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Dies ist ein Katzenratgeber der anderen Art. Denn diesmal steht nicht die Katze mit ihren Bedürfnissen und Verhaltensweisen im Mittelpunkt. Stattdessen geht es um dich als den Menschen deiner Katze. Was kann dir helfen, deine Katze empathisch und umsichtig durch ihr Leben an deiner Seite zu begleiten? Welche Fragen können dir zu einem tieferen Verständnis für die Eigenarten deiner Katze verhelfen? Wie kannst du dich selbst richtig gut aufstellen, um mit deiner Katze durch dick und dünn zu gehen - oder auch nur zum Tierarzt? "Katze mal anders" gibt dir zahlreiche Anregungen, um dich in deiner Rolle als Katzenhalterin zu reflektieren und neue Ideen zu entwickeln: Welche Stimmen melden sich in dir bei Gedanken an deine streitenden Katzen, eine Katzendiät oder Training mit Katzen? Wie gut kennst du die Engelchen und Teufelchen auf deinen Schultern, die dir Ratschläge einflüstern? Und wann solltest du wem Gehör schenken, wenn es um deine Katze geht? Sei gespannt auf Magic Cat Mom, die kluge Analystin, die Katzenkundlerin oder das Kreativwunder, die du demnächst gemeinsam mit weiteren katzen-weisen Figuren in dir etablieren kannst. Die anschaulichen Fallbeispiele und Denkanstöße in diesem Buch, die auf der Methode des inneren Teams basieren, sind außerdem gespickt mit zahlreichen Wissenshäppchen über Katzen. Christine Hauschild vereint in diesem Buch ihre Kompetenzen als Katzenexpertin und als systemische Beraterin, um für Katzen und ihre Menschen Gutes zu bewirken.
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Seitenzahl: 201
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WAS ERWARTET DICH IN DIESEM BUCH?
INNERE TEAMS IM KATZENALLTAG
Tierarztbesuch ja oder nein: Britta und Milli
Wie kommt die Katze in die Box::Britta und Milli
Einen Sack Flöhe trennen: Nina mit Poldi, Pelle und Peanut
Futter oder Input? Lea und Samti
Sofa oder Action: noch einmal Lea und Samti
Katze auf Diät – oder auch nicht? Judith und Kami
Reaktion oder Aktion? Judith mit Frodo
ANTEILE FÜR BEST PRACTICE
Die kluge Analystin
Die Dokumentarin
Magic Cat Mom
Das Kreativwunder
Die Katzenkundlerin
Die Checkerin
Sokratessa
AUSBLICK
ANHANG
Über die Autorin
Mein herzlicher Dank geht an ...
... Christina für ihr scharfes Auge trotz so wilder Zeiten.
... Fanny für die schönen Illustrationen und die angenehme Zusammenarbeit.
... Britta für aufmunterndes Probelesen und erholsame Stunden.
... Monty für verschiedene neue Tastenkombinationen.
Das Zusammenleben klappt für viele Mensch-Katze-Teams über sehr lange Zeiten verblüffend gut. Wenn man sich überlegt, dass Katzen als solitär jagende Beutegreifer mit athletischen Fähigkeiten und beeindruckenden Sinnesleistungen oft als Inbegriff der Unabhängigkeit gelten, kann man vor ihrer Anpassungsfähigkeit an moderne Haltungsbedingungen nur den Hut ziehen. In diesem Buch stehen aber ausnahmsweise die kätzischen Bedürfnisse nicht so sehr im Vordergrund.
Hunde und ihre Menschen bewegen sich regelmäßig auch außer Haus. Diese Kontakte mit der Umwelt führen dazu, dass an Hunde dahin gehend Ansprüche gestellt werden, welche Situationen sie meistern sollten. Optimalerweise bringen Hundehalterinnen ihren Tieren bei, sich „richtig“ zu verhalten. Patricia MCCONNELL hat vor langer Zeit für Hundehalterinnen den Begriff „Das andere Ende der Leine“ geprägt und den Fokus darauf gelenkt, dass nicht nur die Hunde, sondern auch die Menschen viel für ein angenehmes Miteinander lernen können. Sie haben es in der Hand, eine aktive, konstruktive und reflektierte Rolle im Umgang mit ihren Hunden einzunehmen.
