinweise, wie man seinen Wert an der Karrierebörse steigern kann.
Mit zahlreichen Experten-InterviewsMit Test: Welcher Karrieretyp sind Sie?Über die Autorin
Svenja Hofert ist Expertin für neue Karrieren und eine der erfolgreichsten Autorinnen zu beruflichen Themen. Mit mehreren Hundert Presseveröffentlichungen jährlich gehört sie zu den meistzitierten Autorinnen. Seit mehr als zehn Jahren berät sie in ihrem eigenen Beratungsbüro Karriere & Entwicklung – das Büro für den nächsten Schritt in Hamburg.
Einführung: So geht Erfolg heute
Strategie 1: Vergessen Sie die Spielregeln von gestern
Kapitel 1: Einfach umgedreht: Bewerber führen das Vorstellungsgespräch
Kapitel 2: Fragen Sie sich, was heute gilt – und nicht, was gestern war
Strategie 2: Finden Sie Ihr passendes Karriereumfeld
Kapitel 3: Family- oder Flexi-Style? Neue Karriereanker
Gründe für eine Karriere
»Bunte« Lebensläufe
Flow statt Stillstand
Finden Sie Ihr Karrieresystem
Family Career
Dynamic Career
Conventional Career
Performance Career
Cooperative Career
Flexi Career
Better-World-Career
Kapitel 4: Formulieren Sie ein Anforderungsprofil für Ihr ideales Unternehmen
Kapitel 5: Das richtige Umfeld finden: Blicken Sie hinter die Kulissen
Strategie 3: Wie Sie mit System berufliche Entscheidungen treffen
Kapitel 6: Kombinieren Sie System 1 mit System 2
Kapitel 7: Die Geschichte einer Karriere von morgen
Kapitel 8: Wie Sie durchdachte berufliche Entscheidungen treffen
Kapitel 9: Nur Mut! Wie Sie Unsicherheit lieben lernen
Strategie 4: Optimieren Sie Ihre Aktien an der Karrierebörse
Kapitel 10: Die Drei-Jahres-Schritte in der Arbeitswelt
Kapitel 11: Die hohe Kunst, seinen Karrierekurs nach oben zu treiben
Kapitel 12: Bauen Sie Ihre Karriere anhand eines Lebenszyklus auf
Kapitel 13: Net-Work: Spinnen Sie Ihre Netze
Kapitel 14: Planen Sie Ihre Karriere im Quadrat
Strategie 5: Profilieren Sie sich
Kapitel 15: Finden Sie Ihr persönliches Karrierepotenzial
Kapitel 16: Wachsen Sie in den besten Karrierebrutkästen
Kapitel 17: Career Branding: Werden Sie eine wiedererkennbare Marke
Strategie 6: Erfinden Sie sich rechtzeitig neu
Kapitel 1: Überbrücken Sie Lücken, indem Sie sich Jobs selbst backen
Kapitel 19: Packen Sie es heute noch an!
Kapitel 19: Wie Sie aus Karrieresackgassen ausbrechen
Strategie 7: Entwickeln Sie sich und sorgen Sie für Abwechslung
Kapitel 20: Sorgen Sie für Abwechslung in Ihrer Karriere
Kapitel 21: Erdmännchen-Taktik: Wie Sie vorausschauend denken
Anhang
Test: Welcher Karrieretyp sind Sie?
Literatur
Anmerkungen
Register
Impressum
Abbildungen
Vor gar nicht allzu langer Zeit gab es nur zwei Wege, um beruflich erfolgreich zu werden. Der erste Weg war die Karriereleiter, die Stufe für Stufe zu erklimmen war. Dabei war man den – nicht selten stressigen, unmenschlichen sowie familienfeindlichen – Bedingungen der Unternehmen ausgeliefert. Belohnt wurden die Raffinierten oder die Fleißigen, wenn sie nicht zuvor ein Burnout ereilte, ein Konkurrent von der Leiter stieß oder eine Intrige ausbootete. Der andere Weg gehörte den Richard Bransons und Steve Jobs dieser Welt: Unternehmen gründen, reich werden – und Bedingungen diktieren.
Heute gibt es weit mehr Wege, um Karriere zu machen. Wir befinden uns mitten in einer Ära gravierender Veränderungen in der Arbeitswelt. Viele Menschen sind nicht mehr dazu bereit, dem beruflichen Weiterkommen alles unterzuordnen. Sie passen sich nicht mehr um jeden Preis den Unternehmen an. Letztlich ist es der demografische Wandel, der die Arbeitgeber zum Umdenken zwingt. Die Bewerber haben heute andere Erwartungen an Unternehmen als früher und fordern schnelle Veränderungen. Die Unternehmen hingegen verändern sich nur langsam.
Ich habe diesen Wandel der Bedürfnisse von Bewerbern und Karrierebedingungen in Unternehmen über mehr als ein Jahrzehnt beobachtet. Dabei fiel mir immer wieder auf, dass die einzelnen Angestellten scheinbar auf verschiedenen Planeten arbeiteten, so unterschiedlich waren die Umfelder und Karrierebedingungen – und mit jedem Jahr wurden die verschiedenen Prägungen augenfälliger. Ich lernte Menschen kennen, die ein Unternehmen mit der offiziellen Einschätzung des Personalchefs verließen, eine völlig ungeeignete Führungsperson zu sein – um später in einer anderen Firma zum erfolgreichen Unternehmenslenker aufzusteigen. Oder solche, die in dem einen Unternehmen einen Burnout erlitten, aber im nächsten aufblühten.
