Katharina von Medici - Honoré de Balzac - E-Book

Katharina von Medici E-Book

Honore de Balzac

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Beschreibung

Eine historische Erzählung von Honoré de Balzac über die Königin von Frankreich, die in der sogenannten Bartholomäusnacht tausende Hugenotten ermorden liess.

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Katharina von Medici

Honoré de Balzac

Inhalt:

Honoré de Balzac – Biografie und Bibliografie

Katharina von Medici

Einleitung

Der calvinistische Märtyrer

Vertrauliche Mitteilungen der Brüder Ruggieri

Die beiden Träume

Katharina von Medici, Honoré de Balzac

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849605896

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Honoré de Balzac – Biografie und Bibliografie

Franz. Romandichter, geb. 20. Mai 1799 in Tours, gest. 18. Aug. 1850 in Paris, übernahm, da seine ersten Romane, die er unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlichte (30 Bde.), durchaus nicht beachtet wurden, eine Buchdruckerei, die er aber infolge schlechter Geschäfte bald wieder aufgeben mußte, kehrte dann zur Literatur zurück und schwang sich mit dem Roman »Le dernier Chouan, ou la Bretagne en 1800« (1829, 4 Bde.), den er unter seinem eignen Namen erscheinen ließ, mit einemmal zur Berühmtheit des Tages empor. Von nun an erschienen Schlag auf Schlag eine Unmasse von Romanen, in denen er die allmählich entstandene Idee, alle Seiten des menschlichen Lebens darzustellen, zu verwirklichen suchte. Bis zu einem gewissen Grad ist ihm dies gelungen; in der »Comédie humaine«, wie er selbst die Gesamtheit seiner Schriften bezeichnete, vereinigte er: »Scènes de la vie privée« (im ganzen 27 Werke); »Scènes de la vie de province« (»Eugénie Grandet« etc.); »Scènes de la vie parisienne« (»La dernière incarnation de Vautrin«, »Le père Goriot«, »Grandeur et décadence de César Birotteau«, »La cousine Bette«); »Scènes de la vie politique«; »Scènes de la vie militaire«; »Scènes de la vie de campagne«; »Etudes philosophiques« (»La peau de chagrin«, »Louis Lambert«); »Études analytiques« (»La physiologie du mariage«). Dazu kommen noch einige Dramen, die aber keinen Beifall fanden, und einige Komödien, von denen »Mercadet, ou le faiseur« (1851) sehr gefiel. Sein letztes Werk, der Roman »Les parents pauvres«, ist auch wohl sein reifstes. Balzacs Romane zeigen eine vorzügliche Schilderung des bürgerlichen Lebens, dem er den Glanz des Reichtums und die eleganten Formen und hochtönenden Namen der Aristokratie andichtet, ohne daß darum seine Personen in Manier und Gesittung ihre Parvenunatur verleugnen. Deshalb fällt auch Balzacs Erfolg mit dem Bürgerkönigtum zusammen. Mit der Julirevolution ging sein Stern auf, in der Februarrevolution, die den vierten Stand zur Herrschaft brachte, erblich er. Eine andre, wesentliche Stütze seines Ruhmes hatte er in der Frauenwelt gefunden, deren Herz er gewann durch »La femme de trente ans« (1831). Seinen Erfolg in Frankreich übertraf bei weitem der in Europa; überall wurde B. gelesen, man kopierte das Leben seiner Helden und Heldinnen und möblierte sich á la B. In seinen »Contes drolatiques« (30 Erzählungen im Stile Rabelais'), der »Physiologie du mariage« etc. ist er dem nacktesten Realismus verfallen, und mit Recht nennen ihn die Zola und Genossen ihren Herrn und Meister. Wenige Schriftsteller haben es verstanden, so treu die Sitten der Zeit und des Landes zu schildern, so tief in die Herzen der Menschen einzudringen und das Beobachtete zu einem lebendigen, überraschend wahren Bilde zu vereinigen. Aber seine Schilderungen sind jedes idealen Elements bar, die letzten Gründe menschlicher Handlungen führt er auf die Geldsucht und den gemeinsten Egoismus zurück, besonders seine Schilderungen des weiblichen Herzens sind oft von empörendem Naturalismus. Dazu kommen häufig große Flüchtigkeit in der Anordnung des Stoffes, Geschmacklosigkeit im Ausdruck und viele Mängel im Stil. Balzacs Werke erscheinen in einzelnen Ausgaben noch jedes Jahr und sind auch mehrmals gesammelt worden, z. B. 1856–59, 45 Bde., 1869–75, 25 Bde. (der letzte enthält Balzacs Briefwechsel von 1819–50), 1899 ff. (noch im Erscheinen); eine Ergänzung bilden die »Histoire des œuvres de H. de B.« von Lovenjoul (1879, 2. Aufl. 1886) und dessen »Études balzaciennes« (1895). Vgl. Laura Surville (Balzacs Schwester), B., sa vie et ses œuvres (1858); Th. Gautier, Honoré de B. (1859); de Lamartine, B. et ses œuvres (1866); Champfleury, Documents pour servir à la biographie de B. (1876); E. Zola, Über B. (in »Nord und Süd«, April 1880); H. Favre, La Franceen éveil. B. et le temps présent (1887); Gabr. Ferry (Bellemarre d. jüng.), B. et ses amies (1888); Barrière, L'œuvre de B. (1890); Lemer, B., sa vie, son œuvre (1892); Wormeley, Life of B. (Boston 1892); Lie, Honoré de B. (Kopenh. 1893); Cerfberr und Christophe, Répertoire de la Comédie humaine de B. (1893); Flat, Essais sur B. (1893–95, 2 Bde.); Biré, Honoré de B. (1897). Balzacs Büste ist im Foyer des Théâtre-Français aufgestellt; ein Denkmal (von Fournier) ist ihm in Tours errichtet.

Katharina von Medici

Einleitung

Sie lieben sich in Paradoxen zu ergehen, sagt man gemeiniglich, wenn Gelehrte, von einem historischen Irrtum befremdet, ihn rückgängig zu machen suchen; für jeden aber, der die moderne Geschichte gründlich studiert, wird es zur Gewißheit, daß Historiker privilegierte Lügner sind, die ihre Federn den volkstümlichen Ansichten anpassen, genau so wie die meisten heutigen Zeitungen nur den Meinungen ihrer Leser Ausdruck geben.

Historische Unabhängigkeit hat sehr viel weniger bei Laien als bei Mönchen geglänzt. Von den Benediktinern, die einen Ruhm Frankreichs bilden, sind uns, was Geschichte anlangt, die reinsten Erleuchtungen übermittelt worden, vorausgesetzt natürlich, daß der Mönche Interesse nicht mit ins Spiel gezogen war. Seit Mitte des achtzehnten Jahrhunderts haben sich denn auch große und gelehrte Kontroversisten erhoben, welche, von der Notwendigkeit durchdrungen, durch die Historiker verbreitete Volksirrtümer zu berichtigen, bemerkenswerte Arbeiten veröffentlichten. So erklärte de Launoy, der den Spitznamen Heiligenfresser bekam, den unbilligerweise in die Kirche eingeschmuggelten Heiligen einen grausamen Krieg. Ebenso begannen die Nacheiferer der Benediktiner, die allzuwenig bekannten Mitglieder der Akademie der Inschriften und schönen Wissenschaften, ihre an Geduld, Gelehrsamkeit und Logik so bewundernswürdigen Abhandlungen über dunkle historische Punkte. Desgleichen ließ Voltaire in seinem unseligen Interesse häufig das Licht seines Geistes voller trauriger Leidenschaft über historische Vorurteile leuchten. In gleicher Absicht schrieb Diderot ein allzulanges Buch über eine Epoche der römischen Kaisergeschichte. Ohne die französische Revolution hätte die Kritik sich vielleicht die Historie angelegen sein lassen und die Elemente einer guten und wahrhaften Geschichte Frankreichs vorbereitet, deren Fakten seit so langer Zeit durch unsere bedeutenden Benediktiner zusammengetragen worden sind. Ludwig der Sechzehnte, ein richtig urteilender Geist, hat selber das englische Werk übertragen, worin Walpole Richard den Dritten zu erklären suchte, mit dem sich das letzte Jahrhundert so eingehend beschäftigte.