Da bislang nur sehr wenige Katzen gewohnt sind, Geschirr und Leine zu tragen, können wir MCCONNELLS Ausdruck nicht einfach auf Katzen übertragen. Wie lässt sich die Rolle des Katzenmenschen in der Ausgestaltung der Mensch-Katze-Beziehung auf den Punkt bringen? „Das andere Ende der Spielangel“? „Weiche Wärmequelle unter den Pfoten“? „Persönliches Servicepersonal für kätzische Belange?“ Oder vielleicht „Götter mit absoluter Hoheit über die (Un-)Freiheiten von Katzen“?
Nicht selten bergen die typischen Arrangements von Mensch und Katze einige Widersprüche. So wird etwa das Klischee gepflegt, Katzen könnte man nicht erziehen. Gleichzeitig scheinen Katzenmenschen häufig darauf zu setzen, dass ihre Katze auf magische Weise weiß, wie sie sich „richtig“ verhalten kann. Katzen gelten als autonom und eigenständig und deshalb als bequeme Haustiere für Menschen ohne Zeit. In Wohnungshaltung werden Autonomie und Eigenständigkeit der Katze jedoch enge Grenzen gesetzt – es fehlen schlicht die äußeren Möglichkeiten, typisch kätzischen Aktivitäten wie Revierstreifzügen und Jagdverhalten nachzugehen. Viele Menschen finden das Bild einer zufrieden und gemütlich in der Wärme liegenden Katze anziehend. Sie vergessen jedoch, dass die meisten Katzen vor allem dann wirklich überzeugend zufrieden und wohlig herumliegen, wenn sie vorher etwas Anregendes oder Schönes erlebt haben, das diese Zufriedenheit nährt.
Anders als das Leben mit Hund spielt sich die Beziehung zwischen Menschen und ihren Katzen vorwiegend im Privaten ab. Das hat den Vorteil, dass an viele Katzen keine hohen Ansprüche gestellt werden, um anderen Menschen zu gefallen bzw. den Kontakt mit anderen zu ermöglichen. Dies trifft auf eine bemerkenswert große Kompromissbereitschaft bei vielen Katzenhalterinnen, sich auch an die Gepflogenheiten ihrer Katzen anzupassen – manchmal möglicherweise schlicht aufgrund einer Kombination aus Unwissenheit, wie sie ihre Katze zu einer Verhaltensveränderung bewegen könnten, mit einem sehr großen und liebevollen Herz für die Katze. Schwierig kann es werden, wenn sich die Lebensumstände ändern und damit auch die Wünsche an die Katze, z.B. wenn ein Partner einzieht oder ein Baby kommt. Oder wenn sich die Bedürfnisse oder das Verhalten der Katze verändern, z.B. aufgrund von Alter, schlechterer Gesundheit oder Überforderung durch gewandelte Lebensumstände.
In meiner langjährigen Arbeit als Beraterin für Problemverhalten von Katzen konnte ich oft beobachten, dass es anderen Katzenmenschen ganz ähnlich geht wir mir selbst in der Rolle als Halterin: Die Bedürfnisse von Menschen und Katzen passen in manchen Situationen wunderbar zusammen, etwa wenn man nach gemeinsamer Gartenarbeit zusammen auf das Sofa sinkt und kuschelt. Häufig stehen die Bedürfnisse aber auch in Konkurrenz zueinander. Der Mensch wünscht sich nach Feierabend eine gemütliche, ruhige Katze – die Katze ist hingegen voll ausgeschlafen und freut sich auf gemeinsame Action. Der Mensch wünscht sich eine lustig vor sich hin spielende Katze – die Katze wünscht sich Gelegenheit für konzentriertes Lauerspiel, bei dem der Mensch die Beute realistisch bewegt. Der Mensch möchte seine Katze auf den Arm nehmen, wenn er traurig oder einsam ist – die Katze ist aber gerade im Autonomiemodus und möchte nicht einfach geschnappt und bekuschelt werden.