Woran liegt das? Ganz eindeutig an der Passgenauigkeit Unternehmen/Mitarbeiter, der Kompatibilität zwischen den klimatischen Bedingungen in einer Firma und den Präferenzen des Mitarbeiters. Erfolg ist nämlich eng mit der Erfüllung persönlicher Bedürfnisse und Motivationen verbunden. Jemand ist erfolgreich, wenn er diese erfüllen kann. Die unterschiedlichen Karrieresysteme entsprechen den unterschiedlichen Bedürfnissen, die Menschen haben. Hinzu kommt die Tatsache, dass die gleichen menschlichen Eigenschaften in verschiedenen Kontexten völlig unterschiedlich gedeutet und bewertet werden können.
Aus meinen Beobachtungen kristallisierten sich sieben Karrieresysteme heraus:
die »Family Career«,
die »Dynamic Career«,
die »Conventional Career«,
die »Performance Career«,
die »Cooperative Career«
die »Flexi Career« und
die »Better-World-Career«.
Zu jedem Karrieresystem gehört ein dazu passender »Worklifestyle« der Mitarbeiter: Ein Flexi-Worklifestyle-Mitarbeiter findet beispielsweise sein ideales Karrieresystem in der Flexi Career. Im Anhang dieses Buches finden Sie einen Test, mit dessen Hilfe Sie den zu Ihnen passenden »Style« ermitteln können.
Die sieben Karrieresysteme zeigen, dass Karriere vielfältig geworden ist und allgemeingültige Spielregeln an Wert verloren haben. Doch wie finden Sie sich in Ihrem Karrieresystem zurecht? Was müssen Sie beachten? Dieses Buch bietet Ihnen eine Orientierung im Karrieredschungel. Es zeigt Ihnen die Bedingungen auf, unter denen Sie in den unterschiedlichen Systemen aufblühen und Ihre Arbeit Früchte tragen kann. Die Menschen, die ich Ihnen im Laufe des Buches vorstellen möchte, sind auf ganz unterschiedliche Art und Weise in verschiedenen Karrieresystemen mit ihrem ganz eigenen Worklifestyle erfolgreich. Sie gehören teilweise zur Generation Y und zu den Digital Natives, sie sind also mit dem Internet groß geworden. Andere wiederum zählen zur nachdigitalisierten Generation.
Olcay
weiß genau, was er will, und kann Unternehmen in Vorstellungsgesprächen so richtig auf den Zahn fühlen.
Anna
lässt die große Chance auf ein Konzerntraineeprogramm links liegen und trifft einige ungewöhnliche Karriere-Entscheidungen.
Tim
zeigt uns, wie man Spaß am Lernen entwickelt und Weiterentwicklung sportlich sehen kann. Er fragt sich immer: Was lerne ich als Nächstes?
Larissa
perfektioniert das, was sie in Konzernen weiterbringt: Networking.
Florian
lässt uns teilhaben an seinem Learning nach dem Burn-out – und seiner individuellen Sinnsuche.
Monika
und
Kerstin
verwirklichen die Arbeit der Zukunft mit eigenen Start-ups.
Sonja
beweist uns, dass man nie mehr selbst auf Jobsuche gehen muss, wenn man »Career Branding« betreibt.
Von
Thomas
lernen wir, dass man sich seine Arbeitswelt so gestalten kann, wie es einem gerade passt.
Marlene
vollbringt das Kunststück, sich immer wieder neu zu erfinden – im selben Unternehmen.
STRATEGIE 1
VERGESSEN SIE DIE SPIELREGELN VON GESTERN
Sie fragen, das Unternehmen antwortet. Sie wünschen sich etwas, der Arbeitgeber geht auf Ihr Bedürfnis ein. Sie meinen, das ist undenkbar? Begleiten Sie mich in die neue Arbeitswelt, in der Sie die Bedingungen diktieren. Hier sind Sie ein begehrter Partner auf Augenhöhe, um den sich Unternehmen bemühen werden. Zu Beginn dieses ersten Kapitels demonstriert Ihnen Olcay, wie Sie Ihre Trümpfe ausspielen können. Danach zeige ich Ihnen, worauf Sie bei Ihrer Suche nach dem richtigen Umfeld für Ihre Karriere achten sollten.
OlcayEs ist 11 Uhr. Die Sonne scheint in den lichten Konferenzraum mit den schicken Designermöbeln von Vitra. An einem runden Tisch sitzen fünf Personen, darunter Olcay. Wir sind in einem Hamburger Unternehmen, dessen Namen jeder kennt. Olcay ist zum Vorstellungsgespräch geladen. Er ist entspannt und sitzt ganz locker da.
»Und was sind Ihre Ziele für die nächsten fünf Jahre?«, fragt Olcay die Unternehmensvertreter.
»Ähm, hm … was ist das für eine Frage?«, erwidert einer von ihnen. Der Fachabteilungsleiter, der Personaler und die zwei Teammitglieder, die Olcay gegenübersitzen, sind offenbar völlig aus ihrem Konzept gebracht. Im Grunde ist das schon eine fortschrittliche Konstellation für ein Vorstellungsgespräch, denn das Team ist auch mit dabei und hat ein Mitspracherecht. Noch vor wenigen Jahren entschied der Abteilungsleiter allein über Neueinstellungen. Aber eine derartige Frage von einem Bewerber ist für die Damen und Herren dann doch etwas zu viel.