Wie nun werden so berühmte Persönlichkeiten wie Könige und Königinnen, wie so gewichtige Männer wie Armeegenerale Gegenstand des Abscheus oder Spotts? Zwischen dem Liedchen von Marlborough und der englischen Geschichte schwankt die halbe Welt hin und her, wie man zwischen Geschichte und Volksglauben hinsichtlich Karls des Neunten hin und her pendelt. Zu allen Zeitläuften, wo große Schlachten zwischen den Massen und der Macht geschlagen wurden, schafft sich das Volk eine ogerhafte Persönlichkeit – wenn es erlaubt ist dies Adjektiv zu wagen, um einen rechten Begriff zu geben. Selbst in unserer Zeit wäre es ohne das Gedächtnisbuch von Sankt Helena, ohne die Kontroversen der Royalisten und Bonapartisten schier dahingekommen, daß Napoleons Charakter mißkannt worden wäre. Einige Abbés von Pradt mehr, noch einige Zeitungsartikel, und aus einem Kaiser wäre Napoleon ein Oger geworden. Wie verbreitet der Irrtum sich und wie verschafft er sich Geltung? Dies Geheimnis vollzieht sich vor unseren Augen und, ohne daß wir merken. Niemand macht sich einen Begriff davon, welchen Rückhalt die Buchdruckerkunst sowohl dem Neide, der sich an hochstehende Menschen heftet, als auch den volkstümlichen Scherzen verleiht, die eine große historische Tat im entgegengesetzten Sinne resümieren. So ist in ganz Frankreich des Prinzen von Polignac Name schlechten Pferden, auf die man loshaut, beigelegt worden. Und wer weiß, was die Zukunft von des Prinzen von Polignac Staatsstreiche halten wird? Einer Shakespeareschen Laune zufolge – und vielleicht wars eine Rache wie die Beaumarchais' an Bergasse (Bergearss) – ist Falstaff in England der Typ des Lächerlichen. Sein Name schon ruft Gelächter hervor. Er ist der König der Clowns. Anstatt ein maßlos beleibter, törichter, verliebter, eitler, trunksüchtiger, alter Wüstling zu sein, war Falstaff eine der wichtigsten Persönlichkeiten seines Jahrhunderts, Ritter des Hosenbandordens und befehligte ein höheres Kommando. Bei Heinrichs des Fünften Thronbesteigung war Sir Falstaff höchstens vierunddreißig Jahre alt. Dieser General, der sich in der Schlacht bei Azincourt auszeichnete und den Herzog von Alençon dabei zum Gefangenen machte, nahm anno 1420 Montereau ein, das tapfer verteidigt ward. Unter Heinrich dem Sechsten endlich schlug er mit fünfzehnhundert ermatteten und vor Hunger halb toten Soldaten zehntausend Franzosen! Das als Beispiel für den Krieg. Wenn wir von da aus zur Literatur übergehn, so gilt Rabelais, ein nüchterner Mann, der nur Wasser trank, für einen Liebhaber der Gutlebe, für einen leidenschaftlichen Zecher. Tausend lächerliche Geschichtchen machen über den Verfasser eines der schönsten Bücher der französischen Literatur, den Pantagruel, die Runde. Aretin, der Freund Tizians und der Voltaire seines Jahrhunderts, hat zu unseren Zeiten ein Renommé, das im krassen Gegensatz zu seinen Werken und seinem Charakter steht und ihm geistige Unsittlichkeit angesichts der vielen, vielen Schriften jenes Jahrhunderts zum Vorwurf macht, wo das Drollige in Ehren stand, wo Königinnen und Kardinäle Geschichten schrieben, die heute als unzüchtig gelten. Die Beispiele dieser Art könnte man ad infinitum vermehren.

In Frankreich, und in dem einflußreichsten Teile der modernen Geschichte, hat kein Weib, wenn man von Brunhild oder Fredegunde absieht, mehr unter den volkstümlichen Irrtümern gelitten als Katharina von Medici; während Maria von Medici, deren Handlungen in ihrer Gesamtheit Frankreich zum Schaden gereichten, der Schande entronnen ist, welche ihren Namen bedecken müßte. Maria hat die von Heinrich dem Vierten aufgehäuften Reichtümer vertan und sich niemals von dem Vorwurf reingewaschen, um des Königs Ermordung gewußt zu haben. Ihr Intimus war Épernon, der Ravaillacs Dolchstich nicht abwendete und diesen Menschen schon lange kannte. Sie hat ihren Sohn gezwungen, sie aus Frankreich zu verbannen, wo sie ihren anderen Sohn Gaston zu Revolten ermutigte; kurz Richelieus Sieg über sie am Prellereitage konnte nur erfolgen, weil der Kardinal Ludwig dem Dreizehnten die geheimgehaltenen Dokumente über Heinrichs des Vierten Tod unterbreitete. Katharina von Medici dagegen hat Frankreichs Krone gerettet; aufrecht erhalten hat sie die königliche Autorität unter Umständen, inmitten welcher mehr als ein großer Fürst unterlegen wäre. Auf dem Halse saßen ihr Aufrührer und Ehrsüchtige wie die Guisen und das Haus Bourbon, Männer wie die beiden Kardinäle von Lothringen und die beiden Balafré, die beiden Prinzen von Condé, die Königin Johanna d'Albret, Heinrich der Vierte, der Kronfeldherr von Montmorency, Calvin, die Colignys und Theodor von Béza, und sie mußte die seltensten und besten Eigenschaften, die kostbarsten Gaben des Staatsmannes unter dem Spottfeuer der calvinistischen Presse entfalten. Das sind Tatsachen, die wahrlich unbestreitbar sind. Wer daher die Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts in Frankreich durchforscht, vor dem steht Katharina von Medicis Gestalt wie die eines großen Königs da. Wenn die Verleumdungen erst einmal durch Tatsachen zerstreut werden, die man mühsam aus dem Wust der Widersprüche der Pamphlete und der verlogenen Anekdoten heraussuchen muß, wird sich alles für den Ruhm dieser außergewöhnlichen Frau erklären, die keine der Schwächen ihres Geschlechts besaß, die züchtig lebte inmitten der Liebschaften des galantesten Hofes Europas, und die trotz ihrer Geldknappheit wundervolle Bauwerke aufzuführen verstand, wie um die Verluste wettzumachen, welche die Verwüstungen der Calvinisten verursachten, die der Kunst ebensoviele Wunden beibrachten wie dem Staatskörper. Zwischen Fürsten, die sich Karls des Großen Erben nannten, und eine aufrührerische Nebenlinie gestellt, welche des Konnetabels von Bourbon Verrat unter dem Throne verscharren wollte, hat Katharina, die gezwungen war, eine Ketzerei abzuwehren, die schier den Thron verschlang, ohne Freunde, den Verrat in den Häuptern der katholischen Partei und die Republik in der calvinistischen Partei erkennend, die gefährlichste, in der Politik aber sicherste Waffe: die List, angewendet! Sie entschloß sich, nacheinander die Partei, welche den Ruin des Hauses Valois wollte, die Bourbonen, die nach der Krone strebten, und die Reformierten, die Radikalen jener Zeit, naszuführen, welche von einer unmöglichen Republik träumten, wie diejenigen unserer Zeit, die doch nichts zu reformieren haben. So haben denn die Valois, solange sie am Leben war, den Thron behalten.

Sehr wohl verstand er den Wert dieses Weibes, der große Historiker Thou, als er, von ihrem Tode hörend, ausrief:

»Das ist kein Weib, das Königtum ist gestorben!«

Tatsächlich besaß Katharina im höchsten Maße das Gefühl für die Würde des Königtums; auch verteidigte sie es mit wunderbarem Mute und Ausdauer. Die Vorwürfe, welche ihr die calvinistischen Schriftsteller machen, bilden klärlich ihren Ruhm; auf sich geladen hat sie sie nur durch ihre Triumphe. Konnte sie anders als durch List triumphieren? Da steckt die einzige Frage. Was die Gewalttätigkeit anlangt, so bildet dies Mittel eine der am meisten umstrittenen Fragen der Politik, die zu unserer Zeit auf dem Platze gelöst ward, auf den man einen ägyptischen Obelisken stellte, um den Königsmord vergessen zu machen und um das Emblem des augenblicklichen Systems der materialistischen Politik darzubieten, die uns beherrscht. Gelöst ward sie bei den Karmelitern und in der Abtei; auf den Stufen von Sankt Rochus ward sie gelöst, sie ward 1830 vor dem Louvre noch einmal von dem Volke, das wider den König stand, gelöst, wie sie seitdem durch die beste der Republiken Lafayettes wider die republikanische Insurrektion in Saint-Merri und der Rue Transnonnain gelöst wurde. Jedwede Macht, ob sie legitim oder illegitim ist, muß sich verteidigen, wenn sie angegriffen wird. Doch es ist eigentümlich, da, wo das Volk in seinem Siege über den Adel heroisch ist, gilt die Macht in ihrem Zweikampfe mit dem Volke für hinterlistig. Wenn die Macht schließlich, zur Gewalt genötigt, unterliegt, gilt sie noch für schwachsinnig. Die augenblickliche Regierung wird sich durch zwei Gesetze vor dem nämlichen Übel zu retten suchen, das Karl den Zehnten befiel und von welchem der Fürst sich durch zwei Verordnungen befreien wollte. Wird das nicht ein bittrer Hohn sein? Darf die Macht der List gegenüber List gebrauchen? Muß sie die töten, die töten wollen? Die Metzeleien der Revolution entsprechen den Metzeleien der Sankt Bartholomäusnacht. Wenn das Volk einmal König geworden ist, geht es gegen Adel und König vor, wie König und Adel wider die Aufrührer des sechzehnten Jahrhunderts vorgingen. So sind denn die Volksschriftsteller, die sehr wohl wissen, daß bei ähnlicher Gelegenheit das Volk noch ebenso handeln würde, nicht zu entschuldigen, wenn sie Katharina von Medici und Karl den Neunten tadeln. Jede Macht ist eine ständige Verschwörung, sagte Casimir Perrier, als er vernahm, was Macht sein müßte. Man bewundert die antisozialen Maximen, welche kühne Schriftsteller veröffentlichen; warum heftet sich also in Frankreich der Mißkredit an soziale Wahrheiten, wenn sie kühn proklamiert werden? An sich allein schon macht diese Frage alle historischen Irrtümer verständlich. Wendet die Lösung dieser Frage auf die verheerenden Doktrinen, welche den Volksleidenschaften schmeicheln, auf die konservativen Lehren an, welche das wilde und wahnsinnige Unterfangen des Volkes unterdrücken wollen, dann werdet ihr den Grund für die Unbeliebtheit wie für die Beliebtheit bestimmter Persönlichkeiten erkennen. Laubardemont und Laffemas hatten sich wie gewisse Leute heutzutage der Verteidigung der Macht geweiht, an die sie glaubten. Ob Soldaten oder Richter, sie gehorsamten, die einen und die anderen, einem Königtume. Heutzutage würde d'Orthez abgesetzt werden, weil er des Ministers Befehle ignorierte, Karl der Neunte aber beließ ihm die Leitung seiner Provinz. Die Macht aller rechnet mit niemandem, die Macht eines einzelnen ist aber gezwungen, mit den Untertanen, mit den großen wie mit den kleinen, zu rechnen.