Gerade in solchen Situationen und auch, wenn es darum geht, den Katzen die nötigen Fähigkeiten für ein Leben in menschlich strukturierter Umgebung zu verschaffen, kommt dem Menschen aus meiner Sicht eine besondere Verantwortung zu. Auch wenn wir Katzen nicht so stark reglementieren wie Hunde und sie meist nicht an der Leine führen, ist das Verhältnis zwischen Mensch und Katze keinesfalls gleichberechtigt. Es sind die Menschen, die alle wichtigen Entscheidungen für die Katze treffen: wo sie wann mit wem zusammenlebt; ob sie Freigang bekommt und falls ja, in welcher Form; wann es welches Futter gibt; ob und wie viel gespielt, gekuschelt und trainiert wird; oder wie viel Zeit sie allein verbringt, um nur einige Beispiele zu nennen. Der Handlungsspielraum der Katzen bewegt sich innerhalb der Grenzen, die die Menschen durch die geschaffenen Lebensbedingungen setzen.
In den vergangenen Jahren ist das Bewusstsein gestiegen, dass Katzen durchaus anspruchsvolle Haustiere und vor allem fühlende Wesen sind, die Freude und Leid erleben können. Viele Katzenmenschen beginnen, sich stärker mit den Bedürfnissen ihrer Stubentiger auseinanderzusetzen und engagieren sich für ein schöneres und artgerechteres Katzenleben. Glücklicherweise erkennen auch immer mehr Menschen, wie viel und wie schnell viele Katzen lernen können, wenn wir die richtigen Methoden einsetzen. Zahlreiche Publikationen, Seminare und Onlinekurse bieten interessierten Katzenmenschen Informationen zu einer Form von Katzenhaltung, die den Namen „Moderne Katzenhaltung“ verdienen würde.
Mit diesem Buch möchte ich nun eine Lücke schließen und den „Faktor Mensch“ stärker in den Vordergrund der Mensch-Katze-Beziehung stellen. Was kann einer Katzenhalterin helfen, ihrer Verantwortung für die Katze häufiger gerecht zu werden, ohne sich selbst dafür völlig in den Hintergrund zu stellen? Wie kann man kluge und vorausschauende Entscheidungen treffen, die dem Zusammenleben mit der Katze guttun? Welche Fragen und kleinen Tricks können hilfreich sein, um das Wohlergehen der eigenen Katze und die eigene Mensch-Katze-Beziehung immer wieder angemessen in den Fokus zu nehmen – ein Katzenleben lang? Ist es vielleicht möglich, die eigene Perspektive zu erweitern, indem man als Mensch bewusst eine Außenposition einnimmt?
Eine Möglichkeit, so eine Meta-Perspektive einzunehmen, ist die Betrachtung von sogenannten inneren Teams.
„Wie häufig spielen Sie denn im Alltag so mit Ihrer Katze?“ – „Oh, viel zu selten ...“
Hättest du in meinen Katzenberatungen Mäuschen gespielt, dann wäre dir dieser kleine Dialog sehr vertraut. Die wenigsten Halterinnen haben auf die Frage nach den Spielritualen mit den eigenen Katzen einfach mit einem sachlichen „zweimal pro Woche“, „dreimal am Tag“ oder „eigentlich nie“ geantwortet. Stattdessen konnte ich in leicht zerknirschte Gesichter blicken, die halb lächelnd, halb verzagt mit schlechtem Gewissen vorausschickten, dass es sicher nicht genug sei.
Es ist ein typisches Phänomen, dass Katzenhalterinnen wissen, dass es für ihre Katze schön und wichtig wäre, regelmäßig mit ihren Menschen zu spielen. In einer konkreten Situation, in der theoretisch Zeit dafür vorhanden wäre, die Spielangel zu schwingen, nehmen viele von uns dann aber eher das Handy in die Hand, räumen noch kurz auf oder sinken nach einem anstrengenden Tag gemütlich aufs Sofa. Wir erliegen der Versuchung, die potenzielle Spielzeit mit der Katze dafür zu nutzen, etwas anderes zu erledigen oder rechtschaffen müde und faul zu sein. Wie kommt das?
Das Konzept des inneren Teams kann helfen, solche vermeintlichen inneren Widersprüche besser verständlich zu machen: Nach diesem Modell besteht unsere individuelle Persönlichkeit aus unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen. Diese inneren Anteile bringen verschiedene Vorlieben, Bedürfnisse, Emotionen, Meinungen und Handlungsmuster mit. Sie können z.B. selbstbewusst oder unsicher, vorpreschend oder zurückhaltend, umsichtig oder eher selbstbezogen, kindlich oder erwachsen sein. Wenn du einen inneren Konflikt spürst, weil du dich nicht zwischen zwei Optionen entscheiden kannst, dann wirst du innerlich vermutlich mindestens zwei deiner inneren Anteile miteinander diskutieren hören.