»Wo sehen Sie Ihre Stärken im Vergleich zu Ihrem stärksten Wettbewerber?«, insistiert Olcay.
Seine Gesprächspartner schauen ihn verwirrt an. Unsicher. Irritiert. Es sieht so aus, als wüsste keiner von ihnen eine Antwort. Dass Bewerber nach Zielen fragen, scheint hier noch nicht alltäglich zu sein.
Typische Fragen im Bewerbungsgespräch
Sicher kennen Sie die typischen Fragen aus Vorstellungsgesprächen: »Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?«, »Was sind Ihre Stärken?« Wenn ein Personaler diese Fragen stellt, gilt das als normal. Dreht ein Bewerber allerdings den Spieß um und stellt sie dem Unternehmen, reicht die Palette möglicher Reaktionen darauf von Überraschung über Ablehnung bis hin zu Begeisterung. »Sie sind aber frech, so etwas zu fragen«, sagte ein Geschäftsführer dem selbstbewussten Bewerber. Und fügte hinzu: »Das finde ich gut, das gefällt mir.« Ein anderes Mal bekam er weniger nette Worte zu hören: »Was bilden Sie sich ein? Wir haben hier genug Bewerber!« Nur wie lange noch, frage ich mich. Der demografische Wandel spielt auf Zeit.
Gleichberechtigte Auswahlverfahren
Wenn Sie sich auch ein wenig mehr trauen als Otto Normalbewerber, eben weil Sie einen guten und nicht jeden Job wollen, werden Sie damit leben müssen, dass man Sie manchmal nicht versteht. Sie sogar unverschämt findet. Als grenzverletzende »Generation Y« diffamiert. Oder Sie einfach nur ratlos anblickt.
Ich habe schon Kunden betreut, die bis zu neun Auswahlschritte durchlaufen mussten: ein telefonisches Gespräch mit einem Dienstleister, ein Vor-Ort-Gespräch mit zwei Verantwortlichen, Gespräche mit drei Teammitgliedern, ein Test, ein Assessment-Center, ein Gespräch mit der nächsthöheren Ebene, ein Gespräch mit einem Psychologen. Am Ende bekamen sie einen Vertrag angeboten, unterzeichneten und merkten bereits am dritten Arbeitstag, dass sie hier nicht alt werden würden. Wie viel Geld könnten Unternehmen sparen, wenn sie ihre Auswahlverfahren von vornherein gleichberechtigt gestalten würden?
Olcayhat seine Karriere als Technologieberater bei Accenture gestartet. Es sei eine harte, gute Schule gewesen, er habe viel gelernt und einen umfangreichen Koffer mit Methoden mit auf den Weg bekommen. Als Berater in größeren Unternehmen hat er viele Praxiserfahrungen sammeln können. Doch nach einigen Jahren wechselte er in eine andere Beratungsfirma, die ihn zum Dauereinsatz in einen Konzern schickte. Dort traf er eine ihm fremde Arbeitswelt an, in der er sich einfach nicht entfalten konnte. Niemandem schien es dort um die Sache zu gehen, um den Fortschritt, das Weiterkommen im Projekt. Neue Ideen wurden von Vorschriften sofort gebändigt. Zwar arbeitete man auf dem Papier mit der flexiblen und zeitgemäßen Projektmanagementmethode »Scrum«, in der Praxis jedoch behinderten sinnlose Hierarchien und endlose Abstimmungsprozesse jeden Schritt nach vorn. Abteilungs- und schnittstellenübergreifende Zusammenarbeit war unmöglich. Gleichzeitig wurde jeder Arbeitsschritt vermessen und kontrolliert. Was dabei herauskam? Nichts.
»Ist das normal? Muss das so sein?«, fragte sich Olcay nach einigen Wochen. Da er Vergleiche mit dem früheren Arbeitgeber ziehen konnte, wusste er die Antwort selbst: Nein, das ist nicht normal. Es geht auch anders.
»Was will ich überhaupt?«, war seine nächste Frage. »Wo will ich arbeiten? Für wen und warum?« Seine Antworten festigten sich in einem Prozess über mehrere Monate: Etwas leisten! Sinnvolles tun! Im Team arbeiten! Und das in einem dynamischen, fortschrittlichen Umfeld, das auf einem hohen inhaltlichen Niveau denkt und handelt.
Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt verschieben sich
In einer Studie des IAO zur Zukunft der Arbeit las ich Folgendes: »Demografischer Wandel und ein neues Selbstbewusstsein von Erwerbspersonen verschieben die Machtverhältnisse auf betrieblichen Arbeitsmärkten.«1 Genauso erlebe ich es – derzeit vor allem bei Bewerbern, die aufgrund eines technischen Hintergrunds oder ihrer Spezialisierung sehr nachgefragt sind, doch vermutlich ist das nur die Vorhut. Auch in anderen Feldern wird Mangel entstehen und ein Umdenken erfolgen.