Katharina, wie Philipp der Zweite und der Herzog von Alba, wie die Guisen und der Kardinal Granvella, haben die Zukunft erkannt, welche die Reformation Europa aufsparte: Monarchien, Religion und Macht sahen sie am Boden liegen. Im Arbeitszimmer der Könige von Frankreich schrieb Katharina ein Todesurteil wider den Geist der Untersuchung, der die moderne Gesellschaft bedrohte; ein Befehl, ein Urteil, das Ludwig der Vierzehnte schließlich vollstreckte. Die Widerrufung des Edikts von Nantes war nur deshalb eine unglückliche Maßnahme, weil sie Europa gegen Ludwig den Vierzehnten empörte. Zu einer anderen Zeit würden England, Holland und das deutsche Kaiserreich nicht die verbannten Franzosen bei sich und die Revolte in Frankreich ermutigt haben. Warum soll man denn zu unseren Zeiten der majestätischen Gegnerin der unfruchtbarsten aller Ketzereien nicht die Größe zubilligen, die sie sich durch ihren Kampf selbst erworben hat? Die Calvinisten haben viel gegen Karls des Neunten Strategie geschrieben. Eilt aber durch Frankreich: wenn ihr die Ruinen so vieler schöner zerstörter Kirchen seht, wenn ihr die ungeheuren Wunden ermeßt, die dem sozialen Körper durch die Religionsstreiter beigebracht wurden, wenn ihr von all der Rache hört, die Unglücksfälle des Individualismus beklagt, der die Wunde des heutigen Frankreichs ist, deren Keim in den von ihnen agitierten Fragen der Gewissensfreiheit schon ruhte, dann fragt euch, auf wessen Seite die Henker standen. Wie Katharina in der dritten dieser Novellen sagt, gibt es leider in allen Epochen gleisnerische Schriftsteller, die immer bereit sind, zweihundert zu gelegener Zeit getötete Schelme zu beweinen. Cäsar, der den Senat zum Mitleid mit Catilinas Partei bewegen wollte, würde Cicero vielleicht besiegt haben, wenn ihm Zeitungen und eine Opposition zur Verfügung gestanden hätte.

Eine andere Erwägung erklärt Katharinas historischen und volkstümlichen Mißkredit. In Frankreich ist die Opposition stets protestantisch gewesen, weil sie immer nur die Negation als Politik gebrauchte; sie erbte die Theorien der Lutheraner, Calvinisten und Protestanten über die schrecklichen Worte: Freiheit, Duldung, Fortschritt und Philosophie. Zweier Jahrhunderte bedurften die Gegner der Macht, um die zweifelhafte Doktrin des freien Entscheids aufzustellen. Zwei weitere Jahrhunderte wurden dazu verwendet, das erste Corollarium des freien Entscheids, die Gewissensfreiheit, zu entwickeln. Unser Jahrhundert versucht das zweite, die politische Freiheit, einzuführen.

Zwischen bereits durchmessenen und noch zu durchmessenden Strecken eingekeilt, haben Katharina und die Kirche das heilsame Prinzip der modernen Gesellschaften, una fides, unus dominus, proklamiert, indem sie von ihrem Rechte über Leben und Tod der Neuerer Gebrauch machten. Obwohl sie besiegt ward, haben die folgenden Jahrhunderte Katharinen Recht gegeben. Das Produkt des freien Entscheides, der religiösen und der politischen Freiheit (verwechseln wir sie nicht mit der bürgerlichen Freiheit) ist das Frankreich von heute. Was aber ist das Frankreich von 1840? Ein ausschließlich sich mit materiellen Interessen befassendes, alles Patriotismus bares Land ohne Gewissen, wo die Macht der Kraft entbehrt, wo die Wahl, eine Frucht des freien Entscheids und der politischen Freiheit, nur Mittelmäßigkeiten auf den Schild hebt, wo die brutale Gewalt den Gewalttätigkeiten des Volkes gegenüber Notwendigkeit geworden ist und wo die auf die läppischsten Geringfügigkeiten ausgedehnte Diskussion jede Handlung des sozialen Körpers erstickt. Wo das Geld alle Fragen beherrscht und wo der Individualismus, ein furchtbares Produkt der Teilung ad infinitum aller Erbschaften, das die Familie unterdrückt, alles, selbst die Nation verschlingen wird, welche der Egoismus eines Tages der Invasion ausliefern wird. Man wird nun sagen: Warum also nicht den Zaren? wie man sich sagte: Warum nicht den Herzog von Orleans ? Man erkennt keine großen Werte mehr an; in fünfzig Jahren aber wird man auf nichts mehr Wert legen.

Katharinen und allen denen gemäß, die eine wohlgeordnete Gesellschaft wollen, hat der Untertan also keinen freien Entscheid und darf sich weder zum Dogma der Gewissensfreiheit bekennen noch politische Freiheit besitzen. Da aber keine Gesellschaft ohne die Garantien existieren kann, die dem Untertan gegen den Herrscher geleistet werden, ergeben sich für den Untertanen daraus Freiheiten, die Beschränkungen unterworfen sind. Die Freiheit, nein; Freiheiten aber, ja; begrenzte und treffend bezeichnete Freiheiten. Das ist konform der Natur der Dinge. Wahrlich aber steht es außerhalb der Menschenmacht, die Gedankenfreiheit zu verhindern, und kein Monarch kann der Macht des Geldes Einhalt gebieten. Die großen Politiker, die in diesem langen Kampfe – er währte fünf Jahrhunderte hindurch – besiegt wurden, erkannten ihren Untertanen große Freiheiten zu; gestatteten aber weder die Freiheit, antisoziale Gedanken zu veröffentlichen, noch ließen sie die schrankenlose Freiheit des Individuums zu. Im politischen Sinne sind: Untertan und frei sein, zwei sich widersprechende Begriffe, ebenso wie der Begriff: Bürger, die alle gleich sind, einen Nonsens darstellt, den die Natur zu jeder Stunde Lügen straft. Notwendigkeit der Macht anerkennen und den Untertanen das Recht einräumen, die Religion zu verneinen, ihren Kult anzugreifen und sich der Machtausübung durch den öffentlichen, mitteilbaren und mitgeteilten Ausdruck des Gedankens zu widersetzen, ist eine Unmöglichkeit, welche die Katholiken des sechzehnten Jahrhunderts nicht wollten. Ach, der Sieg des Calvinismus wird Frankreich noch mehr kosten, als er bis heute kostete, denn die religiösen und politischen, der allgemeinen Gleichheit usw. anhängenden Sekten von heute sind das Anhängsel des Calvinismus, und angesichts der Fehler der Macht, ihrer Verachtung der Intelligenz, ihrer Liebe für die materiellen Interessen, auf die sie sich stützen will und welche die trügerischsten aller Mittel, zum mindesten einer providentionellen Hilfe sind, wird der Geist der Zerstörung von neuem über den Geist der Erhaltung obsiegen. Angreifer, die nichts zu verlieren und alles zu gewinnen haben, verständigen sich wunderbar, während ihre reichen Widersacher kein Opfer, weder an Geld noch an Eigenliebe, bringen wollen, um sich Verteidiger zu erwerben. Die Buchdruckerkunst kam der von den Waadtländern und Albigensern begonnenen Opposition zu Hilfe. Als der menschliche Gedanke einmal, statt sich zu verdichten, was zu tun er genötigt war, um in der am besten mitteilbaren Form zu bleiben, eine Menge Kleider anlegte und das Volk selber ward, anstatt in gewisser Weise göttlich »erwiesen« zu bleiben, gab es zwei Massen zu bekämpfen: die Menge der Ideen und die Menge der Menschen. In diesem Kriege ist die königliche Macht unterlegen, und wir wohnen in Frankreich jetzt seiner letzten Kombination mit Elementen bei, die sie schwierig, um nicht zu sagen unmöglich gestalten. Die Macht ist eine Aktion, und das auf Wahl begründete Prinzip ist die Diskussion. Mit der Diskussion in Permanenz ist keine Politik möglich.