Ich möchte das am Beispiel von Lisa mit ihren Katzen Lucy und Leo verdeutlichen. Es ist Sonntag und Lisa kommt gerade von einer Familienfeier nach Hause. Diese begann schon vormittags um 11 Uhr, jetzt ist es 19:30 Uhr. Hinter Lisa liegt ein Tag mit leckerster Völlerei von früh bis spät und unglaublich vielen teils schönen, teils aber auch anstrengenden Gesprächen. Morgen steht ein Tag mit zahlreichen wichtigen Meetings an. Für Lucy und Leo hat Lisa sich morgens eine Viertelstunde Zeit genommen und mit ihnen gespielt. Tagsüber haben die beiden viel geschlafen – das tun sie üblicherweise, wenn nichts weiter los ist. Seit Lisas Heimkehr sind sie wach und bereit für gemeinsame Aktivitäten. Und nun?
Nun melden sich verschiedene Anteile aus Lisas innerem Team: Ein empathischer Anteil sagt: „Meine armen Katzen hatten einen ziemlich langweiligen Tag. Es wäre gut, noch eine Runde mit ihnen zu spielen.“ Ein gestresster Anteil entgegnet, dass morgen ein harter Tag werde und Lisa nach dem trubeligen Tag jetzt unbedingt zur Ruhe kommen sollte. „Kuscheln ist ja auch was Schönes für die Katzen“ pflichtet ein sehr liebevoller Anteil bei, der zu gerne gemeinsam mit den Katzen auf dem Sofa kuschelt. Die Pflichtbewusste in Lisa wirft ein, dass eine Viertelstunde Actionzeit schon noch machbar sei. „Und wenn ich die beiden jetzt nicht noch auslaste, wird Leo wahrscheinlich morgen früh wieder stinkig zu Lucy sein,“ mahnt die Vorausschauende. „Aggh, das ist mir jetzt egal. Ich brauche einfach nur noch meine Ruhe!“ stöhnt ein erschöpfter Anteil, hält sich die inneren Ohren zu – und Lisa lässt sich aufs Sofa fallen.
Dies sind natürlich nicht alle Persönlichkeitsanteile, die zu Lisa gehören. Es sind nur diejenigen, die zur aktuellen Situation eine Haltung haben und in Lisa darum ringen, wie der Abend nun weitergehen soll.
Alle genannten Anteile haben gute Gründe dafür, sich zu Wort zu melden. Die Empathische wünscht sich, dass es Lucy und Leo gut geht. Die beiden liegen Lisa schließlich sehr am Herzen. Die Gestresste weiß, dass zu Lisas innerem Team ein weiterer wichtiger Anteil gehört, der im Moment gerade still ist: Das Arbeitstier. Unter dem leidet die Gestresste, weil das Arbeitstier einfach immer mehr plant und macht, als die Gestresste gut wuppen kann. Deshalb mahnt sie rechtzeitige Ruhe an. Sie kann sich gut mit der Erschöpften verbünden, die sich einfach nur groggy fühlt und sich nicht mehr anstrengen möchte. Das Kuschelkind kann gut bei den beiden andocken, denn ihm ist es egal, weshalb Lisa auf dem Sofa landet. Hauptsache es gibt ausgiebig Gelegenheit, mit Lucy und Leo ganz innig zu kuscheln. Gegen diese Sofa-Trias kommen die Pflichtbewusste und die Vorausschauende an diesem Sonntagabend nicht an. Natürlich würde Lisa noch einige Minuten Spiel schaffen und sie weiß auch, dass das für die Harmonie zwischen Leo und Lucy wichtig wäre. Aber Lisa überlässt ihrem erschöpften Anteil die Entscheidung über den weiteren Verlauf des Abends.