OlcayIch weiß noch, dass ich Olcay an einem Samstag im November kennen lernte, seine Arbeitszeiten ließen keinen Wochentermin zu. Er bot mir das Du an, unkompliziert, wenn auch nicht unbedingt Knigge konform. Ich kann ihn mir schlecht vorstellen in einem starren, hierarchischen Umfeld. Bank? Versicherung? Pharma? Olcays Gestaltungsfreude und Energie passt, finde ich, am besten in ein kleineres, spezialisiertes, dynamisches Unternehmen. Wenn jemand so viel Freude an Veränderung und am Gestalten hat wie er, kann er dort am besten wachsen.
In Vorstellungsgesprächen will er seinen Gesprächspartnern vermitteln, was ihm wichtig ist: Er möchte flexibel arbeiten, gestalten, etwas bewegen und bewirken, seine Expertise ausbauen. Seine Helden sind nicht BMW und Porsche, sondern Unternehmen, die wichtige Zukunftsthemen innovativ besetzen. Wie viele Menschen, die ich berate, möchte er, dass seine Arbeit sinnvoll ist. Dabei hat er seine eigene Vorstellung von Sinn: Er will mit seiner Arbeit wirken, an etwas arbeiten, das das Team weiterbringt.
Sinn hat auch etwas mit der Persönlichkeit und dem Bildungsgrad zu tun. Wer gelernt hat, komplex zu denken, und dies auch schätzt – so wie viele Akademiker –, wird auf Dauer nicht mit Arbeitssituationen zufrieden sein, die viel Routine und wenig Kopfarbeit erfordern.
Die Frage nach dem persönlichen Sinn
Gemeinhin spielt die Frage nach dem persönlichen Sinn in Vorstellungsgesprächen keine Rolle – dabei ist sie für beide Seiten entscheidend. Es ist wichtig nach dem Gehalt, den Erwartungen, den Zielen der Firma und den Kollegen zu fragen. Aber noch wichtiger ist es, für sich selbst herauszufinden, ob man sein Verständnis von Sinn in diesem Umfeld leben kann und einem das Unternehmen genügend sinnstiftende Arbeit zu bieten hat.
Vor allem konservative Manager verstehen diesen Zusammenhang oft nicht. Sie selbst streben mehr nach vertikalem Erfolg, Status und Geld als nach Sinn.
Im Vorstellungsgespräch
Kandidatin: »Ich möchte wieder gestalten können und an einer Idee mitwirken.«
Entscheider: »Wieso nehmen Sie es in Kauf, dafür weniger zu verdienen?«
Kandidatin: »Die Aufgabe ist interessant. Ich kann an einem Projekt mitarbeiten, das wirklich Relevanz hat. Das ist es mir wert.
Entscheider: »Das glaube ich Ihnen nicht …«
Die will er nicht einstellen, flüstert er später der Personalerin zu. Dieser gelingt es nicht, ihn davon zu überzeugen, dass es viele Hochqualifizierte gibt, die so denken. Die Kandidatin hat genügend Angebote und kann frei wählen. Beim nächsten Vorstellungsgespräch muss sie sich nicht rechtfertigen.
Die richtigen Fragen stellen
In Vorstellungsgesprächen prallen manchmal Welten unterschiedlicher Wert- und Sinnvorstellungen aufeinander, ein regelrechter Clash-of-Cultures. Bewerbern rate ich deshalb, die Karrieresysteme potenzieller Arbeitgeber genau zu erkunden. Dazu gehört es, die richtigen Fragen zu stellen – auch Unternehmen gehören auf den Prüfstand.
Einige, nicht alle Unternehmen halten Bewerber immer noch für Bittsteller, denen sie eventuell ein Angebot machen, das wie selbstverständlich angenommen wird. Sie sind eine Kommunikation gewohnt, in der der eine fragt und der andere antwortet, der eine etwas anbietet und der andere etwas nimmt. Aber das ist keine Kommunikation auf Augenhöhe, keine Begegnung von zwei gleichwertigen Geschäftspartnern, die sich beschnuppern, bevor sie einen Vertrag eingehen.
Die Begegnung auf Augenhöhe ist neu
Von solchen Kultur-Zusammenstößen unbeirrt, erkunden die besonders begehrten Fachkräfte ihr Umfeld dennoch so, wie sie es für richtig halten. Und genauso wie ein Bewerber aufgrund schlechter Vorbereitung durchfallen kann, rasselt auch manches Unternehmen durch die unerwartete Prüfung seitens des Bewerbers. Die Begegnung auf Augenhöhe ist neu. Während früher unvorbereitete Bewerber mit Schulterzucken und ausweichenden Antworten reagierten, geht es jetzt manch einem Firmenvertreter in Vorstellungsgesprächen ebenso.
Olcay ist als qualifizierter Wirtschaftsinformatiker auf neun von zehn Bewerbungen eingeladen worden. Mit zunehmender Gefragtheit sinkt seine Akzeptanz von ausweichenden Antworten und »Bullshit« im Job. (»Bullshit« nenne ich überflüssige Hürden, veraltetes Denken und Strukturen, die verhindern, dass Angestellte ihr Leistungspotenzial entfalten können.)
Wer nach einem geeigneten Umfeld für die eigene Karriere sucht, sollte wissen, was ihm wichtig ist. Olcay hat seine Kriterien klar abgesteckt, er weiß, was er kann, kennt seine Vorstellung von Sinn – und kann deshalb auch Nein sagen.