So müssen wir denn auch ein Weib für sehr groß halten, das diese Zukunft zu erraten wußte und sie so mutig bekämpfte. Wenn das Haus Bourbon dem Hause Valois nachfolgen konnte, wenn es eine Krone aufzuheben fand, so hat es das Katharinen von Medici zu verdanken. Stellt euch vor, der zweite Balafré wäre noch am Leben gewesen, wie tapfer der Béarnaise auch gewesen ist, zweifelhaft ist's, ob er die Krone aufgerafft hätte, zumal man sieht, wie teuer sie ihm der Herzog von Mayenne und die Überbleibsel der Guisenpartei verkauften. Die notwendigen Mittel, deren sich Katharina bediente, die sich Franz des Zweiten und Karls des Neunten Tod – beide starben sie gerade zur rechten Zeit, um sie zu retten – zum Vorwurf machen mußte, sind, bemerkt das wohl, nicht der Gegenstand der Anklagen der calvinistischen und modernen Schriftsteller! Wenn keine Vergiftung statthatte, wie ernsthafte Autoren erklären, so haben sträflichere Kombinationen bestanden: außer Zweifel steht, daß sie Paré hinderte, den einen zu retten, und daß sie an dem anderen einen langwierigen moralischen Mord vollzog. Franz des Zweiten jäher, Karls des Neunten so allmählich herbeigeführter Tod schadeten den calvinistischen Interessen nicht: die Gründe dieser beiden Ereignisse lagen in der höheren Sphäre und wurden weder von den Schriftstellern noch von dem Volke jener Zeit vermutet. Erraten wurden sie nur von den Thous, den l'Hôspitals und von den überlegensten Geistern oder den Anführern der beiden Parteien, welche die Krone begehrten oder verteidigten und solche Mittel als notwendig erachteten. Die Volkslieder, es ist seltsam, griffen Katharinas Sitten an. Man kennt die Anekdote von jenem Soldaten, der sich während Katharinas und Heinrichs des Vierten Konferenz im Wachthause des Schlosses von Tours eine Gans briet und sich dabei ein Liedchen sang, worin die Königin durch einen Vergleich mit der Kanone stärksten Kalibers, welche die Calvinisten besaßen, beleidigt ward. Heinrich der Vierte zog seinen Degen, um den Soldaten zu töten; Katharina hielt ihn zurück und begnügte sich damit, dem Beleidiger zuzurufen: »He, Katharina ists, die dir die Gans spendet!«

Wenn die Amboiser Hinrichtungen auf Katharinas Rechnung geschrieben werden, wenn die Calvinisten diese überlegene Frau für all die unvermeidlichen Unglücksfälle dieses Kampfes verantwortlich machten, so spielte sie dabei eine Rolle wie später Robespierre, der noch zu beurteilen bleibt. Grausam bestraft ward übrigens Katharina für den Vorzug, den sie dem Herzoge von Anjou gab, dem sie die beiden älteren Brüder so wohlfeil verkaufte. Wie allen verzogenen Kindern war Heinrich dem Dritten die Mutter völlig gleichgültig, und er stürzte sich freiwillig in jene Ausschweifungen, die aus ihm machten, was seine Mutter aus Karl dem Neunten gemacht hatte: einen Ehemann ohne Sohn, einen erbenlosen König.

Unglücklicherweise starb der Herzog von Alençon, Katharinas letztes männliches Kind, und zwar eines natürlichen Todes. Unerhörte Anstrengungen machte Katharina, um ihres Sohnes Leidenschaften zu bekämpfen. Die Geschichte hat die Erinnerung an das Mahl mit den nackten Weibern überliefert, welches bei der Rückkehr aus Polen in der Galerie von Chenonceaux stattfand; aber sie zog Heinrich den Dritten durchaus nicht von seinen üblen Angewohnheiten ab. Der Königin letztes Wort hat ihre Politik resümiert; übrigens ist die so konform mit dem gesunden Menschenverstand, daß wir alle Kabinette sie unter ähnlichen Umständen in die Praxis umsetzen sehen:

»Ein guter Schnitt ist das, mein Sohn,« sagte sie, als Heinrich der Dritte an ihr Totenbett trat, um ihr zu melden, daß der Feind der Krone zu Tode gefällt sei, »doch jetzt heißts zunähen!«

So zeigte sie an, daß der Thron sich sofort mit dem Hause Lothringen versöhnen und sich seiner bedienen müsse. Das war das einzige Mittel, um dem Hasse der Guisen die Spitze abzubrechen, indem man ihnen die neue Hoffnung gab, den König zu umgarnen. Solch verschlagene weibliche und Italienerinnenbeharrlichkeit aber, die sie stets angewendet hat, ließ sich in keiner Weise mit Heinrichs des Dritten wollüstigem Leben vereinigen. Als die große Mutter (mater castrorum) einmal tot war, starb auch die Politik der Valois.

Ehe der Verfasser dieser Novellen es unternahm, die Sittengeschichte zu behandeln, hatte er geduldig und sorgsam die hauptsächlichen Regierungen der französischen Geschichte, den Streit der Burgunder und Armagnacs, den der Guisen und Valois, die jeder ein Jahrhundert über währten, zu studieren. Seine Absicht lief dahinaus, eine pittoreske Geschichte Frankreichs zu schreiben. Isabella von Bayern, Katharina und Maria von Medici, diese drei Frauen, nehmen einen riesigen Platz darinnen ein, beherrschen die Zeit vom vierzehnten bis sechzehnten Jahrhundert, ja, man kann sagen bis zu Ludwig dem Vierzehnten. Von diesen drei Königinnen ist Katharina die interessanteste und schönste. Männlich war ihre Herrschaft, und sie entehrten weder die schrecklichen Liebschaften Isabellas noch die noch viel schrecklicheren, obwohl minder bekannten der Maria von Medici. Isabella rief die Engländer gegen ihren Sohn nach Frankreich, liebte den Herzog von Orleans, ihren Schwager, und Boisbourdon. Auf Maria von Medicis Rechnung stehen noch viel schlimmere Dinge. Weder die eine noch die andere besaß politisches Genie. Bei solchen Studien und bei diesen Parallelen überzeugte sich der Verfasser von Katharinas Größe. Indem er sich mit den immer wieder erwachenden Schwierigkeiten ihrer Lage befaßte, erkannte er, wie ungerecht die Historiker, die alle von Protestanten beeinflußt wurden, dieser Königin gegenüber gewesen sind. Die Folge davon waren die drei Novellen hier, in denen einige irrige Meinungen über sie, die sie umgebenden Menschen und über die Dinge ihrer Zeit bekämpft werden. Wenn diese Arbeit den »Philosophischen Studien« eingereiht wurde, geschah es, weil sie den Geist der Zeit darlegt und weil man klar darinnen den gedanklichen Einfluß sieht. Bevor ich aber die politische Arena betrete, in der Katharina sich kämpfend mit den beiden großen Schwierigkeiten ihrer Laufbahn auseinandersetzt, muß ich notgedrungen kurze Angaben über ihr vorhergehendes Leben vom Gesichtspunkte einer unparteiischen Kritik aus machen, damit man annähernd den ganzen Verlauf dieser ungeheuren und königlichen Existenz bis zum Augenblicke überschaut, wo die erste dieser Novellen anhebt.

Zu keiner Zeit, in keinem Lande und in keiner herrschenden Familie hat es jemals mehr Verachtung vor der Legitimität gegeben als in dem berühmten Hause der Medici, deren Name in Frankreich Medicis ausgesprochen wird. Hinsichtlich der Macht huldigte sie der nämlichen Doktrin, zu welcher sich heute Rußland bekennt: Jedwedes Oberhaupt, an das der Thron gelangt, wird das wahre, das legitime. Mirabeau hatte Recht zu sagen: Nur eine Unebenbürtigkeit hats in meiner Familie gegeben, und das ist die der Medici; denn allen Bemühungen der bezahlten Genealogisten zum Trotz ist es gewiß, daß die Medici vor Averard von Medici, dem Florentiner Gonfalonier im Jahre 1314, simple Florentiner Kaufleute waren, die sehr reich wurden. Die erste Persönlichkeit, die eine wichtige Stellung in der Geschichte der berühmten toskanischen Republik einzunehmen begann, war Savestrus von Medici, welcher 1378 Gonfalonier geworden war. Von diesem Savestrus wurden zwei Kinder gezeugt, Kosmus und Lorenz von Medici.

Von Kosmus stammen ab Lorenz der Prächtige, der Herzog von Nemours, der Herzog von Urbino, Katharinas Vater, Papst Leo, Papst Clemens der Siebente, und Alexander, nicht der Herzog von Florenz, wie man ihn nennt, sondern der Duca della città di Penna; ein Titel, welcher ihm von Papst Clemens dem Siebenten verliehen ward, um ihm den Weg zum Titel eines Großherzogs von Toscana zu ebnen.

Von Lorenz stammen ab der Florentiner Brutus, Lorenzino, der den Herzog Alexander tötete; Kosmus, der erste Großherzog, und alle Herrscher Toskanas bis 1737, wo das Haus erlosch.

Keiner dieser beiden Zweige aber, weder der Zweig Kosmus' noch der Zweig Lorenz' regierte in gerader Linie bis zu dem Augenblicke, wo Toskana, durch Maria von Medicis Vater unterjocht, seine Großherzöge in natürlicher Weise einander nachfolgen sah. So war Alexander von Medici, der, der den Titel Duca della città di Penna führte und von Lorenzino ermordet ward, ein Sohn des Herzogs von Urbino, Katharinas Vaters, und einer maurischen Sklavin. Auch hatte Lorenzino, Lorenz' legitimer Sohn, in doppelter Weise das Recht, Alexander zu töten, da er erstens ein Usurpator seines Hauses und zweitens ein Bedrücker der Stadt war. Einige Historiker glauben sogar, daß Alexander Clemens des Siebenten Sohn war. Des Bastardes Anerkennung als Haupt der Republik und der Familie Medici erfolgte auf Grund seiner Heirat mit Margarete von Österreich, Karls des Fünften natürlicher Tochter.

Franz von Medici, Bianca Capellos Gatte, nahm als Sohn ein Kind des Volkes an, welches von dieser berühmten Venezianerin gekauft worden war, und, was sehr merkwürdig ist, Ferdinand beließ, als er Franz folgte, dies untergeschobene Kind in all seinen Rechten. Dies Kind ward Don Anton von Medici genannt und vier Regierungen über als zur Familie gehörig betrachtet; er erwarb sich eines jeden Zuneigung, leistete der Familie wichtige Dienste und ward bei seinem Ende allgemein beklagt.

Fast alle ersten Medici waren natürliche Kinder, deren Los sich immer glänzend gestaltete. So war der Kardinal Julius von Medici, der unter dem Namen Clemens der Siebente Papst ward, Julians des Ersten illegitimer Sohn. Der Kardinal Hippolytus von Medici war gleichfalls ein Bastard und wenig fehlte daran, daß er Papst und Familienhaupt wurde.