Die Idee von Persönlichkeitsanteilen ist in verschiedenen beraterischen und therapeutischen Schulen verbreitet. Einer der ersten, der dieses Konzept unter dem Namen „Inneres Team“ im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht hat, ist der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun. In den USA entwickelte u.a. Richard C. Schwartz die Therapie mit dem inneren Familien-System. Gunther Schmidt, prominenter Vertreter des hypnosystemischen Ansatzes in Deutschland, spricht vom sogenannten „Seiten-Modell“. Und auch die Transaktionsanalyse verweist mit den fünf inneren Antreibern bzw. dem Eltern-Ich, dem Erwachsenen-Ich und dem Kind-Ich auf die Nützlichkeit solcher Modelle für die Selbstreflexion und die persönliche Weiterentwicklung.
Meine eigene Arbeit mit dem inneren Team ist wesentlich beeinflusst durch meine Zusatzausbildung am Institut für integrative Teilearbeit in Hamburg (Dagmar Kumbier, Karen Zoller, Constanze Bossemeyer) und zahlreiche systemische und hypnosystemische Fortbildungen bei Gunther Schmidt.
Die Idee des inneren Teams wird in den folgenden Kapiteln eine zentrale Rolle spielen. Zunächst werden beispielhafte Innere Teams zu bestimmten Alltagssituationen mit Katzen beleuchtet, z.B.: Weshalb fällt es oft schwer, Katzen auf Idealgewicht zu bringen? Wieso trauen sich viele Menschen gar nicht erst an kleine Trainings heran oder schieben einen anstehenden Besuch in der Tierarztpraxis ewig vor sich her? Dabei zeichne ich Beweggründe nach, die ich bei vielen Katzenmenschen beobachten konnte und zeige mögliche Entwicklungsperspektiven auf.
Anschließend kommen Vorschläge für innere Anteile, die das innere Team eines Katzenmenschen sehr bereichern können, denn: Eine Neueinstellung von inneren Anteilen ist tatsächlich möglich! Im entsprechenden Kapitel erfährst du Näheres dazu. Einzelne dieser besonders hilfreichen inneren Anteile geben dann eine Kostprobe davon, wie sie aus ihrer Rolle heraus die Katze und ihr Verhalten betrachten und welchen Mehrwert sie so für das Zusammenleben mit der Katze bringen können.
So wenig, wie man alle Katzen über einen Kamm scheren kann, möchte ich das mit sämtlichen Katzenmenschen tun. In einigen Aspekten meiner Beispielteams wirst du dich wiederfinden, in anderen vermutlich gar nicht. Neben vielen Anregungen im Text findest du im Anhang noch eine Kurzübersicht dazu, wie du beginnen könntest, dein eigenes inneres Team für Katzenangelegenheiten näher kennenzulernen und das Wissen aus diesem Buch für konkrete Situationen anzuwenden, die dich im Zusammenhang mit deiner Katze beschäftigen.
Die Abschnitte zu den verschiedenen inneren Teams im Katzenalltag sind in sich jeweils abgeschlossen. Du kannst also zwischen ihnen springen. Meine Empfehlung ist es jedoch, das Buch von vorne nach hinten zu lesen. In jedem Kapitel gibt es neue Aspekte zur Idee des inneren Teams zu entdecken, die dann nicht für jedes Beispiel wiederholt werden. Wenn du sie chronologisch liest, bekommt du jeweils Informationen, die für dein Verständnis nachfolgender Anregungen hilfreich sein können.
Du wirst an verschiedenen Stellen des Buches ermuntert, das Gelesene auf dich selbst und deine eigene Situation anzuwenden. Ich würde dir gerne ans Herz legen, diese kleinen Anregungen aufzugreifen und mit deinem eigenen inneren Team ein wenig zu experimentieren. Besonders fruchtbar könnte es für dich sein, wenn du diesen Weg gemeinsam mit einer anderen Katzenfreundin gehst. Dann könntet ihr euch austauschen und voneinander lernen.
Die Beschäftigung mit dem eigenen inneren Team kann emotional durchaus bewegend sein. Es ist möglich, dass du dabei etwas mehr Zugang zu verschiedenen Gefühlen bekommst. Vielleicht bricht sogar mal etwas auf, was du schon längere Zeit unter einem Deckel gehalten hast. Vielleicht entdeckst du aber auch beachtenswerte Qualitäten oder Fähigkeiten in dir, die dir zu mehr Ruhe und Mut verhelfen. So oder so: Geh bitte sorgsam mit dir um. Und falls du merkst, dass wirklich viel in dir in Bewegung kommt, dann blättere jederzeit einmal vor zum Best Practice-Anteil Sokratessa.