Es klappte nach acht Gesprächen dort, wo er sich auch am wohlsten gefühlt hatte. »Die haben hart nachgefragt, aber geschickt«, erzählt er. Der Personaler hat mehrmals auf Umwegen das Thema Teamorientierung aufgegriffen. Wen er denn im Sport mehr bewundere, war eine Frage, Cristiano Ronaldo, Lionel Messi oder Franck Ribéry. »Ribérý« Olcays Antwort. Warumdenn? »Er ist kein egozentrischer Star, dem es nur um Glanz und Tore geht. Er setzt sich für die Mannschaft ein.« Das passte.
Fühlen Sie dem Unternehmen auf den Zahn!
Halten wir also fest: Nicht nur das Unternehmen darf Sie als Bewerber auf den Prüfstand stellen, auch Sie als Bewerber sollten dem Unternehmen auf den Zahn fühlen. Das mag ungewohnt sein, aber wenn Sie es richtig erklären, so werden es Ihre Gesprächspartner in den meisten Fällen verstehen und positiv aufnehmen, ja goutieren. Hier ein Beispielgespräch nach der Vorstellungsrunde:
Im Vorstellungsgespräch
Kandidat: »Haben Sie einen Zeitplan für das Gespräch?«
Unternehmensvertreter: »Wir wollen Sie kennen lernen und haben dafür bis zu 45 Minuten Zeit.«
Kandidat: »Das ist schön. Ich möchte Sie auch gern kennen lernen. Deshalb ist es mir wichtig, Ihnen am Ende des Gesprächs einige Fragen zu stellen. Das wird rund zehn Minuten in Anspruch nehmen. Ich hoffe, das geht für Sie in Ordnung?«
Unternehmensvertreter: »Ich denke, das bekommen wir hin.«
Stellen Sie Fragen zum Unternehmen!
Wenn Sie Überraschung oder gar Ablehnung und Unsicherheit bei Ihrem Gegenüber bemerken, können Sie etwas in dieser Richtung formulieren: »Aus meiner Sicht ist es für beide Seiten von höchstem Interesse zu wissen, was der jeweils andere erwartet – und wo vielleicht auch Grenzen sind.«
Stellen Sie Fragen zum Unternehmen, die Ihnen helfen, sich ein klareres Bild zu machen:
Welche Ziele verfolgen Sie in den nächsten Jahren vorrangig mit Ihrem Unternehmen?
Welche drei Werte werden in Ihrem Unternehmen wirklich gelebt?
Was denken Sie, worin finden Ihre Mitarbeiter Sinn?
Wie interpretieren Sie Teamarbeit?
Gab es schon einmal Prozesse und Vorgänge, die Sie als nicht optimal empfunden haben? Wie haben Sie diese dann verbessert?
Wie stellen Sie sicher, dass Mitarbeiter ihren Potenzialen entsprechend arbeiten können?
Was tun Sie, um Ihre Mitarbeiter weiterzuentwickeln?
Nutzen Sie die STAR-Interviewtechnik!
Professionell agierende Unternehmen fragen gern mit der sogenannten STAR-Interviewtechnik. Das bedeutet, sie erkunden erst S, die Situation, dann T, die Tasks (Aufgaben), gehen daraufhin zu Action (Handlung) und schließen mit den Results (Ergebnissen). Auch wenn Sie selbst nicht auf diese Weise befragt werden, können Sie sich mit STAR optimal für Fragerunden wappnen. Situative Beschreibungen werden auf diese Weise sehr viel konkreter und lebendiger. Ein Beispiel für eine STAR-Antwort: »Die Situation war die: Ich sollte ein Projekt in einer kritischen Phase übernehmen, ein Know-how-Träger hatte das Team überraschend verlassen. Nun war es meine Aufgabe, das Ganze doch noch in Time, Budget und Quality abzuschließen. Dafür habe ich mich erst einmal mit der Person zusammengesetzt, die so überraschend gekündigt hatte, und einen Beratervertrag mit ihr abgeschlossen. Gemeinsam haben wir den Turnaround dann doch noch geschafft. Ich denke, wesentlich dafür war mein Zugehen auf die Person, wobei ich alle Eitelkeiten zurückgestellt habe.«
Wenn Sie ein Unternehmen befragen, können Sie dieselbe Technik anwenden. Die Frage »Was tun Sie, um Mitarbeiter zu entwickeln?« ergänzen Sie beispielsweise einfach um »Können Sie mir ein konkretes Beispiel nennen?«. Ich habe oft gehört, dass diese Vorgehensweise Gesprächspartner auf Arbeitgeberseite erheblich ins Schwimmen gebracht hat. Aber die wirklich guten Unternehmen können damit umgehen. Wenn Sie als Bewerber nicht wissen, was Sie antworten sollen, ist es am besten, zu sagen: »Darauf habe ich derzeit keine Antwort, ich habe noch nie darüber nachgedacht.« Unternehmen könnten zum Beispiel antworten: »Sehen Sie, dazu fällt uns derzeit nichts Konkretes ein, das hat uns noch nie jemand gefragt. Aber ich werde mich mit den Kollegen zusammensetzen, wir werden uns ein Beispiel überlegen und Sie dann anrufen.«
Probearbeitstage sind sinnvoll
Haben Sie ein oder zwei gute Gespräche geführt und einen Arbeitsvertrag angeboten bekommen, bitten Sie vor der Unterschrift noch um ein bis drei Tage Probearbeit. Ist das nicht möglich, sollten Sie zumindest die Büroräume und Kollegen kennen lernen. Sonst ergeht es Ihnen vielleicht wie meiner Kundin, die Folgendes zu berichten hatte: »Ich hatte fünf Gespräche, aber meinen Arbeitsplatz nie gesehen. Als ich dann am ersten Tag hereinkam, erlebte ich eine böse Überraschung. Ich sollte in einem vollkommen verdreckten Büro mit Mitarbeitern aus einem anderen Projekt arbeiten, da anderweitig kein Platz vorhanden sei. Auch vom versprochenen Firmenwagen zur Privatnutzung war nicht mehr die Rede.« Da sie den Punkt mit dem Firmenwagen nicht mit in den Arbeitsvertrag aufnehmen ließ, hatte sie nichts in der Hand. Achten Sie also immer darauf, Vereinbarungen schriftlich zu treffen!