Nach einigen Anekdotenmachern, soll der Herzog von Urbino, Katharinas Vater, zu seiner Tochter gesagt haben:

»A figlia d'inganno non manca mai figliuolanza. Ein kluges Mädchen weiß immer Kinder zu kriegen.«

Diese Äußerung bezog sich auf einen gewissen Körperbildungsfehler, mit welchem Heinrich, Franz des Ersten zweiter Sohn, ihr Verlobter, behaftet war. Lorenz der Zweite, Katharinas Vater, nun, welcher anno 1518 in zweiter Ehe Magdalene de la Tour d'Auvergne geheiratet hatte, starb am achtundzwanzigsten April 1519, einige Tage nach seinem Weibe, deren Tod durch die Geburt ihrer Tochter Katharina verursacht wurde. Katharina war also gleich, nachdem sie das Lebenslicht erblickte, väterlicher- und mütterlicherseits Waise. Daher ergeben sich die merkwürdigen Erlebnisse ihrer Kindheit, die durchsetzt war von den blutigen Kämpfen der um ihre Freiheit ringenden Florentiner gegen die Medici, die Florenz beherrschen wollten und dabei so behutsam zu Werke gingen, daß Katharinas Vaters den Titel Herzog von Urbino führte. Bei Lorenz, Katharinas Vaters, Tode war das legitime Oberhaupt des Hauses Medici Papst Leo, welcher Florenz durch jenen illegitimen Sohn Julians, Julius von Medici, der damals Kardinal war, beherrschen ließ. Leo der Zehnte war Katharinas Großonkel, und jener Kardinal Julius, der Clemens der Siebente wurde, war nur ihr Onkel linker Hand, weswegen Brantôme diesen Papst scherzhafterweise einen Oheim bei Unserer lieben Frau nannte. Während der Belagerung von Florenz, die von den Medici unternommen ward, um in die Stadt zu gelangen, wollte die republikanische Partei, nicht zufrieden damit, die neunjährige Katharina in ein Kloster eingesperrt zu haben, nachdem sie sie aller ihrer Güter beraubt hatte, sie auf Vorschlag eines gewissen Baptist Cei hin zwischen zwei Schießscharten dem Artilleriefeuer aussetzen. Bernhard Castiglione ging in einer Beratung über die Herbeiführung einer Beendigung der Belagerung noch weiter und war der Ansicht, man müsse Katharina, anstatt sie dem sie zurückbittenden Papste auszuliefern, den Soldaten überantworten, damit die sie entehrten. Wie man sieht, gleichen sich alle Volksrevolutionen. Katharinas Politik, welche die Königmacht so sehr begünstigte, konnte von solchen Szenen, die eine neunjährige Italienerin sehr wohl zu begreifen vermochte, angeraten worden sein.

Alexander von Medicis Thronerhebung, zu welcher der Bastard Clemens der Siebente so viel beigetragen hatte, wurde sonder Zweifel durch seine Illegitimität selber und durch Karls des Fünften Liebe zu seiner berühmten Bastardin Margarete veranlaßt. So wurden Papst und Kaiser von dem nämlichen Gefühle beseelt. Zu jener Zeit betrieb Venedig den Handel der Welt, besaß Rom ihre moralische Herrschaft; Italien regierte außerdem durch seine Dichter, Generäle und die in ihm gebornen Staatsmänner. Zu keiner Zeit sah man in einem so interessanten Lande einen reicheren Verein genialer Männer. Ihrer gab es damals so viele, daß die geringsten Fürsten bedeutende Männer waren. Italien barst vor Talent, Mut, Weisheit, Poesie, Reichtum und Galanterie, wiewohl es von ständigen Bürgerkriegen zerrissen ward und das Stelldichein aller Eroberer war, welche seine schönsten Gefilde sich streitig machten. Wenn die Menschen so tapfer sind, scheuen sie sich nicht, ihre Schwäche einzugestehn. Daraus ergibt sich zweifelsohne jenes goldene Zeitalter der Bastarde. Übrigens muß man diesen illegitimen Kindern des Medicäerhauses Gerechtigkeit widerfahren lassen: sie setzten sich glühend für Ruhm und Vermehrung der Güter und der Macht der Familie ein. Sobald der Duca della città di Penna, der Maurin Sohn, als Tyrann von Florenz eingesetzt ward, machte er des Papstes Clemens des Siebenten Interesse für Lorenz des Zweiten damals elfjährige Tochter sofort zu seinem eigenen.

Wenn man den Gang der Angelegenheiten und Menschen in diesem so interessanten sechzehnten Jahrhundert studiert, darf man niemals vergessen, daß die Politik damals eine ständige List, die bei allen Charakteren jenes aufrichtige Benehmen, jene Breitschultrigkeit zerstörte, welche die Einbildungskraft von hervorragenden Persönlichkeiten fordert, als ihr Element erheischte. Da vor allem findet man Katharinas Freisprechung. Diese Beobachtung spricht allen banalen und wahnsinnigen Anklagen der Reformationsschriftsteller das Urteil. Es war die Maienblüte jener Politik, deren Gesetzbuch von Macchiavelli wie von Spinoza, von Hobbes wie von Montesquieu geschrieben wurde, denn der Dialog von Sulla und Eucrates enthält Montesquieus wahren Gedanken; seine Verbindungen mit der enzyklopädischen Partei gestatten ihm nicht, sie anders zu enthüllen. Diese Prinzipien sind heute die geheime Moral aller Kabinette, in denen man die Pläne irgendwelcher großen Herrschaft verfolgt. In Frankreich tadelten wir Napoleon, als er dies italienische Genie, das er in cute hatte, und dessen Kombinationen nicht immer mit Erfolg gekrönt wurden, zur Anwendung brachte. Karl der Fünfte, Katharina, Philipp der Zweite und Julius der Zweite würden in der spanischen Affäre nicht anders vorgegangen sein. Zu der Zeit, wo Katharina geboren ward, würde die Geschichte, vom Gesichtspunkte der Billigkeit aus betrachtet, einem wie ein unmöglicher Roman vorkommen. Karl der Fünfte, gezwungen den Katholizismus angesichts der Angriffe Luthers zu schützen, welcher den Thron bedrohte, indem er die Tiara bedrohte, ließ den Sacco di Roma zu und hielt Papst Clemens den Siebenten gefangen. Dieser nämliche Clemens der Siebente, welcher keinen grausameren Feind als Karl den Fünften besaß, macht ihm den Hof, um Alexander von Medici in Florenz ans Ruder zu bringen, und Karl der Fünfte gibt diesem Bastard seine Tochter. Im Einverständnis mit Clemens sucht Alexander Karl dem Fünften zu schaden, indem er sich mittels Katharina von Medici mit Franz dem Ersten verbündet, und alle beide versprechen, ihm bei der Eroberung von Italien behilflich zu sein. Lorenzino von Medici macht sich zu Herzog Alexanders Genossen der Ausschweifungen und ist sein Augendiener, um ihn töten zu können. Philipp Strozzi, einer der hochherzigsten Charaktere jener Zeit, hielt so große Stücke auf diesen Mord, daß er schwor, jeder seiner Söhne solle eine von des Mörders Töchtern heiraten, und jeder Sohn erfüllte fromm das väterliche Versprechen, als sie allesamt, von Katharinen beschützt, glänzende Verbindungen eingehen konnten, denn der eine ward Dorias Nacheiferer und der andere französischer Marschall. Kosmus von Medici, der Nachfolger Alexanders, mit welchem ihm keinerlei verwandtschaftliche Bande verknüpften, rächte dieses Tyrannen Tod mit zwölfjähriger Beharrlichkeit auf die grausamste Weise. In dieser Zeit war sein Haß genau so stark gegen alle die Leute, die ihm schließlich die Macht verliehen hatten. Im Augenblicke, wo er zur Herrschaft berufen ward, war er achtzehnjährig; seine erste Handlung bestand darin, daß er die Rechte der legitimen Söhne Alexanders für null und nichtig erklären ließ, und all das tat er, um Alexander zu rächen... Karl der Fünfte bestätigte seiner Enkel Enterbung und erkannte Kosmus an Stelle von Alexanders Sohne an. Der Kardinal Cibò hatte Kosmus auf den Thron gesetzt, dafür verbannte ihn der sofort. Kardinal Cibò klagte denn auch sofort seine Kreatur, eben diesen Kosmus, welcher der erste Großherzog wurde, an, daß er Alexanders Sohn habe vergiften wollen. Dieser Großherzog war ebenso eifersüchtig auf seine Macht wie Karl der Fünfte auf die seinige und ebenso, wie es der Kaiser tat, dankte er zugunsten seines Sohnes Franz ab, nachdem er seinen anderen Sohn, Don Garcias, hatte töten lassen, um des Kardinals Johann von Medici Tod zu rächen, den Garcias ermordet. Kosmus der Erste und sein Sohn Franz, welche dem Hause Frankreich mit Leib und Seele hätten ergeben sein müssen, der einzigen Macht, die sie stützen konnte, waren Karls des Fünften und Philipps des Zweiten Diener und infolgedessen die ruchlosen, feigen und heimlichen Feinde Katharinas von Medici, die doch ein Ruhm ihres Hauses war. Das sind nur die hauptsächlichen, sich widersprechenden und unlogischen Handlungen, Schurkereien und schwarzen Intrigen des Hauses Medici. Nach diesem kurzen Überblick kann man die anderen Fürsten Italiens und Europas beurteilen. Alle Gesandten Kosmus' des Ersten hatten in ihren geheimen Anweisungen den Befehl, Strozzi, der Königin Katharina Verwandten, wenn sich Gelegenheit böte, zu vergiften. Karl der Fünfte ließ drei Gesandte Franz des Ersten meucheln.