HINWEIS
Gendergerechte Sprache liegt mir am Herzen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich mich entschieden, auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) zu verzichten. Sämtliche Personenbezeichnungen und die weibliche Schreibweise gelten ausdrücklich für alle Geschlechter.
Im Zusammenleben mit Katzen müssen die zugehörigen Menschen Entscheidungen treffen. Dazu gehören viele kleine Alltagsentscheidungen, wie z.B.
• Gebe ich meiner Katze jetzt ein Leckerchen oder nicht?
• Mache ich meiner Katze jetzt die Balkontür auf oder nicht?
• Biete ich jetzt noch ein Spielchen an oder verschiebe ich das auf später?
Aber auch größere, deren Umsetzung Planungsschritte und Vorbereitungen oder mehr Zeit in Anspruch nehmen bzw. Nerven kosten würden, Entscheidungen fallen immer mal wieder an:
• Gehe ich heute gleich noch nach Feierabend mit meiner Katze zum Tierarzt? Oder geht es ihr vielleicht nach dem Wochenende von allein besser?
• Sollte ich die Katze meiner Freundin mit meinen Bestandskatzen vergesellschaften, wenn meine Freundin ins Ausland geht? Oder vielleicht den kleinen süßen Nachwuchs von der armen Bauernhofkatze im Dorf meiner Eltern?
• Meine Katze hat zugenommen – eine Diät könnte ihr guttun. Fange ich da jetzt schon mit an?
Alle großen und kleinen Entscheidungen von Katzenmenschen haben unmittelbare kurzfristige oder auch langfristige Konsequenzen für ihre Katzen. Vielleicht geht es um unmittelbares Wohlbefinden gegenüber einem Zustand von akuter Frustration, womöglich aber auch um den Erhalt von Gesundheit und Lebensqualität.
Dies gilt explizit auch für Situationen, die sich eher wie Nicht-Entscheidungen oder Noch-Nicht-Entscheidungen anfühlen. Stell dir vor, dass ich den Verdacht hege, bei meinem Kater Monty könnte ein gesundheitliches Problem vorliegen, denn er sieht seit Kurzem ungewöhnliche struppig aus. In der Folge überlege ich, ob ich ihn in unserer Tierarztpraxis vorstellen sollte. Weil ich nicht so recht weiß und er sonst ja wohlauf wirkt, mache ich erst einmal gar nichts und warte ab. Auch das ist eine Entscheidung, nämlich die, trotz potenzieller Krankheitsanzeichen keine Expertin für Tiermedizin aufzusuchen. Für Monty würde das bedeuten, dass er womöglich länger unter bereits vorhandenen Beschwerden leidet, als vielleicht nötig gewesen wäre. Auch riskiere ich eine Verschlechterung seines Zustands, die sich ungünstig auf die Heilungsperspektiven auswirken könnte. Beides würde Konsequenzen für Montys aktuelle bzw. künftige Lebensqualität haben. Gleichzeitig hat meine Entscheidung zur Konsequenz, dass Monty nicht dem möglichen Stress von Transport und Untersuchung ausgesetzt wird. Er selbst würde diesen Punkt vermutlich begrüßen, auch wenn sein Stress in diesen Situationen durch unser vorbereitendes Training nicht mehr so groß ist wie früher.
Zeiten, in denen Katzenmenschen lange Abwägungen anstellen, ob sie etwas Bestimmtes tun oder lassen sollen, können und sollten also verstanden werden als Zeiten, in denen wir Tag für Tag die Entscheidung treffen, noch nicht zu handeln. Und die Folgen des Nicht-Handelns beeinflussen dann das Wohlgefühl unserer Katzen, im Guten wie im Schlechten.
Um die eigenen Entscheidungen besser zu verstehen und als Katzenhalterin gute Entscheidungen im Sinne der Katze zu treffen, lohnt sich die Betrachtung der jeweiligen inneren Teams. Welche unterschiedlichen Stimmen geraten in innere Diskussionen miteinander? Welcher Anteil reißt ungefragt die Entscheidungsgewalt an sich und macht die anderen mundtot? Welche Anteile wären gute Ratgeber für die jeweilige Sachlage? Was bräuchten die anderen Teammitglieder, um eine unbequeme Entscheidung mitzutragen statt zu beginnen, Bedenken, Zweifel und Vorwürfe in Dauerschleife anzumelden?