Assessment- Center haben ihre Berechtigung
Etwas möchte ich an dieser Stelle noch sagen: Manche Bewerber beklagen sich, dass Unternehmen Tests und Assessment-Center einsetzen. In einem Unternehmen, das mit solchen Methoden arbeitet, wollen sie nicht arbeiten. Seien Sie nicht so streng. Tests sind wirklich hilfreich, wenn sie zusammen mit einem Interview ausgewertet werden. Sie helfen, die richtigen Fragen zu stellen, um zu überprüfen, ob jemand wirklich zur Aufgabe passt. Und solange Sie danach oder davor Ihre eigenen Fragen stellen dürfen, ist das doch okay, nicht wahr?
Nicht nur im Vorstellungsgespräch haben sich die Spielregeln verändert, sondern im gesamten beruflichen Umfeld. Das ist nicht verwunderlich, schließlich handelt es sich bei Spielregeln nur um Behauptungen, die Einzelpersonen auf der Basis ihrer unterschiedlichen praktischen Erfahrungen aus der Vergangenheit aufgestellt haben.
Karriereregeln reduzieren Ihre Möglichkeiten
Die meisten Regeln sind eher begrenzend. Sie schrumpfen den eigenen Karriererahmen und reduzieren die Möglichkeiten. Nehmen wir beispielsweise diese Karriereregel: »Wenn Sie in einen Konzern wollen, müssen Sie zuerst in der Agentur den Titel Senior Consultant geschafft haben.« Das meint ein Personalberater zu meiner Kundin, die daraufhin total verunsichert ist, weil sie eigentlich schon früher wechseln will. Doch der »Experte« insistiert: »Innerhalb von fünf Jahren können Sie es dann zum Marketingleiter schaffen. Aber dafür brauchen Sie noch ein BWL-Studium oder einen MBA.« »Also muss ich ausharren, bis sie mich befördern«, stöhnt meine Kundin. »Aber das tun sie ja nicht, weil sie wissen, dass ich dann bald gehe.« Was würden Sie in so einer Situation empfehlen? Spielregel brechen oder einhalten? Ich war in diesem Fall für: brechen. Meine Kundin hat nun einen neuen Job im Projektmanagement und ist viel zufriedener als vorher.
Die meisten Karriereregeln sind wie Sprüche der Alltagspsychologie, die es oft als gegensätzliches Duo gibt: »Gegensätze ziehen sich an« gilt genauso wie »Gleich und gleich gesellt sich gern«. Insofern haben Karriere-Spielregeln einen wahren Kern, sind aber nicht universell wahr, sondern höchstens zu 50 Prozent. So wie der Ehrliche nicht immer der Dumme ist, ist der Schüchterne nicht immer introvertiert und der machthungrige Narzisst auch nicht immer erfolgreich. Es gibt immer mindestens genauso viele Gegenbeispiele wie Beispiele, die etwas belegen. Die Sache ist nur die, dass uns die Dinge, die wir selbst erlebt haben, leichter einfallen. Wenn wir zum Beispiel unter einem machthungrigen Narzissten gearbeitet haben und uns wunderten, warum dieser so viel Erfolg hat, fällt uns dieses Bild sofort ein, wenn wir »Chef« denken. Wir deuten die Dinge auch schneller so, wie wir sie kennen. Selbst Experten sind davor nicht gefeit. Ihre Haltung formt sich oft aus ihrer Erfahrung, die sich aber immer nur auf einen Teilbereich, nie auf das Ganze bezieht und das Morgen aus dem Gestern ableitet.
»Bis 30 musst du es in einen Konzern geschafft haben« – das würde heute vermutlich keiner mehr so absolut sagen. Die damit assoziierte sichere Hängematte ist zumindest bei jüngeren und besser ausgebildeten Menschen nicht mehr uneingeschränkt attraktiv.
Die Bestätigungstendenz
Kommen wir noch einmal zu dem Personalberater von eben zurück. Er lag mit seiner Analyse – erst Senior Consultant, dann Konzern – durchaus nicht falsch. Seine Einstellung korreliert – geschätzt – zu 50 Prozent mit der Realität in einer großstädtischen Konzernwelt. Das heißt aber auch, dass er zu 50 Prozent falsch liegt. Es kann so sein, muss aber nicht. Und weil sich die Welt stark wandelt, ist es heute immer öfter anders als früher. Nur haben das viele noch nicht richtig mitbekommen und erfahrene Experten tendieren dazu, an früheren Erkenntnissen festzuhalten. Die Kognitionspsychologie nennt dieses Phänomen »Bestätigungstendenz«.