Zu Anfang des Oktobermondes 1533 reiste der Duca della città di Penna von Florenz nach Livorno; Lorenz des Zweiten einzige Erbin, Katharina von Medici, begleitete ihn. Der Herzog und die Prinzessin von Florenz, denn das war der Titel, den man dem damals vierzehnjährigen jungen Mädchen verliehen hatte, verließen die Stadt umgeben von einem beträchtlichen Trupp Diener, von Offizieren und Sekretären; Bewaffnete zogen vor ihnen her, und eine Reiterbedeckung folgte. Die junge Prinzessin wußte noch nichts von ihrem Los, nur daß der Papst mit dem Herzoge Alexander eine Begegnung in Livorno haben sollte; ihr Onkel Philipp Strozzi aber enthüllte ihr bald die Zukunft, der sie versprochen worden war.

Philipp Strozzi hatte Klarissa von Medici geheiratet, die eine Blutschwester Lorenz' von Medici, des Herzogs von Urbino und Katharinas Vaters, war. Diese Heirat aber, die ebensosehr deshalb geschlossen ward, um eine der festesten Stützen der Volkspartei für der Medici Sache zu gewinnen, als auch um die Zurückrufung der damals verbannten Medici geschickt herbeizuführen, konnte diesen rauhen Helden, welcher von seiner Partei verfolgt ward, weil er diese Ehe eingegangen war, niemals umstimmen. Trotz des anscheinenden Wechsels in seinem durch diese Verbindung in etwas beherrschten Benehmen blieb er der Volkspartei treu und erklärte sich gegen die Medici, sobald er von ihrem Plane, Florenz zu unterjochen, Wind bekam. Dieser große Mann widerstand sogar, als ihm von Leo dem Zehnten ein Fürstentum angetragen ward. Philipp Strozzi sah sich in diesem Augenblick als Opfer der Medicäerpolitik, die in ihren Mitteln so schwankend, so fest aber in ihren Zielen war. Nachdem er Clemens des Siebenten unglückliche Gefangenschaft geteilt, als er, von den Colonna überrumpelt, sich in die Engelsburg geflüchtet hatte, wurde er von Clemens als Geisel gestellt und nach Neapel gebracht. Als der Papst, einmal befreit, böse über seine Feinde herfiel, sollte Strozzi sein Leben verlieren und sah sich zur Zahlung einer ungeheuren Summe genötigt, um das Gefängnis zu verlassen, wo er streng bewacht wurde. Als er sich frei sah, besaß er einer Eingebung der einem Biedermanne natürlichen Gutmütigkeit zufolge die Harmlosigkeit, sich bei Clemens dem Siebenten einzustellen, der sich vielleicht der Hoffnung hingegeben hatte, ihn loszuwerden. Der Papst errötete über sein Benehmen dermaßen, daß er Strozzi den übelsten Willkomm bereitete. Sehr jung hatte Strozzi also die Lehre des unglücklichen Lebens eines in politicis rechtschaffenen Mannes angetreten, dessen Gewissen sich die Launen der Ereignisse nicht gefallen läßt, dessen Handlungen nur der Tugend zusagen, die sich dann von allen verfolgt sieht: vom Volke, weil sie sich seinen blinden Leidenschaften widersetzt, von der Macht, weil sie sich ihren Usurpationen entgegen stemmt. Solch großer Bürger Leben ist ein Martyrium, in welchem sie nur durch die starke Stimme ihres Gewissens und durch ein heroisches Gefühl der sozialen Pflicht aufrecht erhalten werden, welche ihnen in allen Dingen ihr Benehmen diktiert. Viel solcher Männer gab es in der Florentinischen Republik, die alle eben so groß wie Strozzi und ebenso vollkommen wie ihre Widersacher der Medicipartei waren, obwohl sie von deren florentinischer List besiegt wurden. Was ist bei der Pazziverschwörung bewunderungswürdiger als das Benehmen des Oberhaupts dieser berühmten Familie, deren Handel unermeßlich war? Er regelte alle seine asiatischen, levantinischen und europäischen Verbindlichkeiten, ehe er jenen großen Plan ausführte, damit seine Korrespondenten, wenn er unterläge, nichts verlören. Die Geschichte der Gründung des Hauses Medici im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert zu schreiben ist denn auch eine der schönsten Aufgaben, die der Lösung harren, ob auch schon große Genies die Hand daran gelegt haben. Weder ist es die Geschichte einer Republik, noch einer Gesellschaft, noch einer besonderen Zivilisation, sondern die Geschichte des politischen Menschen, die ewige Geschichte der Politik, die der Usurpatoren und Eroberer. Als Philipp Strozzi nach Florenz zurückgekehrt war, richtete er die alte Regierungsform dort wieder ein und ließ Hippolytus von Medici, einen anderen Bastard, und jenen Alexander in ihr hervortreten, mit welchem er in diesem Momente gen Stoorno reiste. Er war entsetzt über die Unbeständigkeit des Volkes; und da er Clemens des Siebenten Rache fürchtete, wollte er ein riesiges Handelshaus, das er in Lyon besaß und das mit seinen Bankiers in Venedig in Verbindung stand, überwachen. Es ist merkwürdig: diese Männer, welche die Last der Staatsgeschäfte und eines steten Kampfes mit den Medici ertrugen, ohne der Zwistigkeiten in ihrer eigenen Partei zu gedenken, hielten auch der Last des Handels und seiner Spekulationen, der Bankhäuser und ihrer Verwickelungen stand, welche die Verschiedenartigkeit der Geldsorten und ihre Fälschungen noch sehr viel schwieriger als heute machten. (Der Name Bankier stammt von der Bank her, worauf sie saßen und die ihnen dazu diente, die Gold- und Silberstücke aufklingen zu lassen.) Der Tod seines angebeteten Weibes diente Philipp als Vorwand, den Forderungen der republikanischen Partei nachzukommen, deren Polizei in allen Republiken um so fürchterlicher ward, als jedweder sich im Namen der Freiheit, die alles rechtfertigt, zu Spionendiensten herbeiließ. Philipp war erst in dem Augenblicke nach Florenz zurückgekehrt, wo er sich genötigt sah, Alexanders Joch auf sich zu nehmen; vorher aber hatte er Papst Clemens den Siebenten aufgesucht, dessen Angelegenheiten sich in genügend gutem Zustande befanden, um seine Dispositionen in Hinsicht auf ihn einer Änderung zu unterziehen. Im Augenblick des Triumphs bedurften die Medici so sehr eines Mannes wie Strozzi, und wäre es auch nur gewesen, um Alexanders Regierungsantritt herbeizuführen, daß Clemens ihn zu bestimmen wußte, im Rate des Bastards zu sitzen, der die Bedrückung der Stadt beginnen sollte, und Philipp hatte das Senatorendiplom angenommen. Wie Seneca und Burrhus bei Nero hatte er seit zweieinhalb Jahren den Beginn der Tyrannei beobachtet. So vielem Mißtrauen seitens der Volkspartei sah er sich ausgesetzt, so verdächtig war er den Medici, denen er Widerstand leistete, daß er in diesem Augenblick eine Katastrophe voraussah. Sobald er daher von Herzog Alexander um die Verhandlungen einer Ehe Katharinas mit einem Sohne Frankreichs hörte, die in Livorno vielleicht zum Abschluß kommen sollten, wo die Unterhändler sich ein Stelldichein gegeben hatten, faßte er den Plan, nach Frankreich zu gehen und sich an seiner Nichte Glück zu heften, die ja eines Vormunds bedurfte. In seiner Freude, sich eines Mannes zu entledigen, der in den Florentinischen Angelegenheiten so wenig entgegenkommend war, billigte Alexander diesen Plan, der ihm einen Mord ersparte, und gab Strozzi den Rat, sich an die Spitze von Katharinas Gefolgschaft zu stellen. Um den französischen Hof zu blenden, hatten die Medici tatsächlich die Gefolgschaft derjenigen, die sie recht unpassenderweise Prinzessin von Florenz nannten und die auch die kleine Herzogin von Urbino hieß, in glänzendster Weise zusammengesetzt. Der Zug, an dessen Spitze der Herzog Alexander, Katharina und Strozzi einherzogen, setzte sich aus mehr als tausend Personen zusammen, ohne Schutzwache und Dienerschaft mitzuzählen; und als die letzten durchs Florentiner Tor zogen, ritt der Vortrab schon durch das erste Dorf, fern der Stadt, wo heute die Strohhüte geflochten werden. Im Volke sickerte durch, daß Katharina einen Sohn Franz des Ersten heiraten sollte; aber es war nur erst ein Gerücht, welches diesem Triumphzuge von Florenz nach Livorno zufolge in Toskanas Augen feste Formen annahm. Bei den notwendigen Vorbereitungen zweifelte Katharina nicht länger, daß es sich um ihre Verheiratung handle, und ihr Onkel enthüllte ihr die ehrgeizigen Pläne ihres Hauses, welches für sie des Dauphins Hand gefordert hatte. Noch hoffte Herzog Alexander, der Herzog von Albany würde es durchsetzen, daß der König von Frankreich seinen Plan ändere, der, indem er sich der Medici Stütze in Italien zu erkaufen gedachte, ihnen nur den Herzog von Orleans überlassen wollte. Diese Kleinigkeit brachte Frankreich um Italien und hinderte nicht, daß Katharina Königin ward.