In diesem Kapitel skizziere ich beispielhafte innere Teams, deren Anteile typisch sein könnten für die inneren Stimmen, die in einem Katzenmenschen in bestimmten Situationen seine Entscheidung beeinflussen. Die Anteile, die beschrieben werden, sind fiktiv, beruhen jedoch auf meinen Beobachtungen von zahlreichen Katzenhalterinnen, die ich im Rahmen meiner Arbeit kennen gelernt habe, und teilweise auch auf Beobachtungen an mir selbst und befreundeten Personen. Möglicherweise kommen dir einzelne Anteile mehr oder weniger vertraut vor, du kennst die Argumente oder die Gefühle, die mit ihnen verbunden sind. Andere erscheinen dir vielleicht eher fremd und merkwürdig, während sich in dir selbst noch ganz andere Stimmen bei dem Thema melden. Die Beispiele erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Allgemeingültigkeit. Sie dienen dazu, dir die Idee der inneren Teams von Katzenhalterinnen näherzubringen und dich zum Nachdenken über deine eigenen inneren Anteile anzuregen.
Britta fällt seit zwei Tagen auf, dass ihre 9-jährige Katze Milli sich anders verhält als üblich. Sie hat gestern ihre sonst innig geliebte Schwester Maja angefaucht und mochte gestern und heute nur sehr kurz spielen. Außerdem hat Britta Milli mehrmals für einige Minuten in einer angespannt wirkenden Kauerhaltung gesehen. Abgesehen von diesen Momenten erscheint ihr Milli aber normal: sie frisst und kuschelt, setzt ganz normal Urin ab und vorgestern auch noch Kot, und Britta kann auch nichts Auffälliges in ihren Bewegungen erkennen.
Als Britta beginnt zu überlegen, ob sie mit Milli zu ihrer Tierärztin fahren sollte, entspinnt sich folgender innerer Dialog:
Die Fürsorgliche: „Millis komisches Verhalten könnte ein Krankheitszeichen sein. Sicherheitshalber werde ich das abklären lassen.“
Katzenherz: „Dann fürchtet sich die arme Milli so sehr. Muss ich das Milli antun?“
Die Verlustsame: „Genau. Und anschließend mag Milli mich vielleicht nicht mehr…
Die Schwarzseherin: „Ich habe so Angst, dass Milli etwas Tödliches hat. Damit könnte ich gar nicht leben. Milli darf nicht krank sein.“
Die Pragmatische: „Je früher wir das wissen, desto besser kann Milli geholfen werden.“
Die Schwarzseherin: „Aber wenn du jetzt zum Tierarzt fährst, bekommt Milli eine tödliche Diagnose. Dann haben wir Gewissheit und dann wird sie sterben.“
Die Zweckoptimistin: „Ach, da ist bestimmt gar nix… Sie ist doch sonst gut drauf.“
Die Fürsorgliche: „Falls Milli krank ist, braucht sie passende Behandlung. So verhindern wir Schlimmeres.“
FOMO1: „Oh, das wird bestimmt wieder sehr teuer. Ich wollte doch das Wochenende wegfahren.“
Die Vielbeschäftigte: „Ich weiß gar nicht, wie ich das zeitlich unterbringen soll. Bei der Arbeit ist so viel los und Anna hat runden Geburtstag.“
Katzenherz: „Arbeit und Anna sind ja wohl egal, wenn es um Milli geht!“
Die Pragmatische: „Die Firma wird wegen 2 Stunden Arbeitspause nicht pleitegehen. Und Anna hat Milli total gern und wird dir verzeihen, wenn du ein wenig später kommst. Und dann hast du es hinter dir!“
Die Zweckoptimistin: „Hast recht. Wird schon schiefgehen…“
Die Verlustsame: „Vielleicht geht das ja aber auch von allein weg. Du willst doch Millis Vertrauen zu dir nicht sinnlos zerstören. Warte doch noch ein paar Tage ab.“
Es gibt zwei Anteile in Britta, die einen zeitnahen Tierarztbesuch befürworten, nämlich die Fürsorgliche und die Pragmatische. Für beide ist klar, dass Britta gerade potenzielle Anzeichen einer Erkrankung beobachtet hat und dass eine tierärztliche Abklärung sinnvoll und angemessen ist.