Hinzu kommt die menschliche Tendenz, Veränderungen kleinzureden, weil diese ja auch das eigene Weltbild betreffen und ein Umdenken erfordern. 1998 habe ich prognostiziert, dass es in zehn Jahren kaum noch Bewerbungen in Papierform geben wird. Was glauben Sie, für wie unrealistisch die damaligen Experten diese Annahme hielten?
Branchen-Spielregeln kennen
Spielregeln sind durchaus nützlich, sie sollten aber individualisiert und der neuen Zeit angepasst sein. Es ist hilfreich, die gültigen Spielregeln der eigenen Branche zu kennen. Sie sollten als Kreativer wissen, dass Modedesigner nach dem Studium selten angestellt werden und kaum 1800 Euro brutto verdienen. Die meisten Modedesigner arbeiten scheinselbstständig ohne jede Sozialversicherung. Eine der Spielregeln in dieser Branche lautet, über diese Dinge zu schweigen und brav mitzumachen.
In anderen Branchen herrschen andere ungeschriebene Regeln. »Wenn du hier Karriere machen willst, musst du an der WHU2 studiert haben«, könnte eine lauten. Ist sie wahr? Oft ja, aber eben auch nicht immer. »In eine Top-Strategieberatung kommst du nur, wenn du eine überdurchschnittliche Note vorweisen kannst und schnell studiert hast.« Richtig, aber es ist möglich, dass sich das bald ändert. Die Strategieberatungen müssen sich nämlich den veränderten Verhältnissen anpassen – und merken gerade, dass sie mehr Spezialwissen aufbauen müssen3. Es reicht nicht mehr, einen superintelligenten und selbstbewussten Überflieger in ein Unternehmen zu schicken, der mit PowerPoint erfahrenen Managern ein X für ein U vormacht. Die Spielregeln haben sich dahingehend verändert, und sie tun es weiterhin.
Manche der oft zitierten Karriere-Spielregeln stimmten schlicht und ergreifend auch schon früher nicht. Nehmen wir die Regel »Fleiß führt immer zum Erfolg« oder »Wer lebenslang lernt, kommt immer weiter«. Es gibt Umfelder, in denen das Gegenteil der Fall ist. Da werden Menschen, die etwas lernen möchten, ausgebremst. »Warum noch mehr lernen, du hast doch einen Job?« Dieses Statement bekam einer meiner Kunden von seinem Vorgesetzten in einem hamburgischen Handelshaus zu hören. Ich habe mir die Website des Unternehmens angesehen: Zu sehen sind fünf goldbeknopfte Herren, keine Frau – Tradition pur. Wie würden Sie diese Aussage bewerten? Wie lange kann das Handelshaus noch so unverändert bleiben? Was wird der demografische Wandel mit ihm und mit seinen Spielregeln machen?
Unternehmen unter Veränderungsdruck
Auch in traditionsreichen Betrieben wird die Belegschaft nicht mehr lange sagen: »Das haben wir immer schon so gemacht.« Alle Unternehmen, selbst Verwaltungs- und Staatsbetriebe, stehen unter Veränderungsdruck. Der technologische Fortschritt, der Demografiewandel und die Globalisierung treiben alle an.
Seien Sie vor allem bei der Berufswahl vorsichtig mit »pauschalen« Regeln, die gern in den Medien verbreitet werden. Nur weil die derzeitige niedrige Akademikerarbeitslosigkeit darauf deutet, dass ein Studium den besten Schutz vor Arbeitslosigkeit bietet, muss das in Zukunft nicht so bleiben. Nur weil momentan Betriebswirtschaftler im Schnitt mehr als Geisteswissenschaftler verdienen, ist das nicht in Stein gemeißelt.
Regeln zum Karrieremachen und beruflichen Weiterkommen fallen ebenfalls häufig in die Kategorie: »Da schließt jemand vom Gestern oder Heute aufs Morgen.« Hinzu kommt, dass diese Regeln die unterschiedlichen Karrieresysteme nicht ausreichend berücksichtigen. Im besten Fall wird noch zwischen »Kreativen« (Werbeagentur) und anderen (Konzernen) unterschieden. Dass aber auch eine Werbeagentur ziemlich konventionelle Karriere-Spielregeln haben kann und ein Konzern reichlich unkonventionelle, bleibt außen vor. Da ich das für ein ganz entscheidendes, bisher aber in allen Karriereratgebern ignoriertes Thema halte, räume ich ihm im nächsten Kapitel den gebührenden Platz ein.
STRATEGIE 2:
FINDEN SIE IHR PASSENDES KARRIEREUMFELD
Sie glauben, mit bestimmten Eigenschaften könnte man überall Karriere machen? Falsch. Es gibt in der derzeitigen Arbeitswelt sieben verschiedene Umgebungen, die ganz unterschiedliche Karrierebedingungen bieten. Diese zu kennen und das individuell passende Umfeld zu finden, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um heute erfolgreich zu sein.
Was ist Karriere?