Dieser Herzog von Albany, der Alexander Stuarts Sohn, Jacobs des Dritten, des Schottenkönigs, Bruder war, hatte Anna de la Tour d'Auvergne, eine Schwester von Katharinas Mutter Magdalena de la Tour d'Auvergne, geheiratet; war also ihr Oheim mütterlicherseits. Durch ihre Mutter war Katharina so reich und mit so vielen Familien verwandt, es ist seltsam, auch Diana von Poitiers, ihre Nebenbuhlerin, war ihre Base. Johann von Poitiers, Dianas Vater, hatte Johanna de la Tour d'Auvergne, der Herzogin von Urbino Tante, zur Mutter. In gleicher Weise war Katharina mit ihrer Schwiegertochter Maria Stuart verwandt.

Katharina erfuhr, daß ihre Barmitgift hunderttausend Dukaten betrug. Der Dukate war damals ein Goldstück von der Größe der alten französischen Louisdor, aber nur halb so dick. Hunderttausend Dukaten jener Zeit stellen heute also, wenn man dem hohen Geldwerte Rechnung trägt, sechs Millionen vor. Man kann die Bedeutung des Bankhauses beurteilen, das Philipp Strozzi in Lyon besaß, da es seinem Geschäftsführer in dieser Stadt obliegen sollte, diese zwölfhunderttausend Livres in Gold zu liefern. Die Grafschaften Auvergne und Lauraguais brachte Katharina außerdem mit. Papst Clemens schenkte ihr weitere hunderttausend Dukaten an Geschmeiden, kostbaren Steinen und anderen Hochzeitsgeschenken, zu denen Herzog Alexander ebenfalls beisteuerte.

Bei ihrer Ankunft in Livorno mußte die noch so junge Katharina sehr geschmeichelt sein von dem maßlosen Prunk, den der damalige Chef des Hauses Medici, Papst Clemens, »ihr Oheim bei Unserer lieben Frau«, entfaltete, um den französischen Hof zu verblüffen. Er war bereits auf einer seiner Galeeren eingetroffen, die völlig mit karmoisinrotem Atlas ausgeschlagen, mit Goldfransen verziert und mit einem Zelt aus Goldbrokat bedeckt war. Diese Galeere, die fast zwanzigtausend Dukaten kostete, enthielt mehrere für Heinrich von Frankreichs Zukünftige bestimmte Gemächer, die alle mit den reichsten Raritäten, welche die Medici zu sammeln vermocht hatten, ausgeschmückt worden waren. Die herrlich gekleideten Ruderknechte und die Besatzung hatten einen Prior des Rhodeser Ritterordens zum Kapitän. Des Papstes Gefolgschaft war in drei anderen Galeeren untergebracht. Die Galeeren des Herzogs von Albany, die bei denen Clemens des Siebenten ankerten, bildeten mit ihnen eine ziemlich ansehnliche Flottille. Herzog Alexander stellte die Beamten von Katharinas Hause dem Papste vor, mit dem er sich insgeheim beriet, wobei er ihm wahrscheinlich den Grafen Sebastian von Montecuculi, der, wie es hieß, eben etwas plötzlich aus des Kaisers Dienst getreten war, und seine beiden Generäle Anton von Lêves und Ferdinand von Gonzaga vorstellte. Ward da zwischen den beiden Bastarden, Clemens und Alexander, im voraus beschlossen, den Herzog von Orleans zum Dauphin zu machen? Welche Belohnung ward dem Grafen Sebastian von Montecuculi versprochen, welcher, ehe er in Karls des Fünften Dienste getreten, Medizin studiert hatte? Über diesen Gegenstand schweigt sich die Geschichte aus. Wir werden übrigens sehen, in welche Nebel dies Geschehnis eingehüllt ist. Die Dunkelheit ist ja so groß, daß kürzlich ernste und gewissenhafte Historiker Montecuculis Unschuld anzunehmen vermochten.

Offiziell erfuhr Katharina aus des Papstes Munde nun, welchen Ehebund sie eingehen sollte. Nur mit großer Mühe hatte der Herzog von Albany es durchsetzen können, daß der König von Frankreich sein Versprechen, Katharinen seines zweiten Sohnes Hand zu geben, hielt. Auch war Clemens' Ungeduld so groß, er hatte eine solche Angst, seine Pläne, sei es durch eine kaiserliche Intrige, sei es durch die Verachtung Frankreichs, wo die Großen des Reiches mit schelem Auge auf diese Heirat blickten, durchkreuzt werden zu sehen, daß er sich auf der Stelle einschiffte und nach Marseille wandte. Um zu zeigen, bis zu welcher Höhe diese Bankiers ihren Luxus hinaufschraubten, möge die Bemerkung dienen, daß die vom Papste in die Hochzeitsbörse gesteckten zwölf Goldstücke in Medaillen von unschätzbarem historischen Werte bestanden, unschätzbar, weil sie damals schon Unika waren. Franz der Erste aber, der Glanz und Feste liebte, ließ sich bei dieser Gelegenheit auch nicht lumpen. Heinrichs von Valois und Katharinas Hochzeit dauerte vierunddreißig Tage. Völlig zwecklos ist es, die aus allen Provencer und Marseiller Geschichten bekannten Einzelheiten über die berühmte Papstbegegnung mit dem französischen Könige zu wiederholen; eingeleitet ward sie mit dem Scherz des Herzogs von Albany über die Fastenpflicht; ein komisches Quiproquo, von dem Brantôme erzählte, an welchem sich der Hof sehr delektierte und das den Ton der Sitten zu jener Zeit zeigt. Obwohl Heinrich von Valois nur zwanzig Tage älter war als Katharina von Medici, verlangte der Papst, daß die beiden Kinder noch am Hochzeitstage die Ehe vollzögen, so sehr fürchtete er die Ausflüchte der Politik und die zu jenen Zeiten üblichen Listen. Clemens, der, wie die Geschichte meldet, die Beweise des Ehevollzuges haben wollte, blieb ausdrücklich vierunddreißig Tage in Marseille, da er hoffte, seine junge Verwandte würde sichtliche Zeichen davontragen: denn mit vierzehn Jahren war Katharina mannbar. Als er die Neuvermählte vor seiner Abreise ausfragte, war sicherlich er es, der, sie zu trösten, die berühmten, Katharinas Vater zugeschriebenen Worte, sprach: A figlia d'inganno, non manca mai la figliuolanza.

Die merkwürdigsten Mutmaßungen sind über Katharinas Sterilität, die zehn Jahre währte, angestellt worden. Wenige Menschen wissen heute, daß mehrere medizinische Traktate, die auf diese Eigentümlichkeit Bezug nehmen, so unanständige Voraussetzungen enthalten, daß sie nicht wiedererzählt werden können. Übrigens kann man sie im Bayle beim Artikel Fernel nachlesen. Der zeigt den Maßstab für die seltsamen Verleumdungen, die noch auf dieser Königin lasten, deren sämtliche Handlungen entstellt worden sind. Die Ursache ihrer Sterilität war einzig und allein bei Heinrich dem Zweiten zu suchen. Es genüge der Hinweis, daß zu einer Zeit, wo es keinem Fürsten etwas ausmachte, Bastarde zu haben, Diana von Poitiers, die in viel höherer Gunst als die legitime Ehefrau stand, ebenfalls keine Kinder hatte. In der chirurgischen Medizin ist nichts bekannter als der Körperfehler Heinrichs des Zweiten, welcher übrigens durch den Scherz der Hofdamen erklärt wird, die ihn zum Abbé von Saint-Victor zu einer Zeit machen konnten, wo die französische Sprache die nämlichen Privilegien wie die lateinische besaß. Nachdem sich der Fürst einer Operation unterzogen, hatte Katharina elf Schwangerschaften und zehn Kinder. Es ist ein Glück für Frankreich, daß Heinrich der Zweite so lange gewartet hat. Wenn er von Diana Kinder gehabt haben würde, hätte sich die Politik seltsam verwickelt. Als diese Operation vorgenommen ward, stand die Herzogin von Valentinois in ihrer zweiten Frauenjugend. Diese eine Bemerkung beweist, daß Katharinas Geschichte noch von Anfang bis zu Ende zu schreiben ist, und daß nach einem sehr tiefen Worte Napoleons die französische Geschichte nur einen Band oder ihrer tausend umfassen muß.

Wenn man Karls des Fünften Benehmen mit dem des französischen Königs vergleicht, verleiht Papst Clemens des Siebenten Aufenthalt in Marseille wie in allen Dingen übrigens dem Könige eine riesige Überlegenheit dem Kaiser gegenüber. Folgenden kurzen Überblick über die Begegnung verdanken wir einem Zeitgenossen: ›Nachdem Seine Heiligkeit der Papst bis nach dem Palast geführt worden war, welcher, wie erwähnt, jenseits des Hafens für ihn eingerichtet wurde, zog jedweder sich in sein Quartier zurück bis zum folgenden Morgen, wo Seine Heiligkeit sich vorbereitete, seinen Einzug zu halten. Mit großem Pomp und großer Pracht ging dies vor sich; er saß auf einem Stuhl, der von zwei Männern geschultert ward und trug seine Pontifexgewänder außer der Tiara. Vor ihm ging ein weißer Zelter, auf dem das Sakrament des Altars ruhte; und es ward besagter Zelter von zwei Männern zu Fuß geführt und war in gar guter Ausrüstung, und die Zügel waren aus weißer Seide. Hinterdrein schritten alle Kardinäle in ihren Festgewändern und saßen auf ihren pontifikalen Maultieren, und die Frau Herzogin von Urbino folgte in großer Pracht, begleitet von einer stattlichen Anzahl Damen und Edelleuten, sowohl französischen als auch italienischen. Als der Heilige Vater in dieser Gesellschaft an den für seine Unterkunft vorbereiteten Ort kam, zog sich jedweder zurück, und alles dies ward befohlen und ausgeführt ohne irgendwelche Unordnung oder Tumult. Während nun der Papst seinen Einzug hielt, fuhr der König übers Wasser in einer Fregatte und bezog den Ort, von welchem der Papst ausgezogen war, um von diesem Orte aus als sehr christlicher König am folgenden Tage dem Heiligen Vater seinen Gehorsam zu bezeigen ...