Die Zweckoptimistin ist ein wenig Fähnlein im Wind – sie kann beiden Optionen etwas abgewinnen. Das Katzenherz fließt schon bei dem bloßen Gedanken an die verängstigte Milli vor Mitgefühl über. Gleichzeitig würde sie Millis Wohlergehen alles andere unterordnen. Das Katzenherz ist verzagt und sieht keinen guten Ausweg.
Die übrigen Anteile stehen einer kurzfristigen Fahrt zur Tierärztin aus ganz unterschiedlichen Beweggründen skeptisch gegenüber:
Die Verlustsame, die offenbar noch einige unverheilte Wunden von früheren Trennungen von geliebten Lebewesen mit sich herumträgt, fürchtet, auch Millis Zuneigung zu verlieren. Und die Schwarzseherin scheint einer Art Aberglauben zu unterliegen, dass der Besuch beim Tierarzt Krankheit und den folgenden Tod erst bewirkt. Diese beiden sind, gemeinsam mit dem Katzenherz, also vereint in quälender Sorge, dass die Fahrt in die Praxis großes Unheil anrichten wird.
Auch FOMO und die Vielbeschäftigte wollen derzeit nicht unbedingt mit Milli zur Tierärztin. FOMO hat Angst, etwas Tolles zu verpassen. Das Sparschwein sollte demnächst geplündert werden für ein Ostseewochenende mit einer alten Freundin. Es wäre zu schade, wenn das Ersparte jetzt für Tierarztkosten draufgeht, die sich vielleicht sogar als unnötig herausstellen. Die Vielbeschäftigte hingegen ist ein ziemlich gestresster Anteil, der versucht, die Erfordernisse aus Arbeit und Privatleben, aus Beziehungen zu Menschen und Tieren unter einen Hut zu bringen – und gerade ist schon so viel los, da stößt sie an ihre Grenzen. Und tatsächlich würde sie auch gerne an der Ostsee ausspannen. FOMO und die Vielbeschäftigte sind also gute Bündnispartnerinnen, die andere Lebensbereiche in den Fokus stellen möchten.
BRITTAS ENTSCHEIDUNG: SZENARIO 1
Britta resümiert, dass Millis Symptome eher harmlos sind und ja auch erst kurz andauern. Das steht vielleicht nicht im Verhältnis zu dem Stress, den Milli durch den Transport und die Untersuchung hätte. Es wäre wirklich doof, das mühsam aufgebaute Vertrauensverhältnis zu gefährden. In Anbetracht dessen, dass außerdem das Geld gerade eher knapp ist und sie beruflich und privat unter Zeitstress steht, entscheidet sie, bis Anfang nächster Woche abzuwarten. Vielleicht hat sich das Thema dann von selbst erledigt. Und außerdem passt ein Tierarztbesuch dann vermutlich besser rein.
WELCHE ANTEILE HABEN HIER MASSGEBLICH ZUR ENTSCHEIDUNG BEIGETRAGEN?
Die Contra-Fraktion hat sich fürs Erste durchgesetzt. Maßgeblich für Brittas Entscheidung sind die besorgten und ängstlichen Anteile. Die Argumente von FOMO und der Vielbeschäftigten scheinen eher als Pseudobegründungen nachgeschoben, um die emotionale Entscheidung zu stützen. Brittas inneres Team konzentriert sich nun darauf, sich erstmal keine weiteren Gedanken um Milli zu machen und entsprechend auch keine Ängste zu fühlen.
BRITTAS ENTSCHEIDUNG: SZENARIO 2
Britta orientiert sich an der Stimme der Fürsorglichen, die sich auf das Wissen darüber stützt, dass Katzen mögliche Erkrankungen oft lange verbergen. Millis kurzzeitige Verhaltensauffälligkeiten wären typische Indizien für körperliches Unwohlsein. Britta vereinbart noch für den gleichen Tag einen Tierarzttermin. Dabei fühlt sie die Ängste der Verlustsamen und der