Lassen Sie uns einmal grundlegend über Karriere sprechen. Was ist das eigentlich? In den letzten Jahren ist die vertikale Sicht des Aufstiegs immer mehr durch ein zeitgemäßeres Verständnis abgelöst worden. Danach ist Karriere ein selbstbestimmter Weg, eine gern kurvige Lebensstraße, die je nach individuellen Werten unterschiedlich befahren wird. Diese Werte verändern und transformieren sich mit dem Erlebten. Karriere ist demnach ein Prozess, und nicht etwas, das man »macht«.
Warum befahren Menschen überhaupt eine Karrierestraße? Dafür hat jeder seine eigenen Beweggründe, die sich ebenfalls im Laufe des Berufslebens stark verändern können. In unseren Breitengraden spielt dabei die Existenzsicherung kaum noch eine vordergründige Rolle, höchstens phasenweise. Die übergeordnete Motivation ist meist, einen Sinn in der Arbeit zu finden. Es geht in reichen Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz eben nicht ums Brot, sondern um die Butter und den Belag.
Wir steigen auch immer seltener aus protestantischem Arbeitsethos ins Karriereauto – nach dem Arbeiten einfach dazugehört und der Muße erst ihre Berechtigung gibt. Es gibt auch immer weniger Menschen, die in erster Linie nach Sicherheit suchen. Dieser Beweggrund herrschte in den 1960er und 1970er Jahren vor. Immer weniger befahren ihre Karrierestraße, um Status zu erringen, der sich etwa in einem schicken Auto zeigt. Diese Motivationen hatte ihren Höhepunkt in den 1980er bis 2000er Jahren. Ich treffe immer mehr Menschen, die das Fahrrad dem Audi vorziehen.
Selbstverantwortlichkeit und Sinnsuche
Die Gründe für Karriere haben sich ausdifferenziert und neue sind hinzugetreten – wie die Suche nach individueller Selbstverwirklichung und nach übergeordnetem Sinn. Vor allem Letzteres hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. »Schuld« daran ist die sogenannte Generation Y, die nach 1980 Geborenen. Deren Denken beeinflusst mittlerweile auch andere Generationen, sodass Sinnsuche längst kein Phänomen mehr der unter 35-Jährigen ist.
Vor einiger Zeit hatte ich ein Interview in NDR Info. Die Moderatorin nannte meinen Lebenslauf »bunt«, woraufhin ich protestierte. Ich habe keinen bunten Lebenslauf; ich habe mir jeden Schritt gut überlegt und er war immer dadurch motiviert, etwas Neues zu lernen. Alle Bausteine passen zueinander. Aber natürlich muss jemandem ein Lebenslauf mit zwei Studiengängen, Kontrasten wie Mittelstand und Konzern, mit Stationen im Journalismus, Kommunikation, Marketing und Personal sowie Unternehmensberatung »bunt« vorkommen, wenn man 25 Jahre nur einen Job gemacht hat und einen echten »Beruf« ausübt.
In meinem Verständnis ist mein Lebenslauf genau das, was die britische Professorin und Buchautorin Lynda Gratton in JobFuture, Future Jobs1 als moderne Karriere beschreibt. Sie ist nicht bunt, sondern folgt einer inneren Logik, die immer gesteuert war von den Fragen »Was interessiert mich?«, »Was muss ich lernen/wissen für den nächsten Schritt?« und »Wie verknüpfe ich A und B zu C?«. Im Fall der mich befragenden Redakteurin erfolgte der Blick auf meinen Lebenslauf also aus der Sicherheitsbrille, aus der Perspektive des Dauerarbeitsverhältnisses.
Das Neue hat es schwer
Aus dieser Perspektive haben es das Neue und Andere oft schwer – und wenn beides zusammenkommt, noch mehr. Ich erinnere mich an eine promovierte Managerin, die sich als Firmenwagen einen sparsamen Smart aussuchte und mit dem Fahrrad zur Arbeit kam. Sie wurde deswegen offen gemobbt. Oder ein anderer Fall: Ein Vorstandsmitglied verzichtete auf den obligatorischen Porsche und lebte im preiswerten Reihenhaus. Seine Kollegen konnten das gar nicht verstehen. Er aber sagte: »So kann ich mir mein Leben auch noch leisten, wenn ich einen schlecht bezahlten Job annehmen muss. Ich bleibe frei – das Geld zwingt mich nicht, bestimmte Arbeiten anzunehmen.«
Manchmal prallen Welten aufeinander. Eine äußerst erfolgreiche Direktorin in einem Konzern beispielsweise platzierte sich nach der Umstrukturierung der Räumlichkeiten – hin zu mehr Offenheit und Gemeinschaft – mitten in ihr Team. Die anderen Manager konnten das nicht verstehen; sie sank in deren Achtung – aber sie stieg in der Anerkennung bei den Generation-Y-Vertretern. Und die werden über kurz oder lang über Karrieren entscheiden.
Unteschiedliche Erscheinungsformen von Flow
Viel wichtiger als Status sind jüngeren Menschen, also den Vertretern dieser Generation Y, außerdem zwei Dinge: Work-Life-Balance und die Möglichkeit, die eigene Stärken und Potenziale zu entfalten. Sie wollen ihre Entwicklung permanent vorantreiben, statt stehenzubleiben. Das bestätigen verschiedene Studien.2