Nachdem der König sich vorbereitet hatte, brach er auf, um nach dem Palaste zu kommen, wo der Papst war, begleitet von den Prinzen seines Geblüts, wie dem gnädigen Herrn Herzog von Vendosmois, (Vater des Vizedoms von Chartres) dem Grafen von Saint-Pol, den Herren von Montpensier und de la Roche-sur-Yon, dem Herzoge von Nemours, Bruder des Herzogs von Savoyen, welcher an besagtem Orte starb, dem Herzoge von Albany und mehreren anderen, so Grafen, Baronen wie Edelleuten. Und immer war bei dem Könige der edle Herr von Montmorency, sein Großmeister. Als der König im Palaste angelangt war, wurde er vom Papst und von dem ganzen Kardinalskollegium, das im Konsistorium versammelt war, sehr leutselig empfangen. Als dies geschehen, zog sich jedweder an den ihm befohlenen Ort zurück, und der König führte mit sich mehrere Kardinäle, um sie zu feiern, und unter diesen den Kardinal von Medici, des Papstes Neffen, einen sehr prächtigen und gut begleiteten Herrn. Am folgenden Morgen begannen sich die von Seiner Heiligkeit und die von dem Könige Befohlenen zu versammeln, um die Dinge zu behandeln, wegen welcher die Zusammenkunft statthatte. Zuerst ward die Sache des Glaubens behandelt und ward eine Bulle gepredigt, um die Ketzereien zu unterdrücken und zu verhindern, daß die Dinge in größeren Brand gerieten als schon geschehen. Dann wurde die Ehe des Herzogs von Orleans, zweiten Sohnes des Königs, mit Katharina von Medici, Herzogin von Urbino, Seiner Heiligkeit Nichte, geschlossen unter solchen oder ähnlichen Bedingungen, wie sie vorher dem Herzoge von Albany vorgeschlagen worden waren. Besagte Heirat wurde in großer Pracht vollzogen, und es vermählte der Heilige Vater das Paar. Diese Ehe wurde also in großer Pracht vollzogen, und der Heilige Vater hielt ein Konsistorium, bei welchem er vier Kardinäle schuf aus Ehrerbietung vor dem Könige: als da ist der Kardinal Le Veneur, vorher Bischof von Lisieux und Großalmosenier, der Kardinal von Boulogne aus dem Hause de la Chambre, mütterlicher Bruder des Herzogs von Albany, der Kardinal von Châtillon aus dem Hause Coligny, Neffe des Herrn von Montmorency, und der Kardinal von Givry.‹

Als Strozzi die Mitgift in Anwesenheit des Hofes überlieferte, bemerkte er einiges Erstaunen bei den französischen Edelleuten: die da ziemlich laut sagten, daß das für eine Mesallianz ein bißchen wenig sei (was würden sie heute gesagt haben?). Der Kardinal Hippolytus antwortete:

»Über eures Königs Geheimnisse seid ihr also schlecht unterrichtet. Seine Heiligkeit verpflichtet sich Frankreich drei Perlen von unschätzbarem Werte zu schenken: Genua, Mailand und Neapel.«

Der Papst ließ den Grafen Sebastian Montecuculi sich selber dem französischen Hofe vorstellen; der bot dort seine Dienste an, indem er sich über Anton von Lêves und Ferdinand von Gonzaga beschwerte, was die Ursache war, daß man ihn gnädig annahm. Montecuculi gehörte nicht zu Katharinas Gefolgschaft, welche gänzlich aus Franzosen und Französinnen zusammengesetzt wurde; denn einem Gesetze der Monarchie zufolge, dessen Durchführung vom Papste mit dem größten Vergnügen beobachtet wurde, ward Katharina vor der Ehe durch Patente naturalisiert. Montecuculi ward anfangs dem Hause der Königin, Karls des Fünften Schwester, zugezählt. Dann ging er einige Zeit später in der Eigenschaft eines Mundschenks in des Dauphins Dienst über.

Gänzlich verloren fühlte sich die Herzogin von Orleans an Franz des Zweiten Hofe. Ihr junger Gatte war in Diana von Poitiers verliebt, die, was Geburt anlangte, mit Katharinen wahrlich rivalisieren konnte und sich für eine viel größere Dame als sie hielt. Den Vorrang vor der Medicitochter hatte die Königin Eleonore, Karl des Fünften Schwester, und die Herzogin von Estampes, die durch ihre Heirat mit dem Haupte des Hauses de Brosse eines der mächtigsten Weiber und eine der höchsten Standespersonen Frankreichs war. Ihre Tante, die Herzogin von Albany, die Königin von Navarra, die Herzogin von Guise, die Herzogin von Vendôme, die Kronfeldherrin, mehrere andere ebenso angesehene Frauen verdunkelten durch ihre Geburt und Rechte ebensosehr wie durch ihre Macht an dem prächtigsten Hofe, dem, ohne Ludwig den Vierzehnten auszunehmen, ein französischer König vorgestanden hat, die Florentiner Krämertochter, die viel erlauchter, viel reicher durch das Haus de la Tour de Boulogne als durch ihr eigenes Haus Medici war.

Seiner Nichte Stellung war so schlecht und so schwierig, daß Philipp Strozzi sie, da er in keiner Weise fähig war, sie inmitten so entgegengesetzter Interessen zu leiten, im ersten Jahre verließ; er ward überdies durch Clemens des Siebenten Tod nach Italien zurückgerufen. Katharinas Aufführung war, wenn man sich klar macht, daß sie kaum fünfzehnjährig war, von musterhafter Klugheit. Aufs engste schloß sie sich dem Könige, ihrem Schwiegervater, an, den sie so wenig wie möglich verließ. Hoch zu Roß folgte sie ihm auf die Jagd und in den Krieg. Ihre abgöttische Liebe zu Franz dem Ersten rettete das Haus Medici bei des Dauphins Vergiftung vor jedem Verdacht. Ebenso wie der Herzog von Orleans befand sich Katharina damals in des Königs Quartier in der Provence, denn Frankreich wurde bald durch Karl den Fünften, des Königs Schwager, mit Krieg überzogen. Der ganze Hof blieb auf dem Schauplatze der Hochzeitvergnügen, welcher bald der eines der grausamsten Kriege werden sollte. Im Augenblick, wo der in die Flucht geschlagene Karl der Fünfte die Gebeine seiner Armee in der Provence ließ, kehrte der Dauphin auf der Rhone nach Lyon zurück. Zum Schlafen machte er in Tournon halt und stellte dort zum Zeitvertreib einige gewaltsame Übungen an, worin seines und seines Bruders Erziehung, ihrer Gefangenschaft als Geiseln zufolge, fast ausschließlich bestanden hatte. Der Prinz besaß die Unklugheit, da er sehr erhitzt war, im Augustmonate um ein Glas Wasser zu bitten, welches ihm Montecuculi mit Eis servierte. Der Dauphin starb beinahe sofort. Franz der Erste vergötterte seinen Sohn. Allen Historikern nach war der Dauphin ein vollkommener Fürst. Der verzweifelte Vater gab dem gegen Montecuculi eingeleiteten Prozesse die größte Bedeutung; die weisesten Richter seiner Zeit wurden mit ihm betraut. Nachdem er die ersten Torturen heldenhaft überstanden hatte, ließ sich der Graf zu Geständnissen herbei, in die er immer wieder den Kaiser und seine beiden Generäle, Anton von Lêves und Ferdinand von Gonzaga, hineinzog.

Dieser Prozeß befriedigte Franz den Ersten nicht. Keine Angelegenheit ward feierlicher durchgefochten als diese. Nach eines Augenzeugen Schilderung tat der König folgendes:

›Der König aber ließ zu Lyon alle die Fürsten seines Blutes und alle Ritter seines Ordens und andere hohe Persönlichkeiten seines Reiches sich versammeln; der Legat und der Nuntius des Papstes, die Kardinäle, die sich am Hofe befanden, auch die Gesandten Englands, Schottlands, Portugals, Venedigs, Ferraras und andere waren zugegen. Es versammelten sich alle fremden Fürsten und großen Herren, sowohl die italienischen wie die deutschen, welche zu jener Zeit an seinem Hofe lebten, wie der Herzog von Württemberg, ein Deutscher, die Herzöge von Somma, Arianna und Atria; der Prinz von Melphi (er hatte Katharina heiraten wollen) und von Stilliano, ein Neapolitaner; der edle Herr Dom Hippolytus von Este, der Marquis von Vigeve aus dem Hause Trivulci, ein Mailänder; der edle Herr Johann Paul von Cere, ein Römer; der edle Herr Cäsar Fregosi, Genevoi (ein Genuese aus Genua), der edle Herr Hannibal von Gonzaga, ein Mantuaner, und andere in sehr großer Zahl. Als die versammelt waren, ließ er in ihrer Gegenwart, von einem Ende bis zum anderen, den Prozeß des unglücklichen Menschen, welcher den hochseligen Herrn Dauphin vergiftet hatte, mit den Verhören, Geständnissen, Konfrontationen und anderen Formalitäten, die bei Kriminalprozessen üblich sind, verlesen, da er nicht wollte, daß das Urteil vollzogen würde, ohne daß alle Anwesenden ihre Meinung über diesen ungeheuerlichen und kläglichen Fall kundgetan.